Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XXXI. Von dem wunderbaren Finden GOttes.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XXXI. Von dem wunderbaren Finden GOttes.

Darum war ich verirrt, wie ein verlorenes Schaf, weil ich Dich auswendig suchte und Du warst inwendig; ich gab mir sehr viel Mühe, suchte Dich außer mir und Du wohnst in mir, sofern ich nur ein Verlangen nach Dir habe. Ich bin durch die Gassen und Straßen der Stadt dieser Welt gegangen, suchte Dich und hab Dich nicht gefunden, denn ich suchte übler Weise von Außen her, was inwendig war. Ich schickte Boten aus, alle meine äußerlichen Sinne, Dich zu suchen, und habe Dich nicht gefunden, denn ich suchte übel. Allerdings sehe ich nun, o GOtt, Du mein Licht, der Du mich erleuchtet hast, denn ich suchte Dich übler Weise durch diese meine Boten, weil Du inwendig bist und sie wissen doch nicht, wo Du eingegangen bist.

Die Augen sagen: Er ist nicht durch uns eingegangen, denn er hat keine Farben an sich gehabt. Die Ohren sagen: Er hat durch uns den Weg nicht gefunden, denn er hat kein Geräusch gemacht. Der Geruch spricht: Er ist nicht durch sie gekommen, denn er hat keinen Geruch von sich gegeben. Der Geschmack spricht: Er sei nicht durch ihn eingegangen, denn er habe nach nichts geschmeckt. Die Hände oder was an mir tasten und greifen kann, sagen: fragt uns nur nicht danach, wenn er nicht einen Leib gehabt. Daher sind solche Dinge nicht an Dir, o Du mein GOtt! Denn wenn ich meinen GOtt suche, so suche ich keine Gestalt des Leibes, keine Schöne der Zeit, keinen Glanz des Lichts, keine Farbe, keinen Klang süßer wohlklingender Melodien. Ich suche keinen Geruch der Blumen oder köstlicher Salben und Spezereien, kein Honig oder Manna, so dem Geschmack sehr behagen, keine andre Dinge, die zu berühren und zu empfangen holdselig sind, in Summa kein Ding, das dieser äußerlichen sinnlichen Natur unterworfen ist. Fern sei von mir zu glauben, dass solche Dinge mein GOtt seien, welche auch die Natur der unvernünftigen Tiere fassen kann.

Und dennoch suche ich, wenn ich meinen Gott suche, nichts desto weniger ein Licht über alles Licht, welches das Auge nicht fassen kann; ich suche auch eine Stimme über alle Stimmen, welche das Ohr nicht fassen kann; ich suche einen Geruch über alle Gerüche, welchen die Nase nicht aufnehmen kann; eine Süßigkeit über alle Süßigkeit, welche der Geschmack nicht fassen kann; ein freundliches holdseliges Umfangen über alles Umfangen, das ich mit keinem äußeren Glied umfassen kann. Denn dies Licht leuchtet, von keinem Raum umschlossen, diese Summe schallt, von keinem Winde verweht, dieser Geruch riecht ganz wohl, unzerstreut von irgend einem Luftzug; dieser Geschmack schmeckt wohl, ohne dass eine Begierde zu essen vorhanden ist; dieses freundliche Umfangen wir berührt, ohne wieder fahren gelassen zu werden. Diese ist mein GOtt und neben Ihm kann nichts Andres aufkommen. Dieses suche ich, wenn ich meinen GOtt suche, ja dieses liebe ich, wenn ich meinen GOtt liebe.

Ich habe Dich spät geliebt. Du Schönheit von Alters her, die Du ewig alt und ewig jung bist; ich habe Dich spät geliebt; Du warst in mir und ich draußen und ich suchte Dich daselbst und fiel unbedachtsam in übler Gestalt in diese Deine wohlgestalteten Kreaturen, die Du erschaffen hast. Du warst mit mir, ich aber nicht mit Dir. Weit vor Dir ab hielten mich die Dinge, die doch nicht sein können, wenn nicht in Dir. Denn ich durchschweifte alle Dinge, und sie hielten mich weit von Dir ab, die doch nicht sein könnten, wenn nicht in Dir. Denn ich durchschweifte alle Dinge und suchte Dich und verließ mich selbst um aller Dinge willen. Ich fragte die Erde, ob sie mein Gott wäre und sie sagte Nein, und Alles, was darinnen ist, bekannte mir eben dasselbige. Ich fragte das Meer und alle Tiefen samt den schwimmenden Tieren und sie antworteten mir, sie seien nicht GOtt: suche Ihn über uns! Ich fragte die säuselnde Luft, so sagte mir alle Luft samt allen ihren Bewohnern, Anaximenes, der weltweise Mann1) betrog sich, ich bin nicht dein GOtt! Ich fragte den Himmel, die Sonn, Mond und Sterne. Wir sind auch nicht dein Gott, sprachen sie.

Und ich sagte zu allen, die bei den Türen, das ist, bei den äußerlichen Sinnen meiner fleischlichen Natur umher standen: sagt mir doch von meinem GOtt, was ihr wisst, sagt mir etwas von ihm! Und sie fingen an zu rufen mit mächtiger Stimme: Er hat uns gemacht. Deshalb fragte ich ferner das ganze schwere Erdenrund: Sag mir, bist du mein GOtt oder nicht? Und es antwortete mir mit lauter Stimme und sprach: Ich bins nicht, sondern ich bin durch Ihn. Den du an mir suchst, der hat mich gemacht, suche Ihn über mir, der mich regiert, der auch dich gemacht hat. Merke, wenn man die Kreaturen fragt, so ist es nichts anders, als dass man sie tief und genau betrachte: Ihre Antwort ist ihre Bezeugung von GOtt; denn es rufen alle Dinge: GOtt hat uns gemacht! Dahin zielt auch das apostolische Wort: Gottes unsichtbares Wesen, das ist Seine ewige Kraft und Gottheit wird ersehen, so man des wahrnimmt an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt. Und ich kam wieder zu mir selbst und ging in mich hinein und sprach zu mir: Wer bist du denn? Und ich antwortete mir selbst: ein vernünftiger und sterblicher Mensch. Und ich fing an zu erörtern, was das wäre und sprach: Woher kommt denn dies und jenes Geschöpf, HErr mein GOtt? Woher anders denn allein von Dir? Du hast mich gemacht und nicht ich selbst. Wer bist Du aber? Du, sage ich, durch den ich lebe? Du, durch den alle Dinge leben, wer bist Du? Du HErr, bist mein wahrer GOtt, bist allein allmächtig und ewig, unbegreiflich und unermesslich, Du bist unsterblich und wohnst in der Ewigkeit, ein Wunder den Augen der Engel, unaussprechlich, unerforschlich und nicht zu nennen: ein lebendiger, wahrer GOtt, stark und eifrig, der weder Anfang noch Ende hat, der Anfang und das Ende aller Dinge, von Anbeginn der Ewigkeit und vor aller Ewigkeit: Du bist mein Gott und ein HErr aller guten Dinge, die Du erschaffen hast, und bei Dir besteht und bleibt ein unwandelbarer Ursprung aller wandelbaren Dinge; bei Dir leben die ewigen Ursachen und Schicksale aller vernünftigen und unvernünftigen, ja aller zeitlichen Dinge. Sage mir, Deinem gehorsamen Knecht, o mein barmherziger GOtt, sage Deinem Elenden, ich bitte Dich, sag mir durch Deine Erbarmung, woher kommt doch ein solches Geschöpf, nämlich der Mensch, es sei denn von Dir, o GOtt? Oder kann sich Jemand selbst machen? Oder kommt es anderswo her als von Dir, dass wir sind und leben? Bist Du denn nicht das Höchste, das da ist, von dem Alles ist, was nur ist? Denn Alles, was nur ist, das ist von Dir und ohne Dich ist nichts. Bist Du nicht der Born des Lebens, aus dem alles Leben fließt? Denn Alles, was nur lebt, das lebt durch Dich und ohne Dich lebt nichts. HErr, darum hast Du alle Dinge gemacht! So frage ich nun: Wer hat mich gemacht? Du, HErr, hast mich gemacht, ohne welchen nichts gemacht ist: Du bist mein Meister, ich bin Dein Werk! Ich sage Dir Dank, o HErr, mein GOtt, durch den ich lebe, und durch den alle Dinge leben, dass Du mich gemacht hast. Ich sage Dir Dank, Du mein Schöpfer; denn Deine Hände haben mich gemacht und erschaffen. Ich sage Dir Dank, o Du mein Licht: Du hast mich erleuchtet und ich habe Dich gefunden und mich auch. Als ich mich gefunden habe, habe ich mich erkannt; als ich Dich gefunden, habe ich Dich erkannt. Als ich Dich aber erkannt habe, da hast Du mich erleuchtet. Ich sage Dir Dank, o Du mein Licht, denn Du hast mich erleuchtet!

Was ist es aber, das ich gesagt: Ich habe Dich erkannt? Bist Du denn nicht ein unbegreiflicher und unermesslicher GOtt, ein König aller Könige, ein HErr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, da Niemand zukommen kann, welchen kein Mensch gesehen hat noch sehen kann? Bist Du denn nicht ein verborgener Gott und Du selbst allein der Erforscher und wunderbarliche Beschauer Deiner unerforschlichen Majestät? Wer hat denn je erkannt, dass er nie gesehen hat? Allerdings hast Du in dem Wort Deiner Wahrheit gesagt: Kein Mensch kann leben, der Mich sieht! Es hat auch Dein Prediger durch Deine Wahrheit gesprochen: Niemand hat Gott je gesehen! Wer hat denn erkannt, dass er nie gesehen hat? Deine Wahrheit hat auch ferner gesagt: Niemand erkennt den Sohn, denn nur der Vater; und Niemand erkennt den Vater, denn nur der Sohn. Die einige Dreifaltigkeit ist Dir allein völlig bekannt, sonst übersteigt sie alle Vernunft!

Was ist es denn nun, dass ich gesagt habe, ich, ein Mensch, so der Eitelkeit gleich bin, habe erkannt? Lieber, wer hat Dich erkannt? Du allein Dich selbst! Denn Du bist allein ein allmächtiger Gott; der sehr löblich und aller hohen Ehren würdig ist und in Deinen heiligsten und göttlichsten Worten wirst Du genannt der Allerhöchste über Alles, das genannt mag werden. Man erkennt, dass Du übernatürlich seist und alle Vernunft übersteigst, dass Du seist über alles Wesen, das mit Verstand begabt ist im Himmel und auf Erden, und über Alles, das nur gespürt werden mag, dass es einen Sinn in sich habe und über jeden Namen, der nur genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Denn Du wohnst in Dir selbst, da Niemand zukommen kann, ganz unerforschlich in ewiger und verborgener Wesenheit und Gottheit, über allem Verstand, Vernunft und Wesen, da das Licht ist, zu dem Niemand nahen kann, ein unerforschliches, unbegreifliches und unaussprechliches Licht, das kein ander Licht erreichen kann. Man glaubt und hält durchaus dafür, dass es sei unbeschaulich und unsichtbar über alle Vernunft und über allen Verstand und mehr denn unerreichlich und mehr denn unvergleichlich und mehr denn dass sich davon etwas einem Andern mitteilen lasse, das kein Mensch oder Engel je gesehen, auch nicht sehen kann. Dies ist Dein Himmel, o HErr der Himmel, so das Licht verborgen hält, welches da ist mehr denn heimlich, über allen Verstand, alle Vernunft und alles Wesen. Von diesem Himmel wird gesagt: Himmel und aller Himmel Himmel das ist des HErrn!

Der Himmel aller Himmel, der alle. Himmel wie die Erde achtet, ist gar wunderbarlich erhöht über alle Himmel, gegen den auch das ganze Sonnensystem des Himmels geachtet ist wie die Erde; denn dies ist der Himmel aller Himmel, der dem HErrn ist, weil er sonst keinem bekannt ist als dem HErrn allein. Zu diesem steigt Niemand hinauf denn nur der, welcher vom Himmel herabgestiegen ist, weil Niemand den Vater kennt, denn der Sohn und ihr Geist; und Niemand kennt den Sohn, denn nur der Vater und der Geist. So bist Du denn in der Tat, o Dreieinigkeit, einzig nur Dir selbst vollkommen bekannt! Du heilige Dreieinigkeit, überaus wunderbar, unaussprechlich, unausforschlich, unerreichlich, unbegreiflich, über allen Verstand, über alles Wesen! O heilige Dreieinigkeit, die Du über allen Sinnen schwebst, dazu auch über alle Vernunft, allen Verstand, allen Witz und alles Wesen der Geister, keinem ists möglich, weder Dich zu denken, noch Dich zu verstehen, noch zu erkennen, auch den Augen der Engel nicht!

Woher hab ich denn erkannt? O HErr, Du höchster GOtt, über alle Welt, über alle Himmel, Dich erkennen weder Cherubim noch Seraphim, noch die höchsten Engelchöre vollkommen; denn sie bedecken mit den Flügeln ihres Beschauens Dein Angesicht: Dir, der Du sitzt auf einem hohen und erhabenen Stuhl, Dir rufen sie zu: Heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth: alle Lande sind Deiner Ehre voll! Der Prophet aber entsetzte sich darüber und sprach: Wehe mir, ich vergehe und bin ein Mann von unreinen Lippen. Auch mein Herz erschrickt und ruft: Wehe mir, ich vergehe, weil auch ich ein Mensch von unreinen Lippen bin; denn ich habe gesagt: Ich habe Dich erkannt! Doch, HErr, wehe denen, die vor Dir vergehen; und wenn sie gleich viel redeten, so werden sie dennoch stumm ohne Dich. Aber, HErr, mein GOtt, ich will nicht verderben; Du hast mich gemacht und hast mich erleuchtet und da habe ich mich gefunden und habe Dich erkannt, weil Du mich erleuchtet hast!

Wie habe ich Dich aber erkannt? In Dir habe ich mich erkannt. Ich habe Dich erkannt, nicht wie Du von Dir selbst erkannt bist, sondern ich habe Dich erkannt, wie Du mir bist und nicht ohne Dich, sondern in Dir; denn Du bist das Licht, welches mich erleuchtet hat, und wie Du Dir selbst bekannt bist, also bist Du Dir allein bekannt: wie Du aber mir bekannt bist nach Deiner Gnade, so weit bist Du mir auch bekannt. Was bist Du mir aber? O Du barmherziger HErr, sage mir, Deinem elenden Diener, sag mir um Deiner Barmherzigkeit willen, was bist Du mir doch? Sprich zu meiner Seele, ich bin Dein Heil, verbirg Dein Angesicht nicht vor mir, auf dass ich nicht sterbe: lass mich reden mit Deiner Barmherzigkeit, wiewohl ich Staub und Asche bin: lass mich doch reden mit Deiner Barmherzigkeit; denn Deine Barmherzigkeit hast Du an mir treulich bewiesen. Darum will ich mit meinem GOtt reden, wiewohl ich Staub und Asche bin. Sage mir, Deinem Knechte, der Dich gehorsam bittet, sag, Du Barmherziger, nur Deinem Elenden, sage um Deiner Barmherzigkeit willen, was bist Du mir doch? Du hast von Oben herab gedonnert mit starker Stimme in das innerliche Ohr meines Herzens und hast mein taubes Gehör durchdrungen, und ich habe Deine Stimme gehöret und Du hast meine Blindheit erleuchtet und ich habe Dein Licht gesehen und erkannt, dass Du mein Gott bist. Darum hab ich gesagt, dass ich Dich erkannt habe.

Ich habe erkannt, dass Du mein Gott bist. Ich habe Dich erkannt als den allein wahren GOtt und den Du gesandt hast, JEsum Christum. Es gab eine Zeit, da ich Dich nicht erkannte! Wehe der Zeit, da ich Dich nicht erkannte! Wehe der Blindheit, da ich Dich nicht sah! Wehe dem tauben Gehör, da ich Dich nicht hörte. Blind, taub und ungestalt fiel ich dahin durch Deine wohlgestaltete Kreaturen, die Du erschaffen hast und Du warst mit mir, und ich mit Dir, und eben die Dinge hielten mich weit von Dir ab, die doch nicht waren, sie wären denn in Dir. Du hast mich erleuchtet, o Du Licht der Welt und ich hab Dich gesehen und hab Dich geliebt. Niemand fürwahr liebt Dich, denn wer Dich sieht, und Niemand sieht Dich, denn wer Dich liebt. Ich habe Dich spät geliebt, Du hochgelobte Schönheit, die Du ewig alt und ewig jung bist; spät hab ich Dich geliebt! Wehe der Zeit, da ich Dich nicht geliebt habe.

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Wir könnten hier beim Beten beliebige neuere Namen von Pantheisten oder Materialisten setzen - Hegel oder Vogt rc.
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