Blumhardt, Christoph - Andachten zum Buch des Propheten Micha

Blumhardt, Christoph - Andachten zum Buch des Propheten Micha

Micha 2,13.

Es wird ein Durchbrecher vor ihnen herauf fahren; sie werden durchbrechen und zum Thor aus- und einziehen; und ihr König wird vor ihnen hergehen, und der HErr vornen an.

Der Prophet redet von dem Durchbrechen eines Königs, der mitten durch die Feinde und mitten durch alle Schwierigkeiten hindurch zum Sieg durchbricht. Er redet damit von dem großen Könige, der für die Zukunft dem Volke verheißen wurde, und der's in Allem mit ihm und aller Welt zum Siege bringen würde für Zeit und Ewigkeit. Eines Durchbrechers bedurfte denn auch die in Ketten und Banden liegende Menschheit, um mit ihm an der Spitze aus der Gefangenschaft sich loszureißen. Wir bedurften eines Durchbrechers durch die Sünde zur Gerechtigkeit, durch die Nacht zum Licht, durch die Hölle zum Himmel. Dieser Durchbrecher kam uns im Heiland. Denn der ist durchgebrochen, ist, da er den Kampf begann, nicht auf dem Wege unterlegen. Mit den Menschen war's bisher so, daß sie, wenn sie etwa den Kampf wider die Knechtschaft der Sünde auch unternahmen, immer wieder erlagen, nicht bis zum Ziele durchgekommen sind; sie blieben Sünder ohne Hoffnung. Er aber, obwohl versucht gleich wie wir, brachte es durch, siegreich bis ans Ende. Er ist fertig geworden und hat gleichsam eine Oeffnung mitten durch die Nacht gebohrt zum Licht, daß wir nun gerecht und selig werden können in Zeit und Ewigkeit.

Er heißt ein Durchbrecher vor ihnen, d. h. vor den Seinen her, Er vorne an, sie hinter Ihm drein. Er hat das Werk für sich vollbracht; und wir dürfen Ihm nur jetzt nachkämpfen, jetzt gelingt's uns auch. Der Anfang ist gemacht, und es heißt nun nicht mehr: Ich will wohl, ich versuch's; aber es geht nicht; sondern es heißt: „Ich will's, und es geht auch;“ wir sehen durch die Nacht zum Licht hindurch. Das ist der Unterschied zwischen vormals und jetzt. Gott sei Lob und Dank, daß wir einen solchen Vorgänger haben, der zuerst durchgebrochen ist! Denn nun kann auch, wie der Spruch es ausdrückt, von uns gesagt werden: „Sie werden durch brechen,“ mit Seiner Kraft, mit Seiner Hülfe und in Folge Seines Sieges, werden ihr Ziel erreichen.

„Sie werden zum Thore aus- und einziehen,“ heißt's „Er vorne an.“ Damit ist die ganze Zeit des weiteren Kampfes uns anschaulich gemacht, bis endlich von dem großen Könige Alles wird erkämpft und alle Macht und Herrschaft wird überwunden, Alles zum Schemel Seiner Füße wird gelegt seyn. Ein König, so lange der Krieg währt, kommt immer wieder zur Stadt zurück, zieht siegreich ein und zieht wieder kampfgerüstet aus. Da gibt's Ruhezeiten zwischen hinein, wie wir sie auch erfahren. Lange kann es anstehen, da die Heeresmacht Christi gleichsam in Garnison liegt und nichts Besonders zur Ueberwindung des Feindes und zur Vermehrung des Reiches Gottes geschieht, wie dieß nach der Zeit der Apostel viele Jahrhunderte lang gewesen ist. Dann gibt's wieder Zeiten, da rückt Er aus mit Seinen Schaaren und erkämpft Er neue Siege. Eine solche Siegeszeit war die Reformation. Dann kommen abermals Ruhezeiten, dann wieder neue Kämpfe, wie, seit die Mission im Gange ist. So geht's fort, bis der letzte Kampf, der ernsteste von Allen, wird ausgekämpft werden müssen, auf den Tag der persönlichen Rückkehr unsres großen Königs. Machen wir uns bereit, Ihn zu empfangen; denn die Zeit ist wohl näher, als wir glauben!

Mel. Lobe den Herren, o meine.

Sehet Ihn kommen, den hehren Sieger,
Wie Er als Riese bricht hervor,
Wie Er den Eifer weckt, als ein Krieger,
Und stürmet zu der Feinde Thor.
Er jauchzt und tönt als starker Held,
Bis auf den Feind den Fuß Er stellt,
Hallelujah! (Jes. 42, 13.)

Zusatz (Der HErr vorne an.)

Das ist, wenn der Kampf auch noch so hart ist, bis alle Finsterniß durch Geduld und Glauben überwunden ist, unser Trost, daß wir's nicht allein auszufechten haben. Der König geht vor uns her mit Seines Geistes Kraft, mit Seiner Engelschaar, die „ausgesandt wird zum Dienste derer, die ererben sollen die Seligkeit.“ Da haben wir nur immer dafür zu sorgen, daß wir unter allen Kämpfen, die wir wagen, Seines Willens, Seines Dabeiseyns versichert sind, was sich hauptsächlich an dem zu erkennen gibt, daß wir geöffnete Thüren vor uns sehen und Kräfte von oben bei uns fühlen, Kräfte, wie sie zum letzten Kampfe gewiß in verstärktem Grade wieder werden gegeben werden. Oft mag's geschehen, daß wir ohne Ihn ausrücken wollen, da wir auf eigene Faust mehr wagen, als wir sollten, nicht Geduld haben, bis die rechte Zeit da ist; und da kann's große Niederlagen und viel Einbuße geben, welche Ursache seyn mögen, daß der Kampf sich nur noch mehr in die Länge zieht, bis der HErr das Verderbte wieder gut gemacht hat.

Wie wir aber des unberechtigten Sturmes uns enthalten müssen, so dürfen wir auch, wenn es gilt, nicht im Unglauben dahintenbleiben, oder ohne Glauben, ohne des Sieges im HErrn gewiß zu seyn, auf unsrem Posten stehen, da wir nur Gefahr laufen, zu unterliegen. Der Ungläubige sinkt zu Boden, wenn er auf einem Posten steht, da er im Glauben fortmachen sollte. Denn der Unglaube macht lahm und schwach, bis es nicht mehr geht. Wer aber im Glauben an den Sieg des HErrn verbleibt, sich immer wieder aufrafft, fortmacht, wenn auch wenig Erfolg da zu seyn scheint, wenn er nur gewiß ist, daß der HErr von ihm fordert, was er thut, der wird durchbrechen, er für sich, die Andern mit, auch wenn's durch Sterben geht, wie der HErr vornehmlich durch Seinen Tod zum Durchbruch gekommen ist.

Wie im Großen, so geht's im Kleinen und Einzelnen, da Jeder für sich auf das Erlangen des Sieges Bedacht nehmen muß, zu dem ihm der gnädige Heiland und König hilft. Diesen müssen wir auch bei Allem vorne haben, Seine Liebe und Seine Gebote im Herzen tragend, wenn wir überwinden, es durchbringen wollen. Wer mit der Sünde buhlt, wer am Irdischen hängt und von den zeitlichen Dingen nicht loszukommen weiß, wer durch natürliche Rücksichten auf Fleisch und Welt sich binden läßt, und nicht „sucht, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kol. 3,1), läuft Gefahr, auf die Seite der tumultuierenden Feinde des HErrn sich zu stellen, wohl gar meinend, er halte es mit dem HErrn. Die Zeiten werden insbesondere gegen das Ende hin, da es zum Hauptsieg kommen soll, schwer werden, und um so schwerer, wenn die Gläubigen nicht besser nach dem Geist zu denken und zu wandeln verstehen, als man bis jetzt sieht, und wenn sie so leicht dazu kommen, Geist und Fleisch in einander verwickelt werden zu lassen. Wie Mancher wird fallen, dem man ein Stehen zutraut; und wie Mancher aber auch wird stehen, dem man's am Wenigsten zugetraut hätte! Geht's ja doch jetzt schon so in den Zeiten der Ruhe, da Jeder nur an sich zu denken hat, daß er seines Kleinode nicht verfehle, was so leicht geschehen ist, wenn er nicht in der sicheren Gemeinschaft seines HErrn, des großen und siegenden Königs und Heilande, sich zu halten vermag.

In unsrem Spruche lesen wir am Schlusse: „Ihr König wird vor ihnen hergehen und der HErr vorne an.“ Hier wird der König von dem HErrn unterschieden. Dieß hat seinen Grund darin, daß der König als Menschensohn erscheint, wie er auch als Menschensohn wiederkommen und die Völker zum Gericht versammeln wird. Ihm aber geht der HErr, der Gott Israels, nach der Schrift Sein Vater, insofern voran, als alle Allmachtskräfte Gottes dem Menschgewordenen bereit stehen. So war's ja mit JEsu schon auf Erden. Da wandelte Er als Mensch und vor Ihm her ging der HErr, d. h. Sein Vater mit Ihm, daß Er sagen konnte: „Philippe, wer Mich siehet, der siehet den Vater.“ Die Kräfte Gottes waren in Ihm; und Er war umgeben von den Engeln, den Repräsentanten des lebendigen Gottes, die vom offenen Himmel her auf des Menschen Sohn hinauf- und herabfuhren„ (Joh. 1,51). Als er gen Himmel aufgefahren war, hieß es immer noch: „Und der HErr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen,“ also ihr König mit ihnen, und Gott der HErr vorne an, wie Micha sagt. Wie werden wir in den letzten Kämpfen das Mitwirken Gottes durch Christum erfahren! Zuletzt aber wird kommen des Menschen Sohn in der Herrlichkeit Seines Vaters (Matth. 16, 27), also wieder der König vor ihnen her, und der HErr vorne an.

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