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Brockhaus, Rudolf - Ich komme bald

Brockhaus, Rudolf - Ich komme bald

Ein Wort über die „Ankunft“ und die „Erscheinung“ unseres Herrn Jesus Christus

Die Wahrheit von der Ankunft des Herrn vor den Gerichten, die für die Gemeinde Christi von so ausschlaggebender Bedeutung ist, war in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Gemeingut aller Gläubigen geworden. Selbst von den Kanzeln herab wurde sie hie und da verkündigt, und in vielen christlichen Blättern konnte man klare Zeugnisse von der kostbaren Hoffnung des Volkes Gottes lesen. Seit kurzem ist das leider wieder anders geworden. Der Weltkrieg mit seinen furchtbaren Erschütterungen und Folgeerscheinungen hat manche in ihrer Überzeugung wankend gemacht. Führende Männer haben durch Wort und Schrift öffentlich erklärt, daß sie sich getäuscht hätten, und daß die Gläubigen doch durch „die Stunde der Versuchung“ hindurch müßten, ja, daß diese bereits in ihren Anfängen da sei. Einige behaupten sogar, die ersten Siegel des Buches der Gerichte Gottes (Offenbarung 6) seien bereits gebrochen, und die übrigen würden bald folgen; es sei falsch, eine Unterscheidung zwischen „Ankunft“ und „Erscheinung“ oder „Offenbarung“ des Herrn zu machen, dieselben seien gleichbedeutend und würden auch der Zeit nach zusammenfallen. Eine unsichtbare Entrückung der Gläubigen, dem Herrn entgegen in die Luft, sei nicht zu erwarten, ein Unterschied zwischen der Braut Christi und z. B. jener zahllosen Schar in Offenbarung 7, die aus „der großen Drangsal“ kommt, bestehe nicht, die vierundzwanzig Ältesten in Offenbarung 4 u. Offenbarung 5 seien nicht ein Bild der droben mit Christo vereinigten himmlischen Heiligen, im Gegensatz zu dem gläubigen Überrest aus Israel und unterschieden von den ins „Reich“ eingehenden Gläubigen, sondern stellten einfach die Seelen der entschlafenen Gläubigen dar usw., usw.

Im Nachstehenden soll nun nicht noch einmal die ganze Frage eingehend behandelt1), sondern nur der Versuch gemacht werden, über einzelne strittige Punkte Klarheit zu schaffen und Steine aus dem Wege zu räumen, die immer wieder als Anstöße dienen.

Zunächst denn ein Wort über die Verheißung des Herrn:

„In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben, denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet.“ (Johannes 14,3).

„Ich komme wieder.“

So klang es in jener letzten, finstern Nacht aus dem Munde des scheidenden Herrn tröstend und ermunternd an die Ohren der Jünger. Sie hatten eine irdische Herrlichkeit, eine Erfüllung ihrer jüdischen Hoffnungen erwartet, und nun mußten sie vernehmen, daß der Herr von ihnen gehen und sie in einer feindseligen Welt zurücklassen würde, wo statt Freuden und Segnungen Leiden und Entbehrungen ihrer warteten. Ihre Herzen waren deshalb bestürzt, und Furcht erfüllte sie. Aber ihre Niedergeschlagenheit sollte ins Gegenteil verkehrt werden, ihre Trauer sich in Freude wandeln. Hatten sie die Aufrichtung des Königreiches Christi auf Erden erwartet, so sollten sie jetzt als Himmelsbürger in Beziehungen unendlich höherer Art eintreten, das Vaterhaus droben sollte seine Pforten vor ihnen erschließen. Jesus ging hin, um dort eine Stätte für sie zu bereiten; dann wollte er wiederkommen und sie zu sich nehmen, damit sie da seien, wo er jetzt ist. Der Gegenstand der Verheißung war also nicht ein gesegneter Platz im Reiche, eine bevorzugte Stellung mit dem Herrn als König Israels, sondern eine Stätte innigster Vertraulichkeit bei und mit ihm. (Vergl. Johannes 17,24).

Wer nur ein klein wenig mit den neutestamentlichen Wahrheiten vertraut ist, weiß, daß sich mit der Verwerfung des Herrn als Messias ein gewaltiger Wechsel in Gottes Handlungen vollzog. Der Haushalt Israels ging zu Ende — der Messias wurde weggetan und hatte nichts. (Daniel 9,26). Indem er vorläufig auf alle seine Rechte als „Sohn Davids“ verzichtete, wurde er als „Menschensohn“ zur Rechten der Majestät Gottes erhöht und als „Haupt über alles“ der Versammlung (Gemeinde) gegeben, die fortan den Gegenstand der Wege Gottes bildete, während Israel als Volk beiseite gesetzt wurde. (Matthäus 27,64; Epheser 1,20-23). Die „natürlichen Zweige“ (die Juden) wurden aus dem Ölbaum der Verheißung ausgebrochen, und Zweige aus einem „von Natur wilden Ölbaum“ (die Heiden) wurden an ihrer Statt in den edlen Ölbaum eingepfropft und „der Wurzel und Fettigkeit desselben mitteilhaftig“. Das wird so lange währen, „bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird“; dann wird Gott sich von neuem mit Israel beschäftigen und es „wiederum einpfropfen“. (Römer 11).

Ein anderer Haushalt hat begonnen, „die Verwaltung der Gnade Gottes“, wie der Apostel Paulus sie nennt, die gekennzeichnet ist durch die Offenbarung des „Geheimnisses des Christus, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist“. (Epheser 3). Mit diesem Geheimnis: Christus und die Gemeinde, steht die Mitteilung des Herrn an seine Jünger in Verbindung. Freilich konnte er das Geheimnis selbst noch nicht enthüllen, weil er noch nicht gestorben und auferstanden und infolge dessen der Heilige Geist noch nicht gekommen war, aber er konnte von den neuen, mit dem Himmel und dem Vaterhause verbundenen Beziehungen reden. Der „letzte Adam“ konnte auf jenes wunderbare Heim hinweisen, welches der Vater für ihn und seine Braut bestimmt hatte, der „Erstgeborene vieler Brüder“ konnte von dem Hause reden, in welchem der Familie Gottes durch seinen Hingang eine Stätte bereitet werden sollte. Er ging jetzt voraus, aber nicht ohne seinen „Brüdern“, den „vielen Söhnen“, die Gott zur Herrlichkeit bringen wollte, zu sagen, daß sein Hingang seine Wiederkehr bedeute, mit anderen Worten, daß der erste die zweite bedinge; denn im Hause des Vaters sind viele Wohnungen, von dem Vaterherzen bestimmt nicht nur für den Sohn, sondern auch für alle, die der Vater ihm aus der Welt gegeben hat. „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder.“ Wie könnte das Haupt ohne den Leib, der Bräutigam ohne die Braut, der zweite Mensch ohne sein Weib, der Erstgeborene ohne seine Brüder für immer allein dort weilen? Wie könnte das Vaterherz befriedigt sein, solang nicht die ganze erlöste Kinderschar um den, der sie erlöst hat, versammelt ist?

Es ist schier unbegreiflich, daß es Gläubige gibt, welche die klaren, wie man meint, gar nicht mißzuverstehenden Worte des Herrn so auslegen, als rede er „von dem persönlichen Heimgang der einzelnen Jünger“. Ja, mehr noch, man sagt, „der Herr Jesus habe diese Verheißung nur seinem kleinen, damaligen Jüngerkreis gegeben“, und fügt hinzu: „Sind wir nun berechtigt, sie auf die ganze spätere Gemeinde zu beziehen?“

Erstaunt fragt man sich: Haben jene Männer denn kein Verständnis von dem großen Wechsel in Gottes Wegen, von dem wir soeben gesprochen haben? Wissen sie nichts von dem göttlichen Ratschluß betreffs des zur Rechten der Majestät droben erhöhten Menschen Christus Jesus und seiner Braut? Ganz abgesehen von der Tatsache, daß die Schrift an keiner Stelle den Heimgang eines Gläubigen als ein Kommen des Herrn zu ihm bezeichnet. Immer wieder spricht sie von einem „Hingehen“, von einem „Abscheiden, um bei Christo zu sein“, von einem Befehlen des Geistes in die Hände des zur Rechten Gottes weilenden Herrn. Ja, sie verbindet mit dem Heimgang des einzelnen Gläubigen nicht einmal den Gedanken ans Vaterhaus. Daß man oft in Briefen und Todesanzeigen von Entschlafenen redet, als seien sie ins Vaterhaus gegangen, ist bekannt, aber die Schrift redet nicht so. Der Räuber ging mit Jesu „ins Paradies“. Stephanus sah den Himmel geöffnet und ging „zu Jesu“, seinem Herrn. Paulus hatte Lust, abzuscheiden und „bei Christo“ zu sein. Die Entschlafenen sind ausheimisch von dem Leibe und „einheimisch bei dem Herrn“. Ins „Vaterhaus“ führt dereinst der Erstgeborene die seinem Bilde gleichgestalteten „Brüder“; die „vielen Wohnungen“ werden von der Familie Gottes, von der Braut Christi gemeinsam mit dem Bräutigam bezogen, dann, wenn Geist und Leib wieder miteinander vereinigt sind und wir Jesum sehen werden, wie er ist, wenn Gott uns vor seiner Herrlichkeit darstellen wird mit Frohlocken. (Judas 24). Bis dahin währt der Zwischenzustand, das Weilen der Geister bei Jesu, das Warten mit und bei ihm auf den Tag der Auferstehung. Eher kann von einem Kommen des Herrn, um die Seinigen zu sich zu nehmen, gar keine Rede sein. Wenn ein Gläubiger stirbt, so geht er zu Jesu, aber der Herr kommt nicht zu ihm. Ein solcher Gedanke ist der Schrift völlig fremd.

Die auf der Erde wohnen

Die Wiederkunft Christi ist also die selige Hoffnung der Gläubigen des gegenwärtigen Zeitabschnittes. Aus der Welt erlöst, herausgenommen aus denen, „die auf der Erde wohnen“, werden sie ewig ihre Hütte im Himmel haben. Während über jene die Stunde der Versuchung, die große Drangsal der letzten Tage, kommen wird, werden sie vor dieser Stunde bewahrt werden. „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast“, so wird der Gemeinde von Philadelphia zugerufen, „werde auch ich dich bewahren vor2) der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen.“ (Offenbarung 3,10). „Die, welche auf der Erde wohnen“, d. h. die hier ihre Heimat haben, werden die Stunde der Versuchung über sich kommen sehen. Eine ganz bestimmte Klasse von Menschen wird in dem Buche der Offenbarung immer wieder so bezeichnet, zum Unterschiede von denen, welche anderswo beheimatet sind und sich von jener Klasse in Gesinnung und Tun völlig unterscheiden. So fordern im 6. Kapitel die Seelen unter dem Altar Gott auf, ihr Blut an denen zu rächen, die auf der Erde wohnen, also an ihren Mördern! Am Schlusse des 9. Kapitels wird ein dreifaches Wehe über die ausgesprochen, welche auf der Erde wohnen. Im 11. Kapitel freuen sich die auf der Erde wohnen über den Tod der beiden Zeugen Gottes, und senden einander Geschenke, weil diese zwei Propheten die quälten, welche auf der Erde wohnen. (Offenbarung 11,10). Im 13. Kapitel beten alle, die auf der Erde wohnen, das Tier an, welches die Hütte Gottes lästert und die, welche ihre Hütte in dem Himmel haben; nachher wird von ihnen gesagt, daß der falsche Prophet sie verführe usw. (V. Offenbarung 13,8; Offenbarung 13,12; Offenbarung 13,14; vergl. Kap. Offenbarung 17,2; 17,8). Daß über diese Feinde Gottes die Stunde der Versuchung kommt, ist verständlich, aber ebenso verständlich, daß die, welche sich von ihnen getrennt halten, weil Gott sie von ihnen abgesondert und ihnen eine himmlische Stellung und Berufung gegeben hat, vor jener Stunde bewahrt bleiben.

Man sagt, Leidens- und Kreuzesscheu habe „die Vertreter der Entrückungslehre“ zu ihrer Meinung geleitet. Ich weiß nicht, ob sie oder die anderen mehr leidensscheu sind, aber das Eine weiß ich: Wenn das Wort Gottes mir bestimmt erklärt, daß die Stunde der Versuchung über die kommt, welche auf der Erde wohnen, und mir zugleich ganz genau Auskunft darüber gibt, was für Leute das sind, so kann es sich für mich nicht mehr um sogenannte „Lehrmeinungen“ handeln, sondern einfach um die Frage, ob ich mich dem Worte Gottes unterwerfen will oder nicht. Verschiedene Meinungen kann es da geben, wo es Gott nicht gefallen hat, in völlig unzweideutiger Form uns seine Gedanken mitzuteilen; wo das aber geschehen ist, können Meinungsverschiedenheiten doch nur auf dem Boden der Voreingenommenheit oder des Eigenwillens erwachsen.

Alle die, welche heute schon ihr Bürgerrecht in den Himmeln haben, deren Herzen der Herr auf die vielen Wohnungen im Vaterhause lenkt, werden ebenso wenig in die Stunde der Versuchung hineinkommen, wie der Tag des Zorns über sie Hereinbrechen wird als ein Dieb. Sie mögen wohl zur Bewährung ihres Glaubens „in mancherlei Versuchungen fallen“ (Jakobus 1,2-3), das Feuer der Verfolgung mag unter ihnen entbrennen und „ihnen zur Versuchung geschehen“ (1 Petrus 4,12), sie mögen Leiden und Drangsale aller Art zu erdulden haben (2 Thessalonicher 1,4-5; Philipper 1,29 u. a. St.), aber in die Stunde der Versuchung kommen sie nicht. Sie erwarten Jesum aus den Himmeln, der sie errettet von dem kommenden Zorn. (1 Thessalonicher 1,10). Die Ankunft des Herrn wird vorher geschehen, um sie vor jener Stunde zu bewahren. Die Gemeinde wird der Erde, dem Schauplatz dieser Versuchung, entrückt sein. Ganz anders ist es mit dem Überrest Israels. Er wird durch diese Stunde gehen und „an seiner Stätte“ in der Wüste bewahrt und ernährt werden, wenn die Wut des Drachen ihren Höhepunkt erreicht hat. (Offenbarung 12). Er wird aufgefordert, „sich einen kleinen Augenblick zu verbergen, bis der Zorn vorübergehe“. (Jesaja 26,20-21). Dennoch kommt diese Stunde auch nicht eigentlich über ihn, sondern, wie gesagt, über die, welche auf der Erde wohnen.

Diese Stunde hat nicht etwa den Zweck, die Menschen von Fehltritten zu überführen oder gar sie zu bessern, sondern ist der letzte gewaltige, wenn auch vergebliche Mahnruf Gottes zur Buße. Denn während heute viele diesem Rufe folgen und Gnade finden, werden dann die Bewohner der christlichen Länder, welche die so oftmals und dringend wiederholten Mahnungen der Voten des Evangeliums endgültig verworfen haben, nicht Buße tun, sondern sich verhärten und Gott lästern. (Offenbarung 9,20-21; Offenbarung 16,9). Ja, Gott selbst wird ihnen schließlich „eine wirksame Kraft des Irrtums senden, daß sie der Lüge glauben“. (2 Thessalonicher 2,11). Das Gericht der Verhärtung kommt über sie, wie einst über den Pharao. „Der Tag des Zornes“ bricht mit vernichtender Gewalt über sie herein. „Der Überrest aber wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott.“ (Jesaja 10,21). Zu gleicher Zeit wird durch die Predigt des „Evangeliums des Reiches“ eine große Menge aus den Völkern errettet werden, die bis dahin nicht mit Christo in Verbindung standen. Ehe das Ende kommt, wird „dieses Evangelium auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zu einem Zeugnis“. (Matthäus 24,14). Wie weit die Gnade Gottes sich dann erstrecken wird, entzieht sich unserer Beurteilung; jedenfalls aber ist da, wo man die Wahrheit so viele Jahrhunderte gekannt, ihr aber „nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden hat an der Ungerechtigkeit“, die Tür der Gnade für immer verschlossen und jede Hoffnung dahin.

Einer der stärksten Beweise für die Wahrheit von der Ankunft Christi für die Seinigen vor den Gerichten sind bekanntlich:

Die vierundzwanzig Ältesten in Offenbarung 4

Diese vierundzwanzig Priesterkönige, die mit dem Lamm auf Thronen sitzen und in vollkommener Ruhe Gott und das Lamm anbeten, die Gebete der dann auf Erden durch schwere Drangsale gehenden Heiligen fürbittend vor Gott bringen, in Gottes geheimste Gedanken eingeweiht sind und das neue Lied singen, sind, wie allgemein anerkannt wird, weder Engelfürsten, noch Engel (diese erscheinen neben ihnen, in weitem Umkreise sie umgebend), aber auch nicht Seelen der Entschlafenen, wie manche meinen, sondern erlöste, in die Herrlichkeit versetzte Menschen. Es sind die symbolischen Vertreter der himmlischen Heiligen, die Häupter der gesamten priesterlichen Familie Gottes, die im Himmel erscheinen, ehe der wahre Salomo sein Friedensreich auf Erden aufrichten kann, genau so wie im alten Bunde David die vierundzwanzig Priester- und Sängerabteilungen mit ihren Häuptern einrichtete, als er die Säuberung des Reiches von allen seinen Feinden nahezu vollendet hatte und die Aufrichtung des Friedensreiches Salomos bevorstand. (1 Chronik 24 und 1 Chronik 25). Die symbolische Zahl 24 weist zunächst mit Bestimmtheit auf die Gesamtheit der himmlischen Heiligen hin, vielleicht im weiteren Sinne auch auf ihre Zusammensetzung (2*12) aus den Gläubigen des Alten und des Neuen Testaments.

Über den letztgenannten Punkt mögen die Meinungen auseinandergehen, über den ersten kann kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen. Was zunächst die Vorstellung betrifft, es handle sich hier um die Seelen der entschlafenen Gläubigen, so möchte ich darauf erwidern, daß wir nirgendwo sonst in der Schrift dem Gedanken begegnen, daß Seelen auf Thronen sitzen und Kronen tragen. Wer das tut, hat den Zustand der Vollendung erreicht. Im 6. Kapitel ist von Seelen die Rede, auch im 4. Verse des 20. Kapitels Offenbarung 20,4), aber wie verschieden ist die Sprache im Vergleich mit der vorliegenden Stelle! Weiterhin ist es unmöglich, daß die Seelen im Paradiese droben jemals eine vollständige Körperschaft, eine Vollzahl bilden oder darstellen können, wie die vierundzwanzig Ältesten das tun. Denn die Zahl 24 muß notwendigerweise eine abgeschlossene Zahl ausdrücken, zu der nichts mehr hinzugefügt werden kann, geradeso wie die Zahl 144 000 das tut im Blick aus die Erlösten aus Israel, den gläubigen Überrest. Beide Zahlen sind selbstverständlich von symbolischer Bedeutung, aber sie können unmöglich eine sich fortwährend verändernde Menge bezeichnen. Solang aber der Herr nicht gekommen ist und sein himmlisches Volk heimgeholt hat, verändert sich die Zahl der Entschlafenen unaufhörlich; zugleich befindet sich ein Teil der Gemeinde notwendig noch auf der Erde. Wenn also die 24 Ältesten himmlische Heilige vorstellen, was wohl von keinem einsichtigen Schriftforscher bestritten werden wird, so kann es sich nur um deren Vollzahl handeln. Ist aber die Vollzahl droben versammelt, so ist der Herr gekommen und hat die Seinigen heimgeholt. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Der Einwurf, die Offenbarung erwähne nichts von der Entrückung der Erlösten in den Himmel, ist hinfällig, da dieses Buch überhaupt nichts von den besonderen Segnungen der Gemeinde und den Gnadenhandlungen Gottes mit ihr erwähnt. Es ist vornehmlich ein Buch der Gerichte und Wege Gottes mit dieser Erde und den Menschen auf ihr. Daher wird die Gemeinde hienieden auch nur in ihrer Verantwortlichkeit als bekennende Körperschaft gesehen und als solche gerichtet. (Kap. 2 und 3.) (Offenbarung 2; Offenbarung 3) In dem vorletzten Sendschreiben (an Philadelphia) kündigt der Herr sich an als der bald Kommende, der die Überwinder bewahren will vor der Stunde der Versuchung, in dem letzten (an Laodicäa) droht er mit dem Ausspeien aus seinem Munde. Im 4. Kapitel (Offenbarung 4) hat er seine Verheißung: „Ich komme bald!“ wahr gemacht, ohne daß uns gesagt würde, wie das geschehen ist. Etwas Ähnliches finden wir im 20. und 21. Kapitel (Offenbarung 20; Offenbarung 21) unseres Buches. Am Ende des 20. wird in gedrängter Kürze von dem Tausendjährigen Reich berichtet, sowie von dem Endgericht über Satan und seine Heere, dem sich das Gericht der „Toten“ vor dem großen weißen Throne anschließt, und im 21. Kapitel finden wir auf der neuen Erde neben der Hütte Gottes, dem himmlischen Jerusalem, Menschen, das Volk Gottes. Ohne Zweifel sind es alle die Erlösten, die von der alten Erde auf die neue versetzt worden sind. Wie sie aber dahin gekommen sind, (sie müssen zu dem Zweck verwandelt worden sein,) wird nicht erzählt. Sie sind eben da, wie im 4. Kapitel (Offenbarung 4,9) die vierundzwanzig Ältesten.

Diese Vertreter der himmlischen Heiligen befinden sich also im Himmel, im Besitz ihrer Segnungen, bevor die Stunde der Versuchung über die Erde kommt. Es ist im ganzen Buche der Offenbarung nach dem 3. Kapitel (Offenbarung 3) keine Spur mehr von der Versammlung (Gemeinde) auf der Erde zu finden, die Versammlung oder Versammlungen werden gar nicht mehr genannt, mit Ausnahme in der Ermahnung am Ende des Buches, nachdem der prophetische Teil desselben geschlossen ist. Dagegen wird uns berichtet, daß Gott in der Zeit der Gerichte an Juden und Heiden (oder Nationen) auf Erden wirkt. Ferner verschwinden im 19. Kapitel (Offenbarung 19) die Ältesten, nachdem sie im Anfang des Kapitels noch einmal als Anbeter Gottes in Verbindung mit dem Gericht über die große Hure (die abtrünnige Kirche) eingeführt sind, um der Braut, dem Weibe des Lammes, wie sie nunmehr genannt wird3) Platz zu machen. Sobald der Menschensohn sich anschickt, seine Herrschaft und seinen Besitz anzutreten, darf sein Weib nicht an seiner Seite fehlen. So wird denn die Vermählung vollzogen, die Hochzeit gefeiert und die Braut als solche in ihre vollen Rechte eingeführt. Nachdem das geschehen ist, (nicht eher,) kommt der Herr mit ihr aus dem Himmel, bereit, „die Nationen mit eiserner Rute zu weiden und die Kelter des Weines des Grimmes Gottes, des Allmächtigen, zu treten“. (Offenbarung 19,15) Berufen, mit ihm zu richten, erscheint die Braut unter dem Bilde von Kriegsheeren, die auf weißen Pferden sitzen und mit weißer feiner Leinwand (Byssus) bekleidet sind, d. h. mit dem Kleide, das der Braut als Hochzeitsgewand gegeben wurde. (Vergl. Offenbarung 19,8).

Dann wird sich das Wort erfüllen, das der Apostel einst den Kolossern schrieb: „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart (nicht einfach: „wiederkommen“) wird, dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit (nicht: „dann werde ich euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet“). (Kolosser 3,4). Oder jenes andere Wort: „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß wenn es offenbar (oder: wenn er geoffenbart) werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen wir er ist“. (1 Johannes 3,2). Bei dieser „Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel,… wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium . . . nicht gehorchen“, wird Gott „verherrlicht werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben“. (2 Thessalonicher 1,6-10). Es ist, mit einem Wort, die allen sichtbare Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, die „Ankunft Jesu mit allen seinen Heiligen“, sein Kommen in Macht und Herrlichkeit.

Damit kommen wir zu dem bedeutungsvollen, aber ebenfalls viel umstrittenen Wort des Apostels in 1 Thessalonicher 4,13-14: „Wir wollen aber nicht, Brüder, daß ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid, auf daß ihr euch nicht betrübet wie die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen mit ihm bringen.“

Das Versammeltwerden der Gläubigen zu Jesu hin

Als Gott unseren Herrn Jesus auferweckt hatte, ließ er ihn nicht mehr dem ganzen Volke sichtbar werden, sondern nur den von ihm zuvor erwählten Zeugen. (Apostelgeschichte 10,40-41). Außer ihnen hat kein Mensch ihn gesehen. Die Welt wird ihn auch nicht Wiedersehen, bis er „in Herrlichkeit erscheinen“ und „kommen wird mit den Wolken des Himmels“. Dann wird jedes Auge ihn sehen, auch die ihn durchstochen haben. (Offenbarung 1,7). Bis dahin ist er „verborgen in Gott“. Nur das Auge des Glaubens sieht ihn jetzt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt zur Rechten Gottes. Aber Gott wird seinen Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführen, und wenn er das tut, werden alle, die in Tod und Auferstehung mit ihm verbunden sind, die unauflöslich zu ihm, dem Haupte der neuen Schöpfung, gehören, mit ihm kommen. So groß ist die Kraft des Lebens Christi, und so herrlich sein Sieg über den Tod. Gott wird sie „mit ihm bringen“, mit ihm, dem Sieger über Sünde, Tod und Grab.

Die Thessalonicher glaubten das, wenngleich ihre Begriffe und Vorstellungen darüber offenbar noch sehr unklar waren. Sie wußten nur, daß der Sohn Gottes vom Himmel zurückkehren, und sie dann mit ihm vor aller Welt verherrlicht dastehen sollten. Aber nun waren etliche aus ihrer Mitte gestorben, „durch Jesum entschlafen“, wie der Apostel sich ausdrückt. (Vergl. 1 Korinther 15,20). Über sie waren sie in Sorge. Würden sie nicht einen Verlust erleiden? Der Apostel erklärt ihnen nun vermittelst einer neuen Offenbarung, — sie waren bis dahin „unkundig“ gewesen betreffs dieses Punktes, — daß sie, die Lebenden, die bis zur Ankunft des Herrn übrigzubleiben erwarteten, vor den Entschlafenen keinerlei Vorzug haben würden, denn Gott würde diese genau so wie sie „mit Jesu bringen“, indem der Herr vorher wiederkommen würde, um die einen wie die anderen zu sich aufzunehmen. Nicht nur sie, sondern auch die inzwischen Entschlafenen würden ungeschmälert der herrlichen Folgen des Sieges Christi teilhaftig werden. Der Apostel leitet daher seine Mitteilungen mit einem begründenden „Denn“ ein. „Denn dieses sagen wir euch im Worte des Herrn usw.“ Über diese Mitteilungen möchte ich mich hier indes nicht weiter verbreiten, da es an anderer Stelle wiederholt eingehend geschehen ist.

Nur noch ein Wort über eine eigentümliche, in neuerer Zeit wieder aufgetauchte Ansicht, daß der Ausdruck: „Gott wird die durch Jesum Entschlafenen mit ihm bringen“, auf die Einführung der Gläubigen mit Christo ins Vaterhaus zu beziehen sei. Indem man die Wiederkunft des Herrn für die Seinigen vor den Gerichten durchaus nicht annehmen will, kommt man dazu, dem Worte Gottes geradezu Gewalt anzutun. In beiden Thessalonicherbriefen, wie überhaupt im ganzen Neuen Testament, wird von der „Ankunft“ oder „Erscheinung“ des Herrn stets in dem Sinne gesprochen, daß er vom Himmel kommt, sei es auf die Erde, oder in die Luft, um den seinen zu begegnen, niemals aber in dem Sinne seines Hingehens zum Vater. Wie nun sollte diese Stelle, wo in ganz besonderer Weise seine Ankunft in Frage steht, eine Ausnahme bilden? Überdies redet die Schrift wohl an mehreren Stellen davon, daß der Herr die seinen dem Vater zuführt, ins Vaterhaus bringt, auch daß der Vater den Sohn auf diese Erde sendet, wieder in den Erdkreis einführt, niemals aber spricht sie in umgekehrtem Sinne, daß der Vater den Sohn ins Vaterhaus bringe.

Ist es nicht betrübend, daß selbst Gläubige, die Jesum zu lieben bekennen und vielleicht eifrig für ihn tätig sind, sich auf alle Weise bemühen, dem Volke Gottes den größten Trost im Leid und zugleich den stärksten Antrieb zu einem Gott wohlgefälligen Leben und Wandel zu rauben? Denn das ist gewiß, daß nichts so sehr imstande ist, ein niedergebeugtes, verwundetes Herz zu trösten, Glauben und Vertrauen zu beleben, zum Ausharren zu ermuntern und zugleich von der Welt und all ihrem Wesen abzusondern, wie die tägliche, lebendige Erwartung des Herrn. Daß man sie bekennen, ja, geläufig von ihr reden kann, ohne ihre Kraft zu verwirklichen, ist wahr und leider keine seltene Erscheinung; aber da, wo sie wirklich im Herzen lebt, wird sie ihre gesegneten Wirkungen niemals verfehlen, während der Gedanke, daß erst noch viele Dinge geschehen müssen, ehe er kommen kann, gleichviel ob sie Freude oder Leid für uns bedeuten, lähmend und niederdrückend auf uns wirken muß. Man braucht deshalb noch nicht mit dem bösen Knecht zu sprechen: „Mein Herr verzieht zu kommen“, und gar anfangen, ein eigenwilliges, gottloses Leben zu führen; aber gewiß ist, daß einer der stärksten Antriebe zu einem Wandel in Liebe und Absonderung von dem Bösen fehlt.

Wer sind die 144000 Versiegelten und die große Volksmenge in Offenbarung 7?

Dem aufmerksamen Leser der Offenbarung kann es nicht entgehen, daß das 7. Kapitel (Offenbarung 7), genau genommen, nicht ein Glied in der Kette der geschichtlichen Ereignisse bildet. Es stellt einen Zwischenraum, eine Einschaltung dar, in welcher Gott die Schilderung seiner richterlichen Wege mit der Erde unterbricht und für einen Augenblick den Schleier lüftet, um uns zu zeigen, daß es außer den himmlischen Heiligen noch andere Segenskreise gibt, und daß seine Gnade weit über unsere gewöhnlichen Vorstellungen hinausgeht. Er hat Gnadenratschlüsse nicht nur in Verbindung mit dem Himmel, sondern auch mit der Erde.

Es gibt Gläubige, die „vor Grundlegung der Welt“ auserwählt wurden, und solche, deren Namen „von Grundlegung der Welt an“ in dem Buche des Lebens stehen. Das Wort redet von einer Gnade, die „vor den Zeiten der Zeitalter“ gegeben wurde, und von Segnungen, die „von Grundlegung der Welt an“ bereitet sind. (Epheser 1,4-5; Römer 8,29; 2 Timotheus 1,9; Offenbarung 13,8; Matthäus 25,34). Diese Unterschiede sind nicht von ungefähr. Sie müssen genau beachtet und festgehalten werden, wenn wir anders Gottes Gedanken verstehen und sein Wort „recht teilen“ wollen. Man hat sie vielfach übersehen und ist so zu ganz irrigen Auslegungen gekommen.

Doch wir sind dem Leser noch eine Erklärung darüber schuldig, weshalb wir das 7. Kapitel (Offenbarung 7) als eine Einschaltung betrachten müssen. Das 6. Kapitel (Offenbarung 6) schildert in ununterbrochener Reihenfolge das Brechen der sechs Siegel, deren letztes eine so furchtbare Umwälzung alles hienieden Bestehenden herbeiführt, daß die Menschen meinen, der große Tag des Zornes des Lammes sei gekommen. Erst im 8. Kapitel wird dann das siebente Siegel geöffnet, infolge dessen ein feierliches Schweigen im Himmel entsteht von der Dauer einer halben Stunde: neue, weit schrecklichere Gerichte als bisher, die sieben Posaunen, sollen durch dieses 7. Siegel eingeleitet werden. Das 7. Kapitel ist also zwischen das 6. und 7. Siegel eingeschoben, die Reihenfolge der Ereignisse ist unterbrochen. Einer ähnlichen Erscheinung begegnen wir bei den 7 Posaunen und in gewissem Sinne selbst bei den 7 Zornschalen. (Vergl. Kap. 10—11, 13 und Kap. 16, 15.)

Doch wozu diese Einschaltung? Gott will uns zu unserem Trost zeigen, daß er auch im Zorne noch des Erbarmens gedenkt, und daß er seine Endabsichten nicht nur im Blick auf die Gemeinde (Braut) Christi, sondern auch auf sein irdisches Volk, Israel, und die Nationen der Erde, die Heiden, trotz und inmitten der schrecklichsten Gerichte wahr machen wird. Wir haben schon früher darauf hingedeutet, daß Gott am Ende der Tage einen Überrest aus Israel erretten wird. Alle Propheten des Alten Bundes reden davon, und der Apostel der Nationen entwickelt diese Wahrheit ausführlich im 11. Kapitel seines Briefes an die Römer. Diesen Überrest läßt Gott hier seinen Propheten schauen: eine Vollzahl, je 12000 (die Zahl 12 findet sich immer wieder, wenn es sich um ein Werk, ein Zeugnis Gottes handelt, das dem Menschen anvertraut ist) aus jedem Stamme, wird von den Boten Gottes versiegelt.

Diese Versiegelten stehen in besonderer Weise unter Gottes Auge und Schutz, während seine Gerichte über die Erde gehen, und werden bewahrt, um zu der von ihm bestimmten Zeit ans Licht zu treten. Wann das geschehen soll, wird zunächst nicht erörtert. Im 14. Kapitel erscheint die gleiche Zahl mit dem Lamme auf dem Berge Zion; alle tragen seinen Namen und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen. Es ist, wenn nicht die gleiche, so doch eine ganz ähnliche Körperschaft wie hier; vielleicht weist die eine mehr auf den Überrest aus Israel (Zehnstämmereich) hin, die andere mehr auf den Überrest aus Juda, der in besonderer Weise durch den Ofen der Drangsale geführt werden wird.

Doch was haben wir unter der „großen Volksmenge“ zu verstehen, „die niemand zählen konnte“? Manche wollen in ihr die Gemeinde (Braut) bzw. alle himmlischen Heiligen erblicken, andere einen Teil derselben. Prüfen wir diese Meinungen auf ihre Richtigkeit.

Wir haben weiter oben gesagt und zu beweisen gesucht, daß die 24 Ältesten die himmlischen Heiligen in ihrer Gesamtheit darstellen. Nun wäre es ja möglich, daß diese Heiligen uns auch unter einem anderen Bilde vor Augen geführt würden. Es ist ja nichts Ungewöhnliches eine und dieselbe Sache im Worte Gottes unter verschiedenen erläuternden Bildern dargestellt zu finden. Aber zunächst ist es auffallend, daß Johannes die Frage eines der Ältesten: „Weißt du, wer diese sind, und woher sie gekommen sind?“ nicht beantworten kann. Über die Bedeutung der Ältesten bedarf er keiner Erklärung: ihre Erscheinung und ihr Tun sagen ihm deutlich genug, wer sie sind. Hier aber ist er völlig unwissend.

Ferner unterscheiden sich die Palmen tragenden Scharen durchaus von den Ältesten und bilden neben ihnen eine besondere Körperschaft. Bei den gleichen Vorgängen sind beide als zwei bestimmt unterschiedene Parteien in ganz verschiedener Weise tätig; die einen tun dies, die anderen jenes. Vor allen Dingen aber unterscheidet die Weise, wie Gott selbst von der Volksmenge redet, sie klar und deutlich von der Versammlung (Gemeinde) Gottes. „Dies sind die“, sagt der Älteste, „welche aus der großen Drangsal kommen.“ (Offenbarung 7,14). Daß man die Zeit, in welcher wir leben, eine Drangsalszeit nennen kann, zuweilen selbst eine Zeit großer Drangsale, sei gern zugegeben; aber hier ist von der großen Drangsal die Rede, d. h. von der bestimmten, von Gottes Wort Alten und Neuen Testaments immer wieder mit hinreichender Deutlichkeit bezeichneten ernsten Zeit des Endes, von „der Stunde der Versuchung“, die zwischen dem ersten und zweiten Kommen des Herrn über alle die Hereinbrechen wird, welche „auf der Erde wohnen“. (Vergl. Jeremias 30,7; Daniel 12,1; Matthäus 24,21; Markus 13,19; Offenbarung 2,22) Schon dieser eine Umstand beweist unwiderleglich, daß die Gemeinde in ihrer Gesamtheit hier nicht gemeint sein kann. — Aber trotz allem doch vielleicht ein Teil von ihr?

Forschen wir weiter. Daß wir unter den 144 000 Versiegelten Erlöste aus Israel, mit anderen Worten den gläubigen jüdischen Überrest4), zu verstehen haben, wird wohl von keinem einsichtsvollen Erklärer der „Offenbarung“ bestritten. Gott wird, was auch die übrigen prophetischen Schriften wieder und wieder betonen, am Ende der Tage sich seinem irdischen Volke wieder zuwenden und den einst abgebrochenen Faden seiner Beziehungen mit ihm wieder anknüpfen. Wie kann das aber geschehen? Doch nur so, daß Gott seine gegenwärtigen Wege und Handlungen vorher zu einem Abschluß bringt. Als der Herr Jesus hienieden wandelte, erkannte er die jüdischen Einrichtungen: Tempel, Priestertum, Opferdienst usw. durchaus an. Dasselbe wird er am Ende der Tage wieder tun. Gegenwärtig aber sucht Gott als seine Anbeter solche, die ihn in Geist und Wahrheit anbeten, deren Gottesdienst weder an einen Tempel noch an ein irdisches Priestertum gebunden ist. Der Heilige Geist ist herniedergekommen, um aus Juden und Heiden einen Leib zu bilden, in welchem alle völkischen und gesellschaftlichen Unterschiede aufgehoben sind. Da ist weder Jude noch Grieche, weder Beschneidung noch Vorhaut, weder Sklave noch Freier. Das muß aber notwendigerweise wieder anders werden, sobald Gott sich anschickt, die seinem irdischen Volke gegebenen Verheißungen zu erfüllen und Israel als Volk wieder „zur höchsten aller Nationen der Erde“ zu machen. Unmöglich könnte Gott zwei Segensratschlüsse, die grundsätzlich ganz und gar verschieden voneinander sind, ja, sich gegenseitig ausschließen, zu gleicher Zeit ausführen, was doch geschehen müßte, wenn die Errettung Israels neben der Sammlung der letzten zur Gemeinde gehörenden Gläubigen herlaufen würde.

Sobald der Unterschied zwischen Jude und Heide wiederhergestellt wird, bzw. sobald man dem Juden einen vor dem Heiden bevorzugten Platz einräumt, verläßt man den Boden des Christentums und kehrt zu alttestamentlichen Grundsätzen zurück. Vor dem Tode und der Auferstehung Christi war dieser Unterschied am Platz; der Herr selbst verbot seinen Jüngern, zu den Heiden zu gehen, ja, selbst in eine Stadt der Samariter einzutreten. Nachher aber, als er als „der Erstgeborene aus den Toten“ seine Versammlung zu bauen begann, sandte er die Apostel in die ganze Schöpfung, zu allen Nationen, die unter dem Himmel sind. Mit anderen Worten: eine vollständige Veränderung der Wege Gottes fand statt, eine ganz neue Entfaltung bisher unbekannter Gedanken und Ratschlüsse trat ein. Geradeso wird es dereinst wieder sein. Wenn die gegenwärtige Haushaltung zu Ende geht, wird die Gnade Gottes sich in frischen Kanälen ergießen, in neuer Weise entfalten. Alles wird dienen zur Verherrlichung seines großen Namens und zum Preise unseres Herrn und Heilandes, des Anfangs und Endes aller Offenbarungen und Wege Gottes, aber alles in seiner Art und Ordnung und zu seiner Zeit.

Wie unmöglich es ist, beide Dinge miteinander zu verbinden, tritt sofort ans Licht, wenn wir uns vergegenwärtigen, zwei Personen würden zu gleicher Zeit bekehrt, während Gott einerseits die Juden als Juden segnete und andererseits dem Leibe Christi Glieder hinzufügte, d. h. die Gemeinde aus Juden und Heiden sammelte. Würden die beiden Neubekehrten nicht in die allergrößte Verlegenheit geraten? Der eine könnte sagen: Ich muß den Tempel Gottes in Jerusalem aufsuchen und dort meine Opfer durch den von Gott verordneten Priester darbringen; der andere: Es gibt ja gar keinen Tempel auf dieser Erde; die Stätte meiner Anbetung ist im Himmel, und alle Gläubigen sind Priester und als solche berufen, Gott geistliche Opfer darzubringen, ihm wohlannehmlich durch Jesum Christum. (1 Petrus 2,5). Der eine würde die Beobachtung des Sabbaths und der Feste Jehovas, Passah- und Laubhüttenfest (s. Hesekiel 45,21-25), fordern, der andere würde sagen: Feste, Neumonde und Sabbathe, sind als Schatten der zukünftigen Dinge in Christo, dem Körper derselben, hinweggetan. (Kolosser 2,16-17). Man sieht also, in welch eine Verwirrung man gerät, wenn man annimmt, Gott könne zu gleicher Zeit ein himmlisches und ein irdisches Volk hienieden sammeln und anerkennen. Die beiden Dinge schließen einander so vollständig aus, daß der Ratschluß Gottes im Blick auf seine Gemeinde zu einem Abschluß gekommen sein muß, daß sie diese Erde verlassen haben muß, ehe er sich wieder mit seinem irdischen Volke beschäftigen kann.

So kann denn auch kein Teil der Gemeinde mehr hienieden sein, wenn Gott seine Beziehungen zu Israel wieder anknüpft. Sie hat die vor Grundlegung der Welt ihr bestimmte Segensstätte erreicht und harrt mit ihrem Herrn und Haupt auf dessen Offenbarwerdung. Bereits gekrönt und in die unmittelbare Gegenwart des Lammes geführt, schaut sie in vollkommener Ruhe und tiefem Frieden der Entfaltung der Wege Gottes zu und ist in seine geheimsten Gedanken eingeweiht. Einer der Ältesten gibt dem staunenden Propheten Auskunft über die Herkunft der großen Volksmenge, indem er sagt: „Dies sind die, die aus der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem Blute des Lammes. Darum sind sie vor dem Throne Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel.“ (V. Offenbarung 7,14-15). Auf demselben Wege errettet (es gibt keinen anderen) wie die himmlischen Heiligen, um denselben teuren Preis erkauft wie sie, ist ihre Berufung und Stellung doch eine ganz andere. Obwohl herrliche Dinge von ihnen ausgesagt und wunderbare Segnungen ihnen geschenkt sind, erreichen diese doch nicht diejenigen ihrer Brüder droben. Johannes sieht sie vor dem Throne Gottes und des Lammes stehen, nicht aber gekrönt und auf Thronen sitzend; ähnlich wie die 144 000 Versiegelten in Offenbarung 14, vor dem Throne und vor den vier lebendigen Wesen und den Ältesten stehend, ihr neues Lied singen. Auch erscheinen sie nicht mit goldenen Harfen und noch weniger mit goldenen Schalen voll Räucherwerk, wie die 24 Ältesten in Offenbarung 5. Vielmehr sind sie es, für welche die Heiligen droben fürbittend eintreten, und ihre Gebete, die sie inmitten „der großen Drangsal“ zu Gott emporsenden, werden durch jene vor Gott gebracht.

Sie haben nicht nur Drangsale durchschritten, wie sie immer wieder, schwerer oder leichter, über das Volk Gottes gekommen sind, nein, sie kommen aus „der großen Drangsal“, die als solche Johannes aus den Schriften bekannt war und uns heute gut bekannt ist. Sie haben jene Tage durchlebt, von welchen der Herr Jesus selbst sagt, daß „dergleichen von Anfang der Welt bis jetzthin nicht gewesen sind noch je sein werden“ (Matthäus 24,21; vergl. Markus 13,19); und alles, was von ihnen gesagt wird, erinnert an diesen überaus schweren, schmerzlichen Weg. Für immerdar allem Leid entrückt, werden sie nie mehr hungern und dürsten; denn das Lamm wird sie weiden und sie leiten zu Quellen der Wasser des Lebens, und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen. Fürwahr, kostbare Dinge! Aber sie erheben sich doch nicht zu der Höhe der Freude und Einsicht, die den Ältesten geschenkt ist.

So sehen wir denn immer wieder bestätigt, daß Gott nicht nur aus Israel eine Vollzahl erretten und durch die Stunde der Versuchung sicher hindurchbringen, sondern auch aus allen Völkern der Erde eine gewaltige Menge sammeln und in der großen Drangsal bewahren wird. Er wird, wie wir schon sagten, jene Länder und Völker in seiner errettenden Gnade besuchen, die heute nichts von Jesu und seinem Werke wissen. Die Gemeinde Christi (im weiteren Sinne des Wortes) hat ihrer Berufung nicht entsprochen; anstatt das Kreuz aufzunehmen und Christo nachzufolgen, hat sie Bequemlichkeit und Anerkennung in dieser Welt gesucht und ihren Auftrag an alle Nationen nicht erfüllt. Gott aber wird zu seiner Zeit an die armen Heiden denken und auch an ihnen seine Gnadenratschlüsse zur Ausführung bringen. Schon während der Endgerichte wird durch Voten aus Israel, die „Brüder des Herrn“ (Matthäus 25,40), das Evangelium des Reiches weit und breit verkündigt werden, und später, im Tausendjährigen Reiche selbst, „wird die Erde voll sein der Erkenntnis Jehovas, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken“. (Jesaja 11,9).

Manche haben eine Schwierigkeit in dem Umstand gefunden, daß die Versiegelten und die große Volksmenge schon im 7. Kapitel der Offenbarung erscheinen, also ganz im Anfang der richterlichen Wege Gottes, wenn die große Drangsal im eigentlichen Sinne noch gar nicht begonnen hat. Aber diese Schwierigkeit schwindet, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, daß Gott hier seinem Knechte Johannes und uns nur zeigen will, daß diese beiden Klassen von Erlösten von Anfang an vor seinen Augen stehen, und daß er sie durch alles hindurchbringen und zu dem vollen, sicheren Genuß der ihnen bestimmten Segnungen führen will; mit anderen Worten: daß Kapitel 7 nicht die Erzählung der geschichtlichen Ereignisse fortsetzt, sondern daß Gott eine erquickende Ruhepause eintreten läßt, um uns mit seinen Gnadengedanken und deren Ausführung in jenen ernsten Tagen bekannt zu machen.

Die „Ankunft“ des Herrn und die „Erscheinung seiner Ankunft“

Es darf wohl als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß die beiden Ausdrücke „Ankunft“ und „Erscheinung“ nicht willkürlich gewählt, sondern durchaus dem Griechischen nachgebildet sind. Der erste entspricht dem Wort Parusia = Anwesenheit, Gegenwart oder Ankunft, der zweite dem Wort Epiphaneia = Erscheinung, Epiphanie. Beiden Ausdrücken begegnen wir in 2 Thessalonicher 2,1-12, einem Abschnitt, der für die uns beschäftigenden Fragen von hervorragender Bedeutung ist. Wir lesen dort: „Wir bitten euch aber, Brüder, um der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus willen und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, daß ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung, noch erschreckt . . . , als ob der Tag des Herrn da wäre“, und in Vers 8 (2 Thessalonicher 2,8): „Dann wird der Gesetzlose (der Antichrist) geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft“.

Der 1. Vers verbindet also die Ankunft unseres Herrn mit dem Versammeltwerdens der Gläubigen zu ihm hin, der 8. die Erscheinung des Herrn mit der Vernichtung des Antichristen, des Sohnes des Verderbens, durch den Hauch seines Mundes. Schon dies eine ist so charakteristisch, daß der grundsätzliche Unterschied der beiden Tatsachen sofort in die Augen springt. Die erste ist verbunden mit einer Handlung unumschränkter Gnade, die zweite mit der Ausübung eines verzehrenden Gerichts. Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten.

Falsche Propheten und böse Arbeiter hatten durch Wort und Schrift (ja, anscheinend sogar durch einen gefälschten Brief des Apostels) die Thessalonicher zu der Meinung verführt, daß die Schrecken des „Tages des Herrn“ schon da seien. Sie stützten sich bei ihren Verführungen auf die schweren Leiden und Verfolgungen, denen die jungen Gläubigen ausgesetzt waren. Aber hatte der Apostel sie nicht am Schlusse seines ersten Briefes über die liebliche Hoffnung belehrt, daß der Herr wiederkommen und sie dann alle zu sich hin versammeln werde, damit sie allezeit bei ihm seien, fern von den Schrecken des Tages des Herrn? Ja, so war es; und um dieser kostbaren Wahrheiten willen beschwört er sie jetzt, sich doch nicht in ihrer Überzeugung irre machen zu lassen, indem er zugleich die Mitteilung hinzufügt, daß der Tag des Herrn mit seinen furchtbaren Gerichten für die Welt nicht kommen könne, ehe die Gesetzlosigkeit, die damals schon in geheimnisvoller Weise wirksam war, zu ihrer vollen Entfaltung gekommen sei.

„Der Tag des Herrn“ ist in der Schrift immer die bevorstehende, von Gott bestimmt angekündigte Ausübung des Gerichts über das Böse des Menschen, das hinweggetan werden muß, damit die Segnungen des Reiches Gottes ungehindert hervorstrahlen können zu seinem Preise. Darum heißt es, daß vorher der Gesetzlose (denn in dem Auftreten dieses „Menschen der Sünde“ wird das Böse seinen Höhepunkt erreichen) geoffenbart werden muß, den der Herr Jesus verzehren oder vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft (oder Gegenwart). Durch das Wort „Erscheinung“ wird mit dieser richterlichen Handlung des Herrn bezüglich des Antichristen die Sichtbarwerdung seiner Person ausdrücklich verbunden, was bei der Mitteilung des Versammeltwerdens der Gläubigen zu ihm hin in 1 Thessalonicher 4 keineswegs der Fall ist.

Daß das Wort Ankunft (oder Gegenwart) des Herrn nicht immer nur sein Kommen für die Seinigen bezeichnet, sondern eine allgemeine Bedeutung hat, ist unbestritten; es schließt an verschiedenen Stellen seine „Erscheinung“ mit ein. Wenn aber Genauigkeit im Ausdruck erforderlich ist, wie z. B. hier, um einer falschen Lehre entgegen zu treten, so wird die Ankunft (Parusie) von der Erscheinung (Epiphanie) dieser Ankunft sorgfältig unterschieden. Das ist bedeutungsvoll. Denn wenn das Kommen des Herrn ein Sichtbarwerden Christi vor aller Welt als notwendige Bedingung voraussetzte, so würde diese Unterscheidung zwecklos sein; wenn er aber bei seinem ersten Kommen zur Aufnahme der Seinigen von niemand außer diesen gesehen wird, während er sein zweites Kommen allen sichtbar werden läßt in der Vernichtung des Gesetzlosen, so könnte nichts passender oder genauer sein, als gerade die hier gebrauchte Ausdrucksweise.

Die „Entrückung“ der Braut ist nicht ein Ereignis, das mit der Geschichte dieser Welt irgendwie in Beziehung oder Verbindung steht. Sie ist nicht von der Welt, gleichwie ihr Herr und Bräutigam es nicht war, und so wie er nach seiner Auferstehung von keinem anderen Menschen, als von „den von Gott zuvor erwählten Zeugen“ (Apostelgeschichte 10, 41), gesehen wurde, so werden auch die auferstandenen oder verwandelten Heiligen bei ihrer Entrückung der Welt nicht sichtbar werden. Ihre Einführung aus der Fremde in die Heimat, aus der Welt in das Vaterhaus droben, ist ein Familien-Ereignis, das nur für sie und die Bewohner des Himmels von Bedeutung ist und nur von ihnen gewürdigt werden kann; ein Ereignis ferner, das in einem Nu, in einem Augenblick sich vollzieht. Welches natürliche Auge könnte ihm folgen, es erfassen? Ganz anders ist es, wenn Gott „den Erstgeborenen in den Erdkreis einführt“; dann werden die Seinigen mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit. Jedes Auge wird ihn schauen und die mit ihm, die er sich nicht schämt Brüder zu nennen. Dann wird er „herrschen von Meer zu Meer, und vom Strome bis an die Enden der Erde . . . Seine Feinde werden „den Staub lecken“, und „alle Könige werden vor ihm niederfallen, alle Nationen ihm dienen“. (Psalm 72). Bis dahin sieht die Welt weder ihn noch die verherrlichten „Genossen der himmlischen Berufung“, seine verklärte Braut.

Man begegnet neuerdings nicht selten der Meinung, die Entrückung und die Erscheinung des Herrn würden in der Weise zusammenfallen, daß zunächst „das Zeichen des Sohnes des Menschen“ am Himmel erscheinen werde (Matthäus 24,30), um alle Welt aufmerksam zu machen. Dann werde die Posaune Gottes ertönen und der Leib Christi mit ihm, dem Haupte, vereinigt werden (1 Thessalonicher 4), und in unmittelbarer Verbindung damit werde der Herr dann mit seiner Gemeinde und den Engelscharen auf die Erde herabkommen, um Gericht zu halten und sein Reich aufzurichten. Die Entrückung werde also wohl der Erscheinung vorangehen, aber kein für sich dastehendes Ereignis bilden; von einer zweimaligen Wiederkunft des Herrn könne keine Rede sein. Der Herr erscheine gleichzeitig als Haupt seiner Gemeinde, als König Israels und als Richter der Gottlosen.

Zur Begründung dieser Ansicht beruft man sich unter anderem auf Offenbarung 20,4-6, indem man sagt: „Die Entrückung ist unzertrennlich verbunden mit der „ersten Auferstehung“, und diese finden wir eben im Anschluß an die sichtbare Wiederkunft des Herrn“ (Offenbarung 20,1-6).

Zunächst enthält diese Auffassung einen unlösbaren Widerspruch in sich selbst. Wenn die in Offenbarung 20,4-6 erwähnte erste Auferstehung erst im Anschluß an die sichtbare Wiederkunft des Herrn, von der im 19. Kapitel berichtet wird, stattfindet, wie kann dann die mit ihr unzertrennlich verbundene (wie man doch zugibt und zugeben muß) Entrückung vorher geschehen? Das eine schließt das andere aus. Die Unhaltbarkeit der Behauptung erweist sich aber noch klarer, wenn man die angeführte Stelle aufmerksam liest. Wir setzen sie ganz hierher:

Offenbarung 20, 4-6

„Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten; und (ich sah) die Seelen derer, welche um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet waren, und die, welche das Tier nicht angebetet hatten, noch sein Bild, und das Malzeichen nicht angenommen hatten an ihre Stirn und an ihre Hand; und sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre. Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teil hat an der ersten Auferstehung!“

Indem man nicht genau liest, übersieht man gewöhnlich, daß der Geist Gottes hier von drei Klassen von Personen redet, und das verfälscht dann den Sinn der ganzen Mitteilung. Werfen wir jedoch zunächst einen Blick auf den Zusammenhang der Stelle mit dem Vorhergehenden. Nachdem das Gericht der beiden Häupter des Bösen in den letzten Tagen, des Tieres und des falschen Propheten, samt ihren Heeren, sowie der verborgenen Quelle alles Bösen, des Satan, stattgefunden hat (vergl. Offenbarung 19,19-20,3), bleibt die Frage offen: Was wird aus denen werden, die während der Zeit der Gerichte ihre Treue für den Herrn mit dem Tode besiegelt haben? Werden sie ihren Lohn verlieren? Diese Frage wird seht beantwortet. Wir werden in eine Szene des Sieges und des Triumphes eingeführt. „Throne“ erscheinen vor dem Auge des Propheten, die Symbole richtender oder regierender Gewalt. Die Throne sind besetzt; von wem, wird nicht gesagt. Aber es kann kaum fraglich sein, wer hier, im Beginn des Tausendjährigen Reiches, den Platz von Richtenden und Regierenden einnimmt. Es sind die, welche mit dem Richter des ganzen Erdkreises aus dem Himmel herniedergekommen sind und ihn bei seinem Siegeszuge begleitet haben: die himmlischen Heiligen von Offenbarung 19,14. Ihnen wird gegeben, Gericht zu halten, entsprechend den Worten des Herrn an seine Jünger: „Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet … auf zwölf Thronen sitzen und richten die zwölf Stämme Israels“ (Matthäus 19,28), und der Frage des Apostels in 1 Korinther 6,2: „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden?“ Hier begegnen wir der Erfüllung dieser Worte. Im Himmel gibt es keine Stämme Israels oder Menschen zu richten; das geschieht hier auf Erden, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Throne der Herrlichkeit sitzen und seine Herrschaft antreten wird.

Außer und neben diesen auf Thronen sitzenden Heiligen erblickt Johannes die „Seelen“ derer, welche um des Zeugnisses Jesu willen enthauptet waren, und die, welche das Tier nicht angebetet hatten usw. Jene, auf Thronen Sitzenden sind der Auferstehung aus den Toten bereits teilhaftig geworden, diese erscheinen noch als Seelen, ohne Leib, aber sie sollen nunmehr auch die Glückseligkeit der ersten Auferstehung kennen lernen. Es sind zwei Klassen von Personen, die uns aus früheren Kapiteln der Offenbarung bereits wohlbekannt sind. Beim Öffnen des fünften Siegels sieht Johannes unter dem Altar „die Seelen derer, welche geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten“. Sie rufen zu Gott um Rache wegen ihres Blutes, und es wird ihnen gesagt, „daß sie noch eine kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet sein würden, die ebenso wie sie getötet werden würden“. (Offenbarung 6,9-11). Es sind die Märtyrer, die im Beginn der großen Drangsalszeit um ihres Zeugnisses willen den Tod erleiden werden. Ihnen folgen im 13. Kapitel ihre Mitknechte und Brüder, welche später, unter der Regierung des „Tieres“, getötet werden, weil sie das Bild desselben nicht anbeten und sein Malzeichen nicht annehmen wollen (vergl. Offenbarung 13,12-14); sie stehen in Kap. 15, 2 (Offenbarung 15,2) als Überwinder über das Tier und sein Bild an dem gläsernen Meere.

Die Offenbarung selbst beantwortet also in voller Klarheit die Frage, wer die drei Klassen von Heiligen sind, die in unserem Abschnitt vor den Augen des Propheten erscheinen: es sind, wie gesagt, zunächst die bereits vollendeten himmlischen Heiligen, die im 4. und 5. Kapitel unter dem Bilde der 24 Ältesten gesehen werden, dann die Seelen der im Anfang der Drangsalszeit ermordeten Gläubigen, und schließlich die Märtyrer aus der späteren Zeit der Stunde der Versuchung, aus den Tagen des Tieres und des falschen Propheten. Während die ersten auf Thronen gesehen werden, weil sie bereits verherrlicht sind, treten die beiden letztgenannten Klassen als Seelen vor unsere Blicke, die noch der Überkleidung mit ihren Leibern bedürfen. Diese wird ihnen jetzt angekündigt, bzw. an ihnen vollzogen. Unter Zurücklassung der übrigen (in ihren Sünden gestorbenen) Toten in ihren Gräbern, kommen auch sie jetzt, gleich ihrem Herrn und ihren übrigen bereits auferweckten Brüdern, „aus den Toten“ hervor.

Diese erste Auferstehung, die Auferstehung des Lebens oder der Gerechten, wie sie auch genannt wird, hat ihren Anfang genommen in der Auferweckung unseres Herrn und Heilandes. Er ist der „Anfang“, der „Erstling der Entschlafenen“, der „Erstgeborene aus den Toten“. Als solcher ist er seiner Versammlung oder Gemeinde gegeben, denn er muss in allen Dingen den Vorrang haben. (Kolosser 1,18). Als zweiter Abschnitt der ersten Auferstehung wird die Auferweckung derer erfolgen, welche „des Christus sind bei seiner Ankunft“, der alt- und neutestamentlichen Heiligen. (1 Korinther 15,23; 1 Korinther 15,51-54; 1 Thessalonicher 4,13-18). Aber auch die nach seiner Wiederkunft noch herzugerufenen und um ihrer Treue willen sterbenden Gläubigen sollen nicht verkürzt werden; sie werden, gleich ihren Brüdern, „würdig geachtet, jener Welt und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu sein“. (Lukas 20,35). Mit ihrer Auferweckung im Beginn „jener Welt“, des Tausendjährigen Reiches, schließt dann die erste Auferstehung. Sie bilden die letzte selige Schar, die dieses Vorrechtes teilhaftig wird. Darum finden wir hier auch die Seligpreisung aller derer, die an der ersten Auferstehung teilhaben. Diese ist jetzt erst vollendet. „Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre.“ (Offenbarung 20,6). Viele, viele Tausende außer ihnen gehen lebend in das Reich ein und werden dessen Segnungen genießen, aber es wird nicht von ihnen gesagt, daß sie mit Christo herrschen werden.

Einem ähnlichen Unterschied begegnen wir schon in Daniel 7. Dort hören wir von Heiligen, denen „Gericht gegeben wird“, und von solchen, die „das Reich besitzen werden“, von „Heiligen der höchsten Örter“ und von solchen, die bloß „Heilige“ oder „das Volk der Heiligen der höchsten Örter“ genannt werden.

Die letzte Posaune

Zur Vervollständigung des Ganzen sei hier noch ein kurzes Wort gesagt über die Mitteilung des Apostels an die Korinther: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden.“

Was ist die letzte Posaune? so ist schon oft gefragt worden und wird immer wieder gefragt.

In den Kapiteln 8—11 des Buches der Offenbarung (Offenbarung 8-11) hören wir von einer Reihe ernster Gerichte, die unter dem Bilde von sieben Posaunen oder Trompeten eingeführt werden. Denkt der Apostel Paulus an diese, wenn er in der oben angeführten Stelle, 1 Korinther 15,52, von der letzten Posaune redet? Unmöglich! Und zwar aus dem einfachen Umstande, weil die Offenbarung erst mehrere Jahrzehnte nach den Korintherbriefen geschrieben worden ist. Der Apostel kann selbstverständlich nicht auf eine Sache anspielen, die zur Zeit, da er schrieb, noch keinem Menschen bekannt war.

Was bedeutet denn der Ausdruck? Woran denkt der Apostel? Wir meinen, die Antwort sei nicht schwer.

Es ist bekannt, daß Paulus in seinen Belehrungen gern Anschauungsunterricht erteilt, indem er allgemein bekannte bürgerliche oder militärische Einrichtungen als erklärende Bilder benutzt. So redet er häufig von den Kampfspielen, die in jener Zeit in allen größeren griechischen und römischen Städten gebräuchlich waren. In 1 Korinther 4,9 sagt er: „Wir sind der Welt ein Schauspiel geworden, sowohl Engeln als Menschen“. In diesem gewaltigen Schauspiel, das Gott vor die Augen der Himmels- und Erdenbewohner hingestellt hat, bildeten die Apostel gleichsam das letzte große Schaustück, den ergreifenden und überwältigenden Schlußakt der vorgeführten Spiele und Kämpfe. So wie bei den gewöhnlichen Schaustellungen dieser Art die letzten Kämpfer bis zum Tode des einen Teiles miteinander kämpfen mußten, so hatte Gott, wie es Paulus dünkte, „die Apostel als die Letzten dargestellt, wie zum Tode bestimmt“.

Im 9. Kapitel unseres Briefes erinnert er die Korinther an die Wettläufer in der Rennbahn und ermahnt sie, gleich jenen enthaltsam zu sein in allem, um so eine unvergängliche Krone, einen unverwelklichen Siegeskranz zu erringen. (1 Korinther 9,24-27). Eine ähnliche, ganz ergreifende Bezugnahme auf den Wettlauf dem Ziele zu, zur Erlangung des herrlichen Kampfpreises, finden wir in Philipper 3,14. In Kolosser 2,18 ermahnt er die gläubigen Kolosser, sich durch niemand den Kampfpreis entreißen zu lassen, in 2 Timotheus 2,5 den Timotheus, beim Wettkampf die göttlichen Regeln des Kampfspiels zu beachten; und immer wieder redet er von Kronen oder Kränzen des Ruhmes, der Gerechtigkeit usw.

Fast noch häufiger bedient sich der Apostel militärischer Bilder. Die Gläubigen hienieden sind für ihn das streitende Heer seines Herrn, Kriegsleute Jesu Christi, vom Herrn angeworben (2 Timotheus 2,3-4), in seinen Sold gestellt (1 Korinther 9,7), berufen, den guten Kampf zu kämpfen (1 Timotheus 6,12), „die ganze Waffenrüstung Gottes zu nehmen“ (Epheser 6,13-17), „nüchtern zu sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit“ (1 Thessalonicher 5,8), mitzukämpfen mit dem Glauben des Evangeliums (Philipper 1,27), mit dem Apostel zu kämpfen an dem Evangelium und in den Gebeten (Philipper 4,3; Römer 15,30) usw. Immer wieder redet er von den Schutz- und Trutzwaffen des Gläubigen und weist auf militärische Einrichtungen hin. So fragt er in 1 Korinther 14,8 : „Wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampfe rüsten?“ Auch der Ausdruck: „ein jeder aber in seiner eigenen Ordnung“ in 1 Korinther 15,23 ist der Militärsprache entlehnt; das im Griechischen für „Ordnung“ gebrauchte Wort bedeutet eigentlich: Abteilung, Heerhaufe. Die Auferstehenden gleichen verschiedenen Heerhaufen.

Unter Berücksichtigung dieser Gewohnheiten des Apostels liegt es sehr nahe, ja, empfiehlt sich mit fast zwingender Gewalt, auch an unserer Stelle an einen militärischen Ausdruck zu denken, der den Korinthern um so geläufiger war, weil ihre Stadt als Hauptstadt der Provinz eine starke römische Besatzung besaß. So hatten sie jedenfalls täglich Gelegenheit, die Posaunen- oder Trompetensignale der römischen Legionen zu hören, und kannten deren Bedeutung, geradeso wie die Bewohner einer Garnisonstadt heute mit den militärischen Signalen (Wecken, Locken, Nachtwache u. dergl.) vertraut sind. „Die letzte Posaune“ will also wohl nichts anderes bedeuten als den letzten Trompetenstoß, welcher der Truppe das Zeichen zum Abmarsch gibt. Es gab Trompetensignale, welche zum Abbruch des Lagers, zur Anlegung der Rüstung (vergl. 1 Korinther 14,8) und endlich zum Antreten in Reih und Glied riefen. Die letzte Trompete (Posaune) hieß: Marsch!

Wie einfach und schön erklärt sich auf diese Weise die Belehrung des Apostels! Wenn der Herr kommt, um sein streitendes Heer nach dem letzten Kampf in die ewige Ruhe einzuführen, ruft er es mit der „Posaune Gottes“. (1 Thessalonicher 4,16). Es ist die letzte Posaune, die gleichsam zum Aufbruch oder Abmarsch geblasen wird. „Denn posaunen wird es“, und der mächtige Schall des göttlichen Signals wird in die Gräber und in die Tiefen des Meeres dringen, und alle „Toten in Christo“ werden ihn hören; er wird im Hades vernommen werden und wird hinaustönen zu allen lebenden Gläubigen auf dem ganzen Erdenrund. Die Toten werden auferweckt werden unverweslich (die „Geister der vollendeten Gerechten“ werden sich mit ihren auferstandenen Leibern vereinigen), und „wir werden verwandelt werden“. Alle, „die des Christus sind bei seiner Ankunft“ (1 Korinther 15,23), werden lebendig gemacht werden, und zwar in einem Nu, in einem Augenblick. Das mit „Nu“ übersetzte griechische Wort (atomos, daher das Wort „Atom“) bedeutet eigentlich: nicht zerschneidbar, unteilbar. Das will sagen: die ganze Sache wird in einem so kurzen Zeitraum geschehen, daß er sich nicht mehr teilen läßt. Eine Sekunde läßt sich noch vielfach teilen, aber dieser Zeitraum nicht. Rascher als wir es nur denken können, wird diese wunderbare „erste“ Auferstehung sich vollziehen.

Gleich einem Heerführer, der mit Donnerruf seine Scharen leitet und, wenn die Stimme nicht mehr ausreichen will, durch den Trompeter an seiner Seite den Truppen seinen Willen und seine Befehle kundgibt, so wird der Herr, der Führer seines Heeres, der seine Streiter so oft durch die silberne Trompete seines Wortes und Geistes (vergl. 3 Mose 23-24;3 Mose 25,9; 4 Mose 10,1-10) zusammengerufen und ihnen seinen Willen kundgetan hat, bei der letzten Posaune sie Heimrufen vom Kampfplatz und triumphierend mit sich einführen in die Wohnungen des Friedens, wo kein Kampfgetümmel und Waffengeklirr mehr gehört werden wird in Ewigkeit. Mit eines Erzengels Stimme und mit Gottes Posaune (1 Thess. 4,16) wird er vom Himmel herniederkommen; dann werden die entschlafenen und noch lebenden Gläubigen (entweder auferweckt oder verwandelt) miteinander vereinigt und durch den Heiligen Geist dem Herrn entgegengeführt werden in die Luft. Die zahllosen Scharen aller derer, die je an Christum geglaubt haben und bis zu jener Stunde noch an ihn glauben werden, werden in einem gewaltigen Heereszuge hinaufsteigen, „in Wolken“, ihrem geliebten Herrn entgegen. So wie einst eine Wolke ihn, „den Himmlischen“, aufnahm, nur den Augen der nachschauenden Jünger sichtbar, so werden auch Wolken das Gefährt bilden, auf welchem wir, „die Himmlischen“, der Welt unsichtbar, emporgehoben werden. Dann wird sich das Wort erfüllen: „Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“. (1 Korinther 15,48-49). Und: „Verschlungen ist der Tod in Sieg. Wo ist, o Tod, dein Stachel? Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Das Verwesliche wird Unverweslichkeit und das Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Gott selbst wird uns diesen wunderbaren Sieg geben durch unseren Herrn Jesus Christus. Allem Kampf und Erdenleid für immer entrückt, werden wir bei unserem teuren Herrn sein allezeit.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß es durchaus keinen Grund gibt, weshalb die letzte Posaune nicht jeden Augenblick ertönen könnte. Sobald das Heer des Herrn vollzählig ist, sobald das letzte Glied seinem Leibe eingefügt ist, steht seinem Kommen zur Entrückung der Seinigen nichts mehr im Wege. Kein zeitliches Erkennungszeichen ist uns deshalb für dieses Kommen gegeben. Wohl mögen wir in den Ereignissen und Umwälzungen unserer Tage, in den furchtbaren Zuckungen, welche den ganzen Erdkreis erschüttern, Anzeichen des „Anfangs der Wehen“ erkennen, sowie in den Vorgängen in Palästina und den umliegenden Ländern deutliche Hinweise darauf erblicken, daß „die Tage des Endes“ ganz nahe gekommen sind; aber es wäre verkehrt, mehr als das darin zu sehen oder gar zu meinen, diese und andere Dinge müßten noch geschehen, ehe der Herr kommen könne, um seine Braut heimzuführen. Wer so redet, beweist, daß er mit Gottes Gedanken über Christum und seinen Leib, sowie über den Zweck des Weilens des Heiligen Geistes hienieden wenig bekannt ist und deshalb auch den Unterschied zwischen dem Kommen Christi als Morgenstern und seiner Erscheinung als die Sonne der Gerechtigkeit zur Einleitung seines Tages nicht genügend beachtet.

Der Geist und die Braut rufen: Komm! Ja, sie blicken so wenig auf Zeit und Umstände, rechnen so wenig mit Zeitpunkten und Zeitereignissen, daß sie jeden, der diesen Ruf hört, bedingungslos auffordern, ebenfalls zu rufen: Komm! Da ist nichts mehr vorher zu erwarten, da braucht nichts mehr vorher erfüllt zu werden. Die letzte Posaune kann jeden Tag, heute noch, ertönen, und die einfältige, ihren Herrn liebende Seele singt und sagt:

„O Jesu, daß ich heut' dich säh'!“

Zum Schluß möge noch eine von anderer Hand gefertigte Zusammenstellung gewisser Ausdrücke hier Platz finden, mit welchen die Schrift die Ankunft und Erscheinung unseres Herrn Jesus und die sie begleitenden Ereignisse bezeichnet. Der Leser wolle die angeführten Schriftstellen sorgfältig vergleichen, wenn möglich nach einer neueren, genauen Übersetzung.

1. Die Ankunft (Parusie) des Herrn.

Das griechische Wort Parusie bezeichnet, wie schon früher angedeutet, sowohl die Gegenwart einer Person, die bis dahin abwesend war, als auch die Handlung, durch welche diese Gegenwart vermittelt wird, die Ankunft. Die Ankunft des Herrn darf jedoch nicht mit der Ankunft (derselbe griechische Ausdruck) des Sohnes des Menschen (Matthäus 24,3; Matthäus; Matthäus 24,30; Matthäus 24,37; Matthäus 24,39) verwechselt werden. Die erste erfolgt in Gnade, die zweite im Gericht. Wenn der Herr kommt, um seine Gemeinde zu sich zu nehmen und die entschlafenen Heiligen aufzuerwecken, so tut er das als der Sohn Gottes (Johannes 5,21 & Johannes 5,25); kommt er, um Gericht auszuüben, so ist es als der Sohn des Menschen. (Johannes 5,27) seine Ankunft zum Gericht ist seine „Erscheinung“. (Matthäus 24,30) Die Worte: „Die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (2 Petrus 1,16) bezeichnen seine Gegenwart in Herrlichkeit im Reiche, wovon die Jünger ein Bild und einen Vorgeschmack auf dem heiligen Berge gehabt hatten. (Markus 9,1; 2 Petrus 1,16-18). Die beiden Ausdrücke: Ankunft „des Sohnes des Menschen“ und Ankunft „des Herrn in Macht“ sind also wohl zu unterscheiden von seinem Kommen, um die Heiligen aufzuerwecken, zu verwandeln und zu entrücken. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Für die Ankunft des Herrn vergleiche man: 1 Korinther 15,23; 1 Thessalonicher 2,19; 1 Thessalonicher 3,13; 1 Thessalonicher 4,15; 1 Thessalonicher 5,23; 2 Thessalonicher 2,1; Jakobus 5,7-8; 2 Petrus 3,4. Daß das griechische Wort nicht nur Gegenwart (Anwesenheit), sondern auch Ankunft bedeutet, beweisen Stellen wie 1 Korinther 16,17; 2 Korinther 7,6-7.

2. Die Offenbarung des Herrn

wird erfolgen zur Freude derer, die geglaubt haben, und zur Beschämung und Verwirrung derer, welche ihn nicht im Glauben haben anerkennen wollen zur Zeit, da er verborgen war. Dieser Ausdruck wird daher nicht nur angewandt auf die Offenbarung der Herrlichkeit des Herrn, sondern auch auf die Offenbarung des Gerichts, das er ausführen wird.

Bezüglich der Offenbarung in Herrlichkeit vergleiche: 1 Korinther 1,7; 1 Petrus 1,7, 1 Petrus 13; 1 Petrus 4,13; 1 Petrus 5,1; auch Römer 8,19; bezüglich der Offenbarung im Gericht: Lukas 17,30; 1 Korinther 3,13; 2 Thessalonicher 1,7; Offenbarung 1,1.

Das Offenbar- oder Geoffenbartwerden Christi, von welchem in Kolosser 3,4 und 1 Johannes 3,2 gesprochen wird (ein anderes griechisches Wort als das eben behandelte), bezeichnet, daß der, welcher gegenwärtig in Gott verborgen, dessen Dasein aber bereits bekannt ist, sichtbarlich hervortreten wird.

3. Die Erscheinung (Epiphanie) des Herrn

ist die Tatsache, daß seine Person, die bis dahin unsichtbar war, endlich gesehen oder sichtbar gemacht werden wird. So war es bei der ersten Erscheinung Christi, als er in Gnade als Mensch in diese Welt trat, und so wird es bei seiner zweiten Erscheinung in Gericht und Herrlichkeit sein, wenn „jedes Auge ihn sehen“ wird.

Im Anschluß an die Erscheinung Christi werden die Früchte des Verhaltens der Christen den Augen aller offenbar werden; sie leitet die Regierung des Herrn ein.

Hinsichtlich der ersten Erscheinung Christi vergleiche man: Titus 2,11; Titus 3,4; hinsichtlich der zweiten: 2 Thessalonicher 2,8; 1 Timotheus 6,14; 2 Timotheus 4,1-8; Titus 2,13.

4. Der Tag des Herrn

ist immer ein Tag des Gerichts und bezeichnet im Neuen Testament nicht einen Tag von 24 Stunden, sondern einen Zeitabschnitt, der nach dem Kommen des Herrn für die Seinigen beginnt und die prophetischen Ereignisse bis zur „Erscheinung“ des Herrn umfaßt. In 2 Petrus 3 erstreckt sich der Tag des Herrn noch über diese Erscheinung hinaus bis zur Auflösung des gegenwärtigen Himmels und der Erde. Der Tag Jehovas im Alten Testament entspricht dem „Tage des Herrn“ und bezeichnet die Zeit des Zornes und der Gerichte Gottes, sei es über Israel oder über die Nationen. Nachdem dieser Tag durch die Propheten angekündigt worden ist, hat er eine teilweise, vorlaufende Erfüllung schon in der Vergangenheit erfahren, in dem Zorn, der über Israel gekommen ist; die volle Erfüllung, die Zeit der „Drangsal für Jakob“ (Jeremias 30,7) steht noch bevor.

Bezüglich des Tages des Herrn vergleiche: Apostelgeschichte 2,20; Apostelgeschichte 17,31; 1 Korinther 3,13; 1 Korinther 5,5; 2 Korinther 1,14; 1 Thessalonicher 5,2; 2 Thessalonicher 2,2; Hebräer 10,25; Hebräer 10,27; Offenbarung 6,17; Offenbarung 16,14. Bezüglich des Tages Jehovas unter anderen Stellen: Jesaja 13,6; Jesaja 13,9; Hesekiel 30,3; Jeremia 46,10; Joel 1,15; Joel 2,1.; Joel 2,11; Joel 2,31; Amos 5,18; Amos 5,20; Obadja 15; Zefanja 1,7; Zefanja 1,14; Maleachi 3,2; Maleachi 4,1; Maleachi 4,5.

5. Der Tag Christi (oder Jesu Christi),

wie auch der Ausdruck „jener Tag“, hat eine ausgedehntere Bedeutung. Dieser Tag beginnt mit dem Aufgang des Morgensterns oder mit der Ankunft des Herrn, der Morgenröte dieses Tages, welche die Erlösten in die Herrlichkeit einführt. Der Tag Christi findet seine Fortsetzung vor dem Richterstuhl Christi, wo die Austeilung der Kronen oder auch der Verlust des Lohnes stattfindet. Er endet mit der öffentlichen Erscheinung des Herrn mit seinen Heiligen, nachdem „die Hochzeit des Lammes“ im Himmel stattgefunden hat. Dann werden die Folgen des Verhaltens der Gläubigen nicht nur im Himmel, sondern auch vor den Augen aller geschaut werden.

Vergl. hierzu Philipper 1,6; Philipper 1,10; Philipper 2,16; 2 Timotheus 1,12; 2 Timotheus 1,18; 2 Timotheus 4,8.

6. Das Ende der Tage

bedeutet im Alten Testament immer den Zeitabschnitt der Segnung, welcher den letzten Gerichten folgen wird, d. h. die Auflichtung des Tausendjährigen Reiches und die endgültige Wiederherstellung des Volkes Israel, verbunden mit der Segnung der übrigen Völker. Vergl. Jesaja 2,2; Jeremia 23,20; Jeremia 30,24; Jeremia 48,47; Jeremia 49,39; Daniel 10,14; Hosea 3,5; Apostelgeschichte 2,17.

Im Neuen Testament bezeichnet der Ausdruck „die letzten Tage“ (mit Ausnahme der bereits angeführten Stelle, Apostelgeschichte 2,17) im Gegenteil die Zeit der vollen Entwicklung des Bösen, da die Christenheit niemals wiederhergestellt werden wird, wie es mit Israel der Fall ist. Siehe 2 Timotheus 3,1; Jakobus 5,3; 2 Petrus 3,3.

7. Die Stunde.

Dieses Wort wird von Johannes oft angewandt, um einen Zeitabschnitt von ausgedehnter Länge oder auch von kürzerer Dauer zu bezeichnen. Vergl. Johannes 5,25; Johannes 5,28; Offenbarung 3,10; Offenbarung 14,7; Offenbarung 18,10. An vielen anderen Stellen bedeutet „Stunde“ das plötzliche Hereinbrechen eines Gerichts, dessen Dauer sich dann aber lange hinausziehen kann. Siehe Matthäus 24,36; Matthäus 24,42; Matthäus 24,44; Matthäus 24,50; Matthäus 25,13; Offenbarung 3,3.

Mit dem Ausdruck „die letzte Stunde“ (1 Johannes 2,18) bezeichnet der Geist Gottes die ganze Zeit des Verfalls des Christentums, die mit der Wirksamkeit des antichristischen Geistes zur Zeit des Apostels Johannes schon begann und sich fortsetzt bis zum Auftreten des Antichrists am Ende der Tage.

8. Der Tag Gottes (2 Petrus 3,12)

ist der Tag, welcher der Zerstörung des Himmels und der Erde und dem Gericht der Toten vor dem großen weißen Thron folgen wird. Es ist der ewige Tag des neuen Himmels und der neuen Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt.

Dann wird die Zeit gekommen sein, wo d, der auf dem Throne sitzt, sagen wird: „Siehe, ich mache alles neu… Wer überwindet, wird dieses ererben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein.“ (Vergl. Offenbarung 21,1-7).

Indem wir hiermit unsere Abhandlung schließen, geben wir der Hoffnung Ausdruck, daß sie dazu dienen möge, alle Leser in der Hoffnung auf die baldige Ankunft des Bräutigams zu stärken. Je näher wir dem Ziele kommen, umso eifriger wird der Feind sich bemühen, dem Volke Gottes eine seiner stärksten Stützen im Kampf und Dienst zu rauben. Aber das kostbare Wort unseres geliebten Herrn bleibt bestehen: „Ich komme wieder, um euch zu mir zu nehmen“, und: „Der diese Dinge bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald!“

Amen, komm, Herr Jesus!

Amen, Amen! Jesu, eile,
Still' das Sehnen Deiner Braut!
Mächtiglich die Wolken teile,
Daß Dich unser Auge schaut!
Steige auf am Horizonte,
Morgenstern, durchbrich die Nacht.
O daß Deine Braut schon thronte
Dort mit Dir in Himmelspracht!

Amen, Amen! Brich Dein Schweigen,
Laß uns nicht getrennt mehr gehn!
Laß uns bald in sel'gen Reigen
Dort um Dich versammelt stehn!
Komm, o Jesu, komm bebende,
Zeig' uns Deiner Liebe Macht!
Amen, Amen! O vollende
Was Dein kostbar Blut gebracht!5)

1)
Das ist wiederholt geschehen. So z.B. in der im gleichen Verlag erschienen Schrift: Die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus und die damit in Verbindung stehenden Ereignisse.
2)
Die Anstrengungen, die gemacht werden, um den einfachen Sinn dieser Stelle zu verdunkeln, sind ebenso bedauerlich wie vergeblich. Man hat behauptet, das griechische therein ek bedeutet so viel wie: „bewahren in“, oder gar „bewahren durch-hindurch“, aber die griechische Sprache vermöchte das klar und unzweideutig auszudrücken, wenn die Absicht vorläge.
3)
Sie empfängt nicht eher ganz diesen Platz, als bis ihr schreckliches Gegenbild auf der Erde, die Hure, gerichtet und beseitigt ist.
4)
Bemerken wir hier, daß nicht das jüdische Volk als solches, sondern nur eine bestimmte Vollzahl aus ihm errettet werden wird. Freilich heißt es, daß „ganz Israel„ errettet werden soll, aber es ist eine persönliche Errettung. Alle, die dereinst in Zion und Jerusalem übrigbleiben, alle Israeliten, die ins Reich eingehen, werden heilig heißen, „ein jeder, der zum Leben eingeschrieben ist“. (Jesaja 4,3). Keiner wird seinem Mitbürger zurufen: „Erkenne den Herrn!„ denn alle werden ihn erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten. (Jesaja 31; Jesaja 34). Die ungläubigen Juden kommen alle in den Gerichten um.
5)
Text: Carl Brockhaus (1822-1899).
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