Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Vierte Predigt. Der Hochmut.

Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Vierte Predigt. Der Hochmut.

Würdigster Jesu, Ehrenkönig,
Du suchtest Deine Ehre wenig
Und wurdest niedrig und gering;
Du wandeltest vertieft auf Erden
In Demut und in Knechtsgebärden,
Erhobest Dich in keinem Ding.
Herr, solche Demut lehr
Auch mich je mehr und mehr
Stetig üben;
Jesu, ei nu,
Hilf mir dazu,
Dass ich demütig sei wie Du. Amen.

Text: 1 Mose III., V. 5.
Sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott, und wissen, was gut und böse ist.

Zweifel und Unglaube sind in Eva erwacht. Was ist davon die natürliche Folge? Keine andere als die, dass, wenn der Mensch nicht mehr an Gott glaubt, er an sich selbst glaubt, wenn er Gott erniedrigt und herabsetzt, er sich selbst erhebt und erhöht, wenn er keinen höheren Willen mehr über sich erkennt, er seinen eigenen Willen, seine Ehre, sein Glück zur allein bestimmenden und beherrschenden Richtschnur macht, kurz, dass er hochmütig und stolz und sein eigener Gott wird, der Alles besser, Alles allein weiß und nichts mehr von Andern annimmt. Das Dritte demnach, was die Schlange in Evas Seele weckt, ist der Hochmut oder das Trachten nach hohen Dingen. Lasst uns sehen, wie sie diese Gesinnung in ihr erweckt, 1) durch lügenhafte Versprechungen für die Menschen, und 2) durch falsche Verdächtigungen Gottes.

I.

Nachdem die Schlange ihre bestimmte kategorische Verneinung abgegeben hatte: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben“, fügt sie zu dieser Verneinung eine Bejahung hinzu, indem sie weitreichende Versprechungen den Menschen gibt, wenn sie ihr Gehör und Folge leisten würden und sich geradezu wie ein zweiter Gott benimmt, der da spricht, und es geschieht, der da gebeut1), und es steht da. Es ist ja einmal eine allgemeine Tatsache und Erfahrung, dass jeder Verführer Andere wieder zu seiner eigenen Sünde zu verführen sucht. Da nun der Hochmut oder das Streben nach Gottgleichheit die eigentliche Teufelssünde ausmacht, durch die er selbst zu Fall gekommen war, und diese Sünde gerade den höher gestellten Geistern um so näher lag, je höher sie gestellt waren, wie denn überhaupt bei einem rein geistigen Wesen kaum ein anderer Grund des Abfalls sich denken lässt, als diese geistige Sünde des Hochmuts, so suchte der Teufel ebenfalls die Menschen zu dieser Sünde zu verführen, um sie dadurch der Herrschaft Gottes zu entziehen und seiner eigenen Herrschaft untertänig zu machen, ihnen das Ebenbild Gottes zu rauben und sein eigenes Bild ihnen einzuprägen. Macht der Geiz den Menschen zum Stein, die Wollust zum Tier, so macht der Hochmut ihn zum Teufel.

Was verspricht nämlich die Schlange den Menschen?

Nichts Geringeres als: „Es werden eure Augen aufgetan werden, ihr werdet sein wie Gott, und wissen, was gut und böse ist“. Zuerst also: „Es werden eure Augen aufgetan werden“, die jetzt noch gebunden sind, ihr werdet viel mehr, als euch jetzt noch möglich ist, beobachten und wahrnehmen, werdet nicht nur in die sichtbare Welt, sondern auch ins Geisterreich mit euren Blicken eindringen, nicht bloß die Gegenwart, sondern auch die Zukunft überschauen und vorherwissen, und das Alles auf eine so gründliche und richtige Weise, wie Gott selbst. Ihr werdet mit euren bloßen Augen erkennen, was sonst nur das bewaffnete Auge wahrnimmt; ihr werdet Hörer und Propheten Gottes werden, wie es später von Bileam heißt: „Es sagt der Hörer göttlicher Rede, der des Allmächtigen Offenbarung sieht, dem die Augen geöffnet werden, wenn er niederkniet“ (4 Mos. 24,4.); ihr werdet rechte Hellseher werden, die in alle Geheimnisse der Natur und des Geisterreichs einzubringen vermögen. Ach, was werdet ihr mit euren geöffneten Augen alsdann Alles sehen, wenn ihr von dem Baum der Erkenntnis genossen habt! Das Auge ist an sich schon eine so köstliche Gabe, - und nun gar die geöffneten Geistesaugen! Welche Aussichten! Sie allein sind’s schon wert, das Wagstück zu unternehmen.

Sodann: „Ihr werdet sein wie Gott“, nicht mehr Gott ähnlich, sondern Gott gleich, nicht mehr nach dem Bild und zum Bild Gottes erschaffen, sondern selbst Götter, euch selbst genug; jetzt seid ihr noch von Gott abhängig und an Sein Gebot gebunden, dann werdet ihr unabhängig und frei sein, jetzt müsst ihr tun, was Gott befiehlt, und seid Untertanen und Sklaven eines höheren Willens, dann werdet ihr tun können, was ihr wollt, eure eigenen Herren sein und ungehindert eure Wünsche und Begierden nach allen Seiten hin befriedigen. Wer vertauschte nicht gern eine untergeordnete und abhängige Stellung mit einer höheren und selbstständigen, beföhle nicht lieber, als dass er gehorchte, täte nicht lieber seinen eigenen Willen, als dass er sich erniedrigte und wegwürfe unter fremde Befehle? Freiheit, Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, welche Güter! Möchtet ihr sie nicht besitzen? Nun, genießt von des Baumes Frucht, und sie sind euer.

Endlich: „Ihr werdet wissen, was gut und böse ist“. Wie? wussten denn das die Menschen nicht schon im Paradies und konnten sie damals nicht auch schon das Eine von dem Anderen unterscheiden? Unstreitig; sonst hätten Adam und Eva, die doch nach dem Ebenbild und der Gleichheit Gottes geschaffen, von Gott mit so vielen Vorzügen begabt waren und allen Tieren den Namen gegeben hatten, wie sie heißen sollten, weniger Vernunft besessen, als die unvernünftigen Tiere, welche gar leicht die gesunden und die schädlichen Kräuter durch inneren Instinkt zu unterscheiden verstehen, und wäre der Herr der sichtbaren Schöpfung unverständiger gewesen, als der Knecht. Adam und Eva wurden gewiss die Verschiedenheit der reinen Engel und der gefallenen Teufel gar bald inne, und fühlten sich zu jenen hingezogen und von diesen abgestoßen. Aber ein noch höheres Wissen versprach ihnen die Schlange, ein Gott gleiches Wissen, der nicht bloß das Gute und Böse an und für sich mit göttlicher Allwissenheit kennt, sondern auch ihren Ursprung, ihr Wesen, ihre mannigfaltigen Erscheinungen, ihre entscheidenden Folgen. Genug, lauter Fortschritte waren es im Können, im Sein, und im Wissen, die ihnen die Schlange verhieß, aufgetane Augen, gottgleiche Freiheit, tiefere Erkenntnis, und somit ein größerer Grad des Glücks, als ihnen bisher zu Teil geworden war! Verspricht das, Geliebte, nicht noch immer die Sünde, wenn sie uns versucht? und würde irgend ein Mensch sich in offenbare Vergehen hineinstürzen, wenn er nicht hoffte, seine Lage dadurch zu verbessern und zu vervollkommnen? Der Spieler, der Trunkenbold, der Wollüstling, der Dieb, hats ihnen nicht Allen der Teufel angetan, dass sie glauben, in der Ausübung ihres Verbrechens bestehe die rechte Freiheit, die wahre Klugheit, die höchste Tugend, das eigentliche Lebensglück? - Oder seht ab von diesen groben Verirrungen roher und entarteter Seelen, fasst mehr die geistigeren und feineren Fehler ins Auge, die wir uns Alle zu Schulden kommen lassen, die Sünden des Ehrgeizes, der Eitelkeit, der Selbstgerechtigkeit, der Eigenliebe, des Eigenwillens, des Eigennutzes, würden wir uns von ihnen täuschen und beherrschen lassen, wenn wir nicht in dem Wahn ständen: Hier ist das Höchste und Beste, das wahrhaft Große und Beglückende zu finden!? Immer knüpft die Sünde an dieses Streben nach der Höhe, Tiefe und Weite, das in unserer Natur liegt, an; immer weckt sie es zuerst, um uns nachher zu ihrer Ausführung um ihres Zweckes willen zu verleiten.

Was die Rede der Schlange so gefährlich machte, das war der Schein der Wahrheit, der in derselben lag. Die Augen der ersten Menschen waren in gewisser Beziehung wirklich noch verschlossen, sofern sie nämlich die. entsetzlichen Folgen der Sünde, weder die inneren, noch die äußeren und ewigen, kannten, sondern aus der Drohung: „Ihr werdet des Todes sterben“ nur erst einigermaßen und gar dunkel ahnten; aber sie waren glücklich zu preisen, so lange sie sie noch nicht unmittelbar kennen gelernt hatten, welch eine Hölle liegt später in den Worten: „Da wurden ihrer Beider Augen aufgetan und wurden gewahr, dass sie nackt waren und das anerschaffene göttliche Ebenbild verloren hatten“! Auch waren sie noch nicht wie Gott, nicht Gott gleich, nur Gott ähnlich; ihre Freiheit und Selbstständigkeit noch keine solche, wo ihr Wille und Gottes Wille Eins waren und sie Sein Gesetz vollbrachten zugleich als ihr eigenes Gesetz, sondern nur eine solche, wo der Wille Gottes von ihnen erst vollbracht als Gottes Wille und nicht als ihr eigener, und sie noch unter dem Gesetz standen, aber nicht mit dem Gesetz lebten; doch diese kindliche demütige Abhängigkeit war ihre Seligkeit, welch ein Augenblick voll Tränen und Reueschmerzen ging ihnen und in ihnen all ihren Nachkommen auf, als es hieß: „Siehe, Adam ist geworden als unser Einer und weiß, was gut und böse ist; nun aber dass er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch vom Baum des Lebens und lebe in seinen Sünden ewiglich, da stieß ihn Gott aus dem Garten Eben und trieb ihn aus“.

Endlich wussten sie auch noch nicht aus eigener entsetzlicher Erfahrung, was gut und böse ist, denn sie hatten ja noch nicht gesündigt, sondern nur durch Wahrnehmung und Beobachtung am Teufel und seinen gefallenen Engeln; aber gerade dies Wissen des Bösen, als eines fremden, außer und nicht in ihnen Vorhandenen, war ihr Friede, ihr Glück, ihr Paradies, wie fürchterlich, als Adam nachher gestehen musste: „Ich hörte Deine Stimme im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich!“ Wie gern hätten sie später die gebundenen Augen, die Abhängigkeit von Gott, das Nichtwissen des Guten und Bösen sich zurückgewünscht, wenn es irgend möglich gewesen wäre!

Hinter dem Schein der Wahrheit, welchen die Schlangenrede um sich her verbreitete, lag jedoch die frechste Lüge von der Welt, wie sie nur aus der Hölle stammen kann; die Vorspiegelungen und Versprechungen der Schlange waren kein Fortschritt für die Menschen, sondern ihr größter Rückschritt; ihre Augen wurden durch dieselben nur nach der dunklen Seite der Sünde hin aufgetan, aber nach der hellen Seite der ewigen Wahrheit hin so völlig verfinstert, dass sie sich nach vollbrachter Tat einbildeten, Gott sei nicht allwissend und allgegenwärtig und sie könnten sich vor ihm verstecken; sie wurden Gott nicht gleich durch die Sünde, wohl aber ihrem Verführer, dem Teufel, in all seinen satanischen Kräften und Eigenschaften, und verloren die ursprüngliche Unschuld ihrer Natur; sie verlernten sogar den Unterschied des Guten und Bösen, dass sie das Böse für gut und das Gute für böse hielten, und die richtige Erkenntnis der Einen wie des Anderen nahm in der Folge so ab, dass endlich die zehn Gebote notwendig wurden zur Erleuchtung und Anleitung für die Menschen. -

So ists noch immer mit jeder Sünde. Was sie dem Menschen verspricht, sind lauter Lügen, Dinge, die sie nicht halten kann, von deren Unmöglichkeit sie selbst überzeugt ist und deren Ende ist Schmerz und Jammer; in der Regel gewährt sie sogar das Gegenteil von dem, was sie verspricht, nicht Aufklärung, sondern Verblendung, nicht Freiheit, sondern Sklaverei, nicht Freude und Glück, sondern weh und Unglück, nicht leben, sondern Tod; aber sie versteht meisterhaft die Kunst, ihren Versprechungen eine glänzende Außenseite zu geben und an wirkliche Güter und Wahrheiten anzuknüpfen, und der Mensch glaubt leider lieber den Lügen des Teufels, als den Wahrheiten Gottes. So entsteht in ihm unwillkürlich das Verlangen, das zu werden, das zu genießen und zu werden, was die Sünde ihm verspricht, und ehe er sichs versieht, regt sich in ihm der Hochmut und das Trachten nach hohen Dingen, die falsche Selbstständigkeit, das Obenansitzen und Stehenwollen auf eigenen Füßen, das nur Ansichdenken und den eigenen Willen Verfolgen als die wesentliche höhere Lebensstufe und der wünschenswerteste Fortschritt. Wo wäre der Mensch, der diesen Hochmutsteufel nicht trüge in seiner Brust! Es braucht euch nur irgend ein Bekannter über einen Fehler die Wahrheit zu sagen, gleich regt er sich und bestreitet leidenschaftlich die Wirklichkeit desselben. Was sind alle Entschuldigungen und Beschönigungen des Bösen, jene Ausreden, die einmal Jemand die Gevatterbitter auf des Teufels Kindtaufe nannte, was ist alles Prahlen mit unseren Verdiensten und guten Werken, was ist alles Herausstellen des eigenen Ich, alles Haschen nach Lob und Beifall, alle Empfindlichkeit und Verlegbarkeit der Eigenliebe, alle Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit, alle Geringschätzung und Verachtung Anderer, die in unseren Augen geringer sind als wir; was ist die angeborene Neigung, ohne Gott etwas sein und wirken zu wollen, was ist selbst die Unart der Frommen, sich um der ihnen gegebenen Gnade willen für besser zu halten, als Andere, und ihr Dünkel, durch ihre Frömmigkeit ein Recht zu haben auf diese Gnade; was ist alles Murren gegen und Rechten mit Gott, wenn Hiobstage über uns hereinbrechen und schwere Ungewitter über unser Leben hinwegziehen; was sind die Zwistigkeiten unter den Menschen und die Kriege unter den Völkern, als nur verschiedene Seiten und Namen einer und derselben Leidenschaft, des Hochmuts? Mag er noch so lange schlummern in der Tiefe unseres Herzens, sowie er nur berührt und angetastet wird, erwacht er und erhebt drohend seine Hand gegen Jedermann. Im Leben hört man oft die Leute sagen: „Der grobe Zug, wo Fenster und Türen offen stehen, schadet meinem Körper nicht, aber der feine ist gefährlich“. Sie mögen Recht haben. Dieser feine Zug ist aber der Hochmut, das eitle, selbstgefällige Ich. Keine Sünde ist so allgemein verbreitet unter den Menschen, sitzt so tief in der menschlichen Natur, vergiftet so gründlich unsere besten Regungen und Taten, oft auch unseren engsten Umgang und unsere heiligsten Beschäftigungen, verfolgt uns so sehr bis zum letzten Atemzug, richtet so allgemeine Verwüstungen an, trennt so weit die Menschen voneinander und die Menschen von Gott, macht so hochfahrend, so ungeduldig, so reizbar, fügt so wenig vor dem Versinken in die niedrigste Gesinnung, als der Hochmut und sein Bruder, der Stolz, und seine kleine Schwester, die Eitelkeit. Darum sagt die heilige Schrift: „Den Hoffärtigen widersteht Gott; die sich selbst erhöhen, sollen erniedrigt werden; Gott verachtet Alles, was hoch ist, und hohe Augen hasst der Herr; was hoch ist unter den Menschen, das ist ein Gräuel vor Gott; Hochmut tut nimmer gut, und stolzer Mut kommt vor dem Fall“. Keine Sünde ist sogar so hohl und nichtig, und darum so töricht und lächerlich, wie der Hochmut, weil er auf lauter Nichtigkeiten beruht. Was hast du, o Mensch, ruft Paulus, das du nicht empfangen hättest? Was ist alles Silber und Gold, worauf du eingebildet bist? Vergänglichkeit, ein armer Tröster bei innerem Kummer, in Krankheit und Tod! Was ist deine Schönheit und Stärke? Verwelkliche Blumen! Was ist deine Erkenntnis und Weisheit, die dich so aufbläht? Stückwerk, nichts als Stückwerk, und dein Aufblähen ein Zeichen, dass die rechte Erkenntnis dir noch fehlt, die Erkenntnis deiner selbst. Was warst du, alle du ans Licht der Welt tratest, und was wirst du einmal werden? Nichts als Staub und Asche. Wir wissen nichts, - das haben die Weisesten aller Zeiten bekannt; wir können nichts, - das ist alle Zeit das Bekenntnis der Mächtigsten gewesen; wir haben nichts, worauf wir trotzen könnten, - das ist das Urteil der Besten und Edelsten über sich selbst bis auf diese Stunde, und da könntest und wolltest du noch hochmütig und eingebildet sein auf irgend Etwas, und dich über dich selbst und Andere erheben, und dich zum Gott machen im Wissen, Wollen und Sein? Gewiss, wenn etwas aus der Hölle herstammt, und in die Hölle führt und Tod und Verderben der Seele ist, so ist es diese Schöpfung des Satans.

II.

Doch weiter! Müssen wir den Hochmut schon verabscheuen, wenn wir an die falschen Vorspiegelungen denken, durch die er entstanden ist, so müssen wir es noch viel mehr, wenn wir an die gemeinen Verdächtigungen Gottes denken, mit denen die Schlange jene Vorspiegelungen begleitet. Sie sagt: „Sondern Gott weiß, dass, welches Tages ihr davon esst, so werden eure Augen aufgetan“, als wollte sie sagen: Gott gönnt euch diese herrlichen Güter nicht, Er möchte sie allein für sich behalten; es ist nicht Güte und Liebe zu eurem Wohl, dass Er euch den Genuss der Früchte vom Baum der Erkenntnis Gutes und Böses verboten hat, es ist nichts als Neid und Missgunst; Er meint es nicht gut mit euch, hegt die feindseligsten Absichten gegen euch, will eure schönsten Freuden zerstören, eure Freiheit ewig in Ketten legen, und euch in der Dummheit und Unwissenheit erhalten für und für. (Ist es nicht, als hörte man die Freigemeindler unserer Tage, wenn sie über Bibel, Kirche, Priesterherrschaft, Pfaffenbetrug reden?) Durch diese schändliche Verleumdung der Absichten Gottes verdächtigt sie Gottes Güte und trübt Sein reines Bild vor den Augen der Menschen; zugleich verdächtigt sie damit die Heiligkeit Seiner Gebote, als im höchsten Grad die Menschen einengend, belästigend, beraubend. Hinter dieser Verneinung liegt aber wieder eine höllische Bejahung: Gott meint es mit euch böse, ich aber, deutet sie an, meine es mit euch gut, ich will nur euer Wohl, möchte euch gern befreien aus dem Zustand der Knechtschaft und Unfreiheit, der Beschränktheit und Unwissenheit, und euch erheben zu jener Höhe des Wissens, Könnens und Seins, die Gott selbst einnimmt und die ich durch Abfall von Ihm und Selbsterhebung längst errungen habe. Wie der Sünder zu seiner Entschuldigung immer Andere der Sünden anklagt, die er selbst begeht, so machts auch hier der Satan. Er zeiht Gott des Neides, und er gerade ist es, der weder Gott den Besitz der Menschen, noch den Menschen die Gemeinschaft Gottes gönnt, letztere um die Unschuld und Gerechtigkeit ihrer Seele, um die Unsterblichkeit ihres Leibes, um ihre Herrschaft über die Erde und ihre paradiesische Seligkeit beneidet und sie ebenso verworfen und unselig machen möchte, wie er selbst ist. Er stellt Gott als Lügner dar, und er gerade ist es, der eine Lüge auf die andere häuft und der Lügner und Mörder ist von Anbeginn. Wie er durch die Lüge: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben“ den Glauben in Evas Seele geschwächt und in Unglauben verwandelt hat, so will er jetzt durch die Doppellüge: dass die Menschen einerseits außer Gott eine noch größere Seligkeit erlangen könnten, und dass Gott andererseits durch Seine Gebote diese Seligkeit zu hindern suche, in Evas Seele die Achtung und die Liebe zu Gott schwächen und ausrotten und damit den Trieb wecken, ihrem eigenen Willen zu folgen und Gott ungehorsam zu werden. Ist das nicht echt satanisch? Und verfährt der Versucher nicht noch immer so bei jeder Versuchung, dass er uns Gottes Charakter auf alle Weise verdächtigt, Seine Verheißungen als trüglich und ungewiss, Seine Gebote als übertrieben und unausführbar darstellt, und wenn Er einmal unseren Willen nicht tut, unsere Gebete nicht erhört, uns das nimmt, was wir lieb haben, uns schwerer als Andere führt, geradezu als unseren Feind schmäht und brandmarkt? Alles nur darauf berechnet, die Liebe zu Gott im Herzen zu ersticken und uns dadurch ganz und für immer in die Arme der Selbstsucht, des Hochmuts und des Ungehorsams zu stürzen! Wie schwer ist es doch, die Sprache der Lüge und der Wahrheit zu unterscheiden, und wie geneigt ist unser Herz, lieber der verlockenden Stimme nach unten zu folgen, als der ernsten, nicht schmeichelnden, aber wohlmeinenden Stimme nach oben. Gewiss liegt etwas Edles in dem Trieb, weiter zu kommen und höher zu streben; wir sollen ja wachsen und zunehmen in allem Guten, immer freier von der Sünde, immer vollkommener in Gott werden, sollen vergessen, was dahinten ist, und uns strecken nach dem, was vor uns liegt; das Höchste und Edelste, das Reinste und Beste ist für uns das erhabene Ziel, wonach unsere für die Ewigkeit geschaffene Seele zu ringen hat. Aber wo liegt das Höchste und Edelste, Reinste und Beste? Wahrlich nicht auf der Höhe des Ruhmes und der Ehre, nicht auf den Gipfeln der Kunst und der Wissenschaft, nicht auf dem Gottgleichseinwollen, sondern der Christ kennt nur eine Höhe, um die er sein Leben und alles sonstige Sehnen hingibt, diese Höhe ist der Himmel: wenn unser Herz im Himmel ist, ist der ganze Himmel in unserem Herzen; nur einen Gipfel, den er zu erklimmen sucht, dieser Gipfel ist das Leben in Gott und für Gott, und der irdische Vorhügel dazu heißt Golgatha, wo der alte Mensch gekreuzigt wird und stirbt.

In einem Atemzug spricht die Schlange: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß“…. Unglaube und Stolz sind Zwillingskinder desselben Vaters; wo das Eine ist, findet sich auch allemal das Andere; sie gehören zusammen wie Nacht und Dunkelheit, Winter und Kälte; es fehlt ihnen die leuchtende und belebende Sonne. Kein Glaube ohne Demut, kein Unglaube ohne Stolz; je gläubiger, je demütiger, je ungläubiger, je stolzer. Nichts ist natürlicher als das. Denn was ist des Glaubens Inhalt? Gottes Gnade und Christi Verdienst, durch die er allein gerecht und selig wird; nicht in uns und unserem Werk, sondern in Ihm, in Ihm allein, liegt der Grund und Quell unserer Hilfe und unseres Heils: muss uns das nicht demütigen und in der Demut erhalten? Und was ist der Glaubensursprung? Nicht minder Gottes Gnade, denn er ist nicht Jedermanns Ding, er ist eine Gabe des Heiligen Geistes, ein unmittelbares Wort Gottes in uns, ein fortwährendes Schöpfen aus seiner Fülle; der Mensch kann sich selbst nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben von oben herab, und Niemand kann Jesum einen Herrn heißen, ohne durch den heiligen Geist, muss er nicht Dem die Ehre geben, dem er seine Entstehung und sein Leben verdankt, und sich unwert halten aller Gnade und Barmherzigkeit, die Gott an ihm tut? Der Unglaube dagegen, losgelöst von Gott, macht sich selbst zu Gott, glaubt an seine eigene Tugend und Kraft, will durch eigenes Verdienst gerecht und selig werden, er setzt sich nicht nur an Gottes Statt, er handelt auch wider Gott; darum spricht er mit Pharao: „Wo ist der Gott, des Stimme ich hören müsste?“ er kann nicht anders sein, als stolz und hochmütig. Ist darum nur erst dem einen Unhold die Herzenstür geöffnet, der andere wird so lange nicht auf sich warten lassen. Der stolze Mensch muss ungläubig werden, der ungläubige Mensch muss dem Stolz Altäre aufbauen in seinem Herzen. Wohl Allen, die gegen den einen wie gegen den andern Seelenfeind Front machen und ihm die Stirn bieten, und alle Tage um neue Demut bitten, um die Demut des Wissens, des Könnens, und des Seins! Wohl Allen, die, wie schwer es auch dem alten Adam fallen mag, sich selbst demütigen und demütigen lernen; es tut allerdings weh, aber in dem Weh liegt doch ein seliges Wohl. Hat Paulus es je bereut, gesagt zu haben: „Ich bin der Vornehmste unter den Sündern, aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf dass an mir Jesus Christus vornehmlich erzeigte alle Geduld, zum Exempel denen, die an Ihn glauben sollten zum ewigen Leben“? Hat Petrus nicht aus eigener Erfahrung geschrieben: „Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, auf dass Er euch erhöhe zu seiner Zeit“? Hat der verlorene Sohn jemals die Tränen vergessen können oder hergeben wollen, die er nach seiner Rückkehr im Vaterhaus geweint? Hüten wollen wir uns aber vor jener gemachten falschen Demut, die aus menschlichen Rücksichten kommt, oder aus unlauterem Herzen, die mit dem Mund sagt: Ich bin nichts! im Herzen aber denkt: Ich bins doch! Der Schein der Demut bildet falsche Zöllner, die Gott noch mehr zuwider sind, als die hochmütigen Pharisäer, und stürzt die Menschen in die Verhärtung und ins Gericht der Verstockung. Nur den Aufrichtigen lässt es der Herr gelingen und nur solche Seelen erhöht Er. „Die rechte Demut weiß nimmer, dass sie demütig ist, denn wo sie es wüsste, würde sie hochmütig werden von dem Ansehen solcher schönen Tugend, sondern sie haftet mit Herz, Mut und allen Sinnen an den geringen Dingen, die hat sie ohne Bilder, womit sie umgeht. Falsche Demut aber weiß nimmer, dass sie hochmütig ist, denn wo sie das wüsste, würde sie bald demütig werden von dem Ansehen dieser hässlichen Untugend. Die rechte Demut ist der Grundstein alles Guten und Gott baut auf keinem anderen. Der Unwürdigste, sagt Luther einmal, hat die größte Erbarmung“. Wo Demut ist, da hört die Selbstgerechtigkeit, die Sicherheit, die Heuchelei, der Undank gegen Gott auf, da flieht die Lieblosigkeit, die Herrschsucht, die Eifersucht, der Unfriede, und das Schmollen gegen die Menschen, da nimmt der Mensch das Kreuz willig und dankbar aus Gottes Hand an und es wird ihm zum größten Segen. Selig daher, wer demütig ist und sich demütigen lässt! Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnt, des Name Heilig ist: Der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne, ich wohne nur bei denen, so zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Amen.

1)
gebietet, befiehlt
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/a/arndt_f/der_suendenfall/arndt_-_suendenfall_-_4._predigt.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain