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Bacon, Francis - Von der Liebe.

Bacon, Francis - Von der Liebe.

Die Bühne ist der Liebe mehr verpflichtet als das menschliche Leben; denn mit Bezug auf die Bühne, so ist die Liebe stets der Inhalt von Lustspielen und dann und wann von Trauerspielen, allein im Leben richtet sie viel Unheil an, zuweilen als Sirene, zuweilen als Furie. Man kann wahrnehmen, dass unter allen großen und verdienstvollen Menschen (deren Andenken, sowohl aus dem Altertum wie aus der Neuzeit, aufbewahrt ist) sich nicht ein einziger befindet, der sich zu dem unsinnigen Zustand der Liebe1) hätte hinreißen lassen; woraus folgt, dass große Geister und große Geschäfte dieser schwächlichen Leidenschaft die Tür verschließen. Man muss indessen Markus Antonius, den Halb-Teilhaber des römischen Reichs, und Appius Claudius, den Decemvirn und Gesetzgeber, ausnehmen, von denen der Erstere freilich ein Wollüstling und ausschweifender Mensch, der Letztere dagegen ein ernster und weiser Mann war: so dass es scheint, als ob die Liebe (wenn auch selten) nicht nur in ein offenes, sondern auch in ein wohlbefestigtes Herz eindringen könne, falls nicht gute Wache gehalten wird. Es ist ein armseliger Ausspruch des Epikur: „Satis magnum alter alteri theatrum sumus“2); als ob der Mensch, zur Betrachtung des Himmels und aller edlen Dinge bestimmt, Nichts tun müsste, als vor einem kleinen Abgott zu knien, und sich zum Sklaven, zwar nicht seines Mundes (wie die Tiere), wohl aber seines Auges zu erniedrigen, das ihm zu höheren Zwecken verliehen worden ist. Es ist merkwürdig, das Übermaß dieser Leidenschaft zu beobachten, und wie sie die Natur und den Wert der Dinge dergestalt überhebt, dass in fortwährenden Übertreibungen zu reden, nirgends als in der Liebe schicklich ist. Auch bleibt es keineswegs bei bloßen Redensarten, denn obwohl passend gesagt worden ist, „dass der Erzschmeichler, mit dem alle kleineren Schmeichler im Einverständnis stehen, eines Menschen Selbst ist“3), so ist es doch der Liebende wahrlich noch mehr. Denn nie gab es einen dünkelhaften Menschen, der eine so lächerlich gute Meinung von sich hatte, wie ein Liebender von der geliebten Person; weshalb es ein vortrefflicher Ausspruch ist, dass es unmöglich sei zu lieben und weise zu sein. 4). Ebenso wenig ist diese Schwäche nur Andern sichtbar, und nicht dem geliebten Gegenstand, sondern gerade der Geliebten am allermeisten, außer wenn die Liebe gegenseitig ist; denn es ist eine untrügliche Regel, dass Liebe stets vergolten wird, sei es nun durch Erwiderung, sei es durch eine innere oder heimliche Verachtung; wie viel mehr aber sollte man sich vor dieser Leidenschaft hüten, die nicht bloß Anderes, sondern sich selbst verliert. Was den Verlust anderer Dinge betrifft, so zeichnet ihn der Dichter glücklich in seiner Erzählung, wie Jener, da er Helena vorzog, die Gaben der Juno und Pallas verscherzte5). Denn wer auch immer sich verliebten Neigungen zu sehr hingibt, beraubt sich sowohl des Reichtums wie der Weisheit. Diese Leidenschaft hat ihre Fluten selbst zur Zeit ihrer Schwäche, nämlich großes Glück und großes Leid, wiewohl Letzteres weniger beobachtet worden ist; Beide jedoch entzünden Liebe und machen sie glühender, wodurch sie dartun, dass sie das Kind der Torheit ist. Diejenigen, welche nicht umhin können, der Liebe den Zutritt zu gestatten, tun am besten, sie dennoch im Zaum zu halten, und von ihren ernsthaften Angelegenheiten und Berufsgeschäften gänzlich zu trennen; denn wenn sie sich erst in Geschäfte eindrängt, dann trübt sie das Glück der Menschen, und bewirkt, dass sie unter keinen Umständen ihrem Ziele getreu bleiben können. Ich weiß nicht warum, allein Krieger sind der Liebe ergeben; doch ich glaube, es entspringt aus eben dem Grund, weshalb sie dem Wein ergeben sind, denn Gefahren wollen gemeiniglich durch Vergnügungen bezahlt werden. Es wohnt dem menschlichen Wesen eine verborgene Neigung und ein Trieb zur Liebe für Andere inne, welcher sich, falls er sich nicht auf Einen oder Einige ergießt, natürlich über Viele ausbreitet, und den Menschen liebreich und mildtätig macht, wie man es zuweilen bei Mönchen wahrnimmt. Eheliche Liebe erzeugt die Menschheit; freundschaftliche Liebe veredelt sie; aber unzüchtige Liebe vergiftet und erniedrigt sie.

1)
Es heißt, dass die in diesem Essay ausgesprochene niedrige Ansicht Bacons von der Liebe die Ursache ward zum Bruche zwischen ihm und der Lady Hatton, der jungen Witwe des Sohnes vom Kanzler Thomas Hatton und Tochter des Sir Thomas Cecil, um deren Hand er warb. Als die reiche Witwe fand, dass Bacon die Liebe als eine unedle Leidenschaft hinstellte, welcher nur gemeine Naturen unterworfen seien, schrieb sie seine Werbung nur ihrem Geld, nicht ihrer Person zu, und wies ihn ab, was übrigens ein Glück für ihn war.
2)
Seneka, I. Brief, 7, §. 11: „Jeder von uns ist für den Andern ein hinreichend großer Schauplatz“ (zur Betrachtung nämlich).
3)
Plutarch, De Adulat. et Amico, 11. Bacon gefällt sich offenbar im Zitieren dieses Satzes, den er auch im Essay XXVII: „Von der Freundschaft“, und im Essay LIII: „Vom Lobe“, wiederholt.
4)
Auch Shakespeare hat diesen Spruch benutzt. S. Troilus und Cressida, III, 2:
„Doch ihr seid weise,
Oder liebt nicht; denn weise sein und lieben,
Vermag kein Mensch, nur Götter können's üben.“
5)
Ovid, Heroid., 13. 3, wo das bekannte Urteil des Paris beschrieben wird.
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