Bullinger, Heinrich – Werbung um Anna Adlischweiler

Bullinger, Heinrich – Werbung um Anna Adlischweiler

Montag nach Michaelis 1527 ließ der Züricher Reformator Heinrich Bullinger an Anna Adlischweiler, Klosterfrau am Oetenbach, ein Werbungsschreiben ergehen, welches Mancherlei enthält, das in einen Pfarrfrauenspiegel passen möchte, daher ein Auszug aus demselben wohl hier stehen mag.

Es steht jetzt so übel in der Welt, daß es kein Wunder ist, wenn eine fromme Tochter gegen alles argwöhnisch ist, was ihr auch in guter Meinung geschrieben wird. Es hätte mich dieses auch abgehalten dir zu schreiben, wofern ich nicht wüßte, daß du seit Jahren her erkannt hast, daß meine Gedanken auf keinerlei List gerichtet sind, am wenigsten darauf, ein frommes und einfältiges Gemüth irre zu leiten, insbesondere dich nicht, die du mir um deiner edlen Züchtigkeit, Einfalt und Kindlichkeit willen vor andern lieb und achtungswerth bist. Lies daher ohne Sorg und Argwohn diesen Brief unbefangen und in der Stille mit Fleiß und ernstlicher Ueberlegung; denn es ist nicht wenig an der Sache gelegen, die ich vorbringe.

Der ewige allmächtige Gott hat uns von Anfang geordnet in Christo Jesu zum ewigen Leben; darum ist Noth, daß wir alle, die wir auf seinen Namen getauft sind, die Welt und was in ihr ist, verlassen, und uns umgestalten nach dem Bildnis Gottes, nach welchem wir geschaffen sind und das wir ewiglich zu genießen begehren. Dieses geschieht, wenn wir an uns nehmen ein tugendlich Leben. Da nun aber ein solches nirgends lebendlicher ausgedrückt wird, als im ehelichen Stande, welchen Gott selbst schon im Paradiese eingelegt und mit mehr Verheißungen begabt hat, als irgend einen anderen, so dürfen wir solchen keineswegs verachten. Finden wir denn, daß Gott verheißen hat, christliche Eheleute zu beschirmen, zu leiten und zu erziehen, in Liebe, Einigkeit und großer Süßigkeit des Geistes in aller Gerechtigkeit und Erfüllung seiner Gebote, sehen wir, daß die treuesten Freunde Gottes, ein Adam, Enoch, Noah, Abraham, Moses, David, Jejaias, im Neuen Testamente Petrus, Philippus u. s. w. in diesem Stande gelebt, und die allerzüchtigsten Töchter Sara, Rebekka, Ruth, Elisabeth, Maria sich in denselben begeben, so wird Niemand sagen dürfen, daß derselbe nicht ein lieblicher, göttlicher Stand sei. Es lehrt auch die Erfahrung, daß man in diesem Stande den Unglauben und allerlei böse Gedanken leichter überwindet; denn nachdem man folgsam dem Gebote Gottes zu diesem Stande sich entschlossen, obgleich manches dabei ist, das dem Fleisch schwer dünket, und nachdem man zu Gottes Ehr und Nutz der Menschen Kinder erzogen, so darf man auch frei zu Gott in allen Nöthen laufen und sprechen: Ich habe Deines Willens gepfleget und Deine Gebote gehalten, darum hilf mir auch nach Deiner Verheißung! Hiebei ist viel Uebung gläubiger Hoffnung. Geht es dann wohl, so ist viel Dank dabei, so daß das Gemüth immer an Gott haftet, und man ihn von Herzen liebet. Wenn dann eines fröhlich oder frank und traurig ist, hat es einen Gespann, der Lieb und Leid mit ihm trägt, bis endlich nach dem Rufe Gottes dieses zeitliche Leben erlöschet. Sprichst du, wo sind die Eheleute, die in solcher Gottesfurcht leben, und lauter Ruhe und Freude genießen; ist doch nichts in der Welt als Unruhe, Zank, Streit u. dgl.; so antworte ich: daß solcher Unruhe noch viel in der Welt ist, das ist nicht des ehelichen Standes, sondern der Leute Schuld, die in der Ehe Nutz und Lust ohne Gott suchen und diesen Stand nicht recht zu gebrauchen wissen. Indessen gibt es noch immer viel fromme Leute, welche diesen Stand mit Gott anfangen und in Liebe, Zucht und Gerechtigkeit seliglich führen. Nachdem ich solches seit einiger Zeit ernstlich betrachtet, und mir viel ehrliche Leute zugeredet in den Ehestand zu treten, habe ich dich mir auserwählet; denn obwohl mir auch schon andere Anträge gemacht worden sind, habe ich doch zu keiner, als zu dir allein ein Herz fassen können. Gott allein weiß, ob du mir verordnet bist. Indes habe ich die Ueberzeugung gewonnen, du seiest eine solche, die in der Gottesfurcht und Tugend sei, und ich könne mit dir in Lieb und in Leid und in allem, was Gottes Wille ist, einträchtig zusammenleben. Ich schreibe dir nun diesen Brief, um deinen Willen zu hören, und zu vernehmen, ob es Gott fügen will, daß wir zu diesem Stande uns mit einander verbinden.

Dieweil es aber unbillig wäre, daß ich deine Zusage forderte, ohne dich genauer über mein Wesen zu berichten, so will ich dir solches getreulich fürhalten: Von meiner Heimath und meinen Eltern brauche ich dir nicht zu schreiben, weil dir solche genugsam bekannt sind, und du weißt, daß sie fromme und biedere Leute sind; übrigens würdest du auch nicht auf die Meinigen, sondern vornehmlich auf mich sehen, würdest mich nehmen und nicht die Meinen. Ich habe nie eine Weihe erhalten, auch die allergeringste nicht, ich bin noch völlig frei, keines Herrn Leibeigener, 23 Jahre alt, und Niemand etwas schuldig. Von Kindheit an habe ich mit Gottes Hilfe so gelebt unter den Leuten, daß ich an keinem Ort eine Unehre bezogen habe und daher wieder überall hinkommen darf, von dannen ich geschieden bin, ausgenommen, da wo das Evangelium Christi verhaßt ist.

„Ferner hat Gott mir eine solche Gesundheit des Leibes vergönnt, daß ich innerhalb 20 Jahren nie ein namhaft Krankenlager gehabt und bis auf den heutigen Tag keinerlei Siechthum unterworfen bin. Wohl habe ich vom Studieren ein blöd Gesicht und zu Zeit ein blöd Haupt, wozu noch kommt, daß ich etwas jähzornig bin, doch bin ich nicht streitsüchtig und aufsässig, kann auch wohl nachlassen und vergessen, besonders wenn man nicht Büchsenpulver zuwirft. Auch habe ich keinen Anhang von böser Buben Gesellschaft, die mich zum Trinken oder Streithändeln verleiteten, sondern habe einen Greuel daran, ebenso wenig bin ich mit irgend einer Weibsperson verhängt.

„Dagegen habe ich einen Vater von 60, eine Mutter von 55 Jahren und einen Bruder 8 Jahre älter als ich. Ihm und mir haben die Eltern alles was sie haben und was sich auf etwa 140 Pfd. belaufen mag, vermacht, doch mit der Bedingung, daß der Vater lebenslang darüber Herr bleibe, und wofern er vor der Mutter stürbe, wir diese keinen Mangel leiden ließen. In unserem Kloster habe ich eine Herberge und eine so gute Stellung, als irgend einer vom Convent; dahin würde ich auch dich zu mir nehmen. Weil aber das Vermögen, das ich von den Meinigen zu ererben habe, möglicher Weise durch allerlei Unfälle könnte geschwächt werden, so habe ich noch einen gewisseren Schatz, der gar nicht fehlen kann, der ist Gott. Dieser hat mir auch so viel Geschicklichkeit verliehen, daß ich, wofern ich sie treulich übe, mir, wenn ich gleich weit davon entfernt bin, Gottes Gabe verkaufen zu wollen, gewiß das Nothwendige gewähren wird. Ich weiß, daß mich Gott nie verläßt; denn ich habe ihn zu meinem Gott mir gewählt. Das schreibe ich darum, daß du nicht glaubest, ich wolle dich mit meinem Reichthum für mich gewinnen. Wer auf Reichthum und auf Menschen seinen Trost setzt, der ist verflucht, und hat keinen himmlischen Gott im Herzen. Bis dahin hat man in den Klöstern, darin der Antichrist regierte, alles so gesichert und geschliffen haben wollen, daß man nicht nöthig hätte, auf Gott zu vertrauen. Ich sage dir aber, wo du wolltest auf meinen Wohlstand sehen, und dich nicht darauf gefaßt halten, daß mir Gott mit der Zeit auch einiges zu leiden geben wird, wo du dann allein bei ihm die Hilfe finden kannst, so würde ich wenig Herz zu dir haben. Denn wer Gott liebet, den sucht er zu Zeiten heim und alle, die gottselig leben wollen, müssen, wie Paulus sagt, Verfolgung leiden. Wolltest du dann klagen, ungeduldig werden und allein Süßes bei mir suchen, und dir nicht auch das Saure gefallen lassen, so würde es sich nicht schicken, Ehegatten sollen Ein Leib sein, Ein Trauern, Eine Freude. Das möchte ich mit dir sein, wie du mit mir, du weißt das selbst wohl und zürnest nicht, daß ich so frei schreibe. Man muß all' Ding heraus sagen, daß nicht hintennach ein Unrath daraus erwachse. Ich wollte dir nichts verhalten, das möchte ich auch von dir haben. Es bedarf nicht viel Hofierens, besonders hier, wo es eine Verbindung gilt, da kein Scheiden hernach ist. Wo Gottesfurcht ist und ein Gemüth, das mit Gott vergnügt ist, und demnach das Seine wohl kann zu Rath halten, und nicht wühlet, das trägt leicht alles, was ihm Gott zu leiden auflegt, und überkommt auch genug Ehre und Gut's, und das mit Gott. Wo das nicht ist, da werden auch große Erb' verthan mit Scham und Leid.

Wisse auch, daß ich in keinen großen Geldschulden oder Bürgschaften stecke; denn ich könnte sie sämtlich mit 3 Gulden bezahlen; ebenso darf ich in der nächsten Zeit nicht für Kleider sorgen, sintemal ich die meinigen nicht um 50 Gulden gäbe. Sieh, so gebe ich dir treulich mein Wesen an, damit du keinen Betrug fürchtest.

Wisse endlich noch, damit ich dir gar nichts verhalte, daß ich für mein Lehramt Leib und Leben eingesetzt habe, und wo es die Noth, die Wahrheit und Gott unser HErr erfordert, meine Haut mit Freuden um der Wahrheit will lassen. Eben daher werde ich auch die Morgengabe nehmen. die ich dir geben werde, und gleich mit dem Patriarchen Abraham dich Gott empfehlen und sprechen: Der Gott des Himmels und der Erde, der Gott, der uns allen Seele und Leib gegeben hat, der sei dein Schutz und dein Trost in Christo Jesu unserm HErrn, der verläßt sich nicht, wie er mich auch nicht verlassen hat, und erleuchtet sich mit seinem Geist, daß du ihn recht kennen lernst, an ihm einzig haftest und es geduldig tragest, wenn ich um seines Namens willen den Tod erleiden müßte. Wofern uns dereinst Gott Kinder gäbe, und uns das Leben gönnete, wollten wir also haushalten, daß wir sie zu unseres Gottes Ehre und zu biederen Leuten erzögen, wo wir aber davon müßten, da weiß ich, daß der HErr unser Gott sie nicht verlassen würde, der ja so viel geringes Geflügel gar wohl erzicht, ja sogar schadhafte Thiere wunderlich ernährt. Aber was bedarf es vieler Worte: Summa Summarum, so ist das der größeste und gewisseste Schutz, den du bei mir finden wirst, Gottesfurcht, Frömmigkeit, Treue, Liebe, dazu Arbeit, Ernst und Fleiß, daß uns auch im Zeitlichen nichts mangle. Also siehst du hier vor Augen stehen, wie du mich haben würdest, wenn du mit mir das Saure so wohl, als das Süße tragen wolltest. Nun begehre ich aber auch an dich, daß du mir zu verstehen gebest, wie dir zu Muthe ist, schriftlich oder wie es je dich kummlich dünkt. Ich weiß wohl, du wirst dich über diese Sache einigermaßen entsetzen und meinen, du seiest nicht weise genug, um die rechte Antwort darauf zu geben, darum fürchte ich fast, du möchtest aus Aengstlichkeit oder Scham etwas thun, das sich hernach übel gereuen könnte, darum füge ich noch bei: Zum ersten darfst du zuversichtlich glauben, daß das Wahrheit ist, was ich dir geschrieben, zum andern weißt du wohl, wie es um dich steht, daher bedarf es nicht viel Raths. Lies den Brief drei- oder viermal, und flehe dann Gott an, daß er dir seinen Willen zu erkennen gebe. Du bist Niemand besseres schuldig, als dir selbst. Du wirst für dich heirathen, darum ist es allein um dich zu thun. Wenn die Leute einander und ihren Stand nicht kennen, so ist es allerdings schwer, einen Entschluß zu fassen; aber hier ist es nicht also, darum mache dir keine unnöthigen Sorgen. Vielleicht meinst du, es sei dein Beruf, im Kloster und ohne Mann zu bleiben, lies dagegen Paulum im ersten Brief an Timotheus Kap. 2, 5., daraus wirst du ersehen, daß Gott dir deinen jungen gesunden Leib nicht gegeben, daß du ihn zwischen die Klostermauern steckest, die nach der anfänglichen Einsetzung zu nichts anderem als einer Zuflucht für alte, hilfsbedürftige und arme Leute bestimmt sind. So besinne dich denn wohl, und was dir Gott eingibt, das thue und antworte mir bald. In allem befehle ich dich Gottes Wille, der erleuchte dich, daß du erwählest, was deiner Seele heilsam ist.“

Die Antwort, welche Bullinger auf dieses Schreiben bekam, enthielt wohl eine freudige Zusage, aber um der Mutter willen, welche durchaus nichts von der Verheirathung ihrer Tochter hören wollte, mußte die Heirath noch aufgeschoben werden, und konnte erst am 17. Aug. 1529 in der Kirche zu Birmenstorff vollzogen werden, der sein leiblicher Bruder Johannes vorstand. Die Predigt und Trauung übernahm sein Freund Peter Simler, nach dem ausdrücklichen Wunsch der Brautleute aber wurde die Hochzeit in größter Einfachheit und Stille gefeiert; denn sie dachten weltliche Ueppigkeit zieme sich für Niemand weniger als für evangelische Pfarrleute.

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