Baur, Gustav Adolph - Die Mission, allen denjenigen, welche Christi Erben sein wollen, in seinem Testamente als heilige Pflicht auferlegt.

Baur, Gustav Adolph - Die Mission, allen denjenigen, welche Christi Erben sein wollen, in seinem Testamente als heilige Pflicht auferlegt.

Festrede, bei der Jahresfeier des evangelischen Missionsvereins in Hamburg, am 26. October 1864.

Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit,
Lob' ihn mit Schalle, wertheste Christenheit!
Er läßt dich freundlich zu sich laden:
Freue dich Israel seiner Gnaden!
Wohlauf, ihr Heiden, lasset das Trauern sein:
Zu grünen Weiden stellet euch willig ein!
Da läßt er uns sein Wort verkünden,
Machet uns ledig von allen Sünden. - Amen.

Diese Worte, theure Festgenossen, womit euch die Festpredigt heute begrüßt, sind zwei Verse aus einem innigen und schwungvollen Liede, von dem ich wohl möchte, daß es in unserem Gesangbuche stünde, damit wir es bei unserer Feier miteinander hätten singen können. O, meine geliebten Freunde, es erweckt mir dieses Lied eine gar freundliche Erinnerung an die ländlichen Missionsfeste in meiner hessischen Heimath. Wenn da die Landleute von allen Seiten aus ihren Dörfern herbeigezogen kamen unter den Klängen des Liedes: „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit!“ - wenn die armen Blinden aus der Blindenanstalt zu Friedberg in der Wetterau auf großen Wagen heranfuhren und mit ihren hellen Stimmen in diesem Liede bezeugten, daß, ob auch die Nacht der Blindheit auf ihren leiblichen Augen lag, doch in ihrem Herzen die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen war und daß darum auch sie Gottes Barmherzigkeit preisen durften - ach das waren schöne Feste, volksthümlich und doch christlich, frisch und fröhlich und doch ernst und fromm und reich an Segen! Es ist auch dort nicht immer so gewesen. Es ist mir die Zeit noch wohl erinnerlich, wo auch in jenen Gegenden das Wort „Mission“ verdächtig war, wo das Kirchenregiment die Missionsarbeit oder gar ein öffentliches Missionsfest geradezu verboten hatte. Es ist - Gott Lob! - anders geworden. Es wird auch an andern Orten anders werden. Die Vorurtheile gegen das Missionswerk. zum Theil hervorgerufen und erhalten durch die Art, wie dieses Werk betrieben worden ist, werden um so mehr schwinden, je mehr wir uns in unserer Thätigkeit für die Mission fern halten von allem unklaren, ungesunden, frömmelnden Wesen, je mehr wir uns in rechter Demuth, aber auch in rechtem Ernst und männlicher Treue leiten lassen von der Klarheit des Gotteswortes. Auch in unserer Stadt fehlt es an jenen Vorurtheilen nicht. Oder wäre nicht Mancher von uns schon von der Theilnahme für die Sache der Mission abgehalten oder darin irre gemacht und abgekühlt worden, wenn es da hieß: „Diese Heiden sind ja für das Christenthum gar nicht reif, auch sind sie bei ihrem Glauben oder Aber, glauben in ihrer Art glücklich, warum also sie nicht gewähren lassen? oder:“ „Ein Jeder ist sich selbst der Nächste, und wir haben vor der eignen Thüre so viel zu kehren, daß wir für die fernen Heiden keine Zeit und Kraft übrig haben“, oder: „der Erfolg zeigt ja, daß die Mission zu nichts führt, und die gebrachten Opfer stehen zu dem, was erreicht worden ist, in gar keinem Verhältniß“, oder was sonst für Gründe die Trägheit und Verzagtheit unsres Herzens zu ihrer Entschuldigung findet, wenn man in Angelegenheiten des Reiches Gottes zu Rathe geht mit Fleisch und Blut. Es lassen sich, meine geliebten Freunde, gegen solche vernünftige Reden menschlicher Klugheit leicht vernünftige Gegengründe aufbringen, etwa dieses, daß es der ärgste Irrthum ist, wenn man glaubt, die Heiden lebten ja in ihrer Art wenigstens äußerlich glücklich, daß sie vielmehr der großen Mehrzahl nach auch im äußeren Leben über all unsere Begriffe unglücklich sind; ferner, daß gerade diejenigen Christen und diejenigen Gemeinden, welche sich um die Noth der armen Heiden in werkthätiger Liebe bekümmern, in der Regel auch die sind, um bereu eigene geistliche Haushaltung es am besten bestellt ist; endlich, daß wenn die Apostel und ihre Nachfolger so engherzig gedacht hätten, das Licht des Evangeliums niemals in die Nacht unserer deutschen Wälder eingedrungen wäre, daß es aber jetzt unsere Schuldigkeit ist, was die muthigen und aufopfernden Sendboten des Evangeliums einst an uns gethan haben, an unseren heidnischen Brüdern zu vergelten. Ich will aber, lieben Brüder, dergleichen Gegengründe jetzt nicht weiter ausführen, sondern nur darauf will ich hinweisen: Wenn einem Menschen unverdienter Weise ein reiches, herrliches Erbtheil vermacht worden ist, und sein Wohlthäter legt in seinem letzten Willen ihm zugleich eine Verpflichtung auf, so müßte es ja ein schlechter, undankbarer Erbe sein, wenn er nicht mit Treue und Eifer und willigstem Herzen der Erfüllung dieser Verpflichtung sich unterzöge. Wiederum: Wenn ein Heerführer seinen Schaaren befiehlt: „Diesen Feind sollt ihr angreifen, dieses Gebiet, diese Gefangenen ihm entreißen“ - das müßte ja ein schlechter Kriegsmann sein, der sich lange Bedenken machte über die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit des Befehls und nicht gleich mit einem muthigen „Vorwärts!“ ihm folgte, zumal wenn der Heerführer schon oft als der rechte Mann im Streite sich bewährt hätte. Sehet, Geliebte, das ist genau unser Fall: die Missionspflicht hat unser größter Wohlthäter, hat unser Herr und Heiland in seinem letzten Willen uns auferlegt, und zum Missionswerke ruft der Befehl des Fürsten des Lebens, des Herzogs unserer Seligkeit, seine Getreuen auf. Am Schlusse des Evangeliums des Matthäus, da wo eine der letzten Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen erzählt wird, steht im 28. Cap. vom 16. bis zum 20. Vers geschrieben, wie folgt:

Aber die elf Jünger giengen in Galiläa auf einen Berg, dahin Jesus sie beschieden hatte. Und da sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; etliche aber zweifelten. Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen, und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes; und lehret sie halten Alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe. Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.

Das ist der letzte Wille unseres Herrn und Heilandes, das ist der Befehl, womit der Fürst des Lebens die Seinen aufruft zum Kampfe, nicht mit fleischlichen Waffen gegen Fleisch und Blut, sondern mit dem Schwerte des Geistes, welches ist das Wort Gottes, gegen den Fürsten der Finsterniß, zur Befreiung der Brüder, die er gefangen hält in den Schatten des Todes. Und in meiner Predigt will ich davon zu euch reden, wie das Missionswerk in dem Testamente unseres Herrn und Heilandes allen denjenigen, welche seine Erben sein wollen, als eine heilige Pflicht auferlegt ist, und zwar betrachten wir zuerst den Grund, aus welchem die Missionspflicht erwächst, dann die Forderungen, welche die Missionspflicht einschließt, und zuletzt die Verheißung, womit der Herr diese Verpflichtung begleitet hat.

I.

„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie“, mit diesen Worten beginnt Jesus in unserem Texte seine Rede. Daß also unserm Herrn Jesus Christus alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, das wäre der Grund, aus welchem die Missionspflicht erwächst. Der eingeborne Sohn vom Vater, in dessen Gemeinde aufgenommen zu werden wir ohne alles Verdienst durch Gottes Gnade vor Millionen Brüdern gewürdigt worden sind, ist, wie der Apostel Paulus sagt (Col. 2, 15 ff.), das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborne von allen Creaturen, Durch ihn ist Alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, er ist vor Allem und es bestehet Alles in ihm. Darum darf er auch mit Recht sagen, daß ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist. Und ob die Menschen, statt von seinem Lichte sich erleuchten zu lassen, vielmehr dem Zug ihres selbstsüchtigen Herzens in die Finsterniß folgten, und ob sie schon, statt den Willen des Vaters im Himmel zu thun in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, durch den Betrug der Sünde dem Dienst der Vergänglichkeit verfallen sind und von ihm sich abgewandt haben; so sind sie damit doch seiner Gewalt nicht entgangen, denn vor dem allsehenden Auge und vor der gewaltigen Hand Gottes gibt es keine Flucht! Der allmächtige Gott hätte in seinem strafenden Zorn die Abgefallenen der Verdammniß preisgeben können, es wäre ihnen damit nicht mehr als ihr Recht widerfahren. Aber Gott ist nicht bloß gerecht, sondern auch barmherzig und gnädig ist der Herr. Er will seine Gewalt über die Welt und die Menschen nicht blos äußerlich üben, sondern auch in ihrem Herzen will er regieren; es ist ihm nicht genug, daß er nach seiner Gerechtigkeit die Welt richte, sondern mit Reizen der Liebe will er die Verlornen bekehren, sie wieder für sich gewinnen, will sie zu sich ziehen, damit sie selig werden. Darum, meine theuer erkauften evangelischen Brüder und Schwestern, hat der eingeborne Sohn vom Vater, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, es nicht für einen Raub gehalten, Gott gleich zu sein; sondern äußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein andrer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden, erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz (Phil. 2, und ff.), damit die Menschen, die durch ihn und zu ihm geschaffen sind, auch wirklich zu ihm kämen, und wie sie seiner äußeren Gewalt sich nicht zu entziehen vermögen, so auch innerlich sein eigen würden; damit die ihm fremd, ja feindlich Gewordenen durch ihn wieder versöhnt würden zu ihm selbst, und er mit seinem theuren Blute zum Volke seines Eigenthums sich uns erkaufe. Preis und Dank sei dem Vater im Himmel, daß er ohne all unser Verdienst, ja vor all unserm Bitten oder Verstehen uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsterniß und hat uns versetzet in das Reich seines lieben Sohnes! Ach. Geliebte, wir sind alle noch gar unvollkommene Bürger dieses Reiches, und doch - es kann nicht oft genug gesagt werden - was wird uns nicht in diesem unserem unvollkommenen christlichen Leben schon für eine Fülle von Segnungen durch die Gnade des Herrn zu Theil. Da ist der heilige Ehestand, den er geweiht hat, damit er die Grundlage werde einer wohlgeordneten Häuslichkeit, darin sein Frieden wohnt, und eines gottseligen Familienlebens. Da sind christliche Schulen, in welchen unsere Kinder heranwachsen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Da ruft uns am Sonntag die Glocke zu seinem Hause, damit wir uns erinnern, daß der Mensch nicht vom Brod allein lebt, daß vielmehr unser wahres Leben seine Nahrung hernimmt aus dem Worte Gottes und daß alle Güter dieser Welt nichts sind gegen die Schätze, die er uns dort aufschließt. Und auch das bürgerliche Leben, wie sehr es in der Wirklichkeit von dem Urbild eines wahrhaft christlichen Gemeindelebens entfernt sein mag, erkennt doch in seinen Gesetzen die Grundsätze des Christenthums an. Ueberall sind wir von christlicher Lehre und Ordnung umgeben, wie von einem schützenden Zaun; es kommt nur darauf an, daß wir ihn nicht muthwillig und frevelhaft überspringen. Ueberall bietet das christliche Heil sich uns dar: es kommt nur darauf an, daß wir Aug' und Ohr, daß wir vor Allem unser Herz ihm nicht verschließen. Und nun, geliebte Christen, sehet hinaus auf die armen Heiden! Da finden wir von alle dem nichts, wohl aber finden wir dort noch all die entsetzlichen und für uns zum größten Theil fast unglaublichen heidnischen Gräuel, welche schon Gesetz und Propheten des Alten Testamentes geschildert und gerügt haben und welche, wie der Apostel Paulus im 1. Cap. des Briefes an die Römer (V. 21 ff.) auseinander setzt, die nothwendige Folge der ersten Grundverkehrtheit alles Heidenthums sind, daß der Mensch Gottes unvergängliches Wesen in ein vergängliches Bild verwandelt hat und dem Geschöpf mehr gedienet denn dem Schöpfer. All dieses heidnische Unwesen ist dort noch im Schwange, von den Menschenopfern, die den Götzen verbrannt werden, bis zu wilden, viehischen Lüsten, in welchen der Leib, der rein erhalten werden sollte als ein Tempel des heiligen Geistes, in den Dienst des Fleisches völlig dahingegeben wird. Und von den 1000 Millionen Menschen, welche die Erde bewohnen, sind noch 600 Millionen, also drei Fünftel der ganzen Menschheit, in diese Nacht des Heidenthums versunken, während nur 200 Millionen also ein Fünftel, zu Christo sich bekennen, die übrigen zum Theil noch das Joch des alttestamentlichen Gesetzes der Freiheit des Evangeliums vorziehen, zum bei weiten größten Theil aber den Irrthum des Muhammedanismus verfallen sind. Und doch gehören dem Herrn auch jene Länder und Völker an, welche von seinem Licht noch nicht erleuchtet sind, und er weist uns darauf hin und spricht: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Aber der Fürst der Finsterniß will mir meine Herrschaft streitig machen und hat diese Gaben, die mir gehören, mir entrissen und unter sein schmähliches Joch gebeugt. Euch habe ich losgekauft mit meinem Herzblute, und was ich für euch und an euch gethan, das könnt ihr mir nicht vergelten; aber dort ist Arbeit! ein großes, weites Arbeitsfeld, und der Arbeiter sind noch immer gar wenige. Also hinaus, wer mein Diener heißen will und der Erbe meines Reiches, hinaus, meine Gefangenen zu lösen, und wahrlich, was ihr thun werdet an dem Geringsten unter diesen meinen Brüdern, das will ich ansehen als hättet ihr es mir gethan!“

II.

Das führt uns von dem Grunde, aus welchem die Missions-Pflicht erwächst, zu den Forderungen, welche sie einschließt. Diese Forderungen sind enthalten in den weiteren Worten unseres Textes, oder, wie wir es genannt haben, in den weiteren Bestimmungen des Testamentes unseres Herrn und Heilandes: „Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten Alles, was ich euch befohlen habe!“ Die Forderungen, welche die Missionspflicht einschließt, sind keine anderen, als eben diese, welche der von der Erde scheidende Erlöser seinen Jüngern hinterließ. Ihr sehet daraus, daß die Mission keineswegs etwas Absonderliches ist, obwohl es von Manchen so angesehen wird. Die Apostel waren Missionäre, ja Missionär ist nur ein anderer Name für Apostel, beide Worte bedeuten ganz dasselbe. Die erste Missionspredigt war eben jene, die Petrus am ersten christlichen Pfingstfeste hielt, und eine wirkungsvollere ist seitdem nicht wieder gehalten worden. Der größte Missionär war der Apostel Paulus, der fast die ganze damals bekannte Welt durcheilte um dem Herrn Seelen zu gewinnen, und selbst im Gefängniß zu Rom und bis er sein Haupt auf dem Richtblocke dem Beile des Henkers darbot, nicht aufhörte, Mission zu treiben. Die ganze Kirche ist durch Mission gegründet, und es ist die Pflicht der ganzen Kirche, durch Mission für ihre Erhaltung und weitere Ausbreitung zu sorgen. Und wer ein lebendiges Glied der Kirche, ein rechter Jünger des Herrn heißen will, wer eine klare Erkenntniß und ein lebendiges, dankbares Gefühl hat von den Wohlthaten, die ihm durch Christum zu Theil geworden sind, der muß auch den Wunsch haben, sie Andern mitzutheilen, der muß mit einem Worte ein Herz haben für die Mission. - Und diese Mission soll also, wie unser Text uns sagt, lehren und taufen. Wo. wie bei uns, ein geordnetes, christliches Gemeindeleben bereits besteht, da geht die Taufe voran, damit durch sie gleich das Neugeborene eingeweiht werde in die Gemeinschaft der Gnadenmittel, welche in der Kirche wirken, und die Lehre folgt nach. Wo dagegen, wie bei der Mission, eine christliche Gemeinde erst gegründet werden soll, da ist die Ordnung umgekehrt, da heißt es, wie in der apostolischen Zeit: zuerst lehren und dann taufen. Freilich, die römische Kirche, welcher es zunächst darauf ankommt, nur eine recht große Zahl äußerer Bekenner zu gewinnen, hat sich bei ihren Missionen die Lehre meist nicht sehr angelegen sein lassen, sondern hat sich damit begnügt, den durch den Glanz ihres Priesterthums und ihres Gottesdienstes Geblendeten, den durch ihre Versprechungen Ueberredeten oder durch ihre Drohungen Geschreckten die Weihe der Taufe zu ertheilen. Die evangelische Kirche aber muß darauf halten, daß ihre Bekenner über den Grund ihrer Hoffnung sich zu verantworten wissen: sie müssen wissen, daß sie Christen sind, nicht blos daher, daß sie auf Christi Namen getauft sind, sondern auch daher, daß sie die christliche Lehre wahrhaft wissen und lebendig glauben, und dazu ist eine gründliche Belehrung erforderlich. Eben darum geht es aber auch mit der evangelischen Missionsarbeit nicht so schnell voran, als wir wohl wünschen möchten, Das liegt einmal in der Natur der Sache und ist nicht zu ändern, aber wir dürfen uns auch darüber trösten; war doch auch als dort Elias am Horeb auf die Offenbarung Gottes harrete, der Herr weder in dem rasch hinbrausenden Sturme, noch in dem verzehrenden Feuer, sondern nur in dem stillen, sanften Sausen, und auch der Heiland hat uns belehrt, daß das Evangelium allmählich sich ausbreite, wie ein Sauerteig, und sein Reich allmählich wachse, wie ein Senfkorn, und dieß geräuschlose Wachsthum von Innen heraus ist doch das einzige, welches Verheißung hat.- Welches ist denn aber die Lehre, deren Verbreitung unserer Missionspflicht vor allen von uns fordert? Die Antwort auf diese Frage gibt uns eine wunderschöne Missionsgeschichte, welche in der heiligen Schrift steht und zwar im 8. Capitel der Apostelgeschichte. Dort wird erzählt, wie dem Evangelisten Philippus durch den Engel des Herrn geboten wurde, ans die Straße zu gehen, die von Jerusalem nach Gaza führt, und wie er da auf einen Mann aus Mohrenland traf, einen Kämmerer und Gewaltigen der Königin Kandace. Der fuhr in seinem Wagen von Jerusalem wieder heim und las in dem Propheten Jesaia das 53. Capitel, wo geschrieben steht.- „Er ist wie ein Schaf, zur Schlachtung geführet, und stille, wie ein Lamm vor seinem Scheerer, also hat er nicht aufgethan seinen Mund. In seiner Niedrigkeit ist sein Gericht erhaben. Wer wird aber seines Lebens Länge ausreden? denn sein Leben ist von der Erde weggenommen.“ Und als nun Philippus dieses Gotteswort ihm auslegte und ihm sagte, daß es erfüllt sei in Christo Jesu, in welchem Gottes eingeborener Sohn, dessen Fülle göttlichen Lebens Niemand ausreden kann, in Knechtsgestalt unter uns erschienen sei; da gieng dem Manne, getroffen vom Strahl der unendlichen Liebe Gottes, das Herz auf, und er fühlte sich innerlich wiedergeboren zu einem Kinde Gottes und durfte nun auch mit Recht fragen: „Siehe, da ist Wasser, was hindert es, daß ich mich taufen lasse?“ Und sehet, Geliebte, diese frohe Botschaft: „Also bat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ - das ist auch die Lehre, die fortwährend den armen Heiden vor allen andern verkündet werden muß, die vor allen andern geeignet ist, in die verfinsterten und geängstigten Herzen Licht und Trost zu bringen. Ach, sie krümmen sich vor ihren stummen Götzen in der Angst der Verzweiflung und fragen, wie es bei dem Propheten heißt (Mich. 6, 7): „Soll ich meinen erstgebornen Sohn für meine Uebertretung geben, oder meines Leibes Frucht für die Sünde meiner Seele?“ Und wenn ihnen dann die Boten, die den Frieden verkündigen, sagen, daß Gott ja nicht den Tod des Sünders wolle, sondern daß er sich bekehre, ja daß er selbst seinen eingebornen Sohn hingegeben habe in Marter und Tod, damit er sie von den Schrecken des zeitlichen und ewigen Todes erlöse, und daß er nichts von ihnen wolle, als ihr Herz; da wird es auf einmal Licht in ihren Seelen, sie können die fröhliche Verkündigung zuerst gar nicht fassen und glauben, aber wenn sie dann ein Herz dazu gefaßt haben, da wird es ihnen leicht um das Herz und himmlisch hell und warm im Gemüthe, da ist der schwere Stein weggewälzt von des Grabes Thür, der den Heiland ihnen verbarg, da ist ihr steinernes Herz selbst durch die Kraft des heiligen Geistes in ein fleischernes verwandelt, sie sind für die Gemeinde des Herrn gewonnen und nichts hindert, daß auch sie durch die Taufe ihm geweiht werden. - Ja, Geliebte, gar lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die den Frieden verkündigen (Jesaias 52, 7. Röm. 10, 15): aber es müssen der Boten noch immer mehr werden. Bis jetzt kommt auf hunderttausend Heiden erst ein einziger Missionär. Ihr sehet, das sind noch gar wenig Arbeiter für die so reiche Erndte. Ach, daß doch der Herr immer mehr Glieder seiner Kirche erwecke und ausrüste zu dem herrlichen glauben, daß Eine Herde sein wird und Ein Hut? Ich eile zum Schlusse! Unser theurer Dr. Martin Luther hat einmal gesagt, daß nach einer ordentlichen Predigt die Hörer auf die Frage: Was hat denn der Prediger gesagt? im Stande sein müßten, eine runde und bündige Antwort zu geben. Ich möchte, daß das auch nach dieser Predigt der Fall sein möge, und suche nach einem Wort, das ihren Inhalt kurz und bündig zusammenfasse. Ich finde kein besseres, als eben unseren Text, das Testament unseres Herrn Und Erlösers, wodurch er uns das Missionswerk zur heiligen Pflicht macht: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden; darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters^ und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten Alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Dieses Wort laßt uns mit hinausnehmen aus der Kirche und bewahren immerdar. Möchte auf die Frage, ob wir bereit sind, diesen letzten Willen unseres Herrn zu erfüllen, in unseren Herzen ein aufrichtiges „Ja!“ antworten, und der allmächtige Gott im Himmel selbst füge zu diesem „Ja!“ sein kräftiges Amen!

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