Zuletzt angesehen: Binde, Fritz - Vor dem Kreuz

Binde, Fritz - Vor dem Kreuz

Binde, Fritz - Vor dem Kreuz

Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft.
Christus Jesus, der uns von Gott zur Weisheit geworden ist, ebenso zur Gerechtigkeit wie zur Heiligung und Erlösung …
Denn ich entschied mich dafür, unter euch nichts zu wissen, als nur Jesus Christus, und zwar ihn als Gekreuzigten.
1. Kor. 1,18+30; 2,2

Heute wird überall zur äußersten „Kraftanstrengung“ aufgefordert. Arbeit! heißt die Losung. Nur vermehrte Arbeit könne den Kriegsschaden heilen, nur Arbeit den Wiederaufbau der Kultur sichern. Vermehrte Arbeitsleistung erfordert aber vermehrte Kraft. Darum die Aufforderung zur Neuanspannung aller Kräfte. Darum die fiebernde Betonung des Wortes „Kraft“. Immer wieder neue „Kraftmittel“ werden empfohlen, allenthalben werden „Kraftmenschen“ beschrieben, „Kraftleistungen“ gerühmt, Menschen „eigner Kraft“ verherrlicht. Auf Plakaten treten einem lasttragende, bogenspannende, speerschleudernde „Kraftgestalten“ entgegen. Glänzende „Kraftreden“ führender Männer und Frauen durchhallen die Kulturwelt. „Riesenkräfte“ revolutionärer Massen sollen entbunden und zur Neuordnung der Arbeit und Gesellschaft herangeschult werden. Ein „Kraftrausch“, der jede Festigkeit der bisherigen Lebensverhältnisse erschüttern und in die Luft fliegen lassen möchte, ist ausgebrochen und fiebert in Köpfen und Gliedern. Alles reckt sich in herausfordernder „Kraftgebärde“ widereinander und erwartet in dünkelhaftem „Kraftbewußtsein“ etwas unerhört Gewaltiges, Gewaltsames und Neues.

Ach, und in Wahrheit fehlt unserem Geschlecht nichts so sehr als wirkliche Kraft, nämlich Kraft zur Wahrheit, Kraft zur Weisheit, Kraft zur Einsicht, Kraft zur Einfalt, Kraft zum Glauben, zur Liebe, zum Frieden, zur Treue, Kraft aus und für Gott.

Die ungeheure Entfaltung der menschlichen „Kulturkräfte“ hat in der letzten Zeit nur zu einer Zerrissenheit der Herzen und der Lebensverhältnisse wie nie zuvor geführt. Der erfreulichen fortgeschrittenen Bändigung der „Naturkräfte“ steht gegenüber eine traurige Entfesselung der heillosen menschlichen Selbstsucht. Der gewaltigen Entfaltung der „Verstandeskräfte“ mit ihrem erstaunlichen Gewinn an äußerlichem Können und Vermögen steht gegenüber ein schauerlicher Verlust an Glaubensfähigkeit und innerer Lebenseinheit. Nie ist so fiebernd viel geredet, geschrieben und gedruckt worden, und nie hat man eine solche Verirrung und Verwirrung des Denkens gesehen und so wenig gewußt, was Wahrheit ist, wie heute. Ja, überall verrät die Menge der empfohlenen Wahrheiten nur den Nichtbesitz der einen erlösenden Wahrheit. So offenbart das verwirrende Zuviel an ruhmredig ausgespielter Menschen- kraft nur ein verderbenschwangeres Zuwenig an wirklicher Kraft, nämlich an Gotteskraft.

Denn all dies heillose Irrelaufen ist ein verhängnisvolles Verfehlen der Kraft Gottes im Kreuze Jesu Christi.

  • Das Kreuz Christi ist und bleibt Gottes hehres Gerichtszeichen über allen menschlichen Kraftdünkel.
  • Das Kreuz Christi ist und bleibt Gottes rettendes Erlösungszeichen für alle heilsbedürftigen Kraftlosen.

Unverrückbar steht das Kreuz inmitten der flutenden Irrsal der törichten menschlichen Selbstsucht. Es bleibt die geschichtliche Offenbarungsstätte der heilsamen Gnadenkraft Gottes in Wahrheit und Liebe. Und wenn der irrselige Mensch am Ende ist mit seiner Kraft, dann landet er zu seiner Genesung vor dem Kreuz oder er verdirbt. Und wenn ein Volk zerrüttet ist vom bösen Widerspiel seiner selbstsüchtig verirrten Kräfte, dann findet es sich wieder zurecht vor Christi Kreuz oder es geht unter. Und wenn das Leben der Völker verwirrt ist bis zum Widersinn alles Bestehenden, dann gilt zuletzt die Rettung in der Gotteskraft vom Kreuz oder das Verderben in Gottes Zorngerichten.

Wieso wirkt aber die Kraft Gottes gerade im Kreuze Christi?

Weil uns Christus nur am Kreuze völlig von Gott zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung geworden ist.

Wer nun vor dem Kreuze im Glauben Christus als die uns von Gott geschenkte Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung erkennt und annimmt, der empfängt die rettende Gotteskraft.

Die erste Wirkung und Mitteilung der rettenden Gotteskraft heißt also Christus am Kreuz: unsere Weisheit.

Im Sündenfall, den die Weltweisheit leugnet, verhieß die listige Schlange den Übertretern des Gebotes Gottes Wissen und Weisheit bis zur Gottgleichheit. Diese durch Sünde erlangte Weisheit ist bis zur Stunde die „Weisheit dieser Welt“. Die List der Schlange und der Betrug durch die Schlange leben in ihr weiter. Es ist der aufblähende, gottfeindliche Geist der Selbsterhöhung, der in ihr pulsiert. Es ist der wollüstig, qualvolle, faustische Drang, der um der Macht des Wissens willen die Seele noch immer dem Teufel verschreibt. Es ist also die fluchbeladene Weisheit derer, die verloren gehen. Deshalb kann diese Weisheit der Welt vor Gott nichts anderes sein als Torheit. Und umgekehrt muß die Weisheit der Welt alles als Torheit verachten, was Weisheit Gottes ist. So will die Weltweisheit immerfort Gottes Weisheit zunichte machen, und so muß die Weisheit Gottes unaufhörlich die Weisheit der Welt beschämen, um sie gänzlich zu vernichten.

Und eben dies tat Gott am Kreuz Christi.

Da wurde es wahr für die jüdische pharisäische Selbstweisheit und damit für jede Weisheit der Welt: „Vernichten will ich die Weisheit der Weisen, und die Einsicht der Einsichtigen will ich vergehen lassen“ (1. Kor. 1,19).

Zwar schien es vor dem Kreuz gerade umgekehrt: nicht die Weisheit der Pharisäer, sondern die Weisheit Christi schien vernichtet. Aber eben darin bestand ja die Weisheit Gottes, daß er Jesus Christus zum Törichten Gottes vor den Weisen und Klugen werden ließ. Wie schien die Kraft Gottes in Christus doch so gründlich vernichtet, als Jesus angenagelt und verhöhnt am Kreuz hing. Ende schlecht, alles schlecht! Der vollgewaltige Redner verstummt, der Wundertäter angeheftet ans Fluchholz, der mächtige Prophet verworfen und als Gotteslästerer verurteilt, der Hirte geschlagen, die Herde zerstreut. Einer der Seinen hatte ihn verraten, ein anderer ihn verleugnet, alle hatten sich an ihm geärgert und ihn verlassen; und er selbst rief zuletzt aus, daß ihn auch Gott verlassen habe. Welch eine Vernichtung seines Werkes und seiner Person! Wie klug und gründlich schien die Weisheit der Schriftgelehrten und Pharisäer über ihn gesiegt zu haben. Wie stolz konnte sich die Einsicht und Vorsicht des Hohepriesters Kaiphas (Joh. 11,49-50) wider den Gehenkten rühmen. Und du und ich hätten auch in sicherer Selbstweisheit die Nase über den Vermessenen und Verworfenen und Verlassenen gerümpft und ihn preisgegeben.

Und doch wurde am Kreuz nicht die Weisheit Gottes, sondern die Weisheit der Menschen zunichte gemacht. Denn nur allein im Kreuz Christi wurde die geheimnisvolle, verborgene Gottesweisheit, die Gott vor den Weltzeiten vorher bestimmt hatte, zur Errettung der Welt wirksam und den Törichten, Einfältigen und Unmündigen zu ihrer Herrlichkeit geoffenbart. Diese Gottesweisheit hatte keiner von den Weisen und Herrschern dieser Weltzeit erkannt; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1. Kor. 2,7-8). Sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in kein Menschenherz gekommen ist, was Gott bereitet hat, denen, die ihn lieben“ (Vers 9), das ist im Kreuz Christi erschienen und wirksam geworden. Nämlich, daß Jesus Christus nach Gottes ewiger Weisheit als das vor Grundlegung der Welt für unsere zuvorgesehene Sünde zuvorersehene Opferlamm Gottes sollte am Kreuz der Welt Sünde hinwegnehmen (1. Petr. 1,20; Matth. 26,26–28; Mark. 10,45; Joh. 1,29).

O, nichts lag und liegt der stolzen Weltweisheit ferner als die Erkenntnis eines solchen Vorhabens Gottes! Das hatte kein jüdisches Klugheitsauge der Pharisäer und Schriftgelehrten aus den heiligen Schriften herauszulesen vermocht. Das war nicht zu finden im Weisheitssysteme eines griechischen Wortfechters. Das stand nicht eingezeichnet im Welteroberungsplane eines römischen Machthabers. Das anerkennt keine Weisheit dieser Weltzeit.

Und so mußte beides, die Tat Gottes im Kreuz und die Heilsbotschaft als rettendes Wort vom Kreuz, den Weisen dieser Welt zur verhaßten Torheit werden und für immer Torheit bleiben. Und gerade auf diese Weise macht Gott die Weisheit der Welt, die unfähig ist, Gott in seiner Weisheit zu erkennen, fortgesetzt zunichte, aber errettet durch die Torheit der Predigt vom Kreuz, die daran glauben (1. Kor. 1,21).

Scheint dir also das Wort vom Kreuz noch unannehmbare Torheit, so beweist das nur, wie blind du noch dahinlebst in Weltweisheit und Gottesferne. Dann ruhe nicht, bis dir der Welt Weisheit vor dem Kreuz Torheit und die Torheit des Kreuzes Gottes rettende Weisheit geworden ist. Dazu höre weiter.

Welche Gottesweisheit bringt uns denn Christus als für uns gekreuzigtes Gotteslamm?

Vor dem gekreuzigten Christus will dir Gott Weisheit schenken, zu erkennen, erstens: die Wirklichkeit und Abscheulichkeit der Sünde und damit die Tatsächlichkeit der Heiligkeit Gottes, zweitens: die Wirklichkeit und Herrlichkeit seiner Gnade und damit die Tatsächlichkeit seiner Liebe.

Ein in der Selbstweisheit und Weisheit dieser Welt stecken gebliebener Pfarrer rief aus: „Warum denn nun immer von Sünde reden? Ich begreife das gar nicht! Es würde doch vielmehr zur Ehre Gottes dienen, überall das Gute in der Welt zu sehen und zu betonen!“

Siehe da, welch ein Mangel an Weisheit! Der Mann hat sich natürlich nie vor dem Kreuz aufgehalten. Dort nur wird Sünde wirklich Sünde. Dort nur wird gesehen „der Welt Sünde“. Dort nur wird ganz sündig die eigene Sünde. Die Wirklichkeit der Sünde wird nicht ermessen vor der Weisheit und Güte des wandelnden Jesus; die schauerlich unermeßliche Wirklichkeit der Sünde wird nur ermessen vor Christus, dem Gekreuzigten.

Freilich, wenn man Jesu Sterben nur als Zeugentod zur erfolgreicheren Besiegelung seiner Überzeugung und als Justizmord auffaßt, dann gibt’s da einen Guten, den Gott in die Hände etlicher Böser fallen ließ, um Leidenswilligkeit und Gottvertrauen recht anschaulich auf Erden zu fördern, aber mehr Weisheit gibt’s da nicht.

Nein, Christus starb, um der Welt Sünde hinwegzunehmen. Und was muß dann Sünde sein! Welch ein Wissen um die Sünde fruchtet dann aus Jesu Christi Kreuzestod! Der Welt Sünde erforderte des Gottessohnes Kommen, Leiden und Sterben! Welch eine grause Wirklichkeit der Sünde wuchtet da! Ihre Gestalt ist die Gestalt der ganzen Menschheit vor dem Hintergrund einer gefallenen Schöpfung. Und welch eine Abscheulichkeit der Sünde grinst einen da an! Sie ist ruchlose, frevelhafte Auflehnung gegen den gütigen Gott! Sie ist Verfehlung wahren Lebens, Betrug, Verderben und Tod der Seele! Und wie offenbart da der Sünde Abscheulichkeit Gottes tatsächliche Heiligkeit! Wie abscheulich muß die Sünde, wie heilig muß Gott sein, daß Gott so die Sünde als Sünde an seinem eingeborenen Sohne richten mußte! Welch ein Fluch mußte durch das heilige Gesetz Gottes der Sünde anhaften, daß Christus so ein Fluch werden mußte für uns, um uns vom Fluche des Gesetzes zu erlösen! Welch teuflische Gewalt des Todes muß der Sünde innewohnen, daß um der Heiligkeit Gottes willen der Kelch der bitteren Todesnot in Gethsemane, Gabbatha und Golgatha am Heiligen Israels nicht vorübergehen konnte! O welch ein erschütterndes Wissen um der Sünde Wirklichkeit und Abscheulichkeit und um Gottes Heiligkeit wird also der Seele zuteil, die sich durch Gottes Weisheit im gekreuzigten Christus die Augen öffnen läßt! Und nie, nie hätte der durch die Sünde verblödete Menschengeist diesen erschütternden Blick tun können, wenn ihm nicht Christus als der Gekreuzigte Weisheit Gottes geworden wäre.

Wer nun vor dem Kreuz in dieser Weisheit weise geworden ist, der sieht fortan die Sünde im Kreuzesgericht Gottes an, und damit ist er ein durch Christi Kreuz in sich selbst gerichteter und verurteilter Mensch, der nie wieder Wohlgefallen an sich selber haben kann. O kostbare Weisheit der vor dem Kreuz erlangten heilsamen Selbsterkenntnis !

Aber dort, wo die abscheuliche Wirklichkeit der Sünde angesichts der richtenden Heiligkeit Gottes offenbar worden ist, dort allein schenkt Gott Weisheit, auch die herrliche Wirklichkeit seiner Gnade und damit die Tatsächlichkeit seiner Liebe zu erkennen. Wem vor dem Kreuz nicht der Blick für die Größe der Sünde aufgegangen, der kann auch keinen Blick für die Größe der Gnade haben. Da bleibt alles Gerede von der Gnade ein leichtfertiges, oberflächliches Gefasel, das geradezu sündig ist. Nur wer die Sünde der Welt wirklich am Kreuz enthüllt und verurteilt sieht, der kann auch am Kreuz den Sünder wirklich freigesprochen und gerettet sehen. Denn dort am Kreuz, wo Gott alle in den Ungehorsam eingeschlossen hat, dort hat er sich auch ihrer aller erbarmt. Wer da Gnade und Erbarmung Gottes mit Umgehung des Kreuzes sucht, ist ein blinder Tor oder ein ungebeugter, unehrlicher Schwätzer. Solche sind’s, die auch immer die Liebe Gottes breit im Munde führen. Aber die Liebe Gottes besteht nicht darin, daß Gott es etwa mit der Sünde nicht genau nehmen dürfe und ohne weiteres immerzu vergeben müsse, wie die blinde, leichtfertige Menge der Sünder meint. Sondern die Liebe Gottes besteht darin, daß er diese gottfeindliche Welt so sehr geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn zu ihrer Errettung aus der Sünde als Sühneopfer ans Kreuz gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben (Joh. 3, 16). Wer anders von einem Gott der Liebe redet, hat die heilige Gottesliebe im für uns alle dahingegebenen und gekreuzigten Sohne Gottes nie gesehen noch erkannt. Die Tatsächlichkeit der Liebe Gottes wird in der Rettungstat am Kreuz oder nirgends mit Sicherheit entdeckt.

Darum glückselig der Mensch, dem vor dem Kreuz Weisheit geschenkt werden konnte, im gekreuzigten Gottessohne die tatsächliche Liebe Gottes zu erkennen und zu erlangen! Denn die rettende Gotteskraft des Wortes vom Kreuz ist ja nichts anderes als die im Kreuz sich schenkende Macht und Kraft der Liebe Gottes, die uns Vergebung der Sünden und Versöhnung mit Gott bringt.

So gelangt also der Mensch allein vor dem Kreuz zu der vollen Gewißheit der Einsicht in das Wesen der Sünde und Gottes und seiner selbst.

O welch ein unermeßlicher Gewinn an Weisheit Gottes ist doch diese Erkenntnis der Heiligkeit und Liebe Gottes in Christus, dem Gekreuzigten! O welch ein Reichtum in rechter Erkenntnis des Geheimnisses Gottes als geoffenbartes Geheimnis des Kreuzes! Denn in Christus sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis Gottes verborgen, ja, in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol. 2,3+9); und der Schlüssel zum Schatz dieser Fülle ist das Kreuz.

Wie bemühen sich doch auch die Weltweisen, in das Geheimnis der Weisheit Jesu einzudringen, aber solange ihnen das Wort vom Kreuz Torheit bleibt, bemühen sie sich vergebens. Wem das Kreuz Christi nicht Schlüssel zur Weisheit Gottes in Jesus Christus wird, dem bleibt es Riegel. Wessen Menschenweisheit nicht zur Torheit vor der Gottesweisheit im Kreuze Christi wird, der bleibt ausgeschlossen von der Erkenntnis der Heiligkeit und Liebe Gottes. Und wer das Wort vom Kreuz mit Menschenweisheit füllen will, der entleert es der Gottesweisheit und damit der Gotteskraft. Vor dem Kreuz muß alles vernunftgemäße Reden aufhören; denn da soll die Menschenweisheit stehen vor ihrem Bankrott.

Paulus, der eigentliche Apostel des Kreuzes, hatte sich entschieden, nichts in den Gemeinden zu wissen, als nur Christus gekreuzigt. Damit hatte er die Gotteskraft und Gottesweisheit im Kreuz über alle eigene Kraft und Weisheit siegen lassen. Und so allein konnte er die Weisheit der Welt besiegen. Vor der Gottesweisheit im Kreuz war er in sich selber zum Toren geworden. Fortan wußte er nichts als die Weisheit Gottes in der Torheit der Predigt vom Kreuz, die ihn nun auch vor der Welt töricht machte. Aber gerade als „das Törichte Gottes“ war er nun weiser als die Menschen, und als „das Törichte der Welt“ hatte ihn Gott erwählt, die Weisen der Welt zu beschämen (1. Kor. 1,27).

Ach, ihr klugen Menschen, weil eure stolze Selbst-Weisheit sich nicht beschämen und zunichte machen lassen will vor dem Kreuz, deshalb seid ihr so töricht, so blind, so betrogen, so unselig, so elend, so jämmerlich! O laßt doch den für eure Sünden gekreuzigten Gottessohn eure einzige Weisheit werden, auf daß ihr in dieser Weisheit euch gerichtet durch Gottes Heiligkeit und gerettet durch Gottes Barmherzigkeit erkennet, und die Gotteskraft des Wortes vom Kreuz wird euch von euch selber lösen und euch immer befreiender mit Gott vereinen!

O selig „das Törichte der Welt“, das Christus zur untrüglichen Weisheit hat! O selige Abhängigkeit von Ihm, die zum gehorsamen Kinde macht, gleichwie Er in der gehorsamen Abhängigkeit vom Vater gottselig ging! O sei gepriesen, du schmachvoll törichtes Kreuz, du enge Pforte zum neuen und wahrhaft weisen und ewigen Leben!

Paulus, der unermüdliche Student des Kreuzes, kann sich nimmer satt sehen an dem, der uns am Fluchholz von Gott zur Weisheit geworden ist. Alles Reden und Schreiben dieses Apostels ist ein Schauen der Kreuzesgestalt, von der aus ihm jede Erkenntnis und Kraft zuströmt. Und nur um der Vortrefflichkeit dieser Kreuzesweisheit willen hat der ehemalige Pharisäer alles, was ihm einst Gewinn gewesen, für Kot und Schaden geachtet. Dazu gehörte nicht nur seine pharisäische Selbstweisheit, sondern auch seine pharisäische Selbstgerechtigkeit. Deshalb ist ihm der Gekreuzigte nicht nur Weisheit Gottes, sondern Pauli törichte Predigt lautet weiter: Christus am Kreuz: unsere Gerechtigkeit.

Dort am Kreuz, wo unsere eigene Weisheit zunichte gemacht worden ist, dort ist auch unsere eigene Gerechtigkeit zuschanden geworden. Dort allein, wo wir weise werden, die Sünde der Welt und Gottes Heiligkeit und Liebe zu erkennen, dort allein werden wir auch willig, die unermeßlich tiefe Sündhaftigkeit unseres gefallenen Wesens einzusehen und jede Selbstgerechtigkeit vernichten zu lassen. Wo wegen des sündigen Zustandes aller Menschen der eine sündlose Gottes- und Menschensohn durch Gottes Gnade für uns alle den Tod schmecken mußte, dort vor dem Kreuz kann kein weise gewordener Adamssohn mehr an die Gerechtigkeit der Menschen und an seine eigene Gerechtigkeit glauben. Jeder Gerechtigkeitsdünkel der Menschen ist am Kreuz gerichtet. Jedes Rühmen eigener Gerechtigkeit ist ausgeschlossen. Jeder Mund muß verstummen; denn die ganze Welt ist offenbar geworden als verschuldet vor Gott (Röm. 3,27; 2,19).

Aber dort am Kreuz, wo die menschliche Gerechtigkeit unterging, dort ging Gottes Gerechtigkeit auf. Gerechtigkeit ist allein bei dem heiligen Gott. Und diese seine Gerechtigkeit hat er erwiesen im Kreuze Christi, um sie uns in ihm nach seiner Barmherzigkeit zu schenken.

Denn wir sind ein durch Überlistung Satans verführtes und sündig gewordenes Geschlecht. Darum kann uns Gottes Erbarmung nicht unterm Fluch des Sündenfalls verderben lassen. Wohl mußte seine heilige Gerechtigkeit die Sünde der Menschen als Sünde strafen, aber dieselbe heilige Gerechtigkeit Gottes hat sich auch zu erweisen in der Rettung des Sünders. Und diese seine rettende Gerechtigkeit erwies Gott eben damit, daß er seinen geliebten Sohn Christus Jesus öffentlich als Sühnemittel für unsere begangenen Sünden hinstellte, um selbst gerecht zu sein und zu rechtfertigen den, der des Glaubens an Jesus ist (Röm. 3,25-26).

Gott will uns unsere Übertretungen nicht anrechnen, sondern warf unser aller Schuld auf Jesus: das ist die Erweisung seiner heiligen Gerechtigkeit! Kein Mensch soll wegen seiner Sünden von Gott getrennt sein. Nicht eine einzige Seele soll in Hölle und Verdammnis geraten. Denn Gott war ja in Christus und versöhnte eine Welt mit sich selbst, da er ihnen nicht anrechnete ihre Übertretungen und unter uns aufgestellt hat das Wort von der Versöhnung (Jes. 53,6; 2. Kor. 5,19). So gab Gottes Gerechtigkeit Jesus als Sühnemittel, um diese sündige Welt zu entsühnen und mit sich, dem heiligen Gott, zu versöhnen. Sich selbst brauchte Gott nicht mit der Welt zu versöhnen; denn er war ja nie der Welt Feind, sondern hat diese gottfeindliche Welt trotz seiner Gerichte immer nur geliebt. Darum hat er den, der doch keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden Gerechtigkeit Gottes in ihm, dem gekreuzigten Christus (Vers 21). Welch eine wunderbare Erweisung der Gerechtigkeit Gottes in Übereinstimmung mit seiner Heiligkeit und Liebe: Welch köstliche Heilsbotschaft als Wort von der Versöhnung, das sich deckt mit dem Wort vom Kreuz.

Und also hat Jesus Christus als der vor Grundlegung der Welt berufene Stellvertreter der Menschheit unsere Sünde an seinem Leibe am Kreuz richten lassen und mit der Hingabe seines vollgültigen Lebens alle Sündenschuld bezahlt, getilgt und weggenommen. Der Sünder ist abgewaschen und rein und gerecht gemacht durch Christi Blut. Damit ist Gottes eigene Gerechtigkeit, die ja in dem einen Gerechten, der für alle Ungerechten starb, gewirkt hat, auf den Sünder übergegangen: Gott selbst hat ihn mit einer vollkommenen Gerechtigkeit durch den Sühnetod des Gerechten gerecht gemacht.

Und der bußfertige Glaube ist’s, der vor dem Kreuz dieser Liebestat Gottes nachtastet und sie als rettende Gotteskraft ergreift. Er darf jubeln: Christus am Kreuz: meine Gerechtigkeit!

Aber dem Worte der Versöhnung wird immer nur „das Schwache der Welt“ glauben (1. Kor. 1,27). Es sind dies die sündenbeschwerten, sündenmüden Herzen, die in sich keine Kraft mehr wissen, mit Sünde und Schuld fertig zu werden. Allmählich oder plötzlich sind sie vor Jesus, dem Ebenbilde Gottes, an ihrer eigenen Weisheit und Gerechtigkeit irre geworden, und seitdem sahen sie keine Möglichkeit mehr, durch ihr eigenes Tun vor Gott gerecht werden zu können. So wurden sie als „das Schwache der Welt“ zur Gotteskraft des Wortes vom Kreuz hingezogen, um endlich vor dem Kreuz „das Schwache Gottes“ zu werden (1. Kor. 1,25), nämlich sich von der rettenden Liebe Gottes überwinden zu lassen. Es sind dieselben Leute wie die „Törichten Gottes“; denn es wird keines das Schwache Gottes, wenn es nicht zuvor das Törichte Gottes geworden ist. Bricht erst die Selbstweisheit zusammen, dann stürzt die Selbstgerechtigkeit schnell hinterher. Wem Christus als Gekreuzigter wirklich Weisheit geworden ist, dem wird er unfehlbar auch Gerechtigkeit.

Und dieses „Schwache Gottes“ ist es dann, das durch die aufgenommene Gotteskraft vom Kreuz stark wird im Herrn und in der Macht seiner Stärke (Eph. 6,10) und dadurch stärker wird als die Menschen, so daß es Gott erwählt hat, das Starke zu beschämen. Denn die vor dem Kreuz Christus als ihre Weisheit und Gerechtigkeit durch den Glauben gewonnen haben, die sind vor Menschen unüberwindlich geworden. Sie stehen und gehen im Zeichen des Kreuzes, in dem der Gottessohn in Torheit und Schwachheit gekreuzigt ward (2. Kor. 13,4) und in dem er die Welt überwunden und den Fürsten dieser Welt aus seiner Machtstellung hinausgestoßen hat. Deswegen können sie alle mit dem Apostel des Kreuzes ausrufen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Kor. 12,10).

Geliebte Seele, du redest ja viel von deiner „Schwachheit“, aber das ist ja nur das geläufige Geschwätz deiner eitlen Selbstgerechtigkeit: du willst damit deinen Unglauben und deine Sünden entschuldigen. Ach, daß du einmal wirklich schwach würdest! Nämlich schwach Gott gegenüber, dem du so lange widerstehst in der Stärke deines selbstweisen Eigensinns und deiner selbstgefälligen Pharisäergerechtigkeit! Wie schnell würde dir die Gotteskraft des Kreuzes zuteil! Denn nie mehr könntest du weiter überlegen am Kreuz vorübergehen (Matth. 27,39).

Ein Herr bekannte mir, er habe unter der Einwirkung des Wortes vom Kreuz entdeckt, daß der Beweggrund für alle seine Gedanken, Gemütsbewegungen, Worte und Werke nichts als unausrottbare eigenliebige Selbstsucht sei, mithin müsse doch wohl sein ganzes Wesen gottfeindliche Selbstsucht sein. Der war dem Kreuze Christi nicht mehr ferne und gewann auffallend schnell und erlösend Christus als seine allein ausreichende Gerechtigkeit.

Die sich so führen lassen, die empfangen auch bald die dritte Wirkung der Gotteskraft des Wortes vom Kreuz. Paulus nennt sie: Christus am Kreuz: ebenso unsere Heiligung.

Heiligung ist Absonderung für Gott. Geheiligt sein ist in Gemeinschaft mit Gott gebracht worden sein.

Das setzt jedoch eine innerliche Trennung von Welt, Sünde und Selbstleben voraus. Diese Trennung kann sich aber kein Mensch in eigener Kraft geben. Niemand kommt durch sich selbst über Welt, Sünde und sich selbst hinaus. Aber eben in der Gotteskraft vom Kreuz ist diese Trennung geschehen und gegeben. Denn eben dort am Kreuz hat sich Christus für uns geheiligt, das heißt sich selbst für uns Gott geweiht und dargegeben als Gabe und Opfer, auf daß wir in Wahrheit Geheiligte seien, das heißt durch Ihn in Gemeinschaft mit dem heiligen Gott gebracht seien (Joh. 17,19; Eph. 5,2). Denn eben dort am Kreuz hat Christus durch das Lösegeld seines Blutes aus den Banden der Welt und Sünde gelöst und für Gott erkauft (Offb. 5,9). Und eben dies heißt geheiligt sein.

Dasselbe Sühneblut Christi, das gerecht gemacht hat, das hat auch heilig gemacht (Hebr. 10,19; 13,12).

So liegt der Grund für unsere Heiligung nicht in unserem Tun, sondern im Glauben an die Heiligungstat Gottes in Christus am Kreuz. Gottes Wille ist unsere Heiligung (1. Thess. 4,3). Kraft dieses Willens sind wir geheiligt durch die Darbringung des Leibes Jesu Christi ein für allemal (Hebr. 10,10). Dies allein ist der erlösende Sinn der Frohbotschaft: Christus ebenso unsere Heiligung!

Und wem Christus Weisheit und Gerechtigkeit geworden ist, der versteht diesen Sinn und weiß im Glauben: Ich bin durch das Lösegeld des Blutes Christi von Welt, Sünde und mir selbst gelöst und Gott erkauft. Ich gehöre nicht mehr mir selbst. Ich bin Gott geheiligt, Gott geweiht. Mich als Gottes und Christi bluterkauftes Eigentum zu betrachten und zu betragen, das ist meine Heiligung, in der ich durch den Glauben stehe und der ich durch die Betätigung meines Glaubens nachjage (Hebr. 12,14). Als ein törichter und schwacher Mensch in mir selbst habe ich nicht die geringste eigene Kraft, mich selbst zu heiligen; aber meine Kraft zur Heiligung ist die Gotteskraft im Kreuz. Durch diese Gotteskraft weiß ich mich der Welt, der Sünde und mir selbst entnommen. Die Welt ist mir durch Christi Kreuz gekreuzigt (Gal. 6,14); ich bin von ihr innerlich geschieden und ihr entfremdet. Ebenso bin ich durch Christi Kreuz der Sünde abgestorben; sie ist am Kreuz gerichtet worden und vermag nicht mehr über mich zu herrschen (Röm. 6,2.11; l. Petr. 2,24). Und ebenso weiß ich mich am Kreuz mir selbst gestorben; denn mein alter adamitischer Mensch ist mit Christus gekreuzigt und gestorben und als Leib der Sünde abgetan worden, damit ich durch die Kraft der Auferstehung Christi in Christus für Gott lebe (Röm. 6,4–6; Kol. 3,3).

So enthüllt sich allein vor dem Kreuz auch das Geheimnis der wahren Selbstverleugnung. Denn allein dort, vor dem Kreuz, wo der Mensch das Wesen seiner gottfeindlichen Selbstsucht endlich erkennt und gerichtet sieht, dort allein empfängt er auch die Gotteskraft, sein Selbstleben zu hassen und zu lassen. Jede sogenannte Selbstverleugnung, die nicht aus dem Schnittpunkte des Kreuzes Christi herausgeboren ist, ist gar keine Selbstverleugnung, sondern nur Selbsttäuschung. Denn Selbstverleugnung als moralische Tugend des alten Menschen ist ja nichts als blinder Selbstbetrug. Wie kann man sein Selbst verleugnen, solange man noch sein Selbst einsetzt? Nur wer sein Selbst durch Gott am Kreuz in seiner Scheußlichkeit enthüllt, gerichtet und abgetan sieht, wird wahrhaft „selbst- los“ und durch die Gotteskraft des Kreuzes befähigt zu wahrhaftiger Selbstverleugnung. Alle andere „Selbstverleugnung“ und vielgerühmte „Selbstlosigkeit“ ist teuflischer Schwindel, von dem die Welt voll ist. Wer vor dem Gotteslamm am Kreuz noch nicht seine Selbstweisheit, Selbstgerechtigkeit und Selbstherrlichkeit losgeworden ist, der ist auch noch nicht selbstlos geworden. Nur die Bankrotteure, die keine eigene Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligung mehr haben, aber alles im für sie gekreuzigten, gestorbenen und auferweckten Christus sich schenken ließen, die haben den Nullpunkt der Selbstlosigkeit erreicht und vermögen in tatsächlicher Selbstverleugnung zu leben.

Und allein diese Kreuzesjünger sind’s, die echte Nachfolger Christi und rechte Kreuzträger werden können. In der Gotteskraft des Kreuzes haben sie Christi Kreuzessinn empfangen. Im Zeichen des Kreuzes lieben sie in steter Selbstverleugnung Demütigungen, Leiden, Trübsale, Verkennung, Erniedrigung, Geringschätzung, Verwerfung, Verachtung. Sie wünschen nichts anderes, als ihr am Kreuz gerichtetes und preisgegebenes Eigenleben immer tatsächlicher zu verlieren, um Christi Gottesleben immer wesentlicher zu gewinnen. Und da dies nur durch Leiden möglich ist, so wünschen sie sich kein anderes Leben, als das sein Sterben ihnen gegeben und Er am Kreuz erworben hat. So sind sie als die kleine Kreuzesschar „das Unedle der Welt und das Verachtete“ und Nichtige (l. Kor. 1, 28), die Einsamen und die Fremdlinge, die Verlästerten und Verworfenen, deren auch heute die Welt nicht wert ist. Aber gerade so sind sie die im Zeichen des Kreuzes zusammengebrachten Gotteskinder (Joh. 11,52), zusammengehalten durch das Band der Vollkommenheit, der Liebe (Kol. 3,14), die eine heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, das öffentlich die Tugenden des verkündigt, der sie berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht (l. Petr. 2,9).

Und diese sind es auch, die im Glauben und Hoffen das Letzte begreifen und ergreifen, was Paulus, der Apostel des Kreuzes, in seiner törichten Predigt nennt, nämlich: Christus am Kreuz: unsere Erlösung.

Ach, wie erlösungsbedürftig gebärdet sich die in der Gewalt des Bösen liegende Welt, und wie blind geht sie am gekreuzigten Erlöser vorüber! Verblendet durch Satan, den Gott dieses Zeitlaufs (2. Kor. 4,4), kennt sie den Erlöser und sich selbst nicht. Wahrlich, keine Erlösung scheint der lärmdurchtobten Menschenmenge von heute fraglicher, minderwertiger, nutzloser, ja hinderlicher und widerlicher, veralteter und lächerlicher als die Erlösung der Menschheit, die Christus am Kreuz vollbracht hat! Jeder elenden politischen und sozialen Menschenmache, jedem öden Parteischlagwort traut man mehr Kraft und Heil zu als der Heilsbotschaft von der Gotteskraft im Kreuz. Von jedem Professor und Doktor, von jedem Zeitungsschreiber und öffentlichen Schwätzer erwartet man mehr Weisheit als von dem Manne am Kreuz, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig erschien. Von jedem diplomatischen Gaukler, von jedem selbstsüchtigen menschlichen Kräftezusammenschluß, von jeder selbstbewußt betriebenen, großrednerischen „Sozialarbeit“ erhofft man mehr Verwirklichung von Gerechtigkeit als von dem allein Gerechten, der am Kreuz für der Welt Sünde starb, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm. Von jedem geschwätzigen Friedenskongreß ehrgeiziger, machtlüsterner Menschen verspricht man sich einen besseren Frieden als von dem Friedefürsten am Kreuz, auf dem unsere Strafe liegt, auf daß wir Frieden hätten.

Und währenddem bei diesem heillosen Treiben die Verirrung und Verwirrung immer grenzenloser wird, die, selbstsüchtige Ungerechtigkeit immer rücksichtsloser überhand nimmt, der wirkliche Friede immer ferner rückt, der Verfall und Zerfall der Völker immer offenbarer hervortritt und das Abwirtschaften immer grausigere Zustände zeitigt, bejubelt die Weltweisheit den „Verfall des Christentums“, wie das ja alle letzten Jahrhunderte geschah. Ja, tatsächlich zerfällt auch jedes Christentum, das nicht aus der Gotteskraft des Kreuzes lebt. Ja, zugrunde gehen muß mit dem Sodom und Gomorra dieser Weltzeit jedes Christentum der Weltweisheit und Menschengerechtigkeit. Zersplittern muß jedes Gebäude frommer Rechthaberei und liebloser Selbstsucht, das vom Buchstabendienst, anstatt vom Kreuzessinn Jesu Christi erfüllt ist. Aus hundert Rotten religiöser Verirrung müssen tausend werden. Stürzen müssen alle Altäre, die Menschennamen tragen. Zusammenkrachen muß alles Christentum der Parteigrundsätze und klugen Lehrsysteme. Wanken und fallen muß alles, was nicht allein und gänzlich auf dem Felsenboden von Golgatha steht. Aber das Christentum, das im Kreuzessinn Christi wahrhaft aus der Gotteskraft im Kreuz lebt, das bleibt, und das erlebt Christus als völligen Erlöser.

Denen Christus am Kreuz wirklich von Gott zur Weisheit geworden ist, die werden auch von der einschmeichelndsten Weltweisheit nicht bezaubert. Die Einfalt des Kreuzessinnes birgt sie. Und die in Christus am Kreuz wirklich ihre einzige Gerechtigkeit gefunden haben, die glauben an keine politische oder soziale Gerechtigkeit, die durch sündige, ungläubige Menschen und Verächter des Kreuzes auf Golgatha auf Erden verwirklicht werden könnte. Und die in Christus am Kreuz ihre Heiligung erlangt haben, in der sie in wahrer Selbstverleugnung Ihm nachfolgen, die sind gefeit gegen den blendenden Zauber der neuen und allerneuesten Religionen, in denen sich der selbstherrliche Menschengeist verherrlicht.

  • Sie glauben an keine Erlösung der Menschheit durch irgendwelche Wissenschaft.
  • Sie glauben an keine Erlösung der Menschheit durch irgendwelchen Sozialismus.
  • Sie glauben an keine Erlösung der Menschheit durch irgendwelche Religion der Selbsterlösung.
  • Sie kennen und haben nur einen Erlöser: Jesus Christus, in welchem sie haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung ihrer Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade (Eph. 1,7; Röm. 3,24). Durch Ihn wissen sie sich erlöst vom Fluch des Gesetzes (Gal. 3,13) und zugleich erlöst von jeder Ungesetzlichkeit (Tit. 2,14) und auch erlöst von den gefährlichen und bösen Menschen (2. Thess. 3,2). Ja, in Ihm sind sie erlöst aus der Gewalt der Finsternis (Kol. 1,13) und damit erlöst von dem kommenden Zorn Gottes (1. Thess. 1,10) und erlöst von der Furcht des Todes (Hebr. 2,15). So haben sie durch den heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand für jede noch zukünftige Erlösung ist (Eph. 1,13-14), ihre Versiegelung auf den Tag der Erlösung (Eph. 4,30), nämlich auf den Tag der Wiederkunft Christi, dem sie entgegen harren mit erhobenen Häuptern (Luk. 21,28). Denn dieser Tag wird ihnen bringen die höchste, die volle Erlösung, nämlich die Erlösung ihres Leibes (Röm. 7,24; 8,23), in der errettenden Vereinigung mit ihrem himmlischen Haupte Jesus Christus und in ewiger Lebensgemeinschaft mit Gott, ihrem Vater. Und in die Vollendung dieser Erlösung werden hineingezogen werden alle Kreaturen und Kräfte der Erde (Jes. 11,5–9; Röm. 8,19–22) und alle Menschen, deren Knie sich vor Jesus Christus beugen und deren Zungen ihn als Herrn bekennen werden (Phil. 2,10-11). Und nach dem Gerichte über seine Feinde und dem Zusammensturz aller Reiche dieser Welt wird Er ein Reich Seiner Herrschaft aufrichten, in dem wirklich Gerechtigkeit und Friede einander küssen (Ps. 85,11) und die Menschen ohne Waffen leben werden (Jes. 2,4; 65,19–25). Wenn aber alle Gerichte vollendet sein werden, dann wird der Erlöser der Welt, der einst verworfen am Fluchholz hing, auf dem Weltenthron sitzen und sprechen: „Siehe, ich mache alles neu!“ Dann wird die Erlösung, die vom Kreuz auf Golgatha ausging, die ganze Erde und alle Himmel durchdrungen und erneuert haben, und der erste Himmel und die erste Erde werden nicht mehr sein. Und auf die neue Erde wird herabgekommen sein die heilige Stadt, ein neues Jerusalem, die ewige Wohnstätte aller Erlösten. Und eine laute Stimme wird vom Thron her sprechen: „Siehe da, die Wohnung Gottes bei den Menschen; und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein; und er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen; und es wird kein Tod mehr sein, noch Jammer, noch Geschrei, noch Mühsal wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“

Siehe, das ist die unüberbietbare „ewige Erlösung“ (Hebr. 9,12), die Gott für die gefallene Schöpfung erfunden hat vor Grundlegung der Welt, die er geoffenbart hat im Christus am Kreuz und die er uns hinaus bis zu den neuen Himmeln und der neuen Erde jetzt schon vollendet zeigt in seinem heiligen Wort. Und das Werkzeichen dieser ewigen Erlösung ist das Gotteslamm. Lamm Gottes, zuvorersehen für unsere Sünde vor Grundlegung der Welt, Lamm Gottes, gesehen in der Mitte der Weltgeschichte am Kreuz, Lamm Gottes, zuvorgesehen wie geschlachtet in der Mitte des Thrones Gottes am Ende dieser Weltzeit, und Lamm Gottes als die ewige Leuchte der Herrlichkeit Gottes in der heiligen Stadt, im Neuen Jerusalem (1. Petr. 1,20; Mark. 15,24; Offb. 5,6; 21,23).

O wie armselig elend sind doch gegenüber dieser ewigen Erlösung im gekreuzigten Christus alle eitlen Selbsterlösungsversuche der verblendeten, ungläubigen Menschen!

So empfange denn vor dem Kreuz, teure Seele, Christus Jesus als deine Weisheit, Gerechtigkeit, ebenso Heiligung und Erlösung!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/binde/binde_-_vor_dem_kreuz.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain