Brenz, Johannes - Die siebente Predigt. Auslegung des siebenten Gebots.

Brenz, Johannes - Die siebente Predigt. Auslegung des siebenten Gebots.

Nun habt ihr im zunächst Vorhergehenden gehört, wie ihr das sechste Gebot verstehen sollt, darin wir lernen, wie wir uns gegen unsern und unseres Nächsten Ehegemahl verhalten sollen, daß wir weder mit Werken, Worten oder Gedanken die Ehe brechen oder Hurerei treiben, sondern Jedermann Zucht und Keuschheit bewahren helfen.

Nun ist aber dem Menschen von Nöthen, wenn sein Leib und Leben versichert, und sein ehelicher Stand verwahrt ist, daß er auch zeitliche Güter habe, damit er sich, sein Weib und Kind, und das ganze Hausgesinde ernähre. Darum folgt darauf das siebente Gebot, das also lautet:

Du sollst nicht stehlen.

Das lehrt nun fein, wie wir uns gegen unseres Nächsten Habe und Gut, und alle seine Nahrung verhalten sollen, daß wir ihm nicht mit Unrecht etwas entziehen, verderben oder verwahrlosen, sondern mit allem Fleiß behüten, verwahren und mehren helfen, wie wir begehren, daß andere Leute uns auch thun sollen.

Das sollt ihr Kinder nun mit Fleiß merken, und wohl in das Herz bilden, daß das Wörtlein „stehlen“ beides vor Gott nach der heiligen Schrift, und vor der Welt nach den menschlichen Rechten, nicht allein heißt, wenn man dem Nächsten sein Gut heimlich und verborgen wegträgt, sondern auch, wenn man es mit Gewalt raubt verordnet und oder mit List und Unrecht an sich zielt und braucht ohne sein Wissen oder Willen, wenn die Sache gleich einen guten Schein hat. Damit ihr es aber desto besser versteht, meine lieben Kinder, so hört und vernehmt desselben etliche Beispiele von allerlei Ständen in der Welt.

Zum Ersten von der Obrigkeit. Gott, der Herr, hat geboten, mir sollen der Obrigkeit Rente, Zins, Zoll und Steuer geben, daß sie die Bösen strafe, und die Frommen beschütze. Wenn nun die Obrigkeiten die Unterthanen zu hart beschweren, mehr fordern, denn sie zur rechten Noth zu schützen und zu beschirmen bedürfen, und also die Leute verderben, die sie vor dem Verderben behüten sollten, so ist dasselbige nicht allein eine Tyrannei, sondern auch ein rechter sündlicher Diebstahl vor Gott; denn sie nehmen den Unterthanen das Ihrige ohne Recht und ohne ihren Willen. Und wenn sie das, das sie schon mit Recht einnehmen, nicht dazu gebrauchen, dazu es gegeben ist, wie wenn sie das Geld, das zu schützen und zu schirmen gehört, verschwenden, verspielen, mit Pracht, Hoffart und sündlichen Wollüsten anwenden, so ist es ein rechter Diebstahl vor Gott. Desgleichen wenn sie aus Kargheit und Geiz Etwas unterlassen, daß sie zu thun schuldig wären, wie wenn man das Regiment und Gericht nicht mit frommen verständigen Leuten versorget, die Pfarren und das Predigeramt nicht mit gottesfürchtigen gelehrten Leuten versteht, Schulen und andere nöthige Aemter in Verfall gerathen läßt, nöthige öffentliche Gebäude, als Kirchen, Rathhäuser, Stadtmauern, Brücken, Brunnen und dergleichen zerfallen läßt, allein darum daß man das Geld spart, so wird es den Orten entzogen, dahin es gehört, und dazu es gegeben ist: das ist dann auch ein rechter sündlicher Diebstahl vor Gott.

Eben so sollt ihr es auch verstehen von Bischöfen, Pfarrherrn und Predigern. Denn wenn dieselben um ihres Nutzens willen die Wahrheit verschweigen und Lügen predigen, damit sie anderer Leute Güter an sich bringen, wie denn mit Vigilien, Seelenmessen, Jahrestagen, Ablaßbriefen, Brüderschaften, Wallfahrten und anderem solchen Gaukelwerk mehr, lange Zeit an allen Orten geschehen ist, und noch an vielen Orten ohne Aufhören geschieht, so ist es ein rechter sündlicher Diebstahl vor Gott; denn man betrügt den Nächsten um sein Gut, und zieht's das hin, dahin er nichts geben würde, wenn er die Wahrheit wüßte.

Desgleichen wenn die Rechtsgelehrten, Advokaten und Prokuratoren Jemand überreden, er habe eine gute Sache, so sie doch böse ist, allein darum daß sie Etwas zu thun haben und Geld überkommen; oder wenn sie sich mit List und bösen Stücken unterstehen, eine gute Sache böse, oder eine böse Sache gut zu machen, damit der Richter betrogen werde, und ein unrechtes Urtheil spreche; oder wenn der Richter selbst mit Wissen ein unrechtes Urtheil gibt in einer Sache, die Geld oder Gut betrifft: so ist es auch ein rechter sündlicher Diebstahl vor Gott; denn sie entziehen dem rechten Theil heimlich das Seinige, und geben es dem unrechten Theil. Es ist auch das nicht ein kleiner Diebstahl, wenn die Leute der Verstorbenen Güter erben wollen, die ihnen nicht gebühren, oder wenn man falsche Testamente schreibt, oder die rechten Testamente verleugnet und unterdrückt.

Also sollt ihr es auch verstehen von Kaufleuten und Händlern, wenn sie überflüssigen und unbilligen Gewinn nehmen; wenn sie falsche Ware hingeben, oder falsches Gewicht, falsche Ellen, und falsche Maße brauchen; oder wenn sie mit falschen Briefen und neuen Mähren die Leute überreden, daß sie eine Ware wohlfeil hingeben, von der sie heimlich wissen, daß sie bald aufschlagen werde; oder wenn sie lügen und falsch schwören, sie können ein Ding wohlfeiler bei einem Andern kaufen, und nöthigen also gleichsam die Leute, die ihnen glauben, daß man s ihnen auch so wohlfeil geben müsse; auch wenn sie die armen Handwerkeleute an sich ziehen, daß sie ihnen allein arbeiten, und darnach sich stellen, als bedürfen sie der Ware nicht, bis sie die armen Leute drängen, daß sie dieselbe wohlfeiler geben müssen, denn sie es erschwingen können; auch wenn sie künstliche Griffe, Gesellschaften und Monopolien anrichten, damit sie die Leute drängen, daß man ihnen ihre Ware abkaufen muß, so theuer, als sie wollen. Das alles und dergleichen ist vor Gott lauter sündlicher Diebstahl; denn da wird dem Nächsten sein Gut entzogen ohne sein Recht und wider seinen Willen, welches er wohl behielte, wenn diese bösen Stücke nicht wären.

Desgleichen wenn die Handwerksleute fälschlich arbeiten, und sich befleißen, daß ihre Arbeit besser scheine, denn sie ist; ober wenn sie mehr zum Lohn fordern, denn sie verdient haben: so ist es auch ein rechter sündlicher Diebstahl vor Gott; denn dadurch wird dem Nächsten sein Gut heimlich entzogen ohne sein Recht wider seinen Willen, das er gerne behielte.

Also ist es auch unter dem Bauernvolke, welchem König, Fürsten und Herren das Land und Feld zugetheilt haben, daß sie es bauen, und Land und Leute ernähren helfen sollen. Wenn sie nun unfleißig bauen, faul und nachlässig sind, oder die Früchte, die sie erbauen, und das Vieh, daß sie erzogen haben, zu theuer wieder hingeben, damit sie die armen Leute schinden und beschweren, darnach stolz und hoffärtig dazu werden: so sind sie auch rechte schädliche Diebe vor Gott. Denn die Obrigkeit gibt keinem Bauern das Land oder Feld gar zu eigen, sondern behält sich selbst durchaus die größte Gerechtigkeit vor, wie man sieht an den Lehnsgütern und dergleichen. Der Bauer ist darauf gesetzt, daß er Land und Leute seiner Obrigkeit ernähren helfe: thut er es nicht treulich, ober gibt's zu theuer, so ist es eine Dieberei. Denn wenn ein Bauer also Herr über seinen Acker wäre, daß er möchte bauen, wenn er wollte, oder hingeben so theuer, als er wollte, so vermöchten alle Bauern in einem ganzen Dorf so viel nicht, daß sie den geringsten Acker kaufen und bezahlen möchten, und wir müßten zuletzt auch wohl Hungers bei ihnen sterben.

Desgleichen sollt ihr es auch verstehen von den Dienstboten, das ist, von Mägden und Knechten, von Handwerkegesellen und Tagelöhnern; denn diese alle werden darum gedinget und bestellt, daß sie arbeiten sollen, und mit ihrer Arbeit der Herrschaft Nutzen schaffen, und das Gut erhalten, bessern und mehren helfen. Wenn sie nun unfleißig und untreulich dienen und arbeiten, wie wenn sie faul und nachlässig sind, oder des Herrn Gut unnütz verthun, verderben oder verwahrlosen, so entziehen sie ihrem Herrn den Nutzen, den er von ihnen haben soll; deßgleichen wenn sie mehr Lohn fordern und nehmen, denn sie vernehmen; auch wenn sie zu unrechter Zeit aus dem Dienst laufen: so thun sie der Herrschaft schaden, schmälern ihr Gut und Nahrung, und sind rechte schädliche Diebe und Diebinnen, und sündigen schwer wider Gottes Gebot.

Also sollt ihr es durchaus verstehen, meine lieben Kinder, daß ein Jeder, der anderer Leute Gut mit Unrecht, heimlich, tückisch oder ohne Willen des rechten Herrn an sich zieht, oder einem Andern Schaden thut an seiner Nahrung und seinem Gut, oder seinem Nächsten den Nutzen und das Frommen nicht schafft, den er ihm schuldig ist, oder verdienten Lohn, oder verfallene Schuld aus Geiz ohne Noth wegen eignen Nutzens nicht bezahlt, oder nicht wieder gibt, was man ihm zu bewahren gegeben hat, oder was er gefunden hat: der ist vor Gott ein rechter Dieb, ob er gleich vor der Welt nicht darum gestraft wird.

Darum seht ihr nun, meine lieben Kinder, wie ein elendes, schändliches Ding es in der Welt ist; denn solcher heimlicher Dieberei ist die ganze Welt voll, in allen Ständen, von dem Geringsten bis auf den Angesehensten.

Nun ist es je ein schändlicher Name, wenn man Einen einen Dieb schelten kann: darum straft sie auch unser Herr Gott daß es ihnen ersprießlich ist, was sie also erschinden und erschaden, schickt ihnen wieder Leute, die ihnen eben so thun, wie sie andern Leuten gethan haben, oder läßt sie sonst verderben.

Darum, meine lieben Kinder, nehmt Gottes Gebot zu Herzen und hütet euch vor dem Stehlen, nehmet Niemanden das Seine, thut Niemanden einen Schaden, sondern verhütet Schaden, wo ihr könnt, und thut Jedermann, was ihr schuldig seyd, ein Jeder nach seinem Stand. Und wenn euch fremdes Gut anvertraut wird, geht recht damit um; denn ihr sollt ja frömmer werden, denn die alte Welt ist, dieweil unser Herr Gott euch sein Wort und göttlichen Willen so fein anzeigen und unterweisen läßt, von welchem die Alten nicht so viel gehört und gelernt haben; thut ihr es aber nicht, so wird euch gewiß Gott hart strafen; denn es spricht unser lieber Herr im Evangelium Luc. 12,47.: wenn ein Knecht seines Herrn Willen weiß, und ihn nicht thut, so wird er mit vielen Streichen geschlagen.

Dieweil ihr nun gehört habt, daß es ein Diebstahl sey, wenn man die Leute übernimmt mit großem Gewinn oder großem Lohn, so sollt ihr dennoch wissen, daß es unserem Herrn, Gott, nicht übel gefällt, daß ein jeder mit seiner Arbeit, ober mit seinem Handel, wenn er recht und treu damit umgeht, so viel gewinne, daß er sich und seine unerzogenen Kinder ernähren kann. Denn es spricht der Herr Christus im Evangelium Matth. 10,10.: Es ist ein jeder Arbeiter seines Lohnes werth. Und der Lohn oder Gewinn darf so groß seyn, daß er sich nicht allein davon ernähren kann, so lang er zu arbeiten vermag, sondern auch, wenn er alt und krank geworden ist, dennoch nicht betteln darf. Das zeigt Salomon an, da er sagt Spr. Sal. 5,9 rc.: Du sollst deine Ehre (das ist, deine Kunst und Geschicklichkeit, oder deine Arbeit, damit dich dein Gott begabt hat, daß man dich darum ehrlich hält) die sollst du keinem Andern geben, daß ist, du sollst sie dir und deinen Kindern, die dir Gott befohlen hat, nützlich machen; und deine Jahre, das ist, deine jungen Tage, darin du Nutzen schaffen kannst, sollst du nicht geben dem Grausamen, das ist, dem Unbarmherzigen, der dir nicht lohnt, sondern dich in der Noth oder im Alter betteln läßt, daß sich nicht Fremde von deinem Vermögen sättigen; und deine Arbeit fest in eines Andern Haus, das ist, daß nicht andere Leute den Nutzen von deiner Arbeit haben, und du zu einem Bettler dabei werdest, und darnach seufzen müssest, wenn du deinen Leib und dein Gut verzehrt hast. Darum spricht auch der heil. Paulus 1 Tim. 5,8.: Welcher seinem eignen Haus nicht wohl vorsteht, der ist ärger, denn ein Ungläubiger.

Auf daß ihr nun, meine lieben Kinder, das siebente Gebot auch recht versteht, so müßt ihr wissen, daß uns darin verboten ist, daß wir nicht stehlen, rauben oder Schaden thun sollen, weder mit den Werken noch mit den Worten, noch mit den Gedanken, wie ihr in den vorigen Geboten gehört und gelernt habt. Mit dem Werk sollen wir nicht Schaden thun auf keine Weise, wie vorhin angezeigt ist; mit Worten sollen wir nicht stehlen, daß wir Niemanden das Seinige ablügen, abschwatzen oder absprechen, Niemanden seine Arbeit oder sein Wesen schänden, noch sonst etwas reden, dadurch dem Nächsten Schaden geschehe; mit den Gedanken sollen wir nicht stehlen, daß wir nicht durch Geiz fremdes Gut begehren, und durch List und Unrecht zu überkommen trachten, sondern sollen Jedermann geben, was sein ist, Jedermann dienen und thun, was wir schuldig sind, Jedermanns Schaden wehren, vor Schaden warnen, und alles reden, Dadurch des Nächsten Gut und Nahrung gefördert und gemehrt werde, Jedermann Gutes gönnen von Herzen, und Niemand beneiden; ja wir sollen auch von unserem eignen Gut mild und barmherzig seyn, und den Armen helfen und mittheilen, wie uns Christus gebeut, und spricht Luc. 11,41.: Gebt Almosen von dem, das euch übrig ist, so wird euch alles rein seyn; und abermal Luc. 6,30.: Gib einem Jeden, der dich bittet; denn Christus spricht Matth. 25,40.: was man den allergeringsten Christen um seinetwillen zu Gute thue, das habe man ihm selber gethan.

Denn das ist die Meinung und der rechte Verstand dieses siebenten Gebote, daß man Gott, den Herrn, über alle Dinge fürchten und lieben soll, daß wir um seinetwillen unseres Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder bösem Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehst du das siebente Gebot? so sollt ihr also antworten:

Wir sollen Gott, den Herrn, über alle Dinge fürchten und lieben auf daß wir um seinetwillen unsere Nächsten Geld noch Gut nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder bösem Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.

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