Bengel, Johann Albrecht - An einen Schwermütigen

Bengel, Johann Albrecht - An einen Schwermütigen

Ihre Krankheit rührt größtenteils her:

  1. von dem Temperament,
  2. von dem Mangel an geistlicher Anleitung zu der Zeit, da die Krankheit ein Zuchtmittel für Ihre Seele war,
  3. von dem Eindruck manches fremden Vorbildes im Herzen, in das, solange es weich war, allein das Bild Christi hätte sollen eingeprägt werden und
  4. von einer größeren Aufmerksamkeit auf sich selbst als auf das liebreiche Vaterherz Gottes, womit er sich in Jesus Christus zu uns geneigt hat.

Nun wird nichts zu gewinnen sein mit allem Überzeugen, mit allem Voraus- und Nachdenken. Das einzige Mittel wird sein, von sich selbst absehen und nur die Liebe Gottes betrachten und rühmen, seine Erbarmung über alle, seine Worte, seine gütige Regierung, seine in Jesus erschienene Leutseligkeit, die Versöhnung durch Jesus, die Art und Weise, wie der Herr während seines Erdenwandels die Sünder aufgenommen hat. Man wird die persönliche Erfahrung geduldig erwarten und indes daran denken, daß dem großen Gott, dem frommen Heiland, der so viele mild trägt, eine einzige Seele keine zu große Last sein werde. Will es mit dem Übergang von sich selbst in Christus nicht so schnell und völlig vonstatten gehen, dann ist Geduld nötig, da Gott selbst mit uns Geduld hat. Ihm haben wir es zu verdanken, daß die Hauptsache noch nicht verloren ist und die bisherige Arbeit noch manche Lehre und manchen Nutzen nach sich ziehen kann. Die Gnade allein ist es, die das Herz fest macht und die die vielen durcheinanderschwirrenden Gedanken verjagt. In dem Leben mit Gott liegt die beste Arznei wider alle finsteren Einfälle. In der lauteren Erbarmung des Herrn müssen wir unsre Zuflucht suchen. Ein einziges Gnadentröpflein macht den Kummer der vergangenen Tage gut, wenn ihrer noch so viele waren. Der Herr ist treu; er ist größer als unser Herz.

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