Blumhardt, Christian Gottlieb - Lazarus, der Kranke, Sterbende und Auferweckte - Der nach dem Beispiel Jesu gebildete feste Glaubens-Mut des Christen, seinem Leiden getrost entgegen zu gehen.

Blumhardt, Christian Gottlieb - Lazarus, der Kranke, Sterbende und Auferweckte - Der nach dem Beispiel Jesu gebildete feste Glaubens-Mut des Christen, seinem Leiden getrost entgegen zu gehen.

Joh. 11,7-10.
Danach spricht Jesus zu seinen Jüngern: „Lasst uns wieder in Judäam ziehen.“ Seine Jünger sprachen zu Ihm: Meister! jenes mal wollten die Juden Dich steinigen, und Du willst wieder dahin ziehen? Jesus antwortete: „Sind nicht des Tages zwölf Stunden? Wer des Tages wandelt, stößt sich nicht; denn er sieht das Licht dieser Welt. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.“

1.

Unverzagt und ohne Grauen
Soll ein Christ - wo er ist,
Stets sich lassen schauen.
Wollt ihn auch der Tod aufreiben,
Soll der Mut - dennoch gut,
Und fein feste bleiben.

So, meine Teuersten! sangen einst unsere alten frommen Väter; und wir, ihre späten Enkel, fühlen noch die große Wahrheit, welche in diesem Liederverse ausgedrückt ist. Jeder, der nur einige Erkenntnis vom Christentum hat, muss eingestehen: Ja, diese furchtlose Unverzagtheit, diesen festen Glaubensmut unter Leiden, diese steigende Geisteshöhe unter steigenden Trübsalen verlangt das Christentum; aber es verlangt es nicht bloß, sondern pflanzt und ernährt auch diese großen Gesinnungen in Seelen, in denen es frei und ungehindert wirken kann. In der Religion Jesu ist Alles darauf berechnet, den Menschen aus der Herz-verengenden Ängstlichkeit und dem immer schwankenden Kleinmut heraus zur unerschütterlichen Glaubens-Ruhe und Glaubens-Festigkeit hinzuführen. Der Mensch soll nicht empfindungslos, nicht Schmerz-verachtend, nicht großprahlerisch unter der Last der Leiden werden; soll nicht durch selbstaufgelegte harte Übungen jedes menschliche Gefühl abtöten, und jeder kommenden Gefahr trotzen. Nein, das Alles nicht; sondern er soll mit getrostem Mut seinen von der Hand des Vaters ihm aufgelegten und verordneten Leiden entgegen gehen, mit Glaubens-Festigkeit sie erdulden, und mit getroster Hoffnung ihr Ende abwarten lernen. In Allem, was ihm begegnet, soll er ein Mittel zur Verherrlichung Gottes und Jesu Christi und zur Erziehung seines inwendigen Menschen für die bessere Welt ehren; und durch diese ehrwürdige Seite, welche sein Leiden hat, sich stärken, das Zurückschreckende und Bittere der andern Seite desto gefasster zu ertragen.

So dachte und so handelte Jesus Christus, unser göttliche Erlöser. Was Er von den Seinigen verlangt, das tut Er selbst, tut es zuerst, um ihnen ein Beispiel zu geben, dem sie nachfolgen sollen. Sie können nicht irren, wenn sie es immer nur so machen, wie Er es gemacht hat. Das sollen sie vorerst redlich wollen, und wollen sie es mit aufrichtigem Herzen, so können sie es auch. Für die nötige Kraft hat Er für die Seinigen zum voraus gesorgt. Sobald Er Wink seines Vaters in einem Leiden erkannte, so ließ Er sich durch nichts abhalten, demselben mit festem Mut und getroster Glaubens-Zuversicht entgegen zu gehen. Die Seinigen sollen von Ihm lernen, es auch also zu machen. Denn fürwahr! dieser Übungen bedurfte Er für sich nicht diese Glaubenskämpfe nahm Er nicht um Seinetwillen auf sich. Was Er tat, tat Er aus Liebe zu uns; uns sollte Alles zu gut kommen. Was Er litt, hatte Er zur Ausbildung seines Herzens nicht nötig - Er litt es um unsertwillen. Dieser köstliche Gedanke soll dem schwachen blöden Sünderherzen Mut einflößen, es Ihm nachzumachen, Ihm nachzugehen, seine Fußstapfen nie, nie aus dem Auge zu verlieren.

Mit heiterem festem Mut ging Er seinem schweren Todesleiden getrost entgegen. Er tat's für uns, und um uns zu ein lehrreiches Beispiel zu geben, wie auch wir es bei bevorstehenden oder schon wirklich vorhandenen Leid den zu machen haben.

Er ging als Führer einst voran,
Steht uns auch noch zur Seite;
Er kämpfte selbst und brach die Bahn,
Stärkt nun auch uns im Streite.
Wie könnten wir noch zaghaft sein,
Und uns, Ihm nachzufolgen, scheu'n?

Wer hier sein Glück zu finden meint,
Wird's ohne Ihn verlieren;
Wer's bei Ihm zu verlieren scheint,
Den wird Er dazu führen.
Wer Ihn nur mit dem Mund verehrt,
Und Ihm nicht folgt, ist Sein nicht wert.

2.

Noch zwei Tage hatte Jesus auf die Nachricht von der tödlichen Krankheit seines Freundes Lazarus in Bethabara, jenseits des Jordans verweilt; und es schien, als ob Er ihn ganz vergessen hatte. Womit sich Jesus diese beiden Tage über beschäftigt habe, das erzählt uns zwar die evangelische Geschichte nicht ausdrücklich; aber wir sind es zu gewohnt an Jesu, jede seiner Lebensstunden auf das weiseste und wohltätigste von Ihm angewandt zu sehen, als dass wir nicht gewiss annehmen dürften, diese beiden für uns stillen Tage seien auch, wie alle Andern seines Lebens, mit Segnen und Wohltun angefüllt gewesen. Erst am dritten Tage spricht Er zu seinen Jüngern: Lasst uns wieder in Judäam ziehen. Noch immer kein Wort von Lazarus, seinem kranken Freunde. Die Not war indes in Bethanien aufs höchste gestiegen. Der Tod des geliebten Bruders war unvermeidlich, und das Unerklärlichste unter allem Unerklärbaren war den tiefgedrückten Schwestern das Ausbleiben ihres sonst so hilfreichen, so zuvorkommend liebevollen Freundes. Zwei schreckliche Tage waren verlebt. Bange Furcht und sehnsuchtsvolle Hoffnung hatte ihre Gemüter stets umhergetrieben und ermüdet. Wer weiß, wie oft die unruhvolle Martha bei jedem kleinen Geräusch erwartungsvoll zur Türe lief, um nachzusehen, ob Er es nicht sei, den sie wie keinen andern erwartet. Und Er war es nicht. Er kam nicht. Martha hätte wohl schon zehn Eilboten dem ersten nachgesandt, um die langsamen Schritte Jesu zu beflügeln, aber die Ehrfurcht gegen Ihn hielt sie zurück. Noch konnte sie an seinem Wohlwollen und seiner Wunderkraft nicht zweifeln, noch dem lieblosen Gedanken nicht Raum im Herzen geben, als ob Jesus ihrer und ihres tödlich-kranken Bruders vergessen hätte. Aber von Allem, was in diesen zwei bangen Tagen in dem Trauerhause vorging, schweigt die evangelische Geschichte still.

Auch du kennst stille Schmerzens-Tage, Leidender! in denen du in tiefer Verborgenheit heiße Trübsalsstunden durchkämpftest. Nicht nur die Welt - denn diese konnte in diesen Stunden keinen Trost dir gewähren, du warst ihr gekreuzigt und sie dir - sondern selbst deine zärtlichen Freunde scheinen dich verlassen und vergessen zu haben; sie scheinen deine Leidens-Einsamkeit zu fliehen. Eine heiße Wehmuts-Träne tritt dir bei diesem Gedanken ins matte Auge - aber weine nicht! Die stillen Leidens-Tage deines Lebens sind köstlich vor Gott; die verborgenste Nacht der Trübsal ist nicht verborgen vor Ihm. Sein liebendes Auge steht über deinem Schmerzens-Lager offen sein Herz fühlt mit dir. Du siehst Ihn nicht, den besten teilnehmendsten Freund, der dir nahe ist; aber Er sieht dich, sieht jeden verborgenen Schmerz, der in deinen abgezehrten Beinen wühlt, jede Kummerträne, die von deinem Auge fällt. Er sieht dich, und du wirst auch Ihn sehen. Harre nur stille in deiner Leidens-Verborgenheit aus. Klage deine Not dem HErrn - Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen, und verschmäht ihr Flehen nicht. Heilig ist Ihm deine Leidens-Stille, wenn dein schmachtendes Herz, von aller Welt-Zerstreuung ausgeleert, nur nach Ihm sich sehnet, und dein Auge Ihn sucht; wenn die Erde mit allen ihren vergänglichen Gütern dir klein, und das Bedürfnis nach Ihm und seinem innern Leben desto größer geworden ist. Dieser stillen Stunden der Einsamkeit, welcher die Welt nicht gedenkt, wird Er einst mit Ehren gedenken; Er wird ihren hohen Wert an das Licht der Ewigkeit offen hervorstellen, und die verborgenen Tränen der Sehnsucht nach Ihm dir zeigen und reichlich lohnen, welche Er als kostbare Kleinodien, deren diese Welt nicht wert ist, gesammelt und aufbewahrt hat.

3.

Last uns wieder in Judäam ziehen, spricht Jesus Christus zu seinen Jüngern. Ihm war's zum voraus gut bekannt, welche Leiden dort Seiner warteten, und auch auf seinen Jüngern lag eine schwere Ahnung der bangen Zukunft. Mit einer neuen Leidens- und Todes-Verkündigung wollte Er ihr Herz nicht noch mehr beschweren; denn Er hatte es ihnen gleich beim Antritt der Reise gesagt, warum Er nun mit ihnen nach Jerusalem ziehe. (Matth. 20, 17. 18.) Aber so bestimmt Er auch die ganze Reihe bitterer Leiden voraus sah, die Ihn dort treffen würden, so wenig lässt Er sich durch Leidens-Flüchtigkeit und Todesfurcht von seinem großmütigen Liebes-Vorsatz zurückschrecken. Mit heiterer getroster Fassung geht Er seiner wartenden Marter entgegen. Männlich und ernst wandelte Er nun seine Straße fort zum Ziele der Vollendung. Noch war das Bitterste seines Lebens Ihm auf diese letzten Wochen vorbehalten. Noch war ein Kampf zu kämpfen, der Ihn die heißeste Leidensglut, und den letzten Blutstropfen seines Lebens kostete. Dies Alles wusste Er ganz bestimmt voraus, denn Er hatte es ja früher schon seinen Lebensgefährten mehr als einmal mit aller Umständlichkeit vorhergesagt. Aber mutig wie ein Held, der seines Sieges gewiss ist, nähert Er sich Schritt vor Schritt dem blutigen Schauplatz, der Ihn aufs schmerzhafteste leiden und aufs schmachvollste sterben sehen sollte. Noch lag es bei Ihm, dem bevorstehenden Schmerzenskelch auszuweichen - rückwärts oder vorwärts - Letzteres musste gewiss für sein Leiden, Ersteres für seine fernere Freiheit entscheiden. Noch immer hätte Ihn Samaria oder Galiläa wieder aufgenommen und verborgen. Aber Er wollte nun für das Heil seiner tiefgefallenen Mitbrüder leiden, wollte durch freiwillige Aufopferung seines Lebens die verlorene Sünderwelt vom Fluch der Sünde und dem ewigen Verderben erlösen. Länger konnte es seine brennende Liebe nicht mehr anstehen lassen, diesen großen Liebesplan seines Vaters auf das herrlichste zu vollenden. Darum war Ihm kein Leiden zu groß, Er nahm es aus Liebe auf sich, und Liebe half es Ihm tragen. Sie machte seinen Entschluss so fest, dass Ihn nichts von demselben zurückzuschrecken vermochte. So handelte Jesus, der Liebende! Mit diesem Sinn ging Er gefasst und ruhig dem schrecklichsten Kampfplatze entgegen. O dass du Ihn auch in diesem Stück zum Muster wählen möchtest, leidender Christ! Warum bebst du so furchtsam zurück, wenn dir ein Leis den droht, das der Vater der Liebe dir zusendet; wenn eine Gefahr zu bekämpfen ist, der du ohne Verletzung deiner heiligsten Pflichten nicht ausweichen kannst? Du willst ja doch ein Jünger, eine Jüngerin Jesu sein? Run - so werde deinem göttlichen Meister auch in dieser schönen Christen-Tugend ähnlich. Warum so niedergeschlagen und mutlos, wo heitere Fassung und Glaubensmut am nötigsten ist? - Willst du deinem HErrn denn nur auf Rosenwegen nachfolgen, und dann feige zurücktreten, wenn ein Leidensdorn auf dem schmalen Pfade dich sticht? Siehe, wie gefasst und ruhig Er ist, wenn einem Leiden begegnet werden soll. Die Ehre des Vaters im Blick wankt sein menschlicher Fuß nicht. Er weiß, dass alles, was vom Vater kommt, stets das Beste ist, so bitter es schmecken mag. Ahme Ihm nach du kannst, wenn du nur ernstlich willst. Freilich wird eitles Selbstvertrauen dich nie zum Ziele, nie durch die Leidensnacht hindurchführen. Auf deine eigene Kraft wage nur keinen Schritt, wenn du nicht betrogen sein willst. Nur das lebendige Vertrauen auf die allesvermögende Kraft deines HErrn und Meisters kann den rechten Leidensmut in dir wecken, und auch unter den heftigsten Stürmen erhalten. Dieses sei der Anker deines Glaubens; und dann lass die wilden Wellen brausen und die Sturmwinde toben; sie werden dich nicht fällen. Du wandelst an einer sichern Hand, die dich nicht sinken lässt, der Trübsal entgegen. Was Er schickt, so furchtbar es auch scheine, muss ein Segen für dich werden. Aber Er will durch Glaubensmut geehrt sein. Seine Schüler sollen Etwas auf Ihn wagen lernen. Darum ging Er ihnen voraus, und nahm das Schwerste auf seinen Rücken, um ihnen Mut zu machen, Ihm nachzufolgen, und das Leichte zu tragen.

4

Den Jüngern Jesu war der Entschluss ihres Meisters keineswegs willkommen. Ungern hatten sie die Reise nach Jerusalem mit Ihm angetreten, und bereits einige stille Versuche gemacht, Ihn davon abwendig zu machen. Sie sahen für Ihn und wohl auch für sie einen gewissen Tod voraus, und konnten sich noch gar nicht darein finden, wenn Er ihnen so ganz gegen alle ihre Vorstellungen und Erwartungen von Leiden und Tod sprach. Es war ihnen noch lebhaft im Gedächtnis, wie Er erst vor kurzem am Kirchweih-Feste den Steinwürfen seiner Feinde mit genauer Not entgangen war. (Joh. 10,30.) Darum wagen sie es, ihrem HErrn Gegen-Vorstellungen zu machen: „Meister, sagen sie, jenesmal wollten die Juden Dich steinigen, und Du willst wieder dahin ziehen?“ Dies ist die natürliche Sprache der Menschen-Klugheit, die bloß auf sich und nicht auf Andere, bloß auf das der Empfindung unangenehme Mittel und nicht auf den schönen Zweck, bloß auf die Eingebungen der Vernunft, und nicht auf Gottes Willen achtet. Unvorsichtig hatten sie ihren göttlichen HErrn noch nie handeln sehen. Oft schon war Er der drohenden Gefahr ausgewichen, weil die vom Vater bestimmte Leidensstunde noch nicht da gewesen war. Eben darum hatte Er auch seine Reise nach Jerusalem so langsam fortgesetzt, und sich keinen Augenblick früher der Gefahr bloßgestellt, bis es die rechte Zeit dazu war. Dies verloren freilich die kurzsichtigen, und in den Wegen des HErrn noch unerfahrenen Jünger aus dem Gesicht, und darum stellten sie seinem Entschluss diesen Einwurf entgegen. Lerne die wahre Klugheit von Jesu, die immer weiß, was und warum sie etwas tut und leidet. Nie hat Er sich unvorsichtig und tollkühn Leiden und Gefahren ausgesetzt; Er litt, und wich dem Leiden aus, wie es des Vaters Wille Ihm gebot. Was du dir selbst durch deine Torheit, und durch ungestümes Aufwallen einer fehlerhaften Neigung und Leidenschaft zu Leiden zuziehst, kann kein Leiden von Ihm und um Seinetwillen sein. Wie manche Last, die dich jetzt schwer drückt, könntest du dir ersparen, wenn du ruhiger, bescheidener, vorsichtiger, gemäßigter in deinen Reden und Handlungen wärest. Gib solchen Leiden, die du dir durch deine Schuld aufgeladen hast, den ehrwürdigen Namen des Kreuzes Christi nicht; sondern schäme dich deiner Abweichungen vom HErrn, und suche bei Ihm Vergebung für dieselben. Er wird deine Bitte nicht beschämen, wenn du es aufrichtig meinst, und an deinen Missgriffen und Torheiten Vorsicht lernen willst. Aber lasse dich auch durch die wohlklingenden Einflüsterungen der Menschen-Klugheit an deinem Entschluss nicht irre machen, wenn du ein Leiden um deiner Pflicht, das heißt, um Gottes Willen auf dich zu nehmen hast. Selbst der wohlmeinende Rat deiner besten Freunde soll bei dir nichts gelten, wenn Gott und Jesus Christus durch Leiden geehrt werden soll. Deine eigene Vernunft und die Klugheit deiner irdisch gesinnten Ratgeber wird Vieles dagegen einzuwenden haben; es wird dir und ihnen leicht werden, tausend scheinbare Entschuldigungen aufzubringen, um dadurch deinen inwendigen Menschen zu bestechen; aber gerade hier muss es sich entscheiden, ob du Gott und Christus oder dich selbst am höchsten liebst. Lasse dir in dieser Prüfungsstunde die Augen durch das Spielwerk der Sinne und des Fleisches nicht blenden; sondern lerne, wie Jesus Christus, dem Willen des Vaters mit festem Schritte folgen, wenn Er auch schwere Aufopferungen von dir fordern sollte. Lasse dich in viele Widerlegungen nicht ein; sondern verweise alle Einwendungen auf den Willen des Vaters, dem du zu gehorchen hast. An diesem Felsen muss die Menschen-Klugheit scheitern, und zunichte gemacht werden. Dies war der Blick Jesu, deines HErrn, und dies sei auch dein Blick. Mit Ihm wirst du die klügsten Eingebungen des leidenscheuen Fleischessinns mächtig bekämpfen.

Auf den Einwurf seiner Jünger antwortet Jesus ganz kurz und unwiderlegbar: „Sind nicht des Tages zwölf Stunden? Wer des Tages wandelt, der stößt sich nicht, denn er sieht das Licht dieser Welt. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm. Seid nur unbesorgt, will ihnen Jesus sagen, und trauet es Mir ruhig zu, dass Ich wohl weiß, was Ich jetzt zu tun habe. Jetzt ist's gerade die rechte Zeit, nach Judäa hinüber zu ziehen, früher oder später wäre sie es nicht gewesen. Was noch bei Tage geschehen soll, muss nicht auf die finstere Nacht verschoben werden, in der man nichts sieht. Der Reisende hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er an einem Stein im Wege sich gefährlich stößt, wenn er, statt beim hellen sichern Tageslicht zu wandeln, erst in der Nacht seine Reise fortsetzt. Es würde ihm kein Unfall begegnen, wenn er das helle Tageslicht dazu benützte, noch vor Abend in die Nacht-Herberge zu kommen. Eben so will Ich nichts auf meine nahe bevorstehende Lebens-Nacht anstehen lassen; was Ich noch zu tun übrig habe, will Ich vor dem Anbruch dieser Nacht tun. Dies will der Vater haben, der mir die Vollendung dieses Werks aufgetragen hat. Er wird Mich vor dem Fall zu bewahren wissen, weil Ich nur tue, was vor Ihm wohlgefällig ist.“

Dies war die große Lebens-Regel, nach der Jesus Christus unverrückt gehandelt hat. Ohne Wink des Vaters tat und litt Er nichts, auf seinen Wink Alles, auch das Bitterste. Auf dem vom Vater Ihm vorgezeichneten Wege wusste Er nichts zu verlieren, und immer nur zu gewinnen. Dieses stille Aufhorchen auf die verborgene Gottes Stimme in seinem Innern, diese unbedingte Unterwürfigkeit unter dieses Wort des Vaters gab seinem Lebens- und Leidensgang die unerschütterliche Festigkeit, womit Er handelte und litt. War einmal die Stunde dazu gekommen, so konnte Ihn kein Feind und kein Freund von seinem Entschluss abwendig machen. Er ruhte im Willen des Vaters als in einer unüberwindlichen Festung, und ließ die Stürme von Außen getrost auf sich lostoben. Mutig ging Er ihnen entgegen; mutig bekämpfte und besiegte Er sie.

Sein Beispiel sei dir heilig, Leidender! Du kannst es niemals besser machen, als Er es gemacht hat. Siehe hier den großen Mittelpunkt deines geistlichen Lebens und deiner Leidensruhe. Tue nichts ohne Willen Gottes, nichts zur Unzeit; hast du aber den Willen Gottes auf deiner Seite, und hat Er dir die Stunde zum Tun und Leiden bestimmt, so gehe ihr mutig und zutrauensvoll entgegen. In der vom Vater bestimmten Leidens, Stunde kannst du nichts besseres tun, als getrost in seinem Willen ruhen. Sein Wille ist deine Seligkeit, so verborgen dir auch der Weg sein mag, auf dem Er dich zu derselbigen hinführt. Sen nur getrost und unverzagt; traue dem besten Vater stets das Beste zu; kämpfe mutig, wie Jesus Christus, dein HErr und Erlöser gekämpft hat, so wirst du auch siegen, wie Er siegte.

Schmal ist der Pfad, auf welchem Christen gehen,
Und dornicht ihre Bahn;
Und schrecklich sind der Berge steile Höhen,
zu welchen sie sich nah'n.

Doch zage nicht, o Wand'rer! Gottes Hände
Sind nach dir ausgestreckt!
Schau hin, dort ist an deiner Laufbahn Ende
Das Kleinod aufgesteckt.

Wert ist's die Kron' am Ziel, nach ihr zu streben! Wie nichts ist gegen sie Der kurze Lauf durch dieses Pilger-Leben,
Und dieses Kampfes Müh.

Ich walle denn in meiner Laufbahn Schranken
Zum Kleinod mutig hin.
Wie froh werd' ich Dir, meinem Führer, danken,
Wenn ich am Ziele bin.

Und wenn ich einst vor mir ihn sehen werde
Der Überwinder Lohn,
Dann freudenvoll schwing ich mich von der Erde
Hinauf zu deinem Thron! Amen.

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