Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XIII. Von des Menschen Elend und Gottes Wohltaten.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XIII. Von des Menschen Elend und Gottes Wohltaten.

Du Licht, das kein andres Licht sieht, o Du Glanz, den kein andrer Glanz sieht, o Du Licht, das alles Licht verfinstert, o Du Glanz, der allen fremden Glanz überstrahlt, o Du Licht, von dem alles Licht, o Du Glanz, von dem aller Glanz, o Du Glanz, gegen den aller Glanz Finsternis, alles Licht nur Dunkel ist, o Du Licht, dem alle Finsternis ein Glanz, alles Dunkel ein Licht ist, o Du höchstes Licht, das keine Finsternis deckt, kein Dunkel schwächt, keine Finsternis besiegt, kein Gegenstand hemmt, kein Schatten je absondert, o Du Licht, das da erleuchtet alle Ding ganz und gar mit einem Mal: verzücke mich in die Tiefe Deiner Klarheit, dass ich Dich, Dir sehen möge allenthalben und mich in Dir, und alle Dinge unter Dir! Verlass mich nicht, dass die Schatten meiner Unwissenheit nicht überhandnehmen, noch meine Sünden sich häufen. Denn ohne Dich sind mir alle Dinge Finsternis und Alles böse; weil nichts gut ist ohne Dich, das eine, wahre und höchste Gut.

Ich bekenne und weiß, o HErr, mein GOtt, dass mir nicht wohl ist, wo ich ohne Dich bin, nicht allein außer, sondern auch in mir: denn allen Überfluss, der mein Gott nicht ist, achte ich für Mangel. Dann werde ich ersättigt werden, wenn Deine Herrlichkeit erscheinen wird. Hilf HErr, Du mein seliges Leben, dass ich Dir mein Elend bekenne. Sobald mich das mannigfaltige Wesen der zeitlichen Dinge verführt und zertrennt hat von Dir, der einigen Güte, dem höchsten und einzigen Gut, durch fleischliche Empfindungen und Gedanken und so von Einem in Vieles zerteilt hat, bin ich des Überflusses überdrüssig und an Mangel fast reich geworden; denn ich suchte eins hier, das andere dort, und ward doch von keinem erfüllt, weil ich in mir nicht befand Dich, das unveränderliche, unübertreffliche und unzertrennliche Gut. Erlange ichs aber, so mangelt mir nichts; bekomme ichs, so traure ich nicht: besitze ichs, so ist all mein Verlangen erfüllt.

Ach Elend über Elend, dass die Seele von Dir abweicht, bei dem sie doch allezeit Überfluss hat und fröhlich ist; dass sie der Welt anhängt, bei der sie doch allezeit Mangel leidet und trauert. Die Welt ruft: Ich verschmachte! Du, HErr, rufst: Ich gebe Kraft! und mein böses Elend folgt viel lieber dem, das verschmachtet, als dem, der die Kraft gibt! Dies ist meine sehr fühlbare Schwachheit! O Du Seelenarzt, heile sie, dass ich Dir danke. O Du Heiland meiner Seele, ich bitte Dich um Dein selbst willen von Herzensgrund, um aller Deiner Wohltaten willen, mit denen Du mich von Jugend auf ernährst, bis in mein Alter und bis ich grau werde: verlass mich nicht! Du hast mich gemacht, da ich nicht war: Du hast mich erlöst, da ich verdorben war. Ich war verdorben, ich war gestorben: da bist Du zu dem Verstorbenen herabgestiegen, hast die sterbliche Natur angenommen: Du der König bist zum Knecht herabgestiegen, hast Dich selbst dargegeben, auf dass Du den Knecht erlöstest: bist in den Tod gegangen, hast den Tod überwunden, dass ich leben möchte, und indem Du Dich erniedrigtest, hast Du mich aufgerichtet.

Ich war verdorben, den Sünden sehr nachgegangen; ich war verkauft, Du bist für mich gekommen, dass Du mich erlöstest und hast mich so sehr geliebt, dass Du Dein Blut für mich zum Lösegeld dargegeben hast. Du hast mich, o HErr, mehr geliebt als Dich, denn Du hast für mich sterben wollen. Auf solche Weise, mit so köstlichem Lösegeld hast Du mich aus dem Elend herausgeholt, hast mich aus der Dienstbarkeit erlöst, vom Tod befreit; hast mich bei Deinem Namen gerufen, mit Deinem Blut mich gezeichnet, auf dass Dein Gedächtnis allezeit bei mir wäre und derjenige nimmer von meinem Herzen weiche, der für mich vom Kreuz nicht gewichen ist. Du hast mich mit Deinem Öl gesalbt, damit Du gesalbt gewesen, dass ich von Dir, o Christe, ein Christ genannt würde, und hast mich geschrieben in Deine Hände, auf dass Du immerdar meiner gedenkst, wofern ich nur stets Deiner gedenke. Also bist Du mir mit Deiner Gnade und Barmherzigkeit allezeit zuvorgekommen; denn Du hast mich von vielen und großen Fährlichkeiten oftmals erlöst. War ich irre gegangen, hast Du mich wieder auf den rechten Weg gebracht; war ich unverständig, hast Du mich unterwiesen; habe ich gesündigt, hast Du mich gezüchtigt; war ich betrübt, hast Du mich getröstet; war ich verzagt, hast Du mich gestärkt; war ich gefallen, hast Du mich aufgehoben; war ich gestanden, hast Du mich gehalten; war ich gegangen, hast Du mich begleitet; hab ich geschlafen, hast Du mich bewacht; hab ich gerufen, hast Du mich erhört!

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