Augustinus, Aurelius - Soliloquien - VIII. Von der künftigen Würde des Menschen.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - VIII. Von der künftigen Würde des Menschen.

Wann aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören, wann wir mit aufgedecktem Angesicht Dein Angesicht sehen werden! Was hindert uns denn noch daran, dass wir um nichts geringer sind als die Engel, uns, welche Du, o HErr, mit der herrlichen Ehrenkrone krönen, uns, welche Du sehr hoch als Deine Freunde ehren, ja in allen Stücken den Engeln gleich und ebenbürtig machen wirst? Denn allerdings sagt auch dies Deine Wahrheit: Sie sind den Engeln gleich und sind Kinder Gottes. Warum sollten sie nicht Kinder Gottes sein, wenn sie den Engeln gleich sein werden? Ja in Wahrheit, sie werden Kinder Gottes sein, weil des Menschen Sohn ein Kind. In der Tat, wenn ich Solches betrachte, so darf ich wohl kühn sagen, der Mensch. sei um gar nichts geringer als die Engel; es ist noch nicht genug, dass er den Engeln gleich sei, sondern er ist noch höher als die Engel, weil der Mensch GOtt und GOtt Mensch, und kein Engel geworden ist.

Deshalb will ich sagen, der Mensch sei die allerwürdigste Kreatur. Denn das Wort, das da im Anfang bei GOtt war, das Wort, durch welches GOtt gesprochen: Es werde Licht! und das Licht geworden ist, nämlich die engelische Natur: das Wort, durch welches Gott alle Dinge erschaffen hat im Anfang: eben dasselbe Wort ist Fleisch worden und hat unter uns gewohnt und wir sahen Seine Herrlichkeit. Siehe, dies ist die Herrlichkeit, deren ich mich rühme, wenn ich mich recht rühme. Siehe, dies ist die Freude, daran ich mich recht erfreue, o HErr, mein GOtt, o Du Leben und volle Herrlichkeit meiner Seele! Deswegen danke ich Dir, o HErr, mein GOtt; denn da Du mich mit Vernunft begabt erschaffen, hast Du mich etlicher maßen den Engeln gleich erschaffen, weil ich durch dein Wort kann vollkommener gemacht werden, so dass ich zur Gleichheit der Engel hinaufsteige und die Kindschaft erlange, und dies, o HErr, durch Dein eingeboren Wort, durch Deinen geliebten Sohn, an welchem Du Wohlgefallen hast, durch den einigen Miterben, der mit Dir Eines Wesens und gleicher Ewigkeit ist, durch JEsum Christum, unsern einigen HErrn und Erlöser, unsern Erleuchter und Tröster, unsern Fürsprecher bei Dir, und das Licht unsrer Augen, der da ist unser Leben und unser Seligmacher und unsre einige Hoffnung; denn Er hat uns mehr geliebt, als sich selbst, durch welchen wir das feste Vertrauen und den festen Ruhm der Hoffnung, auch einen freudigen Zugang zu Dir haben; denn Er hat Macht gegeben GOttes Kinder zu werden denen, die an Seinen Namen glauben.

O HErr, Deinem Namen will ich Lob sagen, der Du mich nach Deinem Bild und Gleichnis erschaffen und mich dadurch dieser großen Herrlichkeit fähig gemacht hast, dass ich ein Kind GOttes werden kann. Das können ja die Bäume nicht sein, auch nicht die Steine, noch andre Dinge, die sich bewegen oder wachsen, es sei gleich in der Luft oder im Meer, oder auf Erden; denn ihnen ist nicht Macht gegeben durch Dein Wort, Kinder GOttes zu werden, weil sie keine Vernunft haben: diese Macht aber steht bei der Vernunft, durch welche wir GOtt kennen. Solche Macht hat er den Menschen gegeben, die Er als vernünftige Kreaturen nach Seinem Bild und Gleichnis erschaffen hat. So bin ich gewiss, o HErr, durch Deine Gnade ein Mensch, und kann Dein Kind sein durch die Gnade, welches jene nicht können.

Woher kommt mir das, o HErr, Du höchste Wahrheit und Du wahre Höhe, Du Anfang aller Kreaturen? Woher kommt mir das, o HErr, dass ich ein Kind GOttes werden kann, welches sie nicht können? Du bist, der Du bleibst in Ewigkeit, der Du alle Dinge hast erschaffen! Menschen und Vieh, Steine und Sträucher auf Erden hast Du all miteinander erschaffen; denn es sind keine Verdienste vorher dagewesen. Nichts ist vorher der Gnade würdig gewesen. Du hast alle Dinge aus pur lauterer Güte erschaffen, und haben daher alle Kreaturen, dem Verdienste nach, gleichen Wert gehabt, weil an allen keine Verdienste sich fanden. Ei, wie kommt es denn, dass Deine Güte mehr erscheinet an dieser Deiner vernünftig erschaffenen Kreatur als an allen andern unvernünftigen? Warum bin ich nicht auch wie dieselbigen alle? Oder warum sind sie nicht alle wie ich oder ich allein wie sie? Was sind meine Verdienste? Was hat an mir Beachtung gefunden und Wohlgefallen, dass Du mich erschaffst, dass ich Dein Kind werden möchte, welches Du allen andern Dingen versagt hast? Es sei ferne von mir, o HErr, dass ichs also meinen wollte. Allein Deine Gnade, allein deine Güte hat zuwege gebracht, dass ich ihrer Süßigkeit teilhaftig geworden bin. Darum verleihe mir doch, o HErr, nach derselben Gnade, durch welche Du mich aus Nichts erschaffen, auch diese Gnade, dass ich Dir dafür danken möge! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/a/augustinus/augustinus-soliloquien/augustinus-soliloquien_viii.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain