Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die siebente Predigt. Auslegung der siebenten und letzten Bitte.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die siebente Predigt. Auslegung der siebenten und letzten Bitte.

Nun habt ihr im zunächst Vorhergehenden gehört, wie wir in der sechsten Bitte von Gott, dem Herrn, begehren, daß er uns durch seinen heiligen Geist leiten und stärken wolle, daß wir wider die Sünde streiten, und allerlei Anfechtung und Versuchung unseres argen Fleisches, der Welt und des Teufels Widerstand thun können, auf daß wir heilig und fromm werden.

Darum folgt jetzt darauf die siebente und letzte Bitte, darin wir den Beschluß machen und bitten, daß er uns von solchem Streite und von allem andern Uebel erlösen wolle, auf daß es nicht immerdar währe, sondern einmal ein Ende nehme. Sie lautet also:

Sondern erlöse uns vom Uebel; Amen.

Auf daß ihr aber diese Bitte auch recht versteht, meine lieben Kinder, so sollt ihr wissen, daß das Wörtlein „Uebel“ nicht allein die Sünde wider Gottes Gebote und den Unglauben wider Gottes Zusage heißt, sondern auch alles das Unglück, das uns an Leib und Seele, an Ehre und Gut der Sünde wegen begegnet, als da ist Unwissenheit, Traurigkeit, Furcht, Schrecken, Kleinmüthigkeit, Schwachheit, Krankheit, Tod, Armuth, Schande, Schmach, Widerwärtigkeit, Verfolgung, Krieg, Theurung, Pestilenz und all der Schaden, der uns durch den Teufel oder durch die böse Welt, die sein Reich ist, täglich bedroht.

Nun kann aber Niemand solche Uebel alle genugsam erzählen; denn ihrer sind über die Maßen viel, und werden ihrer dazu immer je länger je mehr; denn der Satan tobt und wüthet in diesen letzten Zeiten mit seinem grossen Zorn je länger je gräulicher wider Gottes Volk, dieweil er weiß, daß er wenig Zeit hat auf Gottes Gericht und seine ewige Verdammniß; so wird die Welt auch je länger je böser: darum nimmt allerlei Schande und Laster, allerlei Bosheit und Untreue überhand, und wird des Uebels so viel, daß es Niemand erzählen kann, ja auch Niemand genugsam verstehen kann, was uns nützlich oder schädlich sei, oder wann uns Gutes oder Uebels begegnet. Denn Mancher meint, Krankheit sey ein grosser Schaden; wenn er aber gesund wäre, so möchte er sündigen, daß er darum verdammt würde, oder möchte sonst ein Unglück anrichten, daß er dadurch den Tod fände; so er aber krank ist, bleibt er bei Leben und wird dazu selig. Mancher meint, Reichthum sey sein Nutzen, und verläßt sich darauf, lernt nichts und thut auch nichts, denn daß er müßig geht und Unglück stiftet, oder thut nichts, denn daß er ißt und trinkt, darob er in grosse Krankheit fällt und stirbt, wäre er aber arm gewesen, hätte Etwas gelernt und gearbeitet, so wäre er bei gesundem Leben geblieben. Mancher meint, ihm begegne grosses Uebel und Widerwärtigkeit, und zürnt sehr, wenn er an seinem Vornehmen verhindert wird, und weiß nicht, daß es sein größtes und höchstes Verderben gewesen wäre, wenn es ihm vor sich und nach seinem Willen gegangen wäre. Darum wissen wir wahrlich gar wenig, was uns gut oder böse und übel ist, ohne was wir aus Gottes Wort erlernen.

Dieweil wir aber nicht wissen, was uns nützlich und gut oder schädlich und böse ist, so können wir auch Gott, den Herrn, nicht mit ausdrücklichen Worten bitten, daß er uns vor Diesem oder Jenem behüte, sondern müssen allein mit wenigen Worten, aber dabei mit unaussprechlichen Gedanken und Seufzen bitten, daß uns Gott helfen wolle, nicht wie wir gedenken, (denn wir verstehen nicht, was uns nützlich oder schädlich ist), sondern wie er es für gut erkennt. Darum spricht auch der heilige Paulus Röm. 8,26.: Wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sich's gebühret, sondern der Geist vertritt uns selbst mächtig vor Gott, mit unaussprechlichem Seufzen.

Wir sollen uns aber das auch nicht hindern lassen, daß wir desto weniger beten wollten; denn Gott, der Herr, begehret oder bedarf sein gar nicht, daß wir es ihm alles so eben vorsagen, was wir bedürfen und begehren, sondern er weiß vorhin wohl, was uns anliegt. Darum hat uns Christus, unser lieber Berr, im Evangelium auch also gelehrt: Wenn ihr beten wollt, so sollt ihr nicht viele Worte machen, wie die Heuchler thun;: denn dieselben meinen, sie werden um ihrer vielen Worte willen erhört, ihr aber sollt ihnen nicht gleich werden; denn euer Himmlischer Vater weiß vorher wohl, was ihr bedürft, ehe denn ihr ihn bittet.

Wie er nun uns gelehrt und befohlen hat, wir sollen nicht viele Worte machen, also hat er es selbst auch fein gehalten; denn dieweil des Uebels und Unglücks, daß uns täglich begegnen kann, so viel ist, daß wir es nicht alles nennen oder erkennen können, so faßt er alles zusammen in ein einziges Wort und lehrt uns also beten: Erlöse uns vom Uebel, gleich als spräche er: Laßt euch nichts anfechten, daß ihr nicht wisset noch versteht alle das Unglück, davor euch Gott behüten soll, sondern sprecht nur das kurze Wörtlein: Erlöse uns vom Uebel, so weiß er schon, was er zu thun und wovor er euch behüten soll; und er wird es auch gerne thun.

Da seht ihr denn fein, meine lieben Kinder, wie gnädig und barmherzig Gott, unser lieber Vater im Himmel, ist, der so fleißig auf uns sieht, daß er weiß, was wir bedürfen und wovor er uns behüten soll, ehe denn wir ihn bitten; und begehrt nicht, daß wir viele Worte machen, sondern allein, daß wir ihm die Ehre thun, daß wir ihn darum bitten und mit dem Gebete unsern Glauben aufwecken, daß wir glauben, er erhöre uns; denn, wenn das geschieht, so wird uns gewiß geholfen.

Darum sollt ihr, meine lieben Kinder, mit Fleiß merken, daß Gott, der Herr, von uns begehrt und haben will, wir sollen in allem Uebel, das uns begegnen kann, Hülfe bei ihm suchen und ihn allein anrufen, das ist, wir sollen unser Vertrauen auf keinen Menschen setzen; denn der Prophet Jeremias spricht Jer. 17,5.: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt, sondern wir sollen allein auf Gott vertrauen; denn, wenn uns schon Menschen helfen, so thun doch sie es nicht, sondern Gott thut es durch sie, als durch ein feines geschicktes Werkzeug. Wenn es aber Gott nicht thun will, so können es die Menschen auch nicht thun. Geschieht uns Gewalt und Unrecht, und Gott will uns nicht erlösen noch helfen, so wird es wahrlich der Richter auch nicht thun; wenn uns aber Gott helfen will, so thut er es durch den Richter, den er dazu verordnet hat, als durch sein Werkzeug.

Werden wir krank, und Gott will uns nicht gesund machen, so wird es wahrlich der Arzt auch nicht thun; wenn uns aber Gott gesund machen will, so thut er es durch die Arzenei, die er dazu erschaffen hat, als durch sein Werkzeug. Darum sollen wir in allen Nöthen Gott anrufen und Hülfe bei ihm allein suchen, ihm allein darum Lob, Dank und Preis sagen, dem Werkzeug aber soll man auch seine gebührliche Ehre beweisen.

Wir sollen aber auch wohl bedenken und fleißig merken, meine lieben Kinder, daß wir nicht sprechen: behüte uns vor dem Uebel, sondern erlöse uns von dem Uebel; denn damit bekennen wir und ist auch wahr, daß wir schon in alles Uebel gefallen sind, und es mächtig und gewaltig über uns geworden ist, daß wir uns selbst nicht mehr erwehren noch erretten können. Das alles ist aber geschehen, daß wir in die Sünde gefallen und Sünder geworben sind; denn die Sünde ist nichts Anderes, denn ein Abfall vom Worte Gottes, wie wenn man seinem Worte nicht glaubt und seinem Gebote nicht folgt. Daraus entsteht dann alles Uebel; denn, wer Gottes Wort nicht glaubt, der hat schon keine Weisheit noch Verstand mehr, sondern ist unwissend und blind; und wer Gottes Geboten nicht folgt, der ist schon eigenwillig und voll böser Begierde zu Ungehorsam, Aufruhr, Todschlag, Ehebruch, Diebstahl, Lügen und Trügen, daraus dann ein böses Gewissen, Furcht, Traurigkeit, Schrecken und Kleinmüthigkeit folgt. Ein solcher Mensch aber kann nicht in die Länge leben, sondern er nimmt von Tag zu Tag ab und frißt sich selbst das Herz ab mit seinem unordentlichen Wesen: darum empfindet er Hunger, Durst, Hitze, Frost, Müde, Schwachheit; daraus entstehen dann allerlei Krankheiten und zuletzt der Tod. Dieweil er aber keine Weisheit mehr hat, sondern blind ist, so kann ihn der Satan verführen und betrügen: daher folgt dann Abgötterei, Zauberei, Ketzerei, Irrthum und allerlei falsche Lehre; und dieweil denn andere Leute eben auch also sind, und Keiner besser ist denn der Andere, ausgenommen die Gläubigen, so folgt dann Neid, Haß, Zorn, Bank, Betrug, Raub, Diebstahl, Schmach, Scheltworte, Schlagen, Würgen, Lügen, Trügen, Kriegen und alles Verderben.

In dieses Unglück und Uebel sind wir alle gefallen, da wir gesündigt haben, und müssen alle Augenblick gewarten, wann sie über uns daher fallen. Darum thut es wahrlich noth, daß wir Gott, den himmlischen Vater, treulich anrufen und bitten, daß er uns von dem Uebel erretten und erlösen wolle.

Dieweil wir uns aber selbst in diese Unglück und Uebel alle gesteckt haben, so müssen wir es auch zur Strafe eine Zeit lang tragen; denn sie werden nicht von Stund an von uns genommen. Darum bitten wir auch nicht, daß Gott alles Uebel alsbald hinwegnehmen und austilgen wolle, sondern allein das er uns davon erlöse, das ist, wenn wir lange im Uebel gelegen sind und viel gelitten haben, daß er uns erretten wolle, daß wir endlich nicht darin verderben, sondern erledigt werden. Denn wiewohl uns Gott die Sünde vergibt, nimmt er sie doch nicht deshalb von uns, sondern läßt sie noch an uns kleben, bis wir sterben, auf daß wir demüthig bleiben und dawider streiten, damit wir auf die Probe gestellt werden, ob wir Gott lieb haben und seine Gebote lieber halten, denn unsern bösen Begierden nachfolgen.

Deßgleichen läßt er auch die andern Uebel zum Theil auf uns liegen, daß wir das Kreuz tragen müssen unser Leben lang, bis unser eigner Wille wieder gebrochen wird und wir Christo, unserem Herrn, gleich werden.

Darum sollen wir, meine lieben Kinder, vorsichtig und geduldig sein: vorsichtig in dem, daß wir der Sünde, die uns noch anhängt, nicht folgen; geduldig aber in dem, daß wir die andern Uebel und alles Kreuz, das uns Gott auflegt, willig tragen und Gott, den Herrn, ernstlich und emsig anrufen, daß er uns nicht darin verderben lassen, sondern gnädig davon erlösen wolle.

Das geschieht dann gewiß von Tag zu Tag je länger je mehr; besonders aber werden wir gar erlöset, wann wir sterben und wieder auferstehen. Darum wenn wir bitten: Erlöse uns vom Uebel, so bitten wir auch um ein christliches, seliges Ende: das sollt ihr, Kinder fleißig merken; denn wenn wir sterben sollen, so sind wir in der größten Gefährlichkeit: darum sollen wir Gott von Jugend auf fleißig und ernstlich bitten, daß er uns ein seliges Ende verleihe, das ist, daß er uns gnädig von allem Uebel erlösen wolle.

Dieß Gebet sollen wir nun allewege beschliessen mit dem Wörtlein „Amen“, das heißt zu Deutsch so viel, als es wird gewiß also geschehen. Es ist aber nicht genug, daß wir mit dem Mund Amen sagen, sondern wir sollen es auch im Herzen für ein Amen halten und ein Amen sein lassen, das ist, wir sollen so fest glauben, daß unser Gebet erhöret sey und uns Gott, unser himmlischer Vater, geben werde, was wir gebeten haben, so gewiß alles das wahr ist, was Christus redet, wenn er spricht: Amen, Amen; denn, wenn wir also glauben, so geschieht und gewiß, wie wir glauben.

Das ist nun die Meinung und der einfältige rechte Verstand dieser siebenten und letzten Bitte, nämlich wir bitten in diesem Gebet, als in der Summe, daß uns der Vater im Himmel von allerlei Uebel Leibes und der Seele, Gutes und Ehre erlöse, und zuletzt, wenn unser Stündlein kommt, ein seliges Ende beschere, und mit Gnaden von diesem Jammerthal zu sich nehme in den Himmel.

Amen, daß ist, daß ich soll gewiß seyn, solche Bitten sind dem Vater im Himmel angenehm und erhöret; denn er selbst hat uns geboten, also zu beten, und verheissen, daß er uns wolle erhören: Amen, Amen, das heißt, Ja, Ja, es soll also geschehen.

Darum, meine lieben Kindlein, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehst du die letzte Bitte? so sollt ihr also antworten:

Wir bitten in diesem Gebet, daß uns der Vater im Himmel von allerlei Uebel Leibes und der Seele, Gutes und Ehre erlöse, und zuletzt, wenn unser Stündlein kommt, ein seliges Ende beschere, und mit Gnaden von diesem Jammerthal zu sich nehme in den Himmel. Amen, das ist, daß ich soll gewiß seyn, solche Bitten sind dem Vater im Himmel angenehm und erhöret; denn er selbst hat uns geboten, also zu beten, und verheissen, daß er uns wolle erhören: Amen, Amen, Das heißt, Ja, Ja, es soll also geschehen.

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