Bugenhagen, Johannes - Predigt am Grabe Luthers

Bugenhagen, Johannes - Predigt am Grabe Luthers

Text: 1. Thess. Kap. 4, Vers 13-14

Lieben Freunde! Ich soll jetzt und will gerne bei dem Begräbniß unsers herzlieben Vaters, D. Martin seligen, eine Predigt thun, was aber, oder wie soll ich reden, so ich vor Weinen nicht wohl kann ein Wort machen? Und wer soll euch trösten, so ich euer Pfarrherr und Prediger nicht reden kann? Wohin kann ich mich von euch wenden? Ich werde ohn Zweifel mit meiner Rede mehr Heulens und Trauerns machen. Denn wie sollten wir nicht alle herzlich trauern, so Gott uns dies Betrübniß zugeschickt, und den hohen, theuren Mann, den ehrwürdigen D. Martin Luther, von uns weggenommen, durch welchen er uns allen, und allen Kirchen Christi in deutschen Landen, auch vielen in fremden Nationen, unaussprechliche Gaben und Gnade erzeiget hat, durch welchen er auch herrlich obgesieget hat wider das Reich des Satans, wider so mancherlei schändliche Abgötterei und Menschensatzung, ja wie es Paulus nennet, wider die Teufelslehren in aller Welt, und hat uns offenbaret im Evangelio das hohe, große, himmlische Geheimniß, seinen lieben Sohn Jesum Christum (wie es zu den Ephesern und Colossern St. Paulus auch nennet), durch welchen unser lieben Vater Christus sein Evangelium vertheidiget hat wider den leidigen Papst und mancherlei Rotten und Tyrannen, ja wider alle Pforten der Höllen, welchem theuren Mann er gegeben hat den Geist der Kraft und Stärke, daß er niemand scheuete, wie groß und mächtig er wäre, und also freudig auf dem Evangelio und reiner Lehre hielt, daß es oft dafür angesehen ward von der Welt, als wäre er mit Strafen und Schelten zu scharf, und thät ihm zu viel, wie auch die Jüden und Pharisäer, die bittern und giftigen Ottern, Christo Schuld gaben, denn es schmerzte sie übel und that ihnen wehe, daß sie gestraft wurden durch die lautere Wahrheit, aber die heilsame Lehre nahmen sie gleichwohl nicht an.

Diesen hohen Lehrer und Propheten und von Gott gesandten Reformator der Kirche hat uns Gott weggenommen; ach! wie können wir das Trauern und Weinen lassen? Wie können wir doch dem lieben Paulo hie gehorchen, da er saget: ihr sollt nicht traurig sein über denen, die da schlafen? Aber er setzt gleichwohl darzu: wie die andern, die keine Hoffnung haben. Wir aber, die wir glauben, wissen, daß die da entschlafen sind in Christo, weder zu einem bessern Leben erweckt werden, da wir wiederum werden mit jenen zusammen kommen und ewig bei einander sein.

Aber die Welt ists nicht werth gewesen, daß sie diesen theuren Mann Gottes länger haben sollte, weiter ihn zu lästern und zu verfolgen, wiewohl doch dieselbe undankbare Welt auch viel Gutes durch diesen hohen Mann empfangen hat, besonders darin, daß sie erlöset ist von so mancherlei Beschwerungen und Tyrannei des leidigen Papstthums; also daß viel von Widersachern (bei welchen noch etwas Weisheit oder Verstand ist) lieber wollte, der theure Mann hätte noch lange sollen leben.

Dieses habe ich zum Eingange gesagt, daß wir ja große Ursach haben, herzlich zu trauren, dieweil wir einen solchen hohen theuren Mann verloren haben. Und wahrlich (so daß etwas heißen mag) es trauern mit uns christliche Könige, Fürsten und Städte und alle, die da erkannt haben das Evangelium der Wahrheit, darum trauern wir ja nicht alleine, sondern viel tausend hin und wieder in der Christenheit mit uns. Es hat dem leidigen jetzigen Papst, Kardinal, Meinz oder Herzog Heinrich nicht gebühren mögen, über den Tod dieses Mannes (welche er alle mit der Wahrheit heftig erzürnt hat) sich je zu freuen, und ich hoffe, die Widersacher sollen sich nicht lange über seinen Tod freuen, denn die Person ist wohl in Christo verschieden, aber die gewaltige, göttliche Lehre dieses theuren Mannes lebet noch aufs allerstärkste.

Denn er war ohne Zweifel der Engel, davon in der Offb. am 14. Kap. stehet, der da geflogen ist mitten durch den Himmel und hatte ein ewig Evangelium etc., wie denn der Text saget: Und ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewig Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden sitzen und wohnen, und allen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern. Und sprach mit lauter Stimme: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre, denn die Zeit seines Gerichts ist kommen, und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erden, und das Meer und die Wasserbrunnen. Und ein andrer Engel folgte nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt, denn sie hat mit dem Weine ihrer Hurerei getränket alle Heiden.

Dieser Engel, der da saget: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre, war D. Martinus Luther. Und daß hie stehet: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre, das sind die zwei Stücke der Lehre D. Martini Luthers, das Gesetz und Evangelium, durch welche die ganze Schrift geöffnet wird, und Christus erkannt wird, unsere Gerechtigkeit und ewiges Leben, zu welchen zweien er auch dies Stücke hinzu gesetzt hat: die Zeit seines Gerichts ist kommen; und hat gelehret vom rechten Gebet und Anrufung gegen Gott, den himmlischen Vater, im Geist und der Wahrheit, wie der Engel auch saget: Betet an den, der da gemacht hat Himmel und Erden etc.

Denn nach der Lehre dieses Engels wird folgen ein anderer Engel, welcher Trost wird predigen der betrübten und angefochtenen Kirche, und über die Widersacher Blitz und Donner, ewiges Gericht und Verdammniß, wie denn der andere Engel sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon die große Stadt. Darum werden die Widersacher von diesem unsern Betrübniß nicht lange sich freuen, wie auch Christus saget, Johann. 16: Euer Betrübniß soll zur Freude werden, denn der Offenbar. nach, im gemeldeten 14. Kap. sehen wir, daß das vorher gangen ist und noch gehet. Soll die Offenbar. etwas sein, so wird ohne Zweifel das andere folgen.

Aber, ach! wie laufe ich so weit mit meiner Rede, in diesem unserm Weinen und Betrübniß? Dies sei genug von unserm billigen Trauern geredt, denn wir trauern ja billig, daß ein solcher theurer Mann, rechter Bischof und Seelenhirte von uns geschieden. Aber in dieser Betrübniß sollen wir auch billig erkennen Gottes Güte und Barmherzigkeit gegen uns, und Gott danken, daß er nach hundert Jahren von dem Tode des heiligen Johannes Huß (welcher um der Wahrheit willen getödtet ist Anno 1415) balde uns erwecket hat, durch seinen Geist, diesen theuren Doctor Martin Luther, wider die antichristliche Lehre des leidigen satanischen Papsts, und wider die Teufelslehren, wie denn Johannes Huß von einem künftigen Schwane selbst prophezeiet hat vor seinem Tode, denn Huß heißt auf böhmisch eine Gans; ihr bratet, sagte J. Huß, jetzt eine Gans, Gott wird aber einen Schwan erwecken, den werdet ihn nicht brennen noch braten, und da sie wider ihn viel schrieen, daß er ihnen nicht konnte antworten, soll er gesagt haben: nach hundert Jahren will ich euch antworten, das hat er redlich gethan durch unsern lieben Vater D. Luther und eben angefangen im folgenden Jahr nach hundert Jahren. Ja, wir sollen Gott danken, daß er den theuren Mann uns erhalten hat und seiner Kirche in dem heftigen Streiten, in so viel harten Kämpfen, und daß durch ihn Christus so oft obgesieget hat, nun fast bis in die dreißig Jahr, dem Herrn Christo sei Lob und Ehre in Ewigkeit, Amen.

Wir sollen uns aber auch mit unserm lieben Vater Luther freuen, daß er also in dem höchsten Apostel- und Prophetenamt, in welchem er seinen Befehl treulich ausgerichtet, hin von uns gegangen und abgeschieden ist zu dem Herrn Christo, da denn sind die heiligen Patriarchen, Propheten, Apostel und viele, denen er das Evangelium gepredigt hat, alle heilige Engel, Lazarus im Schooße Abrahams, das ist, in der ewigen Freude aller Gläubigen; wie das jetzt zugehe, bis auf den jüngsten Tag, das werden wir erfahren, wie Paulus sagt zum Philipp. am 1. Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, wie in den Geschichten der Apostel auch Stephanus sagt: Herr Jesu, nimm auf zu dir meinen Geist, und Christus zum Schächer: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Denn es hat keinen Zweifel, wie der Geist Christi war in den Händen des Vaters, da er gesagt hat: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist etc., bis zu der Auferstehung am Ostertage; also werden unsere Geister in den Händen Christi sein, bis zu unserer Auferstehung, denn also lauten die Worte von Lazarus: jetzt aber wird er getröstet, du aber wirst gequälet.

Was mittler Zeit, bis an den jüngsten Tag, die Gläubigen für eine Ruhe oder Trost haben, oder die Gottlosen für eine Unruhe oder Qual, das können wir aus der Schrift nicht so eben sagen, die Schrift saget: sie schlafen, wie Paulus saget zum Thessal.: Von denen, die da schlafen etc. Gleich aber, wie im natürlichen Schlafe die Gesunden in einem süßen Schlafe ruhen und dadurch erquicket, stärker und gesünder werden, die Ungesunden aber oder die Betrübten und sonderlich die in Todesschrecken oder Furcht sind, schwerlich mit schrecklichen Träumen und unruhig schlafen, also, daß ihnen der Schlaf nicht eine Ruhe, sondern eine schrecklicher und wüstere Unruhe ist denn das Wachen; also ist ein Unterschied zwischen der Gläubigen und Gottlosen Schlaf, aber hievon können wir nicht weiter reden oder schließen, denn wie der Schrift Wort lauten.

Unser lieber Vater, D. Martinus Luther, hat nun erlanget, das er oft begehret hat, und wenn er jetzt wieder zu uns sollte kommen, so würde er unser Trauern und Zagen strafen mit dem Worte Christi, Johan. 16: So ihr mich lieb hättet, würdet ihr euch freuen, denn ich gehe zum Vater, und würdet mir gönnen die ewige Ruhe und Freude. Christus hat den Tod für uns überwunden, was zagen wir denn? Der Tod des Leibes ist uns ein Anfang des ewigen Lebens, durch Jesum Christum unsern Herrn, der für uns ein edel, theuer Opfer worden ist.

Ich gedenke noch, wenn der Ehrwürdige, unser lieber Vater D. Martin Luther, etliche sahe süßiglich entschlafen im Bekenntniß Christi, daß er sprach: Gebe mir Gott, daß ich auch so süßiglich entschlafen möge im Schoße Christi und nicht mit langen Todesschmerzen der Leib gequälet werde, doch geschehe Gottes Wille.

Wie bei uns zu Wittenberg in der Universität war Magister Ambrosius Bernardus, von Jüterbock, mein lieber Bruder, ein recht frommer Mann, welcher Christum lieb hatte, der lag etliche Tage vor seinem Ende sehr schwach und krank, bis in den Tod, und Gott benahm ihm doch das Fühlen der Krankheit, als ob er schon in einem andern Leben wäre gewesen, redete mit uns, wie er wollte zu uns kommen und mit uns fröhlich sein. Daß er so krank war und sterben mußte, davon wußte er gar nichts, er sahe gewiß den Tod nicht, darum konnte er nicht vor dem Tode erschrecken, ja er war nicht mehr in diesem Leben, ohne allein, wenn man von Christo redete, so bekennete er frei von Herzen die große Gnade und Seligkeit, die uns vom himmlischen Vater in Christo widerfahren ist. Denn er hatte Christum lieb und pflegte gerne zu beten und Gott den Vater anzurufen im Geist und Wahrheit. Wenn man ihm denn (als einem, der zu sich selbst gekommen war) balde darauf wollte sagen von seinem geliebten Weibe, Kindern, Hause, Geld, Schuld etc., so war er wieder bald nicht bei sich selbst, sondern als in einer andern Welt, doch kannte er uns alle und nannte uns mit Namen, redete fröhlich mit Lachen und lieblichen Scherzen von andern Dingen, also, daß einer, der seine Phantasei nicht wußte, gedenken möchte, er wäre gar gesund und müßte sonst für die lange Weile im Bette liegen etc. Aber unser lieber Herr Jesus Christus nahm ihn aus diesem Leben zu sich, in solcher Phantasei, aber doch in gutem Bekenntniß des christlichen Glaubens, also, daß er schon todt war dieser Welt, etliche Tage zuvor, ehe denn er starb, denn er wußte gar nichts auf Erden, dafür er sorgen möchte. Ja, es war ihm Alles aus dem Herzen genommen, daß er auch seine Krankheit nicht fühlete, bekümmerte sich nichts um den Tod, ja er sah auch den Tod nicht, wie sollte er denn vor Sünde und vor dem Tode erschrecken? Also, daß wir in ihm vor Augen sahen das Wort Christi, Johann. 8, welches allen Christgläubigen widerfähret: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Denn ob sie nicht alle so leicht, liebe Stündlein kommt, sehen sie das Leben und nicht den Tod, und sprechen alle: Vater, in deine Hände befehl ich meinen Geist, wie denn unsern herzlieben Vater Doktor Martin, unser lieber Herr Jesus Christus mit solchem seligen Abschied aus diesem Jammerthal zu sich genommen hat. Gott sei Lob und Dank in Ewigkeit.

In der Krankheit Magistri Ambrosii, da ich sahe, daß er auch nicht schlief, bat ich zween Doktores Medicinä, sie wollten ihm einen starken Schlaftrunk zurichten; die antworteten mir: Solchs wäre fährlich und man möchte ihnen die Schuld geben, so es übel geriethe. Ich sprach, ich wills verantworten, wenn er auch darüber bleiben würde, gebets ihm ein im Namen Gottes, als einem Desperato, wer weiß, es möchte helfen. Solchen Trunk gaben ihm die Medici, aber nicht so stark, als ich begehrete, denn sie besorgten sich etwas; da kam ihm der Schlaf mit Gewalt, daß er bei zwei Stunden schlief, aber da er aufwachte, fühlte er sein Wehe, und klagete darüber, und redete mit seinem Weibe von allerlei Nothsachen verständiglich, aber bald darnach, ungefähr nach anderthalber Stunde war er wieder in seinem fröhlichen Wesen, wie zuvor, wußte nicht mehr von dieser Welt, bis er nach etlichen Tagen Christo den Geist aufgab.

Solche selige und fröhliche Historie von Magister Ambrosius, unserm lieben Bruder, habe ich jetzt gerne gesagt, um zweierlei Ursachen willen; zum ersten, daß ich euere Liebe damit ein wenig möchte aufhalten von dem Heulen und Weinen, welches uns nun billig angekommen ist. Gott hat uns betrübet, seine Gnade tröste uns wieder. Zum andern, daß solche Historie dienet zu unsern Sachen, da wir jetzt von reden.

Denn dieser Magister Ambrosius war Doktor Martins Schwager, darum besuchte er ihn so oft in seiner Krankheit, und wenn er von Christo mit ihm redete, so redete Ambrosius auch von Christo, nach dem Evangelio, wie gesagt; aber wenn er mit ihm wollte reden vom Weibe, Kindern, Gütern etc., so wußte Ambrosius nichts von solchen Sachen, sondern phantasirte bald fröhlich mit andern Worten, wie zuvor gesagt, besonders sagte er mit Lachen und Danksagen dem Doktor: Herr Doktor, Dank habet, daß ihr zu mir kommen seid, ich will wiederum zu euch kommen, auf den Abend einmal, da wollen wir zusammen gute Collation halten und ich will dann von vielen fröhlichen Sachen mit euch reden. Zwar jetzt mögen sie beide solches ausrichten im ewigen Leben, da sie beide hingereiset sind. In diesem Leben haben sie auf die Weise nicht mögen zusammen kommen.

Da nun Doktor Martinus von ihm ging, sprach der Doktor zu mir: Der ist dahin, er weiß von keinem Tode, wenn wir ihm rathen wollen, wie er seine Sache soll bestellen, so weiß er nicht mehr von dieser Welt und Leben, sondern ist fröhlich, lachet, schläget uns andere Dinge vor mit seiner fröhlichen Phantasie, spottet unser noch dazu mit solchen Worten, als wollte er sagen: Ich weiß nichts mehr auf Erden zu bestellen oder zu besorgen. Gott gebe mir doch auch kurz solche stille und selige Todesstunde, was soll ich mehr auf Erden machen?

Da nun Magister Ambrosius im harten Winter begraben war Anno 1542 im Monat Januar, ging nicht lange darnach Doktor Martin mit mir vor dem Grabe vorbei, da weisete er mit der Hand aufs Grab und sprach: Der wußte nicht, daß er krank war, er wußte auch nicht, daß er starb und war doch nicht ohne Bekenntniß Christi; da liegt er, er weiß noch nicht, daß er todt ist. Lieber Herr Jesu Christe, nimm mich auch also aus diesem Jammerthal zu dir.

Solches mußte ich oft von meinem lieben Vater hören, und wenn er meinen Unwillen merkte, zu Zeiten auch wohl aus meinen Worten, so sprach er zu mir: Bittet doch unsern lieben Herrn Gott, daß er mich kurz von hinnen zu sich nehme, ich kann nichts mehr thun auf Erden, ich bin euch nichts mehr nütze, helft mir mit eurem Gebet, bittet nicht, daß ich länger lebe. Nun kann ein jeglicher wohl gedenken, was ich meinem lieben Vater, unserm herzlieben Doktor, auf solche Worte geantwortet habe. Das alles zeiget an, wie gerne er dieses Jammerleben, in seinen letzten Tagen, wollte los sein, und mit Christo sein, damit hat er auch sein: Es ist vollbracht! gesungen und dem himmlischen Vater seinen Geist in die Hände befohlen.

Es ist auch vorgehende Anzeigung gewesen, daß unser lieber Vater Doktor Martinus in ein besser Leben wandern würde, denn dies ganze Jahr durch hat er oft zu uns gesaget, er begehre an einen andern Ort zu ziehen, ist auch öfter in diesem Jahr vor seinem Tode ausgezogen, denn zuvor in vielen Jahren, nämlich in sein Vaterland gen Mansfeld, zum Bischofe gen Zeitz, gen Merseburg, gen Halle. Dies sind gleiche Anzeigung und Prophezeiung gewesen, daß er diese selige Reise würde thun in ein besser Leben, daher hat sichs auch begeben, daß er bei Edlen und Wohlgebornen Grafen und Herren zu Mansfeld in der Stadt Eisleben, da er geboren und getauft, aus diesem Leben abgeschieden und gereiset ist, nicht anders denn wie ers begehret hat, ausgenommen, daß er die Zeit lieber hätte wollen bei uns, seinem lieben Weibe und Kindern sein, aber Gott hats anders geschickt.

Daß ihr aber auch einen kurzen Bericht habt, lieben Freunde, von unsers herzlieben Vaters Doktor Martin seligem Abschiede, da er merkte, daß seine Stunde kommen wäre, hat er also gebetet:

O mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum offenbaret hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekannt habe, welchen der leidige Papst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern, ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, laß dir mein Seelchen befohlen sein. O himmlischer Vater, ob ich schon diesen Leib lassen und aus diesem Leben hinweg gerissen werden muß, os weiß ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleiben und aus deinen Händen mich niemand reißen kann.

Und folgends hat er dreimal gesagt: In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöset, du treuer Gott.

Item, Johannis 3: Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht sollen verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Und hat also seine Hände gefaltet und in seiner Stille seinen Geist Christo aufgegeben, darum sollen wir uns billig mit ihm freuen, so viel wir vor Trauern können.

Hier muß ich gedenken des heiligen Bischofs St. Martini, von welchem die Historie sagt, daß alle Ketzer erblaßten und erbleichten vor seinem Namen. Item, daß ein großes Weinen und Trauern gewesen ist aller gläubigen und rechten Christen, über den Tod. St. Martini. Item, daß ein Disputiren und Hader worden ist unter etlichen Städten und Landen, welche den Leib St. Martini sollten behalten und bei sich begraben. Dies alles hat sich gleichergestalt bei diesem heiligen Apostel und Propheten Christi, unserm Prediger und Evangelisten in deutschen Landen, D. Martin zugetragen, aber davon will ich nicht nach der Länge reden. Gott hat ihn nun selbst werth und lieb, und erhält ihn in seinem Schooß, der in diesem Leben uns und die Kirche Christi sehr liebgehabt, vergelte es unserm lieben Vater Gott in jenem Leben, da wir alle auch hoffen zu ihm zu kommen.

Gebe Gott, daß auch auf die Nachkommen der Geist Gottes zweimal mehr zu reden sei, denn der hohe, theure Mann geredt hat, und in der Kirche, die der liebe Vater gepflanzet hat, wie denn der Prophet Elisa von dem Elia bittet, da er von dem Elisa in einem Wetter hinweg genommen ward.

So wir aber fürchten oder gedenken, daß Gott den theuren Mann um unserer Sünde und Undankbarkeit willen weggenommen hat, so sollen wir unser Leben bessern, durch Christum Gott, unsern himmlischen Vater herzlich anrufen, daß wir bleiben mögen in der seligen reinen Lehre vom Glauben, und beschützet werden durch Christum wider die Rotten und Tyrannen und wider alle Pforten der Hölle. Beschirme, Herr Christe, deine arme Christenheit, daß sie dich lobe in Ewigkeit. Hilf uns Gott unser Heiland und errette uns um der ehren willen deines Namens, und sei gnädig unsern Sünden um deines heiligen Namens willen. Erhalte in deiner Kirche treue und gute Prediger, gib denselbigen Kraft und Stärke durch den heiligen Geist, wie der 68. Psalm sagt: der Herr gibt das Wort mit großen Schaaren Evangelisten.

Die unverschämten, gräulichen, großen Lästerungen der Widersacher und der verstockten Pfaffen und Mönche, und dazu auch unsre große Undankbarkeit könnte wohl nun sein in der Welt großes Unglücks und Strafe Gottes Ursache. Aber wir sollen bitten Gott den Vater im Namen des Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi, daß er um seines Namens willen thun wolle und erfüllen und wahr machen das Epitaphium und Prophezei, welches ihm unser lieber Vater D. Martinus selbst gemacht hat:

Pestis eram vivus, moriens tua mors ero, Papa.

Das ist auf Deutsch: Papst, Papst, da ich lebte, da war ich deine Pestilenz, wenn ich sterbe, so will ich dir dein bitterer Tod sein. Gott sei gelobt in Ewigkeit durch Jesum Christum unsern Herrn. Amen.

Quelle: Pasig, Julius Leopold - Dr. Martin Luther's letzte Lebenstage, Tod und Begräbniß.

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