Beck, Johann Tobias - 19 - Am Geburtsfest des Königs.

Beck, Johann Tobias - 19 - Am Geburtsfest des Königs.

Mergentheim 1834.

Luk. 1,50.
Gottes Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die Ihn fürchten,

Gewiß, geliebte Zuhörer, ist von unsrem König der verlesene Text für sein dießjähriges Geburtsfest mit besonderer Gemütsbewegung ausgewählt worden, und wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, es standen ihm dabei die mächtigen, furchtbaren Ereignisse vor der Seele, welche er auf seiner kürzlich gemachten Reise in Italien vor Augen hatte. Wir wissen aus den Zeitungen, wie der feuerspeiende Berg jenes Landes neuerdings gährt und tobt, wie er gleich einem flammenden Auge Gottes auf die Menschen unter ihm herunterblitzt, als drohete er ihnen: ich will Feuer in eure Mauern gießen, das soll die Paläste verzehren (Amos 1,7.), ich werde plötzlich ein Ende machen mit Allen, die da wohnen (Zeph. 1,18). Aber siehe, so schnell dieß geschehen könnte, ohne daß von Menschen eine Abwehr möglich wäre - der Berg steht da wie eine ewige Feuer-Säule, und der Arm des HErrn setzet seiner Gluth Riegel und Thür, daß bis heute die Menschen sicher wohnen. Das ist nicht Menschenkunst, ist nicht Verstand und Milde der tobenden Erde - das ist Barmherzigkeit von dem, der die Erde gründete und allem Ding der Erde das Maß setzt, und ordnet ein Jegliches, wozu es soll nutz sein. Darum müssen Ihn fürchten die Leute, und Er fürchtet sich vor Ihrer Keinem, wie weise und stark sie sind (Hiob 38, 24.). - Wir vernehmen ferner, wie fürchterliche Ueberschwemmungen die Länder heimsuchten, durch welche unser König ans seiner Rückreise kam, so daß er nur mit Mühe und Lebens-Gefahr in die Heimath konnte gelangen. Wüthende Wasserströme, Zerstörung und Trümmer breiteten sich aus vor seinen Augen, und mitten in der Zerstörung erfolgte seine und Anderer wunderbare Rettung - da konnte man die Allmacht sehen im Tödten und Erretten, im Zertrümmern und Erhalten; da läßt sich Furcht lernen vor dem, der Ströme heißt hervorbrechen wie Riesen, und ihnen den Lauf wieder bricht mit dem Winke: bis hieher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen. Nach solchen Scenen läßt sich wohl sagen: wir sind in Feuer und Wasser gekommen, aber Du hast uns ausgeführet und erquicket (Ps. 66,12.). Und wie der Regenbogen mit seinen schönen Farben auf dem schwarzen Gewölke, also gehet über solchen Furcht erregenden Auftritten der Spruch auf: „Gottes Barmherzigkeit währet immer für und für über denen, die Ihn fürchten.“ Wer denn solche Wunderwerke Gottes mit Augen gesehen hat, wie unser König, darf wohl mit jenem Spruch sein Volk in den Kirchen sammeln, als wollte er ihm sagen: kommet her, höret zu Alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was Er an meiner Seele gethan hat - sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist mit seinem Thun unter den Menschenkindern (Ps. 66,16.).

Freilich haben wir das Alles nicht gesehen, Geliebte, aber Hören gilt auch für Sehen; denn durch die Ohren wie durch die Augen kann die Herrlichkeit des HErrn dir offenbar werden, es kommt nur auf den rechten inneren Sinn an, ob der nicht verblendet und verschlossen ist für Offenbarungen Gottes. Auch bei uns fehlt es gar nicht an Dingen, welche vor unsern Ohren und Augen Furcht Gottes predigen. Mißvergnügte Ehen und mißvergnügte Landschaften, Hader und Zerwürfnisse über Recht und Unrecht, Veruntreuungen, Brandstiftungen, Räubereien, Todtschläge sind neben vielen stummen Sünden Zeugen des unruhigen, eigenmächtigen und gottlosen Geistes, der in so vielen Menschen gegenwärtig sein Wesen treibt, und schreien um Rache zu dem, der auf seinem Königsstuhl nicht umsonst sich einen Feind der Uebelthaten nennt, und viel thun kann, deß Niemand sich verstehet. Himmel, Meer und Erde erbeben, Berg und Thal erzittern, wenn Er heimsucht: sollte Er denn nicht in der Menschen Herzen und Wege sehen, und seiner Zeit sie zu treffen wissen nach ihrem Thun? Mächtig greifen wirklich Krankheiten und Sterben hinein in die Menschenwelt, in der einen Gegend Erdbeben und Wasserfluthen, in anderer Dürre und Trockenheit, hier die reichsten Aerndten, dort Mißwachs und Hungersnoth, überall eine Witterung, wie man sie nicht versteht, bei welcher die alten Wetterregeln nicht mehr zutreffen - sind das nicht lauter Zeichen, daß etwas Großes und Ungewöhnliches vorgeht in der Erde, die uns trägt, in der Luft, die wir einathmen, an dem Himmel, der uns bedeckt? Nimmt man die Anzeichen alle zusammen, so kann man sagen: die ganze Welt um die Menschen her liegt gegenwärtig darnieder an einer tiefen Krankheit, die noch manchen heftigen Ausbruch wird nehmen, Heilung und Genesung zu Stande kommt; es ist ein regelloser, ja zum Theil ein wilder Geist der Unruhe bis die, welcher in den Seelen und Körpern der Menschen sich ausspricht, in den Erscheinungen der Erde und des Himmels sich zu bemerken gibt, und es kann noch Vielerlei daraus werden, das man jetzt nicht glaubt. Ja, Geliebte, wir leben in einer großen, bedeutsamen Zeit, und wer sie recht versteht, darf kühnlich hoffen, daß sie etwas Herrliches gebären wird, das viele Dulder und Streiter voriger Zeiten umsonst zu sehen wünschten; aber es ist auch nicht zu übersehen, daß besondere Schmerzen, besondere Wehen der neuen Geburt noch müssen vorangehen, daß auch die Besten erst durch viel Trübsal müssen geläutert werden wie das Gold im Feuer, und daß für Alle, die sich nicht bessern, die Zeit nicht in Freude, sondern in Jammer enden wird.

Wer nun das ernstlich in seinen Gedanken erwägt, der muß sich allerdings fürchten; und wer es nicht versteht, kann es übel deuten, daß in einer öffentlichen Rede hingewiesen wird auf solche Furcht erregende Dinge. Aber es gibt zweierlei Art sich zu fürchten: eine natürliche, wo man vor den Dingen selbst sich entsetzt, die schon da sind oder noch kommen sollen; eine solche Furcht taugt nichts, macht scheu und verwirrt; dagegen eine Furcht, die den Geist im Menschen erweckt, daß er sich gefaßt macht für alle Fälle, dieß ist eine vernünftige und heilsame Furcht. Hier nun, Geliebte, im Hause Gottes wird eben deßhalb gesprochen von den Dingen, welche Furcht erregen, damit Menschen, die ein Wort Gottes haben als ein Helles Licht in dunkeln Zeiten, damit Christen nicht scheu werden vor den Zeichen ihrer Zeit wie bloße Natur-Menschen, sondern damit sie ihrem Herzen eine christliche Fassung geben, und das Furchtbare vor ihren Augen und Ohren so ansehen lernen, daß sie auch darin den Gott erkennen, „dessen Gnad' und starke Hand gehet durch das ganze Land.“ Da fürchtet man nicht die äußeren Uebel und Schrecknisse selbst, man fürchtet nur Gott, der über sie Herr ist - ist denn nun Gottesfurcht auch etwas Böses? macht sie auch krank und verzagt und unverständig, wie die natürliche Furcht thut? Nein; Feuer- und Wassersnoth z. B. kann einen plötzlichen Schrecken einjagen, daß man krank wird und dumm, wenn man nämlich Nichts sieht als Feuer und Wasser; wer aber in seinem Geiste weiß: diese Feuergluth, dieser Wasserstrom ist in meines Gottes Hand, den ich allein fürchte - der weiß: ich habe es nicht zu thun mit einem tollen, unvernünftigen Ding, sondern mit einem guten, weisen Vater, „dessen Barmherzigkeit währet für und für über denen, die Ihn fürchten.“ Er versteht Alles auf's Beste, Er besorgt Alles auf's Beste; Er löst Nacht wieder ans in Tag, Sturm und Donner in einen erquickenden Regen, des Winters Eisdecke in einen blühenden Frühling, den Moder des Grabes in unsterbliches Wesen, die Thränen-Saat in Freuden-Aerndte, den Untergang dieser Welt in neuen Himmel und neue Erde. Geh's nun zum Leben oder Sterben auf diese oder jene Art: lebe ich, so lebe ich dem HErrn, sterbe ich, so sterbe ich dem HErrn, und wenn böse, schwere Zeit kommt: sie kommt nicht von sich selbst, ist nur ein Bote des HErrn, ist nöthig und gut, damit man auf Gottes Wort lerne merken, und von Ihm sich lasse züchtigen und weise machen zur Seligkeit. Seyd stille und erkennet, daß ich Gott bin - ruft Er mit jeder Heimsuchung uns zu - ich will Ehre einlegen auf Erden (Ps. 46, 11.). Wenn denn auch das Bösethun unter den Menschen überhand nimmt, und nicht mehr bei uns seine Strafe findet, wo und wie es sie soll finden: es ist Einer, der auch dem Uebelthun zum voraus schon den Weg abgemessen hat von seinen ersten Gelüsten an bis zum Bußgebet oder bis zum Heulen und Zähneklappen; das ist der, deß Gerechtigkeit fester steht als die Berge, die über uns her ragen; Ihn vergessen ist der größte Unverstand; Ihn fürchten ist Verstand. Schon die Gottesfürchtigen in Israel fangen von Ihm (Ps. 46,2 ff.): Er ist unsre Zuversicht und Stärke, ist eine Hilfe in den Nöthen, die uns treffen; darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt unterginge und die Berge mitten in's Meer sänken, wenn gleich das Wasser wüthete und wallete und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Die heiligen Wohnungen des Höchsten bleiben doch, von denen Jesus sagte: ich will hingehen und euch da die Stätte bereiten.

Gottesfurcht, Geliebte, ist also ein köstlicher Gewinn; denn wer Gott fürchtet, der ist Ihm angenehm, und seine Barmherzigkeit bleibet über ihm, wenn auch die Gestalt der Dinge umher sich ändert. Um diesen herrlichen Gewinn sich zu verschaffen, muß man nicht gerade eine Reise machen, nicht einen feuerspeienden Berg sehen und eine ganze Landschaft voll See und Trümmer; Jeder kann zu Hause Gott fürchten lernen und den Gewinn daraus ziehen. Ein roher Mensch lernt Gott und Gottesfurcht weder auf Reisen noch daheim, weder im stillen Dunkel seines Kämmerleins, noch beim majestätischen Wetterleuchten eines flammenden Berges; was auch ein solcher Mensch hört und sieht, so bleibet er bei seiner Thorheit und bei seinem Irrthum (Sir. 16,22.). Auf das Merken des Geistes, auf das Richten im Gewissen kommt es an - merke auf Glück und Unglück in deinem Hause, auf die Lehr- und Weckstimmen in deiner Bibel und Kirche, auf die Eitelkeiten deines Standes und Vermögens, ans die Hinfälligkeit deines Leibes, auf die Todesfälle zu deiner Rechten und Linken, auf die Vorboten einer Rechenschaft bei Gott, merke auf die Dinge, welche täglich dir vorkommen, und ziehe sie in Betracht in deinem Gewissen, das dir gewiß auch seine Anklagen und Prophezeiungen nicht verhehlen wird; wahrlich du wirst Gott fürchten lernen, wirst in der Furcht zu Ihm beten und Ihn suchen lernen, wirst im Beten und Suchen seine Barmherzigkeit erfahren, seine Tröstungen, Stärkungen, Wunderführungen erfahren, und kannst dann durch Dünn und Dickicht dieser Welt gehen mit dem Lebenswort im Herzen: die Gnade des HErrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so Ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindes-Kind bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, daß sie darnach thun (Ps. 103,17 f.).

Möge König, Regierung und Volk an diesem theuren Gottesschatz immer reicher werden, und darin glücklich und zufrieden sein. Amen.

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