Auberlen, Karl August - Jesus Christus der Auferstandene und Erhöhte.

Auberlen, Karl August - Jesus Christus der Auferstandene und Erhöhte.

Es gibt nicht leicht eine Thatsache der Weltgeschichte, welche besser bezeugt und beglaubigt wäre, als die Auferstehung Jesu.

Dieser Satz ist wohl Manchem von Ihnen auffallend, und es liegt mir zunächst ob, ihn zu beweisen. Ein vierfacher Beweis bietet sich in den neutestamentlichen Urkunden dar, indem zwei einzelne Apostel, Johannes und Paulus, und zwei größere Gemeinschaften, die älteste Christenheit und der Apostelkreis mit dem Grundthema seiner Predigt, worauf die ganze Kirche ruht, als Zeugen der Auferstehung Jesu uns entgegentreten.

Unter den Zeugnissen der Evangelien führen wir nur das des Johannes an, weil dieses das Gepräge der Augenzeugenschaft in einer jedem Vorurtheilsfreien einleuchtenden Weise an sich trägt. Freilich ist auch das Evangelium Johannis in neuerer Zeit als unecht verworfen worden, aber doch nur von einer kleinen Anzahl von Critikern, welche auf der äußersten Linken stehen, von Baur und seiner Schule. Ihnen tritt die unendliche Mehrzahl der Schriftforscher entgegen; auch ein de Wette wagte sich nicht für die Unechtheit des Evangeliums zu entscheiden, und Männer wie Ewald, welche sonst die freieste Bibelcritik üben, haben neuestens die Echtheit desselben gegen Baur vertheidigt. Nun gibt es eine Art des Streites mit den Gegnern der Auferstehung, wo wir zu ihnen sagen: ihr verwerfet die Evangelien, wir erkennen sie an; aber wir wollen einmal auf euern eigenen Standpunkt uns hinüberbegeben und nur aus den auch von euch anerkannten Schriften unsere Beweise schöpfen, um einen gemeinsamen Boden der Verhandlung zu besitzen. So wird unser zweiter, dritter und vierter Beweis aus den allgemein anerkannten paulinischen Briefen geführt werden. Allein dies ist nicht die einzig mögliche Art, den Streit zu führen, sondern, wo es sich, wie in diesen Vorträgen, darum handelt, für die christliche Wahrheit überhaupt mit Gründen einzustehen, da darf und muß auch gezeigt werden, daß wir ein gutes, wissenschaftliches Recht zur Benützung der Evangelien als Geschichtsquellen haben. Was nun unser Johannes-Evangelium betrifft, auf welches wir uns diesmal der nöthigen Kürze halber beschränken, so ist demselben nicht nur, wie bereits angedeutet, der gegenwärtige Stand der critischen Forschung entschieden günstig, auch steht ihm nicht bloß eine stattliche äußere Bezeugung durch die alten Kirchenväter u. s. w. zur Seite; sondern es sind insbesondere innere Gründe, welche immer wieder den unbefangenen Wahrheitssinn zur Ueberzeugung von seinem apostolischen Ursprung führen. Wir wollen hier davon absehen, daß dieses vorzugsweise pneumatische oder geistliche Evangelium, wie der alte Clemens von Alexandrien, dieses einige zarte, rechte Hauptevangelium, wie Luther es nennt, uns das innere Geheimnis des Wesens Christi in einer Weise aufschließt, die wir allein bei demjenigen erklärlich finden, welchen Jesus lieb hatte und der an seiner Brust gelegen war. Aber an jenes Selbstzeugnis des unter dem Kreuze stehenden Jüngers lassen Sie mich erinnern: Und der das gesehen hat, der hat es bezeuget, und sein Zeugnis ist wahr, und derselbige weiß, daß er die Wahrheit saget, auf daß auch ihr glaubet (Joh. 19,35.). Es gehört doch wohl ein hohes Maß von Raffiniertheit, von Abstumpfung des einfachen, gesunden Sinnes dazu, wenn man über ein solches Zeugnis im Munde des Verfassers einer solchen Schrift nur so leichten Fußes hinwegeilen kann. Man muß dann ein Buch, aus welchem doch eine Fülle von heiligenden Kräften der Wahrheit an unser Gewissen dringt, der Lüge zeihen: ja gerade indem es die Wahrheit seines Zeugnisses ausdrücklich behauptet, würde es mit Bewußtsein die Unwahrheit sagen. Mit dem moralischen Urtheil vereinigt sich das ästhetische zur Bewahrheitung des Satzes: der das gesehen hat, der hat es bezeuget, und sein Zeugnis ist wahr. Vom ersten Kapitel an trägt das Evangelium die unverkennbarsten Spuren der Augenzeugenschaft an sich, so daß selbst ein so rationalistischer Critiker wie Credner bemerkt: Wären wir über den Verfasser des vierten Evangeliums ohne alle geschichtlichen Angaben geblieben, so würden wir aus inneren Gründen, aus der Frische und Anschaulichkeit der Erzählung, aus der Genauigkeit und Bestimmtheit der Angaben, aus der eigenthümlichen Weise der Erwähnung des Täufers und der Söhne des Zebedäus, aus der zur Begeisterung gesteigerten Liebe und Innigkeit, welche der Schreibende gegen Jesus an den Tag legt, aus dem unwiderstehlichen Zauber, welcher über die ganze evangelische Geschichte ausgegossen ist, zu dem Ergebnis hingeleitet werden: der Verfasser eines solchen Evangeliums kann nur ein Palästinenser, kann nur ein unmittelbarer Augenzeuge, kann nur ein Apostel, kann nur ein Liebling Jesu, kann nur Johannes sein. Lachmann, der scharfsinnige, nicht selten überscharfe Critiker, sagte, er lese die Schriften gegen Echtheit und Geschichtlichkeit des Evangeliums Johannis gar nicht mehr, er wisse von vorn herein, daß nichts daran sei.

In besonderem Maße zeigt sich das Gepräge des Selbsterlebten an dem, was uns Johannes vom Ostermorgen erzählt. Maria Magdalena war in der ersten Frühe des Sonntags zum Grabe Jesu gegangen und hatte dasselbe leer gefunden. Bestürzt eilt sie zu Petrus und Johannes zurück; sie denkt nicht an die Auferstehung, sondern sagt zu den Jüngern: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grabe, und wir - ich und die andern Frauen, von denen sie nach den übrigen Evangelien begleitet war, - wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Von ähnlichen Gedanken erfüllt, gehen nun Petrus und Johannes eilenden Laufes zum Grabe. Diesmal ist der Jünger der Liebe im Drange des Herzens dem sonst rascheren Petrus voran und gelangt zuerst an's Ziel. Doch bleibt er in seiner bedächtig sinnenden Weise vor der Felsengruft stehen und blickt nur hinein, wobei er die leinenen Tücher gewahr wird, in die der Leichnam gewickelt gewesen war. Petrus kommt ihm nach, und er tritt nun, wie es seinem feurigen Wesen entspricht, sogleich in das Grab hinein. Er sieht nicht nur die leinenen Tücher daliegen, sondern auch das Schweißtuch, das um das Haupt Jesu gebunden gewesen war, und das nun sorgfältig zusammengewickelt an einem besonderen Orte lag. Diese kleinen Umstände, von denen sich der jetzt zu Petrus hineintretende Johannes ebenfalls überzeugte, mußten von selbst den Gedanken entfernen, als sei der Leichnam des Herrn weggenommen worden; denn wer das gethan hätte, hätte wohl die Tücher mitgenommen oder sie jedenfalls nicht so sorgfältig zusammengewickelt und hingelegt. Hiedurch wurde daher Johannes auf richtigere Gedanken geführt, der Glaube an die Auferstehung wurde jetzt in seiner Seele wach. Er weist sich aber selbst darüber zurecht, daß auch bei ihm der Glaube erst des sinnlichen Augenscheins bedurft hatte: sie haben, sagt er, damals die Schrift noch nicht verstanden, nach welcher die Auferstehung des Messias eine längst zuvor verkündete, göttliche Nothwendigkeit war.

Wenn sich schon dieser leise Tadel der Apostel am besten in des Johannes eigenem Munde begreift, so weist die außerordentliche Anschaulichkeit, womit scheinbar so geringfügige Dinge, wie das schnellere und langsamere Laufen zum Grabe, das Draußenstehen und Hineingehen, sowie namentlich die Lage der Tücher, beschrieben sind, noch bestimmter darauf hin, daß der Erzählende einer der beiden Handelnden ist. Für einen anderen hätte solches Detail keine Bedeutung gehabt, geschweige denn, daß es Jemand erfunden hätte; für Johannes aber war es von der höchsten Wichtigkeit, weil sich daran sein Glaube an die Auferstehung des Herrn entwickelte. Es war eine ähnliche Entscheidungsstunde in seinem Leben, wie diejenige, in welcher er zum ersten Male mit Jesu zusammentraf, und welche er im ersten Kapitel des Evangeliums mit derselben unnachahmlichen Lebendigkeit und Innigkeit schildert. Wer irgend ein geöffnetes Auge für die Naturwahrheit einer Erzählung besitzt, der wird immer und immer wieder unwiderstehlich zu dem Bekenntnis getrieben, daß solche Stellen für sich selber zeugen, wie das helle Sonnenlicht, und daß sie nur als persönliche Erlebnisse des Erzählers sich in ihrer eigenthümlichen Färbung und Bedeutsamkeit verstehen lassen.

So besitzen wir also in dem Apostel Johannes einen unverwerflichen Zeugen der Auferstehung Jesu. Die Bedeutung dieses Zeugnisses liegt besonders darin, daß es die Thatsache in ursprünglichster Frische und Lebendigkeit vorführt, indem es uns in den Ostermorgen und an das leere Grab versetzt. Freilich bezeugt Johannes hier nur, daß er das Grab leer gefunden habe; den Auferstandenen selbst hat er damals noch nicht gesehen. Aber nicht nur ist es von Bedeutung, daß sich bei dem Apostel aus jener Wahrnehmung der Glaube an die Auferstehung Jesu entwickelte, sondern er erzählt uns auch in unmittelbarem Anschluß hieran die erste Erscheinung des Auferstandenen, welche an demselben Ort und zu derselben Stunde der Maria Magdalena zu Theil wurde, und daran schließen noch drei weitere Erscheinungen sich an, bei denen Johannes selber wieder zugegen war. Ist nun die erste Erzählung und ist das ganze Evangelium glaubwürdig, so haben auch diese ferneren Berichte vollen Anspruch auf unsern Glauben. Doch wir wollen das hier nicht weiter verfolgen, sondern verlassen jetzt Johannes, um Paulus als den zweiten Zeugen der Auferstehung Jesu zu vernehmen. Sein Zeugnis wird um so gewichtiger sein, da es uns in eine ganz andere Zeit und an einen ganz andern Ort versetzt und dieselbe Sache von völlig verschiedenen Gesichtspunkten aus beleuchtet.

Paulus hat im Galaterbrief seine apostolische Würde gegen solche zu vertheidigen, welche dieselbe bekämpften, weil er nicht ein unmittelbarer Jünger Jesu gewesen sei, sondern das Evangelium erst aus zweiter Hand, durch menschliche Vermittlung empfangen habe. Dem gegenüber beginnt er seinen Brief sogleich damit, daß er sagt, er sei ein Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen, sondern durch Jesum Christ und Gott den Vater, der ihn auferweckte von den Todten; er habe mithin sein Apostolat freilich nicht dem auf Erden wandelnden Jesus, aber darum doch dem Herrn selbst, nämlich dem auferstandenen, zu verdanken. Im weiteren Verlauf (1,12.) bestimmt er dies näher dahin, er habe das von ihm gepredigte Evangelium von keinem Menschen empfangen oder gelernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi. Daß er bei dieser Offenbarung vor Allem an das Ereignis vor Damaskus denkt, sehen wir aus V. 17., wo er diese Stadt ausdrücklich nennt. Von einer übernatürlichen Offenbarung des Auferstandenen bei Damaskus leitet also Paulus seine apostolische Würde und Lehre her. Nur darüber spricht er sich hier nicht deutlich aus, ob diese Offenbarung eine bloß innerliche oder auch zugleich eine äußerlich sichtbare gewesen sei. Für einen bloß innerlichen Vorgang könnte der Umstand zu sprechen scheinen, daß der Apostel auch sonst, namentlich 2. Cor. 12, 1 ff. von Gesichten und Entzückungen redet, die ihm zu Theil geworden seien, sowie der andere, daß er im Zusammenhang der Galaterstelle selber (V. 16.) sagt, es habe Gott gefallen, seinen Sohn in ihm zu offenbaren. Doch dürfen wir aus dieser letzteren Stelle nicht auf die bloße Innerlichkeit des Vorganges schließen; denn der Apostel will hier das Resultat des ganzen Erlebnisses bezeichnen, und da kam es darauf an, daß sich ihm der Sohn Gottes in seinem innersten Herzen und Gewissen als solcher geoffenbart hatte; ohne diese innere Bezeugung und Ueberzeugung wäre eine bloß äußere Erscheinung fruchtlos geblieben. Wir werden aber schon zum Voraus anzunehmen geneigt sein, daß es bei einem Verfolger und Zerstörer der Christengemeinde, wie Paulus sich hier selber nennt, auch eines äußeren, gewaltig eindrücklichen Ereignisses bedurfte, um die ungeheure Veränderung, die mit ihm vorging, zu bewirken. Daß dem wirklich so war, bezeugt uns Paulus ausdrücklich an zwei Stellen des ersten Corintherbriefes, 9, 1. u. 15,8. Nachdem er an der letzteren Stelle die verschiedenen Erscheinungen des Auferstandenen vorgeführt hat, sagt er: Zuletzt nach Allen ist er auch von mir als eine r unzeitigen Geburt gesehen worden; denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, als der ich nicht werth bin, daß ich ein Apostel heiße, darum, daß ich die Gemeine Gottes verfolget habe. Er spricht hier wiederum von seiner großen Umwandlung aus einem Verfolger in einen Apostel und leitet dieselbe von einer Erscheinung des Auferstandenen her, die er als eine sichtbare im gewöhnlichen Sinne des Wortes bezeichnet. Ganz in demselben Sinne ruft er an der anderen Stelle, im 9. Kapitel aus: Bin ich nicht ein Apostel? habe ich nicht unsern Herrn Jesum Christum gesehen?

Paulus bezeugt also, daß die Umgestaltung seines ganzen Wesens und Lebens bewirkt worden sei durch eine sichtbare Erscheinung des auferstandenen Jesus, wodurch sich ihm dieser äußerlich und innerlich als der Sohn Gottes offenbarte. Ja er legt allen Nachdruck darauf, daß seine Berufung und Belehrung als Apostel unmittelbar von dem erhöhten Jesus ausging; denn daran hing seine ganze apostolische Stellung und Bedeutung, welche er seinen Gegnern gegenüber zu wahren hatte. Nur wen der Herr selbst zu seinem Zeugen berufen und in der Heilswahrheit unterwiesen hat, der ist ein Apostel.

Wie nun, wenn Jesus nicht auferstanden ist, wenn Paulus sich darin getäuscht hat, daß er den ewig lebendigen Gottessohn bei Damaskus gesehen und auch nachher noch in wunderbarem, innerem Verkehr mit ihm gestanden habe? Ist es irgend wahrscheinlich, daß ein so gewaltiger Geist durch eine Selbsttäuschung aus einem Verfolger Jesu in seinen eifrigsten Bekenner umgewandelt wurde? Ist es wahrscheinlich, daß ein sonst so nüchterner Mann, ein so scharfer, heller Denker, wie wir Paulus aus seinen Schriften kennen, um einer bloßen Einbildung willen zahllose Leiden und Todesgefahren und endlich den Tod selber erduldet hat? Ist es möglich, daß ein Mann, welchem, von Christo selbst abgesehen, an weltgeschichtlicher Bedeutung kein anderer Mensch gleichkommt, weil auf die Thätigkeit des Heidenapostels der ganze Bestand unserer christlichen Welt gegründet ist, sich über das im Irrthum befand, was er selbst für das eigentliche Fundament seines Lebens und Wirkens erklärte? Ja, ich darf mich hier wohl an Sie selber wenden, geehrte Anwesende, die Sie ja auch mit den Briefen des Apostels bekannt sind. Kommt Ihnen der Mann, der die Epistel an die Römer geschrieben hat, wie ein Schwärmer vor? Ist Ihnen der Gedanke erträglich, daß er sich gerade in der Hauptsache auf eine bloße Phantasterei gestützt haben soll? Sind nicht seine Aussprüche auch uns allen schon ein Licht auf unserm Lebenswege gewesen? Gehörten nicht zu unsern besten Stunden diejenigen, wo wir zu seinen Füßen saßen und seine Worte lasen oder auslegen hörten? Und wenn er schon Millionen Menschen über Erdendruck, Sündennoth und Todesangst emporgehoben hat, wie vermochte er doch das anders, als in Kraft eben des überirdischen Lebens, das ihm aus dem Auferstandenen entgegenkam? So sind die Wirkungen, die noch täglich von den Schriften des Paulus - und freilich von der Bibel überhaupt - ausgehen, der Thatbeweis für die Wahrheit des Zeugnisses von der Auferstehung. Soll nun dies alles, dies alles Nichts gelten, sondern wir bleiben einfach dabei, Todtenauferstehung ist von uns nicht erlebt worden, ist uns unbegreiflich; folglich hat sich Paulus, der allerdings sonst ein großer Mann war, in der Sache, die ihm allerdings die Hauptsache war, in einer Weise, die allerdings sehr sonderbar war, getäuscht?

Neben Johannes ist also Paulus ein vollwichtiger Zeuge in der Untersuchung, die uns beschäftigt. Und beachten Sie nun den Fortschritt, der in diesem zweiten Zeugnis gegenüber von dem ersten liegt! Johannes kam uns nur als Augenzeuge für das äußere Faktum in Betracht; Paulus tritt zugleich als Lebenszeuge für die Thatsache in ihrer innern Bedeutung auf. Der Lebendige hat sich an ihm auch als der Lebendigmachende bewiesen, so daß nun der ganze Paulus zu einem Thatbeweis für das Auferstehungsleben Jesu wird, indem er sein innerstes Wesen mit den Worten aussprechen kann: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir (Gal. 2,20.). Ist Christus nicht auferstanden, so wird die ganze geschichtliche Erscheinung des Paulus ein Räthsel und Selbstwiderspruch.

Ein ähnliches Verhältnis wie zwischen dem Zeugnis des Johannes und Paulus, findet nun auch zwischen den beiden allgemeinen Zeugnissen statt, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen.

In Corinth gab es Leute, welche die Auferstehung der Todten überhaupt leugneten. Dieser Irrlehre, die also damals schon ebenso vorhanden war wie heutzutage, stellt Paulus im 15. Kapitel seines ersten Corintherbriefes die Thatsache der Auferstehung Jesu Christi entgegen. Daß dies aber eine wirklich geschehene Thatsache sei, dafür beruft er sich auf viele Augenzeugen, welche den Auferstandenen gesehen haben. Er ist gesehen worden, heißt es V. 5-8. , von Kephas, darnach von den Zwölfen; darnach ist er gesehen worden von mehr denn fünfhundert Brüdern auf einmal, derer noch viele leben, etliche aber sind entschlafen; darnach ist er gesehen worden von Jakobus, darnach von allen Aposteln; am letzten nach allen ist er auch von mir gesehen worden.

Die mehr als fünfhundert Brüder machen wohl so ziemlich die Gesamtheit derer aus, welche durch Jesum selbst zum Glauben gekommen waren. Sonst werden uns außer den Zwölfen der Zahl nach nur genannt die 70 Jünger, welche Jesus einmal aussandte, und die 120, die zwischen Himmelfahrt und Pfingsten in Jerusalem beisammen waren (Luc. 10,1. Apgsch. 1,15.). Daraus wird es wahrscheinlich, daß die Gesamtzahl der Gläubigen, welche Jesus auf Erden hinterließ, die galiläischen mit eingeschlossen, nicht über etliche Hunderte betrug, und daß also Paulus hier als Zeugen der Auferstehung Jesu fast die ganze Urgemeinde mit den Aposteln an der Spitze aufführt.

Nun wird wohl der eine oder andere sagen, das sei eben das Auffallende, daß nur Jünger und Brüder als Zeugen angeführt werden können, und nicht auch andere, unbetheiligte Leute. Wenn Jesus doch auferstanden sei, warum er sich denn nicht in seiner Herrlichkeit aller Welt gezeigt habe? Dann wäre ja die ganze Sache ein für allemal entschieden gewesen, und es hätte mit dem Glauben an ihn und seine Auferstehung nicht eine solche Bewandtniß, daß man immer wieder erst Beweise dafür aufbringen müßte. Nun, der Auferstandene wird sich einmal in seiner Herrlichkeit aller Welt zeigen, seinen Feinden zum Schrecken, seinen Jüngern und Brüdern zu ewiger Wonne. Aber bei seiner ersten Erscheinung sollte und durfte das nicht also sein, da wollte er die Welt nicht durch einen äußern Machtakt von seiner göttlichen Majestät überzeugen. Ein solches Ansinnen hatte gerade der Versucher an ihn gestellt, als er ihn aufforderte, sich von der Zinne des Tempels hinabzulassen und durch dieses Schauwunder sich vor dem Volk als Messias zu beglaubigen. Allein Christus ist kein Zauberer, er ist der Erlöser; er will die Menschheit nicht von außen her überwältigen und durch Staunen an sich ketten, sondern er will sie von innen heraus überzeugen und erneuern. Das ist gerade der edle, freie, allein wahrhaft sittliche Weg, daß Jesus durch das geistige Mittel des Wortes und des heiligen Wandels gewirkt hat. An Wundern zur Beglaubigung seiner göttlichen Sendung hatte es dabei auch nicht gefehlt; sie waren reichlich genug geschehen, um dem Unglauben der Zeitgenossen allen Vorwand hinwegzunehmen; aber sie traten nie für sich allein hervor, sondern stets im Zusammenhang mit der ganzen heiligen Person und Lehre Jesu. Daher kann nun auch der Auferstandene nicht der Welt erscheinen; sondern nur denen, welche seinen schlichten Worten geglaubt und durch die Knechtsgestalt hindurch die göttliche Herrlichkeit geschaut hatten, zeigt er sich zum Lohne ihres Glaubens in seiner jetzt offenbar gewordenen Königsmajestät.

Aber auch diese, ja gerade diese, welche den rechten Sinn für das Göttliche hatten und daher nicht nur Augen-, sondern auch Lebens- und Todeszeugen, Blutzeugen dessen wurden, was sie gesehen hatten, geben uns unverwerfliche Beweisthümer für die Auferstehung Jesu an die Hand. Die wiederholten Erscheinungen nicht bloß vor Einzelnen, sondern vor Dutzenden und Hunderten haben ja eine ganz eigenthümliche Beweiskraft. Wollte man etwa sagen, ein Einzelner könne sich leicht täuschen oder in irgend welche sonderbare, visionäre Zustände gerathen, in denen er einen todten Mann lebendig zu sehen sich einbilde: hier sind mehr als fünfhundert zuverlässige Menschen, welche bei wachen Sinnen und hellem Verstande den Gekreuzigten wieder lebendig gesehen haben. Und wollte man etwa sagen, eine Täuschung könne auch bei Mehreren einmal vorkommen: hier ist eine ganze Reihe verschiedenartiger, zu verschiedenen Zeiten geschehener Fälle, wo bald Einer, bald Zwölfe, bald Hunderte den Auferstandenen sahen. Es gehört doch wahrlich ein starkes Vorurtheil und noch mehr dazu, wenn man über solche Zeugnisse mit einem Worte wie Halluzinationen d. h. geisteskranke Träumereien hinwegzukommen vermag. Zumal, da noch ein weiterer Umstand hinzutritt. Wir wissen, daß mit den ersten Christen und zunächst mit den Zwölfen durch die Erscheinungen des Auferstandenen eine Veränderung vorging, zwar nicht so groß als die, die Paulus erfuhr, aber doch immer noch bedeutend und tiefgreifend genug. Der Tod Jesu hatte sie, wie dies nicht anders sein konnte, aufs Tiefste entmuthigt und in ihrem Glauben an ihn wankend gemacht. Bald darauf aber sehen wir sie mit voller Geistesfreude als Zeugen desselben Jesu auftreten und um des Glaubens an ihn willen Schmach, Gefängnis und Tod erleiden. Ist nun der Herr im Tode geblieben, wie wollen wir uns diese mächtige Umwandlung erklären? Wie wollen wir uns namentlich erklären, daß sie zu dem Einen Hauptthema ihrer Verkündigung eben die Auferstehung Jesu machten? daß sie ihren Beruf in nichts anderem erkannten als darin, Zeugen dieser Auferstehung zu sein?

Dies führt uns zu unserm vierten und letzten Beweis. Wie wir von den beiden einzelnen Aposteln Johannes und Paulus nicht bloß die Thatsache der Auferstehung bezeugt fanden, sondern auch ihre Bedeutung, so ist das Nämliche bei der Urkirche im Ganzen der Fall. Paulus erinnert die Corinther (15, 1ff.) des Evangelii, das ich, sagt er, euch verkündiget habe, welches ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch stehet, durch welches ihr auch selig werdet. Als den Inhalt dieses Evangelii, auf welchem also das ganze Leben und die Seligkeit der Christen beruht, nennt er, daß Christus gestorben sei für unsere Sünden, und daß er begraben sei, und daß er auferstanden sei am dritten Tage. Dann aber fügt er bei: Es sei nun ich oder jene, die andern zwölf Apostel, also predigen wir und also habt ihr geglaubet.

Hier ist es mit klaren Worten ausgesprochen, daß alle Apostel und mit ihnen die ganze Urkirche den Tod und die Auferstehung Christi als den Mittelpunkt des Evangeliums, als das eigentliche Fundament des christlichen Glaubens betrachten. Das Christenthum ist gar nichts anderes als die Thatsache und die Lehre, daß durch Christi Tod die Sünde der Welt gerichtet und gesühnt, und durch seine Auferstehung ein neues Leben des Geistes und der Herrlichkeit in der Menschheit hergestellt sei. Leugnet man die Auferstehung Christi, so hört also am Christenthum nicht nur dieser oder jener Nebenpunkt, sondern es hört das ganze Christenthum auf. Ist Christus nicht auferstanden, sagt Paulus (V. 4ff.), so ist unsre Predigt nichtig, so ist auch euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; wir würden auch erfunden falsche Zeugen Gottes, daß wir wider Gott gezeuget hätten, er hätte Christum auferweckt, den er nicht auferweckt hätte.

Es ist daher eine unwahre und irreführende Rede, wenn unsere Ungläubigen sagen, sie wollen das Wesentliche des Christenthums, seine sittlichen Wahrheiten beibehalten und nur die nicht mehr in unsre Zeit passenden Außenwerke und Nebensachen, den Wunder- und Dogmenkram, wie sie es nennen, beseitigen. Das ist ähnlich gesprochen, wie wenn man sagt, man wolle die Reden des Herrn um ihrer hohen innern Wahrheit und Trefflichkeit willen, die man denn doch nicht leugnen kann, festhalten und nur den Glauben an seine wunderbaren Thaten nicht mehr verlangen. Die Reden des Herrn selbst aber sind, wie der vorletzte Vortrag näher gezeigt hat, voll von Zeugnissen über das große Gesamtwunder seiner Person, woraus alle einzelnen Wunder herfließen, über seine übermenschliche, göttliche Würde. So ist es nun auch hier. Man kann die Sittenlehre des Christenthums nicht von seiner Glaubenslehre trennen; die christliche Sittlichkeit hängt am Glauben, und der Glaube hängt an der Thatsache, an der wunderbaren, göttlich gewirkten Geschichtsthatsache der Auferstehung Jesu. Ja die christliche Sittlichkeit ist selbst gar nichts Anderes als das neue Leben, welches der Auferstandene durch seinen heiligen Geist uns mittheilt.

Ist also Christus nicht auferstanden, so sind die Apostel und ersten Christen, so ist die Christenheit aller Jahrhunderte gerade mit der Hauptsache ihres Glaubens im Irrthum. Was wir oben von Paulus gesagt haben, das gilt dann von der ganzen Kirche: sie wird zu einem völligen Räthsel und Selbstwiderspruch, weil sie mit den welterneuernden Lebenskräften, die ihr doch faktisch innewohnen, auf den bloßen Wahn eines Lebens gegründet ist. Wäre sie aber ein auf solchen Sand gebautes Haus, so müßte sie gleich so vielen schwärmerischen Sekten, längst unter den zahllosen Stürmen zusammengebrochen sein, welche seit mehr als achtzehnhundert Jahren über sie hergebraust sind. Und doch steht die Kirche Christi noch heute da, unüberwältigt von den Pforten der Hölle, und zählt unter ihren Bekennern nicht nur alle gebildeten Nationen, sondern auch eine ungezählte Schaar von solchen, welche Lebenszeugen der Auferstehung des Herrn sind, indem sie mit Paulus sagen können: Da wir todt waren in den Sünden hat uns Gott samt Christo lebendig gemacht und hat uns samt ihm auferwecket und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christo Jesu (Eph. 2,5. 6.).

Auf Grund dieses vierfachen Zeugnisses, welches von Johannes und Paulus, von den ersten Christen, die den Auferstandenen gesehen haben, und von der apostolischen Lehre, die das Fundament der Kirche bildet, dargeboten wird, dürfen wir es nunmehr aussprechen: Die Auferstehung Christi ist eine Thatsache. Wenn sich überhaupt etwas in der Welt geschichtlich, urkundlich erweisen läßt, so sind wir genöthigt, dies Ereignis als ein wirklich geschehenes Faktum anzuerkennen. Sieht sich doch selbst ein Mitglied der Baur'schen Schule, Dr. Volkmar in Zürich, in seiner sonst maßlos negativen Schrift: die Religion Jesu (S. 76.), zu dem Geständnis veranlaßt: „Es ist eine der sichersten Thatsachen der Weltgeschichte, daß Jesus, der Gekreuzigte, in Herrlichkeit seinen Jüngern erschienen ist; mögen wir nun diese Thatsache so oder anders oder gar nicht oder doch nie vollkommen begreifen können. „ Wir dürfen hiemit den Beweis für den Satz, den wir an die Spitze dieses Vortrags stellten, für geliefert erachten und können uns nunmehr zum zweiten Theil unserer Rede wenden, welcher das Wichtigste von dem darlegen soll, was mit innerer Nothwendigkeit aus der Thatsache der Auferstehung Christi folgt. Wir ziehen eine doppelte Reihe von Folgerungen, rückwärts und vorwärts, und zwar jedesmal drei. Rückwärts schließen wir auf das Wesen Gottes und Christi und der vorbereitenden, alttestamentlichen Offenbarung.

Fragen wir zuerst: wie ist die Auferstehung Jesu zu erklären? was läßt sich als wirkende Ursache davon denken? so gibt es nur Eine vernünftige Antwort. Wir finden uns an die Kraft des allmächtigen Gottes gewiesen, der allein das Todte lebendig machen kann. Daraus, daß Etliche von Gott und seiner Kraft Nichts wissen, leiten Jesus und Paulus gemeinsam die Leugnung der Auferstehung hin (Matth. 22, 29. 1 Cor. 15,34.). Die Auferstehung Jesu ist eine faktische Widerlegung des Pantheismus, der einen überweltlichen, wunderwirkenden Gott leugnet. Aber nicht nur diese gegenwärtig herrschende Form des Irrthums über Gott wird dadurch widerlegt, sondern auch jene Denkweise des früheren Rationalismus, in der die Älteren unter uns noch aufgewachsen sind, der sogenannte Deismus, der zwar einen überweltlichen, persönlichen Gott und Schöpfer annimmt, aber behauptet, derselbe führe nach vollendeter Schöpfung ein von der Welt abgesondertes Dasein über den Sternen oder regiere die Welt doch nur nach den Gesetzen des gemeinen Naturlaufs, so daß das Todte todt bleiben müsse und überhaupt Wunder unmöglich seien. Beide Irrthümer, dem Wesen nach einander entgegengesetzt, stimmen doch in ihrem Resultat, in der Leugnung der Wunder und der Auferstehung, zusammen und müssen daher vor dieser, die wir nun als eine Thatsache kennen gelernt haben, verstummen. Die Wahrheit überwindet aber den Irrthum nicht dadurch, daß sie ihn einfach beseitigt, sondern dadurch, daß sie die Mischung von Wahrheit und Lüge, aus welcher der Irrthum besteht, auflöst und mit Enthüllung der Lüge dem in dem Irrthum verborgenen Wahrheitselement zu seinem Rechte hilft. Gewöhnlich entsteht der Irrthum dadurch, daß er nur Eine Seite der Wahrheit hervorhebt und diese für das Ganze nimmt, weswegen sich ihm dann der entgegengesetzte Irrthum ebenso einseitig gegenüberstellt. Die Wahrheit liegt alsdann in einem höheren, dritten Begriffe, welcher die beiden im Irrthum auseinander getretenen Seiten mit Ausschluß der Einseitigkeit zu lebendiger Einheit verbindet. So verhält es sich mit dem wahren, christlich-theistischen Gottesbegriff im Gegensatz zum pantheistischen und deistischen. Er schließt die Ueberweltlichkeit Gottes, welche der Deismus, und seine Innenweltlichkeit, welche der Pantheismus geltend macht, zusammen. Gott ist der absolut selbständige, persönlich lebendige, überweltliche Geist, der aber eben als Geist die Welt zugleich von innen heraus durchhaucht und mit Leben erfüllt, so daß Er auch in der Welt ist und die Welt in Ihm lebt, webt und ist. Weil er in der Welt ist als ihr Lebensquell, darum kann er fortwährend in ihr wirken und schaffen, und weil er über der Welt ist und in sich selbst ein höheres Leben hat als sie, darum kann er Neues in ihr schaffen, das Todte beleben und ihr sein eigenes, höheres Leben mittheilen. Das hat er in der Auferweckung Christi gethan, durch welche das vollkommene Geistesleben Gottes in dem Menschensohn Jesus zur Mittheilung an die Welt hergestellt ist. Wie Gott aus dem finstern, wüsten Chaos die Welt als harmonisch geordneten Kosmos gebildet, wie er durch die Erschaffung des freien, gottebenbildlichen Menschen über der Natur das Reich der Geschichte gestiftet hat, so gründet er über diesem durch die Auferweckung Christi wieder ein neues Reich, das Reich des verklärten, vollendeten Lebens. Nur dann haben wir einen wirklich lebendigen und lebendigmachenden Gott, wenn derselbe nicht bloß der Schöpfer, sondern auch der Erneuerer und Vollender der Welt ist.

Was folgt aber aus der Auferstehung Christi für diesen selbst? Er ist durch diese Thatsache, durch welche sein ganzes Dasein auf eine neue, höhere Stufe des Lebens erhoben wurde, als das persönliche Wunder erwiesen. Ist Christus auferstanden, so gibt es keinen vernünftigen Grund, seinen göttlichen Ursprung zu leugnen, wohl aber die stärksten Gründe, ihn anzunehmen: der übernatürlichen Zeugung in das neue Leben des Geistes wird die übernatürliche Zeugung in's Fleisch im Leibe der Maria entsprechend zur Seite treten. Ebenso natürlich ist es dann, daß wir zwischen den Wundern des Anfangs und des Endes, welche an der Person Jesu geschehen sind, eine Reihe von Wundern erzählt finden, die er selbst gethan hat. Die Auferstehung Jesu ist also auch die wesentliche Begründung der Glaubwürdigkeit der evangelischen Wunderberichte. Nur das könnte befremden, wenn ein solcher Mann, den Gott selbst auf wunderbare Weise in's natürliche wie in's höhere Dasein eingeführt hat, nicht mit Wunderkraft ausgerüstet gewesen wäre und keine göttlichen Machtthaten verrichtet hätte. Kurz, Jesus Christus ist, wie Paulus sagt, durch seine Auferweckung von den Todten mit Macht erwiesen als Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligkeit (Röm. 1,4.). Und wenn nun dieser Jesus selbst uns seine Gottessohnschaft in dem Sinne verstehen lehrt, daß er schon vor seiner Erscheinung auf Erden, ja vor Grundlegung der Welt beim Vater gewesen sei und Seiner Liebe sich in göttlicher Herrlichkeit erfreut habe (Joh. 17,5. 24.), wenn er sich selbst mitten zwischen den Vater und den h. Geist hineinstellt als eine der drei göttlichen Heilsquellen für die Menschheit (Matth. 28,19.): so wird es nur vernünftig sein, diesen Selbstaussagen des also beglaubigten Mannes Vertrauen zu schenken. Eben damit aber sind wir zum Glauben an die Gottheit Christi und an die göttliche Dreieinigkeit geführt. Nicht nur als lebendig theistischer, sondern auch als trinitarischer findet der christliche Gottesbegriff durch die Auferstehung Jesu seine Bewährung.

Nur mit einigen Worten lassen Sie mich endlich andeuten, was aus der Auferstehung Christi für die alttestamentliche Offenbarung folgt, über welche ich neulich ausführlicher zu Ihnen geredet habe. Was damals in Kürze über die alttestamentlichen Wunder bemerkt wurde, gewinnt hier eine neue Bestätigung. Ist Christus überhaupt das Licht, von welchem aus das Alte Testament erst seine rechte Beleuchtung und sein tieferes Verständnis empfängt: so ist seine Auferstehung das Urwunder, durch welches auch die alttestamentlichen Wunder von selbst ihre Beglaubigung erhalten. Ich kann hier nicht näher darauf eintreten, wie die beiden Linien der vorbereitenden Offenbarung, die Herablassung des Göttlichen in den himmlischen Erscheinungen und die Emporhebung des Menschlichen in der Prophetie, in Christo, dem Auferstandenen, zusammenlaufen. Auch daran will ich nur erinnern, daß in Ihm die Weissagungen des Alten Bundes sich zu erfüllen beginnen, von jenem ersten Evangelium an, daß des Weibes Same der Schlange den Kopf zertreten soll, bis herab auf Jesajas Wort von der Verschlingung des Todes auf ewig und vom Knechte Jehovas, der nach seinem Opfertode lange leben und des Herrn Werk vollenden soll (Jes. 25,8. 53,10.). Aber das ergibt sich auf dem Wege des strengen logischen Schlusses sogleich, daß, wenn sich Gott durch die Auferweckung seines Sohnes als der Wundergott erwiesen hat, wir seine Wundermacht auch auf dem vorbereitenden Offenbarungsgebiete anzuerkennen haben. Sind seine Wunder dort auch anderer, äußerlich kolossalerer Art als im Neuen Testament, so liegt dies nicht nur, wie früher gezeigt, im Wesen des Alten Bundes, sondern es steht auch dem Geschöpf überhaupt nicht zu, dem Schöpfer und Herrn der Welt eine Linie zu ziehen, wie weit seine Wunder gehen dürfen. Wir wollen uns also durch die Auferweckung Jesu auch zum Alten Testament neuen Muth machen lassen und jener schlechten Logik den Abschied geben, die wohl etwa im Neuen Testament, nicht aber auch im Alten die Wunder Gottes anerkennen will.

Wir wenden uns nun zu der zweiten Reihe von Folgerungen aus der Auferstehung Jesu. Drei Fragen sind es, welche uns hier noch zur Beantwortung vorliegen. Was folgt aus der Auferstehung Jesu für sein ferneres Dasein? was für sein Wirken in der Gegenwart? was für die Zukunft?

Auferstanden ist Christus d. h. er hat nicht bloß der Seele oder dem Geiste nach fortgelebt nach seinem Tode, sondern sein Leib ist wieder mit dem Geiste vereinigt worden, und zwar nicht mehr in Weise des irdisch-fleischlichen Daseins, wie es Jesus selbst vor seinem Tode, oder wie es ein Jüngling von Nain und ein Lazarus auch nach ihrer Auferweckung führten, sondern so, daß nun auch der Leib von der himmlischen Kraft und Herrlichkeit des Geistes durchdrungen und verklärt wurde (vgl. 1 Cor. 15,42-44.). Der geistliche Leib ist nicht mehr von der groben Schwere und Stofflichkeit der Erde beherrscht, daß er den Geist selber beschwert, hemmt und niederzieht; sondern er ist zum völlig freien und lichten Werkzeug des Geistes geworden, daß der Wille nun unbedingte Macht über ihn hat. Daher sehen wir den Auferstandenen durch verschlossene Thüren eintreten, seine Gestalten wechseln, erscheinen und verschwinden, wie er will. Und bei dieser völligen Ungehemmtheit durch die Schranken des Raums und der Materie kann er doch auf der andern Seite sich betasten lassen und mit gewöhnlichen Menschen essen. Denn er vermag jetzt seinem Leib vermöge der freien Macht des Geistes über denselben die für die jedesmaligen Umstände und Zwecke passende Erscheinungsform zu geben. Dies ist freilich etwas unserm gewöhnlichen Vorstellungskreise Fremdes und Neues. Aber das soll es auch sein. Eben um ein neues, höheres Leben für die in den Welt- und Fleischesbann herabgesunkene Menschheit handelt es sich. Und denken wir nur tiefer und schärfer nach, so erweist sich auch hier das von der Schrift bezeugte Wunder als das wahrhaft Vernünftige, indem dadurch das Wesen des Menschen erst zu der seiner Idee und Bestimmung entsprechenden Vollendung geführt wird. Das ist ja das Verkehrte unseres Sündenzustandes, daß die höheren Elemente unseres Wesens, die geistigen, unter die Herrschaft der niederen, sinnlichen Elemente gerathen sind. Es ist der Zustand, den die Schrift so treffend mit dem Worte Fleisch bezeichnet, und der, weil nur der Geist, durch den wir mit Gott zusammenhängen, das Leben uns vermitteln kann, den Tod zur unvermeidlichen Folge hat. Wenn uns nun von der Thatsache berichtet wird, daß das höhere, bessere Theil unseres Wesens von dem Banne des Niedrigen, Thierischen in uns freigeworden, ja zur vollen, uneingeschränkten Herrschaft darüber gelangt, daß an die Stelle des Fleisches und Todes Geist und Leben getreten sei: wie sollten wir eine solche Botschaft anders als mit Freude und Jubel begrüßen? Gewiß, wir hätten mit unsern Mitteln und Kräften solches nicht zu Stande bringen, wir hätten mit den Begriffen unserer Vernunft es nicht ersinnen können; nun es aber Gott vermöge seiner schöpferischen Macht und Liebe gethan hat, darf ihm wahrlich die dankbare Zustimmung, auch unseres Denkens, nicht fehlen. Denn nicht etwas Dunkles, Willkürliches, Unvernünftiges hat er uns in dem auferstandenen Christus in unsere Welt hereingestellt, sondern dieser ist vielmehr das Licht der Welt, das allein alle Dunkelheit und Finsternis zerstreut und alle Räthsel und Fragen unsers Daseins löst. In Ihm ist der düstere Höllenzauber, der die Menschheit gebunden hielt, gelöst; in Ihm ist sie zu sich selbst befreit, zu ihrem wahren Wesen gelangt, weil sie jetzt wieder mit Gott in voller, ungetrübter Lebensgemeinschaft steht. Er ist das eigentliche Kleinod unseres Geschlechts, der Bürge unserer ewigen Vollendung. Fürwahr, zujauchzen sollten wir dem Lebensfürsten, wie er uns in dem leuchtenden Glanze des Ostermorgens entgegentritt, und nicht seine Erscheinung nach den engen und dürftigen Maßstäben unseres Erdenhorizontes messen und bekritteln. Es gibt Manche unter uns, welche sich von der Ansicht, daß mit dem Tode Alles aus sei und dem Menschen keine persönliche Fortdauer nach demselben zukomme, mit gerechter Entrüstung abwenden, aber darum doch an der Lehre von der Auferstehung des Leibes Anstoß nehmen und sich mit der Unsterblichkeit der Seele begnügen zu wollen erklären. Das ist wiederum die Meinung des früheren Rationalismus, welchem noch viele unserer älteren Zeitgenossen als einem Erbstück aus ihrer Jugend ergeben sind. Unstreitig ist diese Ansicht viel würdiger als der neuere, pantheistisch-materialistische Wahn, der den Menschen hinsterben läßt wie ein Thier. Aber doch ist auch sie ein Irrthum, eine Einseitigkeit, weil man dabei nur den einen Bestandteil des Menschen, die Seele, zu seinem Rechte kommen läßt und die Bedeutung des Leibes verkennt. Dieser spiritualistischen Anschauung, welche den Menschen zu ausschließlich als geistiges Wesen betrachtet, tritt dann als das andere Extrem der Materialismus gegenüber, der die Rechte des Leibes geltend macht, aber mit solcher Uebertreibung, daß der Geist nichts Anderes sein soll als der Inbegriff der höheren Thätigkeiten des Leibes, so daß selbstverständlich mit der Auflösung des Leibes auch die des Geistes eintritt. Es ist unschwer einzusehen, daß diese beiden Anschauungsweisen, der Spiritualismus und der Materialismus, dieselben einander entgegengesetzten Irrthümer in Bezug auf das Wesen des Menschen sind, wie der Deismus und Pantheismus in Bezug auf das Wesen Gottes. Der Pantheismus läßt Gott in der Welt, der Materialismus läßt die Seele im Leib aufgehen, sowie umgekehrt der Deismus Gott der Welt und der Spiritualismus die Seele dem Leib in unlebendiger Trennung gegenüberstellt. Die wahre, biblische Anschauung vereinigt auch hier wieder die Wahrheit der beiden Extreme, indem sie das Falsche daran beseitigt. Sie läßt nicht bloß dem Geist, sondern auch dem Leibe sein Recht widerfahren; aber sie macht nun diesen nicht zur Hauptsache, sondern sie erkennt im Geist ein selbständiges, höheres, aus Gott stammendes Wesen, welches am Ende auch den Leib mit seiner Kraft und Herrlichkeit erfüllt, so daß der Leib als verklärter Geistesleib ein ewiges, unverwesliches Leben gewinnt (1. Cor. 15,42—44.). So gelangt in der Auferstehung der ganze Mensch nicht nur nach einer, sondern nach allen Seiten seines Wesens zur Vollendung. Und das ist es, was wir in der Auferstehung Christi urbildlich hergestellt und für Alle, die im Glauben und Geist mit ihm eins werden, verbürgt finden.

Das verklärte Geistesleben, in welches der Auferstandene eingegangen ist, ist wesentlich himmlisches Leben im Gegensatz zum irdisch-fleischlichen. So kann ihn jetzt die Erde nicht mehr halten, und als natürliche Folge schließt sich an Jesu Auferstehung seine Himmelfahrt. Hier tritt uns aber ein von der neueren Astronomie hergenommener Einwand entgegen. Wir wissen jetzt, sagt man, daß der Himmel, den eine veraltete Weltanschauung der Erde entgegenzustellen pflegte, aus zahllosen Sternenwelten besteht, in deren Kreisen die Erde als einer der kleinsten Planeten schwebt.

So sei der frühere Gegensatz von Erde und Himmel in den Begriff des Weltgebäudes aufgelöst, und von einer Himmelfahrt könne nicht mehr die Rede sein. Aber wir dürfen nur ein wenig schärfer nachdenken und zwischen Himmel und Himmel gehörig unterscheiden, so wird der hier vorliegende Trugschluß sich leicht aufdecken und zerstreuen. Der Himmel, in welchen Christus gefahren ist, ist der unsichtbare Geisterhimmel, während der Sternenhimmel noch mit zur sichtbaren, materiellen Welt gehört. Beides ist so wesentlich verschieden als Geist und Materie, Unsichtbares und Sichtbares. Mögen sich die Sternenwelten noch so weit ausdehnen, das hindert nicht, daß es ein noch wesentlich anderes, höheres Gebiet des Daseins gibt, eine Offenbarungsstätte Gottes in der Fülle seiner Herrlichkeit, ein Reich des vollkommenen Geistlebens, ein Vaterhaus mit vielen Wohnungen, dem auch die Engel und die Geister der vollendeten Gerechten angehören (Joh. 14,2. Hebr. 12,22-24.). Dorthin ist Jesus eingegangen, indem er, wie Paulus sagt, aufgefahren ist hoch über alle Himmel (Eph. 4,10.). So wenig das Gesetz der Schwere den Vogel am Fliegen hindert, so wenig steht der Kopernikanische oder Herrschel'sche Himmel der Himmelfahrt Christi im Wege. Wo höhere Kräfte und Gesetze walten, da treten die niedrigeren von selber zurück.

Ueber alle Himmel ist Christus emporgestiegen und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe. Kein geringerer Platz gebührt dem Sohne Gottes. Er ist aufgenommen in die volle Theilnahme an der Herrlichkeit und Herrschaft des göttlichen Thrones. Der Vater hat zu ihm gesprochen: Alles, was mein ist, das ist dein (Joh. 17,10. 16,15.). So wissen wir ihn nun droben, nicht nur ein unvergängliches Leben lebend, sondern die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig in sich tragend (Röm. 6,9. Col. 2,9.). Kein Mensch hat ihn auf den Thron Gottes emporgehoben, sondern Gott hat ihn erhöhet und ihm einen Namen über alle Namen gegeben (Phil. 2,9.). Darum kann ihn auch kein Mensch von seinem Thron herunterstoßen; keinerlei Macht vermag ihm etwas anzuhaben; er ist völlig unverwundbar durch geistige nicht minder als durch äußere Waffen. Darauf beruht unsere unverwüstliche Zuversicht zum Christenthum. Denn was ist am Ende das Christenthum anders als der lebendige Christus selbst, der zur Rechten Gottes sitzt? Gegen Ihn anzulaufen, das heißt in der That, einen Felsen mit Papierschnitzeln umwerfen wollen. Da gilt das alte Psalmwort: Der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer; und das andere: Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege (Ps. 2,4. 110,1.).

Was ist nun jetzt die Thätigkeit des Erhöhten? Das ist unsere zweite Schlußfrage. Er ist auch in seiner himmlischen Herrlichkeit noch der Mittler zwischen Gott und der Welt. Er tritt im Namen der Menschen vor Gott als Priester und im Namen Gottes vor die Menschen als König, der die ganze Welt sich unterthan zu machen hat, indem er sie mit dem göttlichen Leben erfüllt. Er stellt in seiner ganzen Person die vollbrachte Versöhnung der Welt vor Gott dar, ja er ist selbst die Sühnung für unsere Sünden, so daß die Seinen in ihm einen priesterlichen Fürsprecher haben, der sie beim Vater vertritt, und der immerdar selig machen kann, die durch ihn zu Gott kommen (l Joh. 2,1. 2. Röm. 8,34. Hebr. 7,25.). Aber während dies sein priesterliches Wirken in der Tiefe des Himmels verborgen und nur dem Glauben erkennbar ist, offenbart sich dagegen sein königliches Walten auf Erden.

Aber wie? höre ich hier fragen, es ist schon bald zweitausend Jahre, daß Christus sich auf den Thron Gottes gesetzt hat, und doch sehen wir noch nicht, daß ihm Alles unterthan sei (vgl. Hebr. 2,8.); wir sehen im Gegentheil noch außerordentlich viel böses, ungöttliches und unchristliches Wesen in der Welt herrschen. Wie reimt sich das mit dem Königthum dessen, der doch mit göttlicher Allgewalt regieren soll? Antwort: In der Welt ist Alles den Gesetzen der Entwicklung, des allmähligen Wachsthums von innen heraus unterworfen. So hat Jesus selber sich entwickelt von der Niedrigkeit der Krippe und des Kreuzes bis zu der Herrlichkeit der Auferstehung und des Sitzens zur Rechten Gottes. Den nämlichen Gang geht nun auch sein Reich. Auch dieses schreitet von der Niedrigkeit und Kreuzesgestalt allmählig bis zur höchsten Herrlichkeit fort, indem sich Jesus stufenmäßig in großen Entwicklungsperioden die Welt unterwirft.

Gleichwohl ist auch jetzt schon gar manche helle Spur seiner königlichen Macht in der Geschichte der Menschheit zu sehen. Ein König bewährt seine Herrscherkraft und Herrschertugend auf zweifache Weise, durch segensreiche Regierung im Innern und durch siegreiche Bekämpfung der Feinde nach Außen. So erweist sich auch Christus in der Weltgeschichte als König durch Segnen und Richten.

Wir rechnen unsre Jahre und Jahrhunderte von der Geburt Christi an. Dadurch ist die ganze Weltgeschichte unter Seine Führung gestellt; sie theilt sich in die Zeit vor und nach Christus. Die gesamte gebildete Welt feiert seine Geburt, seinen Tod, seine Auferstehung und Himmelfahrt, und nach diesen Festen theilt sich uns das Jahr. Jede Woche endlich beginnt mit dem Sonntag als dem Gedächtnistag seiner Auferstehung. So ist unser ganzes Leben schon äußerlich von seinem Namen beherrscht und getragen. Es gibt Niemand weder aus der alten noch aus der neuen Geschichte, dem auch nur entfernt ähnliche Ehre und Huldigung zu Theil geworden wäre. Bekanntlich machte vor noch nicht 70 Jahren das französische Volk den Versuch, die christliche Zeitrechnung abzuschaffen; aber nach wenigen Jahren gab man dieses Beginnen von selber wieder auf. Drückt sich nicht in dem allem ein königliches Walten Christi über die Nationen aus? Und welche Nationen sind es nun, die er beherrscht? Es sind nicht diese oder jene unbedeutenden, ungebildeten, in einem Winkel der Erde verborgenen, sondern diejenigen Völker, welche den Namen Christi bekennen, vereinigen in sich die höchste Macht und die höchste Bildung der Welt, sie stellen geradezu die höhere Menschheit in sich dar. Wir dürfen uns nur an die Türkei oder an China erinnern, was ja in ihrer Art auch große und kultivierte Reiche sind, die aber nicht auf dem Christenthum, sondern auf muhamedanischer und heidnischer Religion beruhen. Die Türkei lebt nur noch von der Gnade der christlichen Mächte, und in jenem fernen Reiche von 3-400 Millionen Menschen sahen wir vor Kurzem eine Handvoll christlicher Soldaten ausreichen, um den Kaiser zu vertreiben, seinen Palast auszuplündern und seine Hauptstadt zu erobern. Es dürfte Einer von uns nur einmal etliche Jahre in einem nichtchristlichen Lande leben, und könnte es auch das vielgepriesene, alte Griechenland sein, er würde bald erkennen, was es doch heißt, in christlicher Atmosphäre zu leben. Doch die sittliche und sittigende Macht des Christenthums brauchen wir nicht erst lange den Gegnern zu beweisen, sind doch sie selbst die besten Zeugen davon, indem sie so großes Gewicht darauf legen, daß sie an den sittlichen Wahrheiten des Evangeliums festhalten. Der Irrthum liegt hier nur darin, daß man meint, den Baum umhauen und doch auch noch in ferneren Jahren seine Früchte pflücken zu können.

Auf die gezeigte Weise bewährt der himmlische König-seine segnende Macht auch da, wo man zunächst nur äußerlich sich seinem Scepter unterstellt. Ebenso bewährt er sich als Richter, indem er seine Feinde, einen nach dem andern überwindet, sowohl diejenigen, welche mit politischer Macht, als diejenigen, welche mit geistigen Waffen wider ihn streiten. Zuerst erhob sich das Judenthum gegen das Christenthum, die ersten Märtyrer starben zu Jerusalem; aber diese Stadt wurde zerstört, und das jüdische Volk ist noch heute in alle Welt zerstreut. Dann trat das Heidenthum in die Schranken, ausgerüstet mit der ganzen Macht des Römerreichs, und die Christenverfolgungen gingen vom ersten bis zum vierten Jahrhundert fort; aber das Ende war, daß die ganze römische Welt, wie die ihr folgende germanische, dem Christenthum zufiel. Im siebenten Jahrhundert erhob sich der Islam und wurde bald eine bedeutende Weltmacht, welche die christliche Kirche ein volles Jahrtausend hindurch an vielen Orten ängstigte und große Stücke von ihrem Leibe riß; aber heute liegt die muhamedanische Macht längst in Trümmern, und den Christen gehört die Welt. Nicht anders ist es den wissenschaftlichen Gegnern des Christenthums gegangen. In den ersten Jahrhunderten unsrer Zeitrechnung wurde dasselbe von heidnischen Philosophen, wie Celsus und Porphyrius, mit allen Mitteln des Scharfsinns bekämpft; aber sie vermochten den Welteroberungsgang des Reiches Christi nicht aufzuhalten. In neuerer Zeit traten die nämlichen Angriffe innerhalb der Kirche hervor und machten in den letzten Jahrhunderten die Runde durch die gebildetsten Völker. Im 16. Jahrhundert war es der Humanismus in Italien, im 17. der Deismus in England, im 18. der Materialismus in Frankreich, im 19. der Rationalismus in Deutschland, welche gegen das Christenthum zu Felde lagen. Diese Erscheinungen alle sind vorübergegangen, das Evangelium ist noch heute frisch und kräftig und breitet sich in unserm Jahrhundert mit neuer Energie bis in die fernsten Weltgegenden aus. Die schärfsten Waffen der Critik und Philosophie sind geschwungen worden, die genialsten Systeme traten nach einander auf den Schauplatz; aber sie haben sich selbst gegenseitig ab- und aufgelöst und - sind dahingegangen. Sie mußten nur dazu dienen, daß die christliche Wahrheit vielseitiger durchforscht, tiefer begründet, freier erwiesen, kräftiger bezeugt wurde. Und so wird der Herr, wenn einmal das Antichristenthum alle seine Kräfte zusammennimmt und sein letztes Geheimnis offenbart, auch auf dem Plane sein mit seiner richterlichen Majestät, und der bloße Hauch seines Mundes wird die Widerwärtigen verzehren.

So ist die ganze christliche Geschichte die Erfüllung jenes Wortes, das Jesus in seiner tiefsten Erniedrigung sprach: Von nun an werdet ihr sehen des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft (als König) und kommen in den Wolken des Himmels (als Richter). Aber freilich ist die bisher betrachtete Unterwerfung der Welt unter das Scepter Christi noch nicht diejenige, die da werden soll; auch die christliche Welt ist noch Welt, worin viel ungöttliches und unchristliches Wesen im Großen und Kleinen im Schwange geht. Die segensreichen Wirkungen, welche das Christenthum auf die Bildung und Gesittung der Völker ausübt, sind nur Wirkungen zweiter Ordnung. In erster Linie bezweckt und bewirkt der himmlische König noch etwas viel höheres, die Wiedergeburt der Menschen aus dem h. Geist. Nun er durch die Rechte Gottes erhöhet ist und empfangen hat die Verheißung des h. Geistes vom Vater, hat er ausgegossen dies, das ihr sehet und höret. So sprach Petrus am ersten Pfingstfest (Apg. 2,33.), und damit hat er das innerste Wesen des königlichen Waltens Christi bezeichnet. Weil der verklärte Menschensohn jetzt selber Geist ist wie Gott (2. Cor. 3,17. Joh. 4,24.), weil er auch seine Menschennatur in die göttliche Geistesherrlichkeit eingeführt hat, darum ist er nun der persönliche Geistesquell für die Menschheit geworden. Durch ihn strömen die ewigen Kräfte Gottes in die Menschheit ein; weil er hingegangen ist zum Vater, darum konnte der Tröster zu uns kommen (Joh. 16,7.). Nun ist seit dem ersten Pfingstfest der h. Geist da in der Menschheit, so weit sie an Jesum glaubt; und dies ist eigentlich das Große und Neue, was wir als die Hauptfrucht seiner Auferstehung und Himmelfahrt anzusehen haben. Wer diesen Geist in sich trägt, der ist erst im vollen Sinne des Wortes ein Unterthan des himmlischen Königs, weil er ein Glied an ihm, dem Haupte, ist. Der h. Geist als das in die Menschheit ausgegossene göttliche Lichtleben ist auch der fortgehende Thatbeweis dafür, daß Jesus nicht im Tode geblieben ist, sondern in ewiger Herrlichkeit lebt. Dieser Geist ist eine Realität, ja die Realität aller Realitäten in der Welt. Das kann Jeder erfahren, wer nur will. Um seinetwillen konnte und kann die Kirche von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden; in seiner Kraft sind allen Abirrungen und Verkehrtheiten gegenüber immer wieder Reformatoren und Wahrheitszeugen in der Christenheit aufgetreten. Und sollte es denn uns so schwer werden, uns von der Realität des h. Geistes zu überzeugen? Gerade wir hier in Basel haben mancherlei Gelegenheit den Beweis des Geistes und der Kraft kennen zu lernen. Ich darf es als ein Nichtbasler zum Lobe Gottes, nicht der Menschen, wohl aussprechen, was meine Erfahrung ist und was mir auch schon Studenten, die von auswärts hieher kamen, bezeugt haben: es ist in unsern Kirchen, bei unsern christlichen Vereinen, Anstalten und Männern, bei der Liebesarbeit, die dem Verlornen nachgeht bis an die Enden der Erde, etwas vom Wehen des h. Geistes zu spüren. Man kann freilich mitten am Tag das Auge schließen und dann behaupten, es sei Nacht; Blindheit ist gleich der Finsternis; aber die Sonne steht darum doch am Himmel. So ist es auch mit dem heiligen Geist.

Wenn sich aber auch der erhöhte Herr durch alles Besprochene äußerlich und innerlich als König beweist, so ist dies doch allerdings noch lange nicht die volle Offenbarung seiner Königsmacht. Noch immer sind große Gegensätze vorhanden, die zu überwinden sind: der Gegensatz von Kirche und Welt, in der Kirche selbst der ihrer inneren Geistesherrlichkeit und ihrer äußeren Schwachheit und Unvollkommenheit, wie in jedem einzelnen Christen der Kampf zwischen Geist und Fleisch. In dem Auferstandenen ist uns aber die persönliche Bürgschaft gegeben, daß diese Gegensätze noch alle sollen aufgehoben und das vollkommene Leben, das Er selber lebt, in der ganzen Welt hergestellt werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, die verschiedenen Stufen der Auferstehung und Weltvollendung näher darzulegen, wie sie Paulus als Frucht der großen Osterthatsache namhaft macht: Der Erstling Christus, darnach die Christo angehören, wenn er kommen wird, darnach das Ende (1. Cor. 15,23. 24.). Nur auf dieses Ende, auf das letzte Ziel der Weltentwicklung lassen Sie mich zum Schluß noch mit einem Worte aufmerksam machen!

Die Auferstehung Jesu Christi ist der lebendige Grund und Anfang einer verklärten Welt, eines neuen Himmels und einer neuen Erde, darauf Gerechtigkeit wohnet, eines Zustandes der inneren und äußeren Lebensvollendung, wo die Thränen von allen Angesichtern abgewischt sein werden, weil Sünde und Tod und alle widerstrebenden Mächte zur Welt hinausgeschafft sind, und Gott mit seiner unaussprechlichen Herrlichkeit Alles in Allem ist (1. Cor. 15,28. 2. Petr. 3,13. Offenb. 21,1ff.). Diese Aussicht erst gibt uns für unsere geschichtliche, sittliche und religiöse Weltbetrachtung im Allgemeinen, wie für unser Einzelleben das rechte Licht. Nur so gewinnt die Weltgeschichte einen befriedigenden Abschluß, ein menschenwürdiges Ziel, bei welchem unser Denken über ihre tausend Räthsel und Verschlingungen sich beruhigen kann. Unser sittliches Bewußtsein fordert, daß das Böse einmal wirklich überwunden werde und das Gute zur völligen Herrschaft in der Welt gelange; es fordert eine Ausgleichung zwischen Tugend und Glückseligkeit, eine völlige Harmonie zwischen Innerem und Aeußerem, Geistlichem und Weltlichem. Diese Forderungen sollen ihre Erfüllung, jedes wahre, in unser Gewissen geschriebene Ideal soll seine Verwirklichung finden. Wäre aber Christus nicht auferstanden, so hätten wir dafür keine sichere Bürgschaft. In der christlichen Hoffnung der Weltverklärung liegt endlich auch die wahre Theodicee d. h. die Rechtfertigung Gottes gegenüber von den vielen Unvollkommenheiten und Sünden in der Welt. Die Ehre Gottes erfordert es, daß er der creatürlichen Freiheit vollen Spielraum läßt, auch das Böse bis auf die äußerste Spitze zu treiben; und darin enthüllt sich gerade erst die ganze, unausdenkliche Fülle seiner Vollkommenheit, daß er alle Widerstände nur zu immer neuen Anlässen höherer Offenbarung seiner Liebe und seines Lebens zu machen und durch alle Hindernisse hindurch doch noch das ursprüngliche Schöpfungsziel zu erreichen weiß. Uns aber lehrt der Hoffnungsblick in die neue Welt erst die rechte Würdigung der gegenwärtigen und gibt uns so die wahre Regel für's Leben und den völligen Trost für's Sterben. Diese Welt mit ihren Gütern und Genüssen, mit ihren Geschäften und Sorgen ist nicht das Bleibende; sie flieht vorüber, ihr Wesen vergeht (1. Cor. 7,31.). Daß wir das Bürgerrecht in der neuen, ewigen Welt erlangen, das ist unsere irdische Aufgabe, das ist die echte Lebensklugheit. Dann sind wir auch getrost, wenn wir diese Welt verlassen müssen, oder wenn wir unsere Lieben vor uns hinscheiden sehen. Bei denen, die in dem Herrn entschlafen, geht es im Sterben nicht zum Tod, sondern zum Leben, zum ewigen Leben. Der Auferstandene wird im größesten Maßstabe, er will auch an uns allen sein Wort (Joh. 14,19.) erfüllen: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.

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