Brockhaus, Rudolf - Die Versammlung, das Haus Gottes und der Leib Christi

Brockhaus, Rudolf - Die Versammlung, das Haus Gottes und der Leib Christi

„Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles was darinnen ist, dieser, indem er der Herr des Himmels und der Erde ist, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“
(Apostelgeschichte 17,24).

Christus als Baumeister

Im 16. Kapitel des Evangeliums nach Matthäus antwortet der Herr Jesus auf das herrliche Bekenntnis Petri: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, mit den bekannten Worten: „Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir, daß du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung (Gemeinde) bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.“ (Matthäus 16,17-18). Der Titel, der hier der Macht Satans gegeben wird, „des Hades Pforten“, d. i. die ganze gewaltige Macht des Todes, die Satan besaß, zeigt klar und deutlich, was die Grundlage der Gemeinde Christi ist. Der erste Mensch in seiner Unschuld, dessen Nachkommen, Israel unter dem Gesetz – alle sind durch des Hades Pforten überwältigt worden. Aber hier war einer, den der Tod nicht behalten konnte. Was Rom über diese Stelle lehrt, ist bekannt und wundert uns nicht. Wenn aber entschieden gläubige Männer, von denen man wahrlich etwas anderes erwarten sollte, schreiben: „Auf die gottbegnadigte und glaubensvolle Persönlichkeit des Petrus baut der Herr seine Gemeinde“, so weiß man nicht, ob man mehr betrübt oder erschrocken sein soll. Man fragt sich unwillkürlich: Erkennen diese Brüder nicht, welch eine Unehre sie damit dem Sohne Gottes antun, und welch einen Schaden sie unter seinen Kindern anrichten? Wie kann man nur für einen Augenblick den Gedanken Raum geben, daß der Sohn Gottes seine Versammlung, seine Gemeinde, auf die Persönlichkeit (so hochbegnadigt sie gewesen sein mag) eines armen, sündigen, irrenden Menschen bauen würde? Eines Menschen, den er einige Augenblicke später mit den Worten strafen muß: „Gehe hinter mich, Satan!“, weil er nicht einmal imstande gewesen war, sich persönlich vor den Einflüssen des Fleisches und des Feindes zu bewahren? Und ein solcher Mensch sollte dem zu errichtenden Bau einen Charakter und eine Festigkeit verleihen können, daß des Hades Pforten ihn nicht zu überwältigen vermöchten?!

Was ist denn die Grundlage?

Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, als solcher in Kraft erwiesen durch Toten-Auferstehung (Römer 1,4), als solcher soeben durch den Vater im Himmel Simon, dem Sohne Jonas, geoffenbart und durch diesen öffentlich bekannt: Er und die Kraft des Auferstehungslebens in ihm, das allen denen mitgeteilt wird, die zu ihm, dem Felsenfundament kommen, die auf ihn, den kostbaren Edelstein, aufgebaut werden und als lebendige Steine seines Lebens, seiner Natur teilhaftig werden. Auf diesen Felsen wollte Christus seine Gemeinde bauen, denn sie bestand damals noch nicht. Petrus mochte ein Stein (petros) von besonderer Bedeutung in diesem Gebäude werden, aber er war weder der Felsen (eptra), noch der Baumeister. Christus mochte ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel übergeben und ihm damit eine besondere Verwaltung für das Reich anvertrauen, aber das Reich der Himmel ist nicht die Gemeinde, und die Gemeinde nicht das Reich.

Christus selbst ist hier der Baumeister.

Er wirkt in den Seelen, und sie kommen, wenn auch nur infolge der Gnade, die in ihren Herzen wirksam ist, zu ihm. „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, seid auch ihr selbst, als lebendige Steine, aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum.“ (1 Petrus 2,4-5). Es ist nicht Petrus, es sind nicht Ordnungen und Satzungen, es ist nicht eine Körperschaft, zu der man kommt, sondern lebendige Steine kommen zu dem lebendigen Steine, zu Christo, dessen ganze Kostbarkeit dem Glaubenden geschenkt ist. Durch den lebendigen Glauben persönlich mit ihm verbunden, seines Lebens und seiner Kostbarkeit teilhaftig gemacht, auf ihn aufgebaut, bilden sie jenes wunderbare Gebäude, gegen das Satans Macht nichts vermag.

Alles das ist so einfach, daß man meinen sollte, es müsse sich dem Herzen und Gewissen eines jeden Gläubigen sofort und ganz von selbst empfehlen. Aber wie seltsam berührt es, wenn man immer wieder von einer „judenchristlichen und einer, zwar auf demselben Boden stehenden, aber nach außen hin sich sehr verschieden von ihr darstellenden heidenchristlichen Gemeinde“ hört und liest. Danach hätte es also in den ersten Tagen zwei Gemeinden, zwei Leiber Christi, einen judenchristlichen und einen heidenchristlichen, gegeben, denn die Versammlung (Gemeinde) ist der Leib Christi. (Epheser 1,23). Der Herr spricht nur von einer Gemeinde, die er aus Juden und Heiden baut, und in der alle ohne Unterschied den gleichen Platz und die gleichen Vorrechte besitzen. Die Schrift weiß nur von einem Leibe, in dem weder Jude noch Grieche ist. Das in der ersten Zeit der Geschichte der Kirche Christi an manchen Orte mehr Seelen aus den Juden oder den Samaritern, an anderen mehr aus den Heiden errettet wurden, und das die einen mehr geneigt waren, in den alten gesetzlichen Gebräuchen zu verharren oder zu ihnen zurückzukehren, während die anderen vorwiegend in Gefahr standen, durch ihre früheren heidnischen Gewohnheiten und Sitten beeinflußt zu werden, obwohl auch sie vor gesetzlichem Geist und Treiben nicht sicher waren, - und ferner, daß Gott dem einen seiner Apostel vornehmlich das Apostelamt der „Beschneidung“, dem anderen das der „Vorhaut“ anvertraut hatte, - das schließlich im Blick auf diese verschiedenen Gefahren und Zustände, zugleich auch infolge der verschiedenartigen äußeren Entwicklung und geistlichen Fortschritte der einzelnen örtlichen Versammlungen ein verschiedenartig gestalteter Dienst notwendig wurde, - das ist einen nur ein wenig mit seiner Bibel vertrauten Leser bekannt und geläufig. Aber was hat das alles mit den ewigen Gedanken Gottes über sein Haus oder, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit dem Bauplan Christi bezüglich seiner Gemeinde zu tun? Gerade die Vereinigung von Jude und Heide in der Gemeinde durch die Kraft des Evangeliums, indem der Heilige Geist sie beide mit Christo verband, führte zu der Bildung der Behausung Gottes im Geiste hienieden. (Vergl. Epheser 2).

Ach! Das Auge vieler Kinder Gottes in unseren Tagen hat seine Einfalt so völlig verloren, der Sinn ist so wenig nüchtern, daß man die einfachsten Grundwahrheiten und die aufs deutlichste geoffenbarte Gedanken Gottes nicht erfaßt, sondern nach eigenem Sinn und Willen umgestaltet. Man kann sich gar nicht dazu erheben, vom göttlichen Standpunkt aus die durch Unkenntnis, Untreue und Eigenwillen des Menschen hervorgerufenen, oder beeinflußten Erscheinungen auf christlichem Gebiet zu betrachten, sondern man macht diese zum Ausgangspunkt seiner Erwägung und Beurteilung und zieht dann seine Rückschlüsse auf die göttliche Wahrheit. So kommt man dahin, Gottes Gedanken in den engen Rahmen seines Parteistandpunktes einzuzwängen und sie seinen hergebrachten, kurzsichtigen Meinungen anzupassen. O welch eine Ruhe, welch ein Friede ziehen in das Herz ein, wenn es sich in der Einfalt des Glaubens über all das Sichtbare und Hörbare, über all die Verwirrung und das Parteigezänke, zu Gott erhebt, um von oben her, belehrt und geleitet durch den Geist Gottes, Umschau zu halten! Wie wird das Herz so still, der Blick so weit, und wie erkennt man so klar und deutlich seinen Weg, den schmalen Pfad der Wahrheit, wie sie in Jesu ist, ewig dieselbe, unveränderlich und unantastbar!

Die Gemeinde von Christo selbst gebaut, wird also in Gnade und Kraft gebaut. Gegründet auf den Felsen, auf Christum, den Sohn des lebendigen Gottes, kann sie nicht erschüttert werden, es müßte denn die in der Auferstehung Christi geoffenbarte Macht des Lebens durch Satan überwältigt werden können; aber das ist unmöglich, denn über ihn, den Starken, ist ein Stärkerer gekommen und hat ihn überwunden. Darum, welche Wandlungen die Gemeinde auch ihrer äußeren Erscheinung nach durch eigene Untreue, durch das Einschleichen falscher Brüder usw. durchgemacht haben mag, ja, wenn selbst ihr äußerer Zustand so verderbt werden mag, daß Christus sie aus seinem Munde ausspeien muß (Offenbarung 3,16) – dennoch ist ihr Bau so sicher wie die Grundlage, auf der sie steht. Diese Grundlage verleiht ihr Sicherheit und Bestand. Christus, der himmlische Baumeister, führt sein Werk zu Ende. Er führt Gottes Ratschlüsse aus, mag der Mensch tun was er will.

Dies leitet uns zu der Betrachtung des Hauses Gottes unter einem anderen Gesichtspunkt. Bisher sahen wir es nur unter den Händen Christi als den unantastbaren Bau, den er ausführt, als das geistliche Haus, als den heiligen Tempel im Herrn, „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, indem Christus selbst Eckstein ist“, als die Behausung Gottes im Geiste. (1 Timotheus 3,15; 1 Petrus 2; Epheser 2; vergl. auch Hebräer 3,6). So betrachtet ist alles vollkommen. Da gibt es keine schlechten Baustoffe, keine Risse, kein Mißlingen. Wenn wir uns nun aber der tatsächlichen Ausführung der Arbeit oder des Werkes auf Erden zuwenden, wie sie uns in 1 Korinther 3 vorgestellt wird, so gewinnt das Ganze mit einem Schlage ein völlig verändertes Aussehen: die Verantwortlichkeit des Menschen kommt hinein, seine Tätigkeit beginnt mit allen ihren beschämenden Folgen. Paulus (nicht Christus, wie in Matthäus 16) hatte nach der ihm gegebenen Gnade als ein weiser Baumeister den Grund gelegt. Dieser Grund war Jesus Christus. Einen anderen gab es nicht, und darum konnte kein anderer gelegt werden. Nun galt es weiter zu bauen. Andere würden mit dem Apostel und nach ihm bauen. Eine jeder mußte zusehen, wie er auf den einmal gelegten Grund baute. Man konnte mit Gold, Silber und kostbaren Steinen bauen, aber auch mit Holz, Heu und Stroh. Die Dauerhaftigkeit des Werkes hing von dem Baustoff ab. Das Werk eines jeden sollte durchs Feuer erprobt werden. Der Tag würde es klar machen.

Mit anderen Worten: Die Lehrtätigkeit eines jeden Arbeiters brachte Seelen herzu, entsprechen dem Charakter dieser Tätigkeit. Der Oberbau des auf der Grundlage (Christus) errichteten Bauwerks entsprach (und entspricht heute noch) den dazu verwandten Stoffen. Besteht die Arbeit die Probe, so wird der Arbeiter Lohn empfangen. Verbrennt sie, so wird er Schaden leiden, aber selbst gerettet werden, „doch so wie durchs Feuer“. Ist er ein böser Arbeiter, der den Tempel Gottes verdirbt, so wird Gott ihn verderben. (1 Korinther 3,14-17).

Der Mensch als Baumeister

Gott hat erlaubt, daß das Böse sich schon entwickelte, ehe die Augen derer sich schlossen, die es mit göttlicher Weisheit zu beurteilen vermochten. Falsche Brüder schlichen sich ein, der Feind säte Unkraut unter den Weizen, das Geheimnis der Gesetzlosigkeit begann zu wirken, und antichristliche Personen traten auf. Paulus, der weise Baumeister, dem vor allen anderen der Dienst und die Sorge für die Kirche Christi anvertraut war, betrachtete auch mit besonders scharfem Auge das Tun des Feindes und dessen Wirkungen und gab den Gläubigen die nötigen Weisungen und Warnungen. Eine der bekanntesten Stellen in dieser Beziehung ist 2 Timotheus 2,19-22. Der Mensch Gottes findet hier genaue Anweisung, wie er sich in dem Zustand der Dinge, der damals schon sich zeigte und seitdem immer mehr herangereift ist, verhalten soll.

In seinem ersten Briefe an Timotheus nennt der Apostel das Haus Gottes „den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“. Aber was ist unter der Verantwortlichkeit des Menschen daraus geworden? Ein „großes Haus“1), das nicht nur goldene und silberne Gefäße enthält, sondern auch hölzerne und irdene, die einen zur Ehre, die anderen zur Unehre. Wir brauchen uns nicht darüber zu verwundern. Ist es wahr, daß das Haus der Verwaltung des Menschen übergeben worden ist, so können wir mit Sicherheit Rückgang und Verfall erwarten. Doch Gott sei gepriesen! Sein fester Grund steht. Er überdauert alle Zeiten und Proben, und er trägt ein doppeltes Siegel: einerseits kennt der Herr alle, die sein sind (Gottes Ratschlüsse sind sicher und fest), und andererseits sollen die, die den Namen des Herrn nennen, von der Ungerechtigkeit abstehen (der Mensch ist verantwortlich). Der Apostel weist dementsprechend die Gläubigen an, sich von den Gefäßen zur Unehre zu reinigen und nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden zu streben mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen – Absonderung und Sammlung um ihn, dessen Name „der Heilige und der Wahrhaftige“ ist. Was aus der großen Masse der Bekenner wird, zeigt uns 2 Timotheus 3: sie haben eine Form der Gottseligkeit, aber verleugnen deren Kraft. Das Ende ist der völlige Abfall, der den Menschen der Sünde, den Antichristen, einführt. (2 Thessalonicher 2).

So sehen wir denn, daß das Haus Gottes unter zwei oder gar drei ganz verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden kann und im Worte Gottes so betrachtet wird. In dieser Hinsicht (wie in mancher anderen) unterscheidet sich das „Haus“ von dem „Leibe“. In dem Leibe Christi kann es niemals tote Glieder geben. Bloße Bekenner ohne geistliches Leben sind da völlig ausgeschlossen, weil der Heilige Geist es ist, der den Leib bildet. Doch wir werden hierauf, so Gott will, später zurückkommen. Die Nichtbeachtung dieser Tatsache hat schon viel Verwirrung hervorgebracht und tut es immer noch.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen, was wir miteinander betrachtet haben.

1. Christus, als Messias von seinem Volke Israel verworfen, baut seine Versammlung (Gemeinde) aus dieser Erde. Das, was in den Ratschlüssen Gottes bis dahin verborgen und den Geschlechtern der Menschen nicht kundgetan war, entfaltet sich. Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der Leben, göttliches Leben, in sich selbst hat (erwiesen in der Auferstehung), ist die Grundlage dieses Gebäudes und verleiht ihm Festigkeit und Dauer. Satan vermag nichts gegen dasselbe. Das endliche Ergebnis dieses Werkes des göttlichen Baumeisters ist ein vollständiger Sieg. Alle, die zu diesem Bauwerk gehören, sind lebendige Steine und heilige Priester.

2. Die Versammlung ist „Die Behausung Gottes im Geiste“. Gott wollte ein Haus hienieden haben, in dem er durch den Geist wohnen konnte. In der ersten Zeit der Geschichte dieser Erde hat Gott nicht bei den Menschen gewohnt, weder bei Adam in seiner Unschuld noch bei Abraham, dem „Freunde“ Gottes. Erst als Israel, obwohl nur durch eine äußere Befreiung, aus Ägypten erlöst war und als ein erlöstes Volk seinen Weg nach Kanaan angetreten hatte, kam Gott zu ihm, um in der Wolke der Herrlichkeit bei ihm zu wohnen. (Vergl. 2 Mose 15,13; 2 Mose 29,46). Und infolge der wahren Erlösung durch Christum ist der Heilige Geist herniedergekommen, um aus Juden und Heiden einen geistlichen Tempel, die Wohnstätte Gottes auf Erden, zu bilden. Der frühere Tempel war aus natürlichen Steinen erbaut, war ein irdisches Haus. Jetzt gibt es einen heiligen Tempel, ein geistliches Haus. Jenes Haus war vorübergehend, von Menschenhänden gemacht, dieses ist ewig, von Gott selbst gebaut. In Christo wächst heute „der ganze Bau, wohl zusammengefügt, zu einem heiligen Tempel im Herrn“, und in Offenbarung 21,3 finden wir ihn in strahlender Herrlichkeit wieder als „die Hütte Gottes bei den Menschen“. Es wird nicht gesagt, wer der Baumeister ist, weder in 1 Petrus 2, noch in Epheser 2. Das Haus wird aufgebaut und wächst seiner Vollendung entgegen. Die Steine kommen herzu und zwar nur lebendige Steine. Ohne Zweifel war das Haus auch nach außen hin anfänglich das, was es nach Gottes Plan und ewigem Ratschluß immer ist: ein heiliges Haus, bestehend aus lauter wahren Gläubigen. Aber es blieb nicht lange so. Kommen wir zu der tatsächlichen Ausführung des Werkes, wie es sich hienieden vor den Augen des Menschen entwickelte, so tritt das menschliche Element hinzu, und wir haben

3. das Haus Gottes unter der Verantwortlichkeit des Menschen. (1 Korinther 3). Es ist auch jetzt noch „Gottes Bau“, aber er hat „Mitarbeiter“. Menschen sind die Bauenden, und da kann es selbstverständlich nicht lange währen, bis der Verfall sich zeigt. Die Grundlage war gut, aber der Aufbau mangelhaft. Schon in der allerfrühesten Zeit wurden durch Arbeiter, die die Wahrheit nicht so festhielten, wie die Apostel sie ihnen überliefert hatten, verkehrte Lehren aufgestellt und Seelen in die Mitte der Gläubigen eingeführt, die kein Leben aus Gott hatten. Dies nahm so reisend zu, daß der Apostel Paulus kurz vor seinem Ende seinem Kinde Timotheus

4. das große Haus und das, was es in sich barg, vor Augen stellen mußte. Der feste Grund Gottes stand zwar unbeweglich wie immer, aber die Zugehörigkeit zum Hause bot keinerlei Gewähr mehr, vor der Verbindung mit Bösem und Unreinem geschützt zu sein. Absonderung inmitten des Hauses wurde nötig, doch darauf folgend nicht etwa Vereinzelung, sondern ein Zusammenschluß der also Abgesonderten, der Gefäße zur Ehre, „geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“. (2 Timotheus 2,21). In Verbindung damit stehen schwere, gefahrvolle Zeiten, in den die Mehrzahl der christlichen Bekenner nur noch eine äußere Form der Gottseligkeit hat, ohne innere Kraft, und viele sich völlig vom Christentum abwenden, indem „sie die gesunde Lehre nicht mehr ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen, indem es ihnen in den Ohren kitzelt“. (Vergl. 2 Timotheus 3,3-4). Das Ende ist die Entrückung der wahren Gläubigen in den Himmel und, wie schon gesagt, der völlige Abfall der zurückbleibenden Masse.

Die Versammlung, der Leib Christi

„Gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Verrichtung haben, also sind wir, die Vielen, ein Leib in Christo, einzeln aber Glieder voneinander.
(Römer 12,4-5).

Haben wir in dem vorigen Abschnitt die Versammlung oder Gemeinde als das Haus Gottes, als seine Wohnstätte im Geiste, betrachtet, so wollen wir jetzt von ihr reden als dem Leibe Christi, oder als der Gemeinschaft der zu einem Leibe vereinigten und mit ihrem verherrlichten Haupt im Himmel verbundenen Kinder Gottes. „Da ist ein Leib und ein Geist.“ Wir sind berufen in einer Hoffnung unserer Berufung. (Epheser 4,4). Wie wohl tun solche Worte einem Herzen, in das die Liebe Gottes ausgegossen ist, und daß sich nun der innigen Beziehungen, in die es zu allen Mitgläubigen in Christo gebracht worden, bewußt ist! Es ist, wie wenn Himmelsluft uns umwehte. Wir treten ein in den Kreis der wunderbaren Liebesratschlüsse Gottes, die durch die Wandlungen der Zeit nicht beeinflußt werden können, und beten die Liebe an, die sich selbst für uns hingegeben hat.

Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, starb für uns. Nach vollendetem Werke ist er in die Höhe hinaufgestiegen und hat seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen – ein beständiges Zeugnis von der Tatsache, daß das Erlösungswerk vollbracht und „wir in dem Geliebten annehmlich gemacht worden sind“, ja, daß die Herrlichkeit selbst unser Teil ist. Zum Beweise der Annahme seines Werkes hat Christus den Heiligen Geist herniedergesandt, damit er in den Gläubigen Wohnung mache und in ihnen zeuge, daß sie Kinder Gottes sind, wenn aber Kinder, dann auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi. (Römer 8,17). Durch diesen Geist versiegelt auf den Tag der Erlösung, d. h. der Verherrlichung unserer Leiber (vergl. Römer 8,23; Philipper 3,21), besitzen wir ihn als „das Unterpfand unseres Erbes“. (Epheser 1,13-14).

Aber wir sind nicht nur als Einzelwesen errettet. Christus starb, um die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln. Wir sind alle „Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen Gebeinen“ (Epheser 5,30), unauflöslich mit Christo, dem Haupte, und miteinander als Glieder verbunden. Wir sind „Glieder voneinander“. „Denn auch in einem Geiste2) sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden.“ (1 Korinther 12,13).

Von dieser kostbaren Wahrheit reden die Schriften des Neuen Testamentes immer wieder. Laßt uns sie, wenn ich mich so ausdrücken darf, ihrer Entwicklung gemäß betrachten. Da finden wir denn zunächst im 1. und 3. Kapitel des Epheserbriefes den göttlichen Ratschluß.

Die Wahrheit von dem einen Leibe war ein „Geheimnis“, das „Geheimnis des Christus“, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan war, aber jetzt den heiligen Aposteln und Propheten des Neuen Testamentes geoffenbart worden ist. (Epheser 3,4-5). Gott hatte vorbildlich in Adam und Eva von Christo und der Versammlung geredet, aber dieses Vorbild blieb unverständlich, mußte so bleiben, bis die Verwirklichung kam. Es war das „Geheimnis“ des Willens Gottes, daß er sich vorgesetzt hatte in sich selbst „für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das was in den Himmeln und das was auf der Erde ist“. (Epheser 1,9-10). Und zwar sollte Christus als Haupt über alles nicht allein sein. Die nach dem Vorsatz Gottes Zuvorbestimmten (die Braut, das Weib des Lammes) sollten in ihm auch ein Erbteil erlangen, mit ihm alles teilen.

Zur Ausführung des Willens und Ratschlusses Gottes hat Christus gelitten, denn wir waren tot in Vergehungen und Sünden. (Epheser 2,1). Er ging in den Tod für uns. Aber dann hat die „Macht der Stärke Gottes“ in ihm gewirkt und ihn aus den Toten auferweckt, und dieselbe Kraft hat sich in ihrer überschwenglichen Größe an uns erwiesen, indem sie uns mit ihm auferweckte und in ihm (noch nicht mit ihm) mitversetzte in die himmlischen Örter. Sein Leben ist unser Leben. Ein unauflösliches Band ist zwischen ihm und uns geknüpft: wir sind in ihm, er ist in uns. Ja, er ist, zur Rechten Gottes erhöht und über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen gesetzt, „als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“. (Epheser 1,19-23). Er ist das Haupt. Wir vervollständigen ihn. Ein Haupt ohne Leib ist nicht vollständig. Darum heißt der Leib seine Fülle. Diese wunderbare Tatsache begann sich zu entfalten, als Christus droben verherrlicht wurde. Sie wird in ihrer ganzen Vollendung gesehen werden, wenn die Versammlung als das Weib des Lammes zur Seite Christi in Herrlichkeit erscheinen wird. Von Christo, dem Haupte, geht alles aus, hängt alles ab. Aus ihm wächst der ganze Leib das Wachstum Gottes, indem er durch die Gelenke und Bande Darreichung empfängt und zusammengefügt ist. (Kolosser 2,19).

Im 2. Kapitel des Epheserbriefes wird uns mitgeteilt, wie die Gnade und Macht Gottes zur Erfüllung dieses seines Ratschlusses in Wirksamkeit getreten sind. Alle Menschen, ob Juden oder Heiden, waren Kinder des Zorns, tot in Sünden, Söhne des Ungehorsams. Gottes Barmherzigkeit und Gnade waren allein imstande, hier rettend einzutreten. Es ist geschehen, und nun sind die Toten lebendig gemacht, die Fernen nahe geworden. Aus Juden und Heiden hat Gott in Christo einen neuen Menschen geschaffen, eben diesen Menschen seiner Ratschlüsse. Christus ist gestorben, um die beiden in einem Leibe mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz. Er hat aus beiden eines gemacht und die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen. In der Versammlung (Gemeinde) ist nicht mehr Jude und Grieche, Beschneidung und Vorhaut, Sklave und Freier, sondern alle sind einer in Christo. Die aus den Nationen sind Miterben, Miteinverleibte und Mittteilhaber der Verheißung Gottes. Den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern wird durch die Versammlung kundgetan die gar mannigfaltige Weisheit Gottes3), und in der Versammlung wird Gott Herrlichkeit gebracht in Christo Jesu auf alle Zeitalter der Zeitalter hin. (Epheser 3).

Die Bildung der Versammlung

Untersuchen wir im Anschluß an das Gesagte, wann und wie die Bildung der Versammlung, des Leibes Christi, geschichtlich begann. Die Untersuchung ist einfach. Solange der Herr hienieden wandelte, konnte die Versammlung nicht gebildet werden. Er sagt deshalb, wie uns bekannt, im Matthäus 16,18: „Ich will bauen“ (nicht: „Ich baue“, die Sache war damals noch zukünftig), und in Johannes 17,20-21 bittet er nicht allein für die, die sein Wort bereits angenommen hatten, sondern auch für die, die durch ihr Wort an ihn glauben würden, auf daß sie alle eins seien, damit die Welt glaube, daß der Vater ihn gesandt habe. Erst durch die Herniederkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttage wurde die Versammlung gebildet. Die damaligen Gläubigen wurden in einem Geiste zu einem Leibe getauft, und die unmittelbare Folge davon war, daß alle, die glaubten, auch die Tausende, die durch die Predigt Petri gewonnen worden waren, „beisammen waren4), alles gemein hatten“ und „einmütig im Tempel verharrten“. (Apostelgeschichte 2,44-46).

Die Einheit der Erretteten jener Tage war durch die Gegenwart des vom Himmel herniedergekommenen Heiligen Geistes5) zur Tatsache geworden. Sie bildeten einen Leib auf Erden, einen sichtbaren, von Gott anerkannten Körper, dem alle, die er zur Erkenntnis seiner selbst berief, sich anfügten, geleitet von dem Herrn, der in ihren Herzen wirkte. Es war die Versammlung des lebendigen Gottes, die allerdings zunächst nur aus Juden bestand, und deren Glieder noch wenig oder gar nichts von der Wahrheit, die wir eben betrachteten, verstanden. Die „Verwaltung“ dieses Geheimnisses war ja, wie wir wissen, in besonderer Weise dem Apostel Paulus anvertraut. Aber nichtsdestoweniger war der Leib gebildet, und Gott sorgte in seiner Weisheit dafür, daß vor dem Auftreten des Apostels der Heiden nicht nur Samariter, sondern auch Kornelius, ein Heide, mit seinem ganzen Hause und seinen Verwandten und nächsten Freunden (wohl auch lauter Heiden), der Versammlung hinzugetan wurde. Auf diese Weise wurde die Einheit des Werkes bewahrt.

Jerusalem und die jüdische Nation als solche hatten kein Ohr für die Predigt der Gnade in ihrer Mitte. Stephanus, den letzten Boten Gottes an sie, steinigten sie zu Tode und verwarfen so, nach der Ermordung des Sohnes Gottes, auch das Zeugnis des Heiligen Geistes. Danach wird Saulus, der Ausdruck des Christushasses der Juden in Person, zum Zeugen Gottes berufen. Aber nicht ein nach dem Fleische gekannter Christus, auch nicht Jerusalem, der Mittelpunkt des jüdischen Gottesdienstes, wird zum Ausgangspunkt seiner Sendung, sondern der zur Rechten Gottes verherrlichte Menschensohn (den Stephanus schon geschaut hatte) und Antiochien, eine heidnische Stadt. Sein Auftrag ergeht in besonderer Weise an alle Menschen, (die Elfe hatten die ihnen in Matthäus 28,19-20 gewordene Mission bis dahin nicht ausgeführt). Er sollte den Namen des Herrn tragen sowohl vor Nationen als auch vor Könige und Söhne Israels. (Apostelgeschichte 9,15; Apostelgeschichte 22,15). Saulus sieht Jesum zum erstenmal in der himmlischen Herrlichkeit. Es ist nicht Jesus in seinem Charakter als Messias und König Israels, sondern als der auferstandene und verherrlichte Menschensohn in Verbindung mit seinen Jüngern hienieden. „Ich bin Jesus, den du verfolgst“, so ruft er dem rasenden Verfolger der kleinen Herde zu. Die Gläubigen waren er selbst, sein Leib. So verband sich die Bekehrung des Saulus unmittelbar mit der Offenbarung der Vereinigung des Herrn mit den Gliedern seines Leibes auf der Erde. Von jenem Augenblick an zeugte er mit der ganzen heiligen Begeisterung seiner feurigen Seele von der wunderbaren, alle Erkenntnis übersteigenden Liebe des Christus und von dem Geheimnis des Willens Gottes in Verbindung mit Christo.

Und wir? Wir lesen die Worte unseres hochgelobten Herrn und sagen: „Herr, es ist genug!“ – O auf welch einen kostbaren Boden stellen uns die Worte Jesu! Unmittelbar aus seinem Herzen heraus empfangen wir den stärksten Ausdruck unserer Vereinigung mit ihm droben. Wir wissen jetzt, daß er das schwächste Glied seines Leibes als einen Teil von sich selbst betrachtet. Ist das nicht genug, teurer Leser, um unsere Herzen überströmen zu machen? Und dabei sollten wir noch an einen anderen Namen und an andere Verbindungen denken? Sollten begehren, neben einem Gliede am Leibe Christi noch Glied von irgend etwas anderem, einer Kirche, eine Gemeinde oder Gemeinschaft, zu sein? O wenn die Kinder Gottes doch alle bedenken möchten, wie sie das Herz ihres Vaters betrüben, wenn sie neben den Namen seines Geliebten noch einen anderen Namen setzen und von der einfachen, aber so gesegneten Zugehörigkeit zu der Versammlung, dem Leibe Christi, nicht befriedigt sind!

Beachten wir zugleich, wie die auf dem Wege nach Damaskus gemachte Offenbarung unser Verhältnis zueinander berührt. Sind wir Glieder des Leibes Christi, so sind wir auch Glieder voneinander und haben Verpflichtungen gegeneinander. „Denn gleichwie wir in einem Leibe viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Verrichtung haben, also sind wir, die vielen, ein Leib in Christo, einzeln aber Glieder voneinander.“ (Römer 12,4-5). Kein Glied kann von dem anderen sagen: „Ich bedarf deiner nicht“, oder: „du gehst mich nichts an“. Die Versammlung ist unbedingt eins. So war sie auch im Anfang der Welt bekannt. Eine Gemeinde, erfüllt mit dem Heiligen Geiste, gab Zeugnis von dem Heile Gottes und von seiner Gegenwart auf der Erde. Mochte sie auch bald durch die Verfolgungen der Menschen zerstreut werden, so blieb sie doch die eine Gemeinde, die Versammlung Gottes hienieden. „Saulus verwüstete die Versammlung.“ „Es geschah ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in der Versammlung zusammenkamen.“ „Herodes legte die Hände an etliche von der Versammlung.“ „Es waren aber in Antiochien in der dortigen Versammlung.“, usw. Auch wenn Gott den Apostel Paulus erweckt und mit einer besonderen Botschaft an die Heiden betraut, wird es nicht anders. Wie wäre es auch möglich gewesen? Die Versammlung war ja so, wie sie nun geoffenbart war, der Gegenstand der ewigen, unwandelbaren Ratschlüsse Gottes vor Grundlegung der Welt.

Die Einheit des Leibes wurde von den Gläubigen anerkannt und verwirklicht und war vor aller Augen sichtbar. An jedem Orte, wo der Geist Gottes wirkte, bildete sich eine Versammlung, die die Einheit der ganzen Gemeinde, ja, den Leib Christi örtlich darstellte. Der Apostel konnte an „die Versammlung Gottes, die in Korinth ist“, schreiben, und obwohl er hinzufügt: „samt allen, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen“, konnte er doch den Korinthern sagen: „Ihr seid der Leib Christi und Glieder insonderheit“. (1 Korinther 12,27). Die Versammlung in Korinth war die örtliche Darstellung des Leibes Christi, und wenn ein Glied des Leibes Christi von Korinth nach Ephesus ging oder umgekehrt, so war es dort notwendigerweise ebenso sehr ein Glied wie an seinem Wohnorte. Es ist den Gläubigen in jenen Tagen gewiß nie anders in den Sinn gekommen. Sie waren nicht Glieder einer Gemeinde oder Gemeinschaft, sondern Glieder Christi. Sie gehörten der Versammlung oder Gemeinde Gottes an. Das über einige Lehrpunkte Meinungsverschiedenheiten bestanden, ist wahr und leicht begreiflich, da die Christen der ersten Tage einerseits nicht die gesammelten Schriften des Neuen Testamentes besaßen wie wir, und andererseits die Gläubigen aus den Juden große Mühe hatten, von den aus dem Alten Bunde herübergebrachten Begriffen und Satzungen loszukommen. Aber im Blick auf das Einssein aller Gläubigen in Christo herrschte keinerlei Unklarheit und es ist geradezu unfaßlich, wie ein gläubiger Schreiber sagen kann: „Die juden- und heidenchristlichen Gemeinden im apostolischen Zeitalter waren sich, von außen betrachtet, nicht mehr einig, wie es die landeskirchlichen Gemeinschaften, die Presbyterianer, Independenten, Baptisten und Methodisten untereinander sind; im allgemeinen vielleicht noch nicht einmal so viel.“ Wir möchten nicht unfreundlich sein gegen einen Bruder, aber wir können doch nicht umhin zu sagen: Wer so redet, beweist, daß er noch nicht angefangen hat zu verstehen, was die Versammlung (Gemeinde) nach Gottes Gedanken ist und im Anfang auch nach außen hin darstellte. Wie scharf verurteilt der Apostel Paulus im 1. Korintherbriefe die Keime des Bösen, welche zu all dem Parteiwesen und Parteihader führen mußten, die das schöne Zeugnis Gottes auf Erden verdorben haben!

Die Glieder des Leibes

Wenden wir uns jetzt noch ein wenig zu den beiden Kapiteln, die vornehmlich von dem „Leibe“ und den Verrichtungen der einzelnen Glieder reden: Epheser 4 und 1 Korinther 12.

In Epheser 4 ermahnt der Apostel die Gläubigen, in aller Demut der Berufung würdig zu wandeln, mit der sie berufen worden waren. Von dieser Berufung hatte er im 2. Kapitel (1 Korinther 12,19-22) geredet: die Gläubigen bildeten die Behausung Gottes im Geiste, und das Bewußtsein der Gegenwart Gottes macht immer demütig. In Verbindung damit ermahnt er sie weiter, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens, denn jene Behausung Gottes war die Versammlung, der Leib, und sie waren Glieder dieses Leibes. Es kann nicht stark genug betont werden, daß Einheit nicht Einigkeit ist, also nicht eine Gleichartigkeit der Gesinnung, der Gefühle, Interessen usw. Diese sollte sich sicherlich auch bei den Gläubigen finden, und vielleicht denkt der Herr in Johannes 17,11 vornehmlich daran, wenn er bittet: „auf daß sie eins seien, gleichwie wir“6). Aber die Einheit des Geistes ist, wie gesagt, nicht eine Einheitlichkeit der Gefühle, nicht „ein gemeinsames Glaubens- und Liebesleben“, „ein höheres Geistesleben, das allen Gläubigen in der Wiedergeburt mitgeteilt wird“, sondern einfach die Einheit der Glieder des Leibes, die der Geist gemacht hat. Diese sollen wir zu bewahren suchen, denn starke Einflüsse von innen und außen stellen sich ihrer praktischen Verwirklichung entgegen.

Der Leib bedarf der Bedienung. Sie wird ihm zuteil durch die Glieder, und zwar ist „jedem einzelnen Gliede die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus“. (Epheser 4,7). Da die Bedürfnisse verschiedenartig sind, ist auch der Dienst verschiedenartig. Aber alles fließt von dem Haupte aus, hängt von ihm ab. Er ist hinaufgestiegen in die Höhe, hat den, der uns gefangen hielt, Satan, gefangen geführt und uns, den also Befreiten Gaben gegeben. Diese Gaben sind der Beweis von dem Siege des Herrn über Satan, denn die, die sie ausüben, waren einst hilflose, ohnmächtige Sklaven Satans. Durch sie erbaut, nährt und pflegt der Herr seinen Leib. „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi.“ (Epheser 4,11-12). Die Apostel und Propheten bilden die Grundlage des ganzen Baues, wie wir in Epheser 2,20 gelesen haben: „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, indem Jesus Christus selbst Eckstein ist“. Evangelisten, Hirten und Lehrer bleiben bis zum Ende hin, „bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus“. Bis zur Erreichung dieses Zieles, das auf Erden angestrebt wird, (mit anderen Worten also: solange es Gläubige hienieden gibt, die auf diesem Boden stehen, zu dem Leibe gehören) werden Evangelisten, Hirten und Lehrer nicht fehlen – die einen zur Sammlung, die anderen zur Auferbauung und Pflege der Glieder. Das Haupt, der Christus, wird in seiner unfehlbaren Treue und nie wankenden Liebe für alles sorgen.

Welch eine wunderbare Gnade! Nicht Menschen sind es also, denen die Sorge für den Leib Christi anvertraut ist, obwohl sie als gesegnete Werkzeuge für ihn benutzt werden, sondern Christus selbst. Der unausforschliche Reichtum (Epheser 3,8) dessen, der in der Macht seines Erlösungswerkes „alles erfüllt“ (Epheser 4,10), von dem Staube des Todes bis hinauf zu dem Throne Gottes, bildet die Grundlage der Auferbauung der Versammlung, des Leibes, indem jedes einzelne Glied, nach der ihm verliehenen Gnade, dazu mitwirkt, sich von dem Herrn dazu gebrauchen läßt. „Die Wahrheit festhaltend in Liebe, laßt uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus, aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe.“ (Epheser 4,15-16).

Wie einfach und klar verständlich, und doch wie groß und erhaben ist das alles! Es sind Gottes Gedanken, das geoffenbarte „Geheimnis des Christus“. Wie schwinden da all die klugen Überlegungen und weisen Aufstellungen des menschlichen Geistes wie die leichten Morgennebel vor der aufgehenden Sonne! Wie weit wird das Herz, und in welch einem Lichte erscheinen all die Einrichtungen des menschlichen Willens auf religiösem Gebiet, die Kirchen und Kirchlein, die Gemeinden und Gemeindlein mit ihren vielerlei Namen, Bekenntnissen, Einrichtungen, Statuten usw.! Vor Gottes Auge und nach Gottes Gedanken gibt es nur eine Gemeinde, nur einen Leib, und da, wo Gläubige das anerkennen und auf diesem einfachen, göttlichen Boden sich zusammenfinden, empfängt die Gemeinde oder Versammlung ihre örtliche Darstellung. Und wären es auch nur zwei oder drei, sie dürfen auf die Anerkennung und den Segen des Herrn rechnen. Er ist in ihrer Mitte. (Matthäus 18,20).

Warum will man das nicht? Warum greift man die Gläubigen, die sich so versammeln, immer wieder an? Weil die Wahrheit unerbittlich ist und für den Willen und die Ehre des Menschen keinen Raum läßt, und ferner, weil die Wahrheit die Angreifer in ihrem Gewissen überführt und ihnen keine Ruhe läßt. Leider ist es wahr, wir wiederholen es, daß die Angegriffenen schwach sind, ja, daß sie oft untreu waren und nicht der empfangenen Gnade gemäß gewandelt und gehandelt haben, aber das ändert nichts an der von ihnen vertretenen Wahrheit, tut nichts davon ab, auch nichts hinzu. Der Herr schreibe deshalb den einen tief ins Herz: „Übrigens sucht man hier an den Verwaltern (ob über viel oder wenig gesetzt), daß einer treu erfunden werde“, und er erinnere die anderen an die Worte: „So urteilet nicht etwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“. (1 Korinther 4,2-5). Wir dürfen überzeugt sein, daß das Urteil und Lob Gottes ganz anders ausfallen wird als das Urteil und Lob der Menschen. Beeifern wir uns deshalb, ihm wohlgefällig zu sein, äußerlich und innerlich, in Bekenntnis, Wandel und Gesinnung!

Was wir weiter oben von den einzelnen Gliedern sagten, ist selbstverständlich auch wahr von den Gaben. Sie sind nicht gegeben für einen bestimmten Kreis von Gläubigen, nicht für einen Teil des Leibes, sondern für den ganzen Leib. Ein Hirte oder ein Lehrer ist das nicht nur für die örtliche Versammlung, zu der er unmittelbar gehört, sondern für alle Versammlungen, wohin der Herr ihn führt. Ein Apollos z. B., um nicht von den Aposteln zu reden, war gerade so anerkannt in Korinth wie in Ephesus. Ganz anders war es mit den Ältesten und Diakonen. Sie hatten ein Amt in der örtlichen Versammlung zu versehen, und nur in ihr. Doch darüber vielleicht später mehr und ausführlich.

Ein Leib und ein Geist

Wir kommen jetzt zu 1 Korinther 12. Der Hauptunterschied zwischen diesem und dem soeben betrachteten Kapitel besteht wohl darin, daß Epheser 4 uns den Leib in Verbindung mit seinem himmlischen Haupte zeigt, während er in 1 Korinther 12 mehr betrachtet wird als der Schauplatz der Wirksamkeit des Heiligen Geistes hienieden. Nicht von ungefähr ist es jedoch, daß der Apostel Paulus, eher er über die verschiedenen Gnadengaben, Dienste und Wirkungen in der Versammlung (1 Korinther 12,4-6) zu reden beginnt, ausführlich des Mahles des Herrn gedenkt, dieses ausdrucksvollen Bildes von der Einheit des Leibes, zu der in dem Tode des Herrn der Grund gelegt wurde. Diese beiden Dinge, Versammlung und Einheit des Leibes, gehören unmittelbar zusammen. Man kann nicht von der Versammlung in dem wahren Sinne des Wortes reden, ohne an die Einheit des Leibes zu denken.

Christus ist „das Haupt seines Leibes, der Versammlung“. (Kolosser 1,18). Es wird nie gesagt, daß er „der Herr“ der Versammlung sei. Er ist selbstverständlich Herr in der Versammlung, unser aller Herr. Wer ihn nicht als Herrn anerkennt, ist kein Christ. Aber er steht in dieser Beziehung zu dem einzelnen, nicht zu der Versammlung als solcher. Im Blick auf sie ist er das Haupt. Sobald daher von der Versammlung die Rede ist, wird auch dieses Verhältnis zu ihrem Haupte in Erinnerung gebracht. Es ist schon oft gesagt worden, daß die Versammlung Gottes ein organisches Ganzes sei, bestehend aus Haupt und Gliedern, dem menschlichen Körper vergleichbar. So stellt das Wort Gottes es dar. Schon der Titel „Haupt des Leibes“ bedingt Einheit und Verbindung mit und unter den Gliedern. Wenn dem aber so ist, wie kann man dann von „unabhängigen“ Versammlungen oder Gemeinden reden? Damit leugnet man sofort die Wahrheit von der Einheit des Leibes. Entweder sind wir der „Leib Christi“, und „Glieder voneinander“, und gehen diesem Verhältnis schriftgemäßen Ausdruck, oder wir bilden selbständige, unabhängige Körperschaften und sind dann Glieder dieser Körperschaften. Beides miteinander zu vereinigen ist unmöglich. Das eine schließt das andere aus.

Doch wo und wie wird dieser Einheit des Leibes der schriftgemäße Ausdruck gegeben? Ist es da, wo Gläubige sich gelegentlich zum gemeinsamen Gebet, zur Wortbetrachtung, zu gegenseitiger Erbauung oder Belehrung usw. zusammenfinden? Oder kommt sie zur Darstellung, wenn man sich zur Verkündigung des Evangeliums oder zu anderer gemeinsamer Liebesarbeit miteinander verbindet? Nein, so schön, Gott wohlgefällig und gesegnet das Ganze sein mag, indem es den Eifer und die einmütige Gesinnung der also Handelnden ans Licht stellt, ist und bleibt doch der einzige Platz, die einzige Gelegenheit, wo der Einheit (nicht Einigkeit oder Einmütigkeit) Ausdruck gegeben werden kann, der Tisch des Herrn. Nur hier findet sie in dem einen Brote, von dem alle essen, eine sichtbare, sinnfällige Darstellung. Daß sich an die Feier des Abendmahls anderer Zusammenkünfte der Versammlung schließen, ist selbstverständlich, aber sie bildet den Mittelpunkt, die Grundlage von allem.

Das ist auch der Grund, weshalb der Apostel die gläubigen Korinther zunächst über diesen Punkt belehrt und sie über die Anordnungen in ihrer Mitte hinsichtlich der Abendmahlsfeier ernstlich tadelt. Im 10. Kapitel (1 Korinther 10,14-22) stellt er, in Verbindung mit der Ermahnung, den Götzendienst zu fliehen, den Tisch des Herrn in Gegensatz zu dem Tische der Dämonen, dem Götzenaltar.

Der Tisch des Herrn

Der vorherrschende Gedanke in der eben genannten Stelle ist Gemeinschaft. Dieser Gemeinschaft wurde in jedem Falle durch das Essen Ausdruck gegeben. (1 Korinther 10,16-20). So wie das Volk Israel in Gemeinschaft war mit dem Altar, von dessen Schlachtopfern7) es aß, so waren die Heiden mit dem Altar ihrer Götzen, (hinter denen die Dämonen sich verbargen, vergl. 5 Mose 31,17; Psalm 106,37, darum „Tisch der Dämonen“,) in Gemeinschaft, die Christen ihrerseits mit „dem Tische des Herrn“. Die Anbeter hatten in jedem Falle teil an dem, was sie von den übrigen Menschen unterschied. In unserem Falle ist es das Blut und der Leib Christi. Der Kelch steht hier voran, weil das Blut uns die Erlösung am deutlichsten vor Augen stellt und die tiefsten, innigsten Gedanken und Gefühle in unseren Herzen wachruft. Das Brot folgt erst an zweiter Stelle, weil es sich, als Ausdruck der Gemeinschaft der Gläubigen (als des einen Leibes) mit Christo, der weiteren Belehrung des Apostels unmittelbarer anschließt. „Denn ein Brot, ein Leib, sind wir, die Vielen.“ Merke auf, mein Leser: „wir, die Vielen“! Nicht: „ihr, die ihr gerade versammelt seid“, sondern alle Gläubige, das ganze Volk Gottes auf der Erde. Naturgemäß können in einem gegebenen Falle nur wenige gegenwärtig sein, - die das Abendmahl Feiernden bilden immer nur einen kleinen Bruchteil des gesamten Körpers, - aber der Glaube sieht alle Gläubige mit sich auf demselben Boden vereinigt, durch dasselbe Blut gewaschen, von Gott dem einen Leibe als Glieder eingefügt. „Wir, die vielen, sind ein Leib in Christo“ (Römer 12,5), und wir geben dieser Wahrheit Ausdruck, bringen sie zur Darstellung, indem wir, mit dem Herrn selbst in unserer Mitte, von dem einen Brote essen, nicht als Glieder irgend einer Gemeinschaft, einer religiösen Benennung, ob groß oder klein, alt oder jung, sondern als Glieder des Leibes Christi, versammelt an seinem Tische, um ihn, den gekreuzigten Herrn, geschart.

Indem wir dies tun, folgen wir auch der Ermahnung: „euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens“. (Epheser 4,3). Es mag einem jungen Christen nicht leicht erscheinen, dieses Wort in der um ihn her herrschenden Verwirrung in Ausübung zu bringen. Aber in Wirklichkeit ist es, wenn er nur einfältig und demütig ist, nicht so schwer. Er hat keine Einheit zu machen, oder sich dem anzuschließen, was andere gemacht haben. Nein, der Heilige Geist hat eine Einheit gemacht, und des Gläubigen Sache ist es, auf diese Einheit zu achten, sie zu bewahren. Sie ist gemacht in der Versammlung (Gemeinde), dem Leibe Christi. Es ist nicht eine Einheit oder Vereinigung von Christen oder von Kindern Gottes, obwohl alle Glieder des Leibes selbstverständlich Christen und Kinder Gottes sind. Man redet viel von der Einheit der Kinder Gottes und denkt dabei nur an die Familien-Beziehung. Diese besteht gewiß, aber es gibt mehr als das, es gibt eine Einheit des Leibes, dessen Haupt Christus ist, und in dem der Heilige Geist wohnt, wirkt und leitet.

Solange der Gläubige auf Meinungen und Lehren der Menschen achtet, kommt er allerdings nicht zur Ruhe, nicht zur Klarheit. Aber Gott sei Dank! Er ist nicht solchen Meinungen und Lehren überlassen. Er besitzt das Wort Gottes, und hier findet er deutliche Fingerzeige, Grenzsteine, Richtlinien. Indem er dieses Wort durchforscht, entdeckt er, dass Gott seine Kinder in eins versammelt, und zwar zu dem Namen Christi hin, nicht zu dem Namen irgend eines Menschen oder zu einem Bekenntnis, einer Lieblingslehre und dergleichen. Er findet ferner, daß da, wo zwei oder drei zu diesem Namen hin versammelt sind, der Herr in der Mitte ist, so daß man nicht von der Gegenwart irgend eines Menschen abhängig oder auf sie hingewiesen ist, sondern von dem Herrn und auf den Herrn allein. Er entdeckt, daß Gott es ist, der alles in allen wirkt, und der Heilige Geist, der allen austeilt, wie er will.

Findet er nun Gläubige, Christen, die auf diesem Boden stehen, die nach dieser Richtschnur wandeln, so ist sein Platz in ihrer Mitte. Dankbar und freudig wird er seine Stimme mit der ihrigen vereinigen zum Lobe dessen, der seiner Verheißung treu bleibt trotz aller Untreue des Menschen, der sich verherrlicht in der Mitte derer, die auf ihn trauen, und der die ehrt, die ihn ehren.

Wiederum möchten wir ausrufen: Wie einfach und groß sind die Gedanken Gottes, und wie töricht und klein erscheinen ihnen gegenüber die Meinungen, Einrichtungen und Satzungen der Menschen! Wiederum aber möchten wir auch fragen: Warum will man die einfache, göttliche Wahrheit nicht? Warum bekämpft man sie so hartnäckig und oft sogar mit so wenig ritterlichen Waffen? Wir haben es schon gesagt: Weil die Wahrheit so gar keinen Raum läßt für die Entfaltung menschlicher Wichtigkeit und Ehrfurcht, nicht einmal in dem Sinne, daß bei der erhabensten christlichen Feier, dem Abendmahl, irgend eine Gabe oder ein Amt in besonderer Weise in Ausübung käme. Nein, „der Kelch der Segnung, den wir segnen – das Brot, das wir brechen“, so lesen wir im 10. Kapitel, und im 11. heißt es zweimal ganz allgemein: „Dies tut zu meinem Gedächtnis“, und: „So oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“. Da ist keine Spur von einer priesterlichen Weihung des Brotes und Kelches, oder von einer Austeilung, einem Reichen des Abendmahls, oder von irgendwelchen anderen Handlungen einer mit Autorität bekleideten, hierzu beauftragten und allein befugten Person. Wir, ihr, euch, so heißt es immer wieder. Das will sagen: wir, ihr, die Gläubigen.

Aber, wird man einwenden, muß nicht eine einzelne Person das Brot brechen und das Dankgebet zu Brot und Kelch sprechen? Freilich! Aber es gibt keine von Gott zu diesem Dienst besonders verordneten und deshalb allein befugten Männer. Einer der Teilnehmer versieht diesen Dienst, und er tut es im Namen und als der Mund aller Versammelten. Das es, wenn möglich, ein älterer und in jedem Falle ein vorwurfsfreier Bruder sein sollte, sagt uns der gesunde christliche Sinn, aber ein Bruder, nicht ein Beamteter, sei es ein Prediger oder irgend eine andere dazu ordinierte oder gewählte Persönlichkeit. Sobald man diese Handlung zu dem alleinigen Recht irgend einer Person macht, ist der Charakter des Abendmahls verdorben. Es ist nicht mehr des Herrn Mahl, zu dem alle in gleicher Weise geladen sind, und an dem alle in gleicher Weise teilhaben. Es ist zu einer menschlichen Einrichtung herabgesunken, bei der der Mensch Wichtigkeit hat und im Vordergrunde steht. Der Gedanke an die in dem einen Brote8) dargestellte Einheit des Leibes ist verloren. Ein von den anderen abgesonderter, als geweihter oder geheiligter betrachteter Mensch reicht den anderen, ferner oder niedriger stehenden Brot und Wein. Der Unterschied zwischen Geistlichen und Laien ist da.

Das Neue Testament kennt nur ein Priestertum aller Gläubigen. Das Judentum hatte Priester, die vermittelnd zwischen Gott und dem Volke standen, weil dieses nicht unmittelbar Gott nahen konnte. Aber nachdem der Vorhang zerrissen und der Weg zu Gott gebahnt ist, sind die Gläubigen Gott nahe gebracht und haben Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum. (Hebräer 10,19-22). Das Christentum kennt keine Priester zwischen Gott und seinem Volke. Die Einsetzung von Priestern ist deshalb im Grunde nichts anderes als eine Rückkehr zum Judentum und ein Aufgeben der christlichen Stellung.

Es wäre noch gar manches in Verbindung mit dem „Tische des Herrn“ zu sagen. Es sei hier aber nur noch darauf hingewiesen, daß der Tag, an dem man das Abendmahl von jeher vorwiegend gefeiert hat, nicht unmittelbar geboten ist, - wir stehen unter Gnade, nicht unter Gesetz, und die Liebe soll die Triebfeder bei all unserem Tun sein, - daß er aber als der erste Tag der Woche, der Auferstehungstag unseres Herrn und Heilandes, der Beginn der neuen Schöpfung, sich von jeher den Herzen der Gläubigen empfohlen hat und heute noch empfiehlt. Nicht so, daß nur an diesem Tage und an keinem anderen der Tod des Herrn verkündigt werden dürfte. Nein, da ist die Freiheit gelassen, aber wir tun sicher wohl, die wenigen Fingerzeige, die das Wort uns in dieser Beziehung gibt, zu beachten. Des Herrn Tag (so wird der erste Wochentag in Offenbarung 1,10 genannt) und des Herrn Abendmahl (so redet der Apostel in 1 Korinther 11,20 vom Tische des Herrn) gehören naturgemäß zusammen. Es ist gewiß auch nicht von ungefähr, daß das mit „Tag“ und „Abendmahl“ verbundene griechische Wort kyriakos = dem Herrn gehörig, im ganzen Neuen Testament nur an diesen beiden Stellen vorkommt.

So oft denn der erste Tag der Woche, des Herrn Tag, wiederkehrt, an dem er einst zum erstenmal nach seiner Auferstehung mit dem kostbaren Gruße „Friede euch!“ in der Mitte seiner versammelten Jünger erschien – so oft wird auch in dem Innern eines seinen Meister liebenden Jüngers ganz besonders der Wunsch wach werden, mit den übrigen Erlösten des Herrn Mahl zu genießen und dort dankbaren Herzens der Liebe zu gedenken, die einst für ihn an dem schmachvollen Kreuze litt und starb. Es kann sein, daß die Herzen so in Liebe und Dankbarkeit brennen, daß sie die Wiederkehr des nächsten ersten Wochentages nicht erwarten können und vorher vielleicht gar eine Zeitlang täglich, des Herrn Mahl feiern9). Solche Zeiten besonderer Kraft und Frische hat der Herr zuweilen gegeben. Deshalb sagt ein anderer Schreiber mit Recht: „Alle, die dem Herrn im Geist und in der Wahrheit dienen, können unter Umständen das Brot jeden Tag brechen“; aber wenn er dann hinzufügt: „oder alle acht oder vierzehn Tage oder vier Wochen, je nachdem es sich ihnen innerlich nahelegt“, so möchten wir doch fragen: Wie muß es mit einem Christen stehen, dem es sich innerlich nahelegt, immer größere Zwischenräume zwischen die einzelnen Abendmahlsfeiern zu setzen? Regieren da wohl der Herr und seine Liebe im Herzen, oder haben sich fremde, störende Einflüsse zwischen ihn und das Herz gedrängt, sei es was es sei?

„Sooft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Korinther 11,26). Bis er kommt, - und seine Ankunft ist nicht fern, „die Nacht ist weit vorgerückt“, - soll also dieses Zeugnis fortdauern. Bis er kommt, will der Herr die Seinen immer wieder um sich versammelt sehen. Bis er kommt, soll die ganze Versammlung (Gemeinde) als die Zeugin Gottes in dieser Welt stehen, als das leuchtende Gefäß der in ihr wirkenden Gnade und Macht Gottes. Wunderbare, göttliche Kräfte sind in sie niedergelegt und entfalten sich, wenn die Untreue der einzelnen und der Gesamtheit ihnen nicht hindernd und störend in den Weg tritt.

Die Gnadengaben

„Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist; und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und derselbe Herr; und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt.“ (1 Korinther 12,4-6). Beim Lesen dieser Stelle fällt uns sofort, neben der nachdrücklichen Hervorhebung der Einheit in der Verschiedenheit, auf, daß die drei Personen der Gottheit, obwohl nicht gerade im Sinne der Dreieinheit: Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist, als wirksam in der Versammlung auf Erden dargestellt werden. Der Geist, der Herr und Gott werden nacheinander genannt, und in Verbindung damit die geistlichen Offenbarungen in drei verschiedenen Beziehungen, gleichsam drei konzentrische Kreise des göttlichen Wirkens: Gnadengaben in Beziehung zu dem Geiste, von dem sie kommen, Dienste in Beziehung zu dem Herrn, unter dem und zu dessen Verherrlichung sie ausgeübt werde, und Wirkungen in Beziehung zu Gott, denn er ist es, der alles in allen wirkt. Und weiter, damit niemand denke, der Geist sei nicht Gott oder sei doch Gott untergeordnet, wird gleich nachher gesagt: „Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. Denn einem wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben… Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will.“ (1 Korinther 12,7-11). So wird dem Geiste die Darreichung und Austeilung der verschiedenen Gaben und Wirkungen in dem Leibe zugeschrieben, und zwar soll der Dienst jedes einzelnen Gliedes dem ganzen Leibe zugute kommen.

Die Versammlung (Gemeinde) war und ist verantwortlich dafür, daß der Absicht Gottes im Blick auf sie entsprochen werde. So wie wir in Epheser 4 lasen, daß der Herr die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben, mit anderen Worten, daß er Satan besiegt und dessen Macht und Herrschaft für immer entrissen habe, so wird uns hier die wunderbare Tatsache vor Augen geführt, daß in dieser Welt, dem Reiche Satans, eine Körperschaft besteht, in der der Heilige Geist wohnt, die nicht mehr Satan und seinen Interessen dient, sondern nur einen Herrn, Jesus Christus, kennt und in der der lebendige Gott alles wirkt – ein Leib, dessen Glieder, als Gefäße der in ihnen wirkenden Kraft Gottes, verantwortlich sind, ihre bezüglichen Verrichtungen zu versehen, die vom Geiste empfangenen Gaben treu zu verwalten und dem Herrn zu dienen, zum Nutzen des einzelnen und zur Erbauung des Ganzen. Nicht ein sterblicher Mensch, nicht menschliche Verordnungen, nicht Menschenwitz und Menschenklugheit regieren hier, sondern der Geist gibt, der Herr ordnet an, und Gott wirkt alles in allen, und ich wiederhole: zum Nutzen aller, nicht zur Hervorhebung oder Auszeichnung des einzelnen.

„Das klingt großartig“, sagt man. Es würde nicht auffallen, wenn solche Worte aus dem Munde oder der Feder eines Ungläubigen kämen, aber einen Gläubigen so reden zu hören, tut weh. Nein, es klingt nicht großartig, es ist göttlich groß. Da war und ist eine Versammlung auf dieser Erde, in der Gottes Weisheit sich so offenbart, daß die Fürstentümer und Gewalten in den himmlischen Örtern staunend und bewundernd auf sie herniederschauen. (Epheser 3,10). Da ist eine Kraft in dieser Versammlung wirksam, daß ein in sie eintretender Ungläubiger oder Unkundiger so von ihr überführt und überwältigt werden kann, daß er auf sein Angesicht fällt und anbetend verkündigt, daß Gott wirklich in ihrer Mitte ist. (1 Korinther 14,24-25). Ganz gewiß wird auf die Frage, inwieweit die göttlichen Gedanken und Absichten praktisch von uns verwirklicht werden, die Antwort immer demütigend für uns ausfallen. Aber sollten wir deshalb den göttlichen Boden verlassen und mit weniger zufrieden sein, als Gott uns geschenkt hat? Sollten wir den Ratschluß Gottes hinsichtlich seiner Gemeinde aufgeben und dafür die menschlichen Gedanken annehmen über Kirchen und deren Einrichtungen, über die „Gründung biblischer Gemeinden“ mit ihren selbstgewählten Predigern, Vorstehern und Leitern, mit ihren Satzungen und Namen? Sollten wir, weil das Fleisch sich an die Stelle des Geistes drängen und Anordnung und Unheil anrichten kann, verzweifelnd sagen: Eine Geistesleitung ist unmöglich, und wir müssen uns selbst helfen, so gut es geht? Nimmermehr!

Mögen auch Verfall und Verwirrung noch so groß geworden sein, es bleibt bestehen: „Gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus. Denn auch in einem Geiste (dem Heiligen Geiste) sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden.“ (1 Korinther 12,13). Der Glaube darf heute wie immer in dieser kostbaren Wahrheit ruhen. Nachdem die Frage der persönlichen Errettung für den Glaubenden geordnet ist, tritt er in den Kreis der Familie Gottes ein, es beginnt für ihn das gemeinschaftliche, korporative Verhältnis. Durch den Heiligen Geist auf Erden errichtet, besteht dieses Verhältnis und bleibt bestehen, mag die Untreue der Menschen in seine äußere Darstellung auch so viele Löcher gerissen haben, daß kaum noch einzelne Trümmer übriggeblieben sind. Da ist, Gott sei gepriesen! ein Leib, bestehend aus allen wahren Gläubigen, und in ihm wirkt ein und derselbe Geist. Der Glaube erfaßt diese unveränderliche göttliche Wahrheit, und indem er das tut, wird der Gläubige aus all den verschiedenen Gemeinden und Körperschaften mit ihren mannigfaltigen Abstufungen herausgehoben und auf den Boden des einen Leibes gestellt, in dem es nach Gottes Gedanken nie eine Spaltung gibt. (1 Korinther 12,25). Er weiß nicht nur, daß er persönlich in Christo ist (2 Korinther 5,17), sondern daß er nun auch einen Platz in der Versammlung (Gemeinde) hat. daß er ein Glied an dem Leibe ist, von Gott an seinen bestimmten Platz gebracht, „wie es ihm gefallen hat“ (2 Korinther 5,18), und das infolgedessen die ernste Verantwortlichkeit auf ihm ruht, diesen Platz nach Gottes Gedanken auszufüllen.

Ach! daß die Arbeiter des Herrn in unseren Tagen mehr ihre heilige Pflicht verstehen möchten, die Neubekehrten weiterzuführen und sie heranwachsen zu lassen zu Christo, dem Haupte, hin! Paulus, der nicht nur Diener des Evangeliums, sondern auch Diener der Versammlung war, ermahnte und lehrte jeden Menschen in aller Weisheit, um jeden Menschen vollkommen (erwachsen) in Christo dazustellen. Statt dessen ist man heute meist schon zufrieden, wenn ein Mensch bekennt, Vergebung seiner Sünden gefunden zu haben. Man überläßt es ihm, „sich irgendwo anzuschließen“, je nach Belieben, da wo es ihm am besten paßt. Ja, indem man noch ein Übriges tut und ihm ein Verzeichnis der am Orte bestehenden christlichen Gemeinschaften in die Hand drückt, damit er so leichter seine Auswahl treffen könne, meint man sehr brüderlich und nach den Grundsätzen wahrer christlicher Freiheit gehandelt zu haben. Würde der Apostel Paulus, wenn er dem heute zuschauen müßte, nicht mit heiliger Entrüstung die also handelnden zurechtweisen?

Die Art und Weise, wie der Heilige Geist seine Gnadengaben darreicht, ist nicht Konzentration, Vereinigung aller Gaben in einer einzelnen Person, sondern Verteilung im weitesten Sinne: Er gibt vielen, allen, dem einen so, dem anderen so. Es ist hier nicht der Platz, von den verschiedenen Gnadengaben im Einzelnen zu reden. Es sein nur darauf hingewiesen, daß der Geist austeilt, wie er will, in reichster Mannigfaltigkeit, und daß Gott alles in allen wirkt. Da gibt es hervorragende, „wohlanständige“ Glieder, wie Hand und Fuß, Auge und Ohr, und da sind verborgene, „unehrbarere“ Teile des Körpers. Aber alle sind nötig und gerade da nötig, wo Gott ihnen ihren Platz angewiesen hat. Denn „wenn alle ein Glied wären, wo wäre der Leib? Nun aber sind der Glieder zwar viele, der Leib aber ist einer“. (1 Korinther 12,19-20). Und vorher: „Denn, gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus“10). (1 Korinther 12,12).

O wenn die Gläubigen nur einfältig und vorurteilsfrei auf die Belehrungen des Wortes lauschen wollten, wie bald würden alle Schwierigkeiten schwinden! Alle, die des Herrn sind durch einen Geist zu einem Leibe getauft. (1 Korinther 12,13). Nicht der Glaube ist das Band der Einheit – er ist rein persönlich, er gibt Leben, aber vereinigt nicht, wenngleich er die Glaubenden zur Vereinigung passend macht. Nicht Einstimmigkeit im Blick auf die verschiedenen Teile der göttlichen Wahrheit, nicht gleiche Gefühle, Ansichten usw. bilden das Band der Einheit, so begehrenswert eine solche Einstimmigkeit sein mag – nein, die Taufe mit dem Heiligen Geiste, die nach dem Glauben kommt (vergl. Epheser 1,13) ist es, die das Einheitsband um alle Erlösten schlingt, und das Ergebnis davon ist eben der eine Leib. Darum sagte der Herr auch seinen Jüngern nach seiner Auferstehung: „Ihr werdet mit Heiligem Geiste getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen“. (Apostelgeschichte 1,5). Der eine Leib hatte bis dahin nie bestanden. Erst mit dem Pfingstfest begann sein geschichtliches Bestehen auf dieser Erde, und der Geist, der damals herniederkam, wird bei uns und in uns bleiben in Ewigkeit. (Johannes 14,16-17). Das Band ist unzerreißbar, das Verhältnis für alle Ewigkeit gegründet. Aber vergessen wir nicht, daß es nicht erst in der Ewigkeit gesehen werden soll, sondern daß es schon in dieser Zeit und für diese Zeit besteht, und daß alle, die ihm nicht Rechnung tragen, den Herrn verunehren und seine Rechte nicht beachten.

Was also den Leib in besonderer Weise kennzeichnet, ist, daß er aus vielen Gliedern besteht, und das jedes einzelne Glied des anderen bedarf, daß das eine auf das andere angewiesen ist und nicht sagen kann: „Ich bedarf deiner nicht“, oder: „Weil ich nicht dies oder das bin, so bin ich nicht von dem Leibe“ – genau wie in dem menschlichen Organismus, und ferner, daß kein Glied seinen Platz oder seine Tätigkeit selbst wählen kann, daß auch nicht andere Glieder befugt sind, ihm einen Platz anzuweisen, sondern „daß Gott den Leib zusammengefügt hat, indem er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat, auf das keine Spaltung in dem Leibe sein, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten“. (1 Korinther 12,24-25). Der Leser beachte wohl das Wort: die „Glieder“, nicht etwas die „Gemeinschaften“, die „Benennungen“, als wären diese in ihrer Gesamtheit Glieder des Leibes. Man hat es so zu erklären gesucht, so unglaublich es klingen mag. Die Glieder des Leibes sind die einzelnen Gläubigen, nicht aber die verschiedenen religiösen Körperschaften, die der Mensch gebildet hat. Diese stehen vielmehr, als die Ergebnisse der Parteisucht des Menschen, in unmittelbarem Widerspruch mit der ganzen Lehre unseres Kapitels, sind eine praktische Leugnung der Einheit des Leibes, so viel man auch theoretisch von dieser Einheit reden mag.

Wir haben schon weiter oben gesagt, wie wichtig es für jedes Glied ist, seinen Platz am Leibe zu kennen und sich nicht über die anderen Glieder zu erheben, oder diese zu beneiden, indem man mit dem eigenen, anscheinend unwichtigeren Platze unzufrieden ist. Wie töricht wäre es, und welch ein Zerrbild würde sich ergeben, wenn im menschlichen Körper jedes Glied denselben Platz und dieselbe Tätigkeit haben wollte! Welch eine Unordnung und welch ein Nachteil für den ganzen Organismus würde schon entstehen, wenn nur eines seine Tätigkeit einstellen oder die eines anderen Gliedes übernehmen wollte! „Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch?“ (1 Korinther 12,17). Nein, wie im menschlichen Körper alles aufs wunderbarste nach göttlicher Weisheit geordnet ist, so auch in der Versammlung. Da hat „Gott jedes einzelne Glied“, das kleinste wie das größte, das herrlichste wie das mangelhafteste, „gesetzt, wie es ihm gefallen hat“, und wahrlich, wir können nichts Besseres, nichts Weiseres tun, als uns der Anordnung unseres Gottes und Vaters zu unterwerfen, und nichts Böseres und Törichteres als unseren eigenen Gedanken und Meinungen zu folgen.

So ist denn der Leib einer, der Glieder aber sind viele. Aber so viele es ihrer auch geben, und so verschieden ihre Bestimmung und Berufung sein mag, die Einheit des Leibes erleidet dadurch keine Einbuße. Im Gegenteil, wie schön und harmonisch sind die Bewegungen eines Menschen, bei dem jedes Glied richtig ausgebildet ist und seinen Platz und seine Bestimmung am Leibe nach des Schöpfers Willen ausfüllt! Ach, wenn es so doch auch in dem Leibe Christi wäre! Aber wie viel Eigenwille, Selbstbestimmung, Neid, Eifersucht, Unzufriedenheit und Überhebung zeigt sich da! Auch wie viel Unwissenheit und Unbekanntschaft mit Gottes Gedanken! Ich rede jetzt natürlich nur von Kindern Gottes, von Gliedern am Leibe Christi. Der eine nennt sich Prediger (Hirte) dieser oder jener Kirche oder Gemeinschaft und bedenkt nicht, daß er sich dadurch in unmittelbaren Widerspruch mit Gottes Wort und Willen setzt. Der andere sagt: „Ich bin ganz frei; ich gehe, wohin es mir beliebt, und arbeite, wo man mich haben will“, und weiß gar nicht, daß er dadurch seine Abhängigkeit von dem Haupte leugnet und die Segenskanäle verstopft, die von anderen Gliedern des Leibes zu ihm und von ihm zu anderen führen sollten. Zu welchem Zweck hat Gott die Glieder an den Leib gesetzt, in welcher Absicht teilt der Geist seine Gnadengaben aus und beruft der Herr seine Knechte in seinen Dienst? „Auf das die Versammlung Erbauung empfange“ (1 Korinther 14,5; 1 Korinther 12,26), und auf das „die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten“. O wie viel Segen geht auch in dieser Beziehung durch die unheilvolle Zersplitterung der Gläubigen verloren! Da sind Evangelisten, Hirten und Lehrer überall in den verschiedenen Benennungen zerstreut und durch die Schranken und Zäune, durch die Spaltungen und Trennungen in der Ausübung ihrer Gaben eingeschränkt, behindert, ja, vielfach völlig lahm gelegt. Welch ein Verlust das für sie und für die Versammlung (Gemeinde) im Allgemeinen ist, wer könnte das auch nur annähernd beschreiben!

Wem zugute werden die verschiedenen Gaben gegeben? Dem ganzen Leibe, nicht einem kleinen Bruchstück desselben. „Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.“ So verschieden die Gaben, Dienste und Wirkungen sein mögen, sie alle sollten in einer Weise ausgeübt werden und sich offenbaren, daß die göttliche Einheit des Ganzen ans Licht träte und dem Wohl und der Förderung des Ganzen gedient würde. Diese Einheit besteht vollkommen mit der Verschiedenheit der Glieder, und umgekehrt steht die Verschiedenheit der Glieder in vollem Einklang mit dem einen Leibe. Aber wohin ist man in der Christenheit gekommen! Einerseits erwartet man, daß eine und dieselbe Person all die verschiedenen Gaben in sich vereinige und ausübe, und andererseits begegnet man schier zahllosen „Leibern“, die alle voneinander verschieden und einander entgegengesetzt sind. Und warum ist das so? Hauptsächlich deshalb, weil man die Wahrheit Gottes bezüglich des einen Geistes und des einen Leibes außer Acht gelassen, die Abhängigkeit vom Herrn vergessen und so in seiner Not zu menschlichen Erfindungen und Einrichtungen seine Zuflucht genommen hat.

Was ist das Heilmittel? Ein Mittel zur Heilung des allgemeinen Verfalls und Verderbens gibt es nicht. Es bleibt nur dem einzelnen übrig, von allem abzustehen, was dem Worte Gottes zuwider ist, und mit denen, die ebenfalls dem Herrn treu sein möchten, zurückzukehren zu dem, „was von Anfang war“, - nicht in hochmütiger Beurteilung des übrigen, sondern in demütiger Beugung unter die gemeinsame Schuld und in aufrichtigem Bekenntnis der eigenen.

Wie innig die Verbindung der Glieder des Leibes ist, geht besonders aus den Worten hervor: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit“. (1 Korinther 12,26). Dies ist ganz besonders wahr, wenn es sich um eine örtliche Versammlung, die Darstellung des Leibes Christi in einer Stadt, einem Dorfe usw. handelt, wie hier in Korinth: „Ihr (Korinther) seid der Leib Christi11) und Glieder insonderheit“. (1 Korinther 12,27). Aber es ist auch wahr im weiteren, alle Glieder umfassenden Sinne. Es ist ganz unmöglich, daß ein Glied (in geistlichem Sinne) erkranke oder blühe und erstarke, ohne daß die anderen Glieder davon beeinflußt würden. Denken wir nur nicht, das ein Übel an irgend einem Teile des Leibes Christi ausbrechen könnte, sei es selbst in einem ganz anderen Lande oder Erdteil, ohne daß wir dadurch berührt würden und darunter litten. Fühlen es die Glieder eines menschlichen Leibes nicht, wenn ein Fuß oder eine Hand erkrankt? Wird nicht sofort der ganze Leib in Mitleidenschaft gezogen? Genau so ist es in dem Leibe Christi. Es wäre kein einheitliches organisches Ganzes, wenn es anders wäre. Das der gegenwärtige Zustand der Zerrissenheit und Weltförmigkeit die geistliche Empfindsamkeit überaus vermindert hat, liegt auf der Hand – der ganze Organismus ist krank, schwerkrank, - aber sie ist noch da und wird erhalten durch den Heiligen Geist, der in dem Leibe wohnt.

Es bleibt uns noch übrig, der Verschiedenheit der Gaben und Dienste zu gedenken. „Und Gott hat etliche in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen, Hilfeleistungen, Regierungen, Arten von Sprachen. Sind etwa alle Apostel? Alle Propheten? Alle Lehrer? Haben alle Wunderkräfte? Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Reden alle in Sprachen? Legen alle aus?“ (1 Korinther 12,28-30). Noch einmal wird in der deutlichsten Weise bestätigt, daß Gott es ist, der den Gliedern und Gaben in der Versammlung ihren Platz und Dienst anweist. Der Mensch oder die Versammlung haben nichts mit einer Beauftragung oder Bestätigung zu tun, es sei denn in dem ausschließlichen Sinne, daß sie die von Gott geschenkten Gaben anerkennen und sich den von ihm gegebenen Lehrern und Führern unterwerfen. Die Quelle aller Autorität und Macht ist in Gott. Weder ein Apostel noch ein Prophet noch ein Lehrer bedurfte einer Einsetzung oder Bestätigung seitens der Menschen. Der Herr berief und befähigte einen Menschen zu dem Werke, das er tun sollte, und er tut es heute noch, und der Geist leitet sowohl diesen einzelnen an, treu zu sein in der Ausübung seiner Gabe, als auch die anderen, ihn darin anzuerkennen. Darum: „Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dienet einander damit als gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes“. (1 Petrus 4,10).

Die Fragen des Apostels in Vers 29 und 30 weisen ferner auf die bereits erwähnte Tatsache hin, daß die verschiedenen Gaben unter die Glieder des Leibes verteilt sind, so daß weder einem alle Verrichtungen obliegen, noch alle dasselbe zu tun haben. Je nachdem ein jeder empfangen hat, soll er in Einfalt und Treue dienen, und alle sollen eifern um die größeren Gnadengaben, die zur Erbauung der Gläubigen und nicht zum äußeren Schmuck der Versammlung oder zu einem Zeichen für die Ungläubigen (vergl. 1 Korinther 14,22) dienten. Die Korinther waren kindlich genug, - und wie viele Gläubige unserer Tage gleichen ihnen darin! – nach der mehr ins Auge fallenden, aber geringsten Gabe des Zungenredens zu trachten und die weit gesegnetere und deshalb „größere“ Gabe des Redens zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung gering zu schätzen. (Vergleich 1 Korinther 14,1-5).

Aber so begehrenswert es war, diese größeren Gaben zu besitzen – es gab doch noch etwas Höheres, Begehrenswerteres. „Einen noch vortrefflicheren Weg zeige ich euch“, sagt der Apostel, und dann redet er von der Liebe. Das ist der beste, vortrefflichste Weg, auf dem wir wandeln, dienen und Gott verherrlichen können. Was könnte es mir nützen, wenn ich Prophezeiung hätte und alle Geheimnisse und Erkenntnis wüßte, ja, wenn ich selbst den Glauben besäße, Berge versetzen zu können, und hätte nicht Liebe? Ich wäre nichts! Was sind Prophezeiungen, Sprachen und Erkenntnis im Vergleich mit der Liebe? Sie alle werden aufhören oder weggetan werden. Aber die Liebe bleibt. Sie ist die Natur Gottes und deshalb ewig. Wo man „von Gott gelehrt ist, einander zu lieben“ (1 Thessalonicher 4,9), da grünt und blüht alles, da schwinden Eigenliebe, Neid und Ehrsucht, da herrscht der Friede des Christus in den Herzen, und Wort und Feder dienen nicht zum Unsegen und zur Entzweiung, sondern zur gegenseitigen Erbauung und Tröstung.

Möchte denn an uns und allen unseren geliebten Geschwistern der Wunsch oder das Gebet des Apostels in Erfüllung gehen: „Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle…, um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen“! (1 Thessalonicher 3,12).

1)
Es ist schwer verständlich, daß einzelne Ausleger zu dieser Stelle sagen, daß man hier unstreitig an dasselbe Verhältnis zu denken habe, wie wir es in Matthäus 13,38 finden. Die einzige Ähnlichkeit besteht wohl darin, daß in der einen Stelle von Weizen und Unkraut, in der anderen von Gefäßen zur Ehre und solchen zur Unehre die Rede ist. Im Übrigen sind die beiden Bilder so verschieden wie möglich. Das Bild von dem Hause (vergl. auch den Ausdruck „der feste Grund“ in 2 Timotheus 2,19 – dasselbe Wort wie in 1 Korinther 3,11) schließt die Vergleichung mit dem „Acker“ geradezu aus.
2)
dem Heiligen Geiste, der persönlich in und bei den Gläubigen ist. (Johannes 14,16-17).
3)
Jene Fürstentümer und Gewalten hatten die Schöpfermacht Gottes, seine Weisheit, seine Geduld und Treue, seine Regierungswege usw. gesehen, aber niemals einen himmlischen Leib auf der Erde, verbunden mit dem Sohne Gottes im Himmel.
4)
Man behauptet, daß das Versammeln in eins heute eine Unmöglichkeit sei. Damals ist es geschehen, und es war sicherlich nach Gottes Gedanken. Wenn auch die Tausende in Jerusalem, z. B. beim Brotbrechen, nicht an einem und demselben Orte versammelt waren, ja nicht versammelt sein konnten, so verhinderte das doch nicht, daß sie nach Gottes Gedanken eine wahre und wirkliche Einheit bildeten. Da waren nicht (weder in Jerusalem, noch später in Antiochien, Korinth oder Rom) „zwei oder mehrere Versammlungen, alle etwas verschieden voneinander“, da bestanden nicht „neben der eigentlichen Gemeinde und der Hausgemeinde noch verschiedene andere Gruppen gläubiger Leute, von denen jede ihre besonderen Zusammenkünfte usw. hatten“. Das alles sind Behauptungen, mit denen man gern seine eigene verkehrte Stellung stützen möchte, die aber der Belehrung des Wortes Gottes zuwiderlaufen.
5)
und nicht nur die Einheit, sondern auch die Einigkeit, das ist eine durch denselben Geist bewirkte einmütige Gesinnung – zwei ganz verschiedene, aber oft miteinander verwechselte Dinge.
6)
Im 21. Werke geht der Gedanke weiter. Alle, auch die später an Jesum glauben würden, sind eingeschlossen, und der Herr bittet: „auf daß sie uns (dem Vater und dem Sohne) eins seien“ (nicht „gleichwie wir“). Es ist ein Einssein und eine Gemeinschaft kraft der Offenbarung des Vaters in dem Sohne und des Sohnes als Gegenstand der Liebe und Wonne des Vaters, in die wir durch den Heiligen Geist eingeführt sind; und diese Einheit soll als Zeugnis der Welt gegenüber dienen: „auf das die Welt glaube, daß Du mich gesandt hast„. Im 23. Werke werden wir noch weiter geführt. Wir treten unmittelbar in die „Herrlichkeit“ ein, wo dann das Einssein „vollendet“ sein wird und die Welt bei unserer Erscheinung mit Jesu „erkennen“ (nicht glauben) wird, daß der Vater den Sohn gesandt und uns geliebt hat, gleichwie er ihn geliebt hat: „ich in ihnen und du in mir“. (Vergl. 2 Thessalonicher 1,10). So ist denn ein deutliches Fortschreiten in der dreimaligen Bitte des Herrn zu erkennen.
7)
Bei den sogenannten Friedensopfern wurde bekanntlich ein Teil des Opfertiers auf dem Altar geräuchert, die Priester aßen die Teile, die für Gott abgesondert und ihm als Web. oder Hebopfer dargebracht wurden, und den Rest aßen die Opfernden.
8)
Nicht in der Gleichheit des Empfangenen liegt die Zusammengehörigkeit begründet. Nein, der Nachdruck liegt auf ein. Das ist ein Brot, das gebrochen wird, und dieses einen Brotes sind wir alle teilhaftig. Das Brot ist die bildliche Darstellung des einen Leibes Christi und weil das so ist, geben wir durch unser Essen von dem einen Brote der Wahrheit Ausdruck, daß wir, „die Vielen“, ein Brot, ein Leib sind.
9)
In der allerersten Zeit ist die anscheinend täglich geschehen: „Indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen usw.“ (Apostelgeschichte 2,46).
10)
Auch ein beachtenswertes Wort. Wir würden erwarten: „also auch die Versammlung“ (Gemeinde), aber nein: „also auch der Christus“, d. i. jener geheimnisvolle Mensch der Ratschlüsse Gottes, von dem wir bei der Betrachtung von Epheser 2 schon hörten. Christus und die Versammlung sind eins, er das Haupt, sie der Leib.
11)
d. h. nicht unabhängig von anderen Versammlungen, sondern in Verbindung mit ihnen, aber in vertretender Weise für den Ort.
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