Arndt, Johann Friedrich Wilhelm – 14. Predigt

Arndt, Johann Friedrich Wilhelm – 14. Predigt

Text: Matth. V., V. 31.32.

Es ist auch gesagt: Wer sich von seinem Weibe scheidet, der soll ihr geben einen Scheidebrief. ich aber sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet (es sei denn um Ehebruch), der macht, daß sie die Ehe bricht; und wer eine Abgescheidete freiet, der bricht die Ehe.

Unstreitig gehören die verlesenen Worte zu den schwierigsten und wichtigsten Stellen der Bergpredigt. Insbesondere enthalten sie für unsere Zeit einen Zuruf und eine Ermahnung, die gar nicht gelegener kommen kann. Wir legen demnach sogleich Hand an’s Werk und machen die Lehre Jesu Christi von der Ehescheidung zum Gegenstande unserer heutigen Betrachtung. Es ist zunächst ihre Erklärung, dann ihre Anwendung, worauf wir Rücksicht zu nehmen haben.

I.

Die Ehe ist die völlige Gemeinschaft des Mannes und des Weibes nach Leib und Seele. Zwei Persönlichkeiten werden in derselben eine Persönlichkeit, zwei Herzen werden in treuer Hingebung aneinander nur ein Herz und eine Seele, zwei Menschenleben ergießen sich wie zwei Bäche ineinander und bilden nun einen gemeinschaftlichen Strom, der kräftiger seinen Lauf fortsetzt, sicherer alle Hindernisse überwindet, leichter alle Lasten trägt, und verschönernd zwischen freundlichen Ufern dahinfließt. “Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei,” sprach der Herr, als Er den Ehestand stiftete, “ich will ihm eine Gehülfin machen, die um ihn sei.” Er sprach’s, der große Menschenkenner, und angeboren ist uns nun Allen das Bedürfniß nach Gemeinschaft, oder wie der Dichter sagt: “Sei hochgeseligt oder leide, das Herz verlangt ein ander Herz, getheilte Freud’ ist doppelt Freude, getheilter Schmerz ist halber Schmerz.” Darum suchen sich verwandte Seelen und verbinden sich miteinander, um diesen köstlichen Segen der Gemeinschaft zu erfahren. Und wie glücklich fühlen sie sich in dieser Verbindung! Wie viel leichter werden die Arbeiten, wie viel erquicklicher die Freuden, wie viel gesegneter die Trübsale, wie viel erhebender die Blicke in die Zukunft durch die Einheit ihrer Gefühle und Bestrebungen Ist doch Beider Wille ineinander übergegangen und ein Wille geworden. Leben doch Beide nur füreinander und ineinander. Bilden doch Beide gleichsam nur eine Person, die immer dasselbe Schicksal trifft; eine Person, wenn sie gemeinsam handeln in der Welt; eine Person, wenn sie zusammen vor Gott treten und aus zwei Herzen ein Gebet emporsteigt. Wie ihre Verbindung im Himmel geschlossen ist, so wird sie auch für den Himmel geführt. Von Jahr zu Jahr einander unentbehrlicher, voneinander unzertrennlicher in ihren Wünschen und Beziehungen, oft sogar in dem körperlichen und geistigen Ausdruck ihres Wesens immer ähnlicher, haben sie zuletzt keinen sehnlichern Wunsch als den, daß es Gott gefallen möge, wie Er sie im Leben zusammengelassen hat, sie auch im Tode zusammenzulassen, und, wenn es möglich wäre, sie an einem Tage miteinander sterben zu lassen. Aber auch, wenn dieser ihr Wunsch ihnen nicht gewährt wird und der Tod die Liebenden voneinander trennt: ihre Verbindung dauert, je zarter sie gewesen, auch noch über das Grab hinaus; der Zurückbleibende fühlt es immer mehr, daß er den Heimgegangenen nicht genug geliebt habe, und wie die alte Kirche jede zweite Ehe bedenklich finden konnte. Sehet, Geliebte, das ist das Wesen einer glücklichen und christlichen Ehe; einer Ehe, wie sie Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Boas und Ruth, Elkana und Hanna, Zacharias und Elisabeth geführt haben. Sie ist die vollkommenste Wechselhingabe des einen Gemahls an den andern; die gänzliche Aufopferung unseres Selbst; ein Gleichniß dessen, was Christus für Seine Kirche gethan hat; ein Abbild der Religion, die in der Sprache unserer Väter Ehe benannt war; eine Kirche im Fleische, in welcher zwei Menschen in Gottes Namen und Ordnung versammelt sind. Was meint ihr nun: wird eine solche völlige geistige und leibliche Einheit zweier Menschen untereinander nicht ihrem innersten Wesen nach eine über den Wechsel der Neigungen, Leidenschaften und selbst der gegenseitigen Fehler und Verschuldungen erhabene, also schlechthin unauflösliche Verbindung sein?

Ist aber die Ehe ihrem Wesen und Begriffe nach schon ein unverbrüchlicher Seelenbund: so gewinnt sie noch an Dauer und Festigkeit und bindet mit unzerreißbaren Banden durch die Art und Weise, wie sie in der christlichen Kirche geschlossen wird. Drei Sonntage hintereinander werden diejenigen, die sich im Stillen gegenseitig verlobt haben, der ganzen versammelten Gemeinde öffentlich als solche angezeigt; Alle sollen es wissen, was sie Beide vor Gott beschlossen haben; Alle sollen es hören, daß ihr Beschluß kein leichtsinniger, sondern ein wohlgeprüfter und fester sei; Alle sollen für sie beten. Nun kommt der Tag der Trauung. Bräutigam und Braut stehen vor dem Altare des Herrn; oft vor demselben Altar, wo der Eine oder der Andere oder Beide das Gelübde der Treue bis in den Tod ihrem Heilande geschworen haben, wo sie in den heiligsten Stunden ihres Lebens aus den Händen des Dieners Gottes den Leib und das Blut Jesu Christi empfangen, umringt von ihren Verwandten und Freunden, die, durch die Bande des Bluts und der Liebe an sie gekettet, mit den lebhaftesten Wünschen und Gebeten ihr zeitliches und ewiges Wohl auf dem Herzen tragen. Noch einmal wird ihnen der ernste Schritt in seiner vollen Bedeutung mit Wärme und Nachdruck vorgehalten; noch einmal werden sie aufmerksam gemacht auf die Pflichten, die Verantwortungen und Bedingungen eines gesegneten Ehestandes; noch steht es in ihrem freien Willen, ob sie den heiligen Bund eingehen wollen oder nicht; sie können auch zurücktreten, ehe das feierliche bindende Ja über die Lippen gegangen ist. Sie treten nicht zurück. Da tönt die Gewissensfrage: ob sie einander als Gatten mit unverbrüchlicher Treue lieben, Glück und Unglück, Freude und Leid miteinander theilen, sich auch nicht verlassen, noch sich voneinander scheiden wollen, es scheide sie denn der allmächtige Gott durch den zeitlichen Tod voreinander? und sie antworten laut, bestimmt, ohne Rückhalt, vor Gottes Angesicht, feierlich: Ja! Nun erst wird unter der nochmaligen Erinnerung: daß der Mensch nicht scheiden dürfe, was Gott zusammengeführt habe, die Einsegnung im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes vollzogen. Ich bitte euch, wo ist unter unsern gewöhnlichen äußern Lebensveränderungen eine, die eine solche besondere öffentliche Feier hat, wie die Trauung? Ich bitte euch, kann es eine bestimmtere Erklärung der Unauflöslichkeit einer Verbindung geben, als diese? Und setzt nun jede Ehescheidung nicht den Bruch eines Eides voraus, den man geschworen hat vor dem Herrn und vor Seiner Gemeinde? Gehört nicht entsetzlich viel Leichtsinn, Verläugnung der edelsten Gefühle, Herabwürdigung der menschlichen Natur, Charakterlosigkeit und ungöttliches Wesen dazu, wenn dennoch Tage kommen können, wo beide Theile auf Scheidung antragen?

Zumal da die Folgen der Ehescheidung so herzzerreißend sind. Es ist wahr, man wird den Andern los, den man nicht mehr leiden kann; aber wird man auch je die Erinnerung los an das Gelübde, das man geleistet, an die Tage, die man gemeinsam verlebt, an die Vorwürfe und bittern Beleidigungen, die bei der rechtlichen Untersuchung jedesmal vorfallen, an den Kummer und die Schande, die den Familien bereitet wird? Welches unglückliche Beispiel, das man den eigenen Kindern giebt! Welche Zerrissenheit in der Erziehung derselben, die fortan eintritt! Und wenn sie nachher es sich nochmals einfallen lassen, ein neues Ehebündniß zu schließen: welche Hoffnungen darf man von ihnen wohl für ihre neue Ehe hegen, nachdem sie schon einmal das Ja in Nein verkehrt, schon einmal den Bund durch Unbeständigkeit entweiht und mit frevelnder Willkür geschieden haben, was nichts scheiden sollte, denn der Tod? Wie glücklich auch eine geschiedene Ehe äußerlich scheinen mag: innerlich ist und bleibt sie meist ein unglücklicher, zerrissener Zustand. Alles also, das Wesen, die kirchliche Einsegnung, das Glück der Ehe bedingt ihre Unauflöslichkeit.

Laßt uns nun hören, was die heilige Schrift, was Gottes Wort darüber sagt. Da lesen wir zunächst bei der Einsetzung des heiligen Ehestandes: Ein Mann wird seinen Vater und seine Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und wie werden sein ein Fleisch. (1. Mos. 2,24.) Die Anhänglichkeit eines Mannes an sein Weib soll also größer sein, als die Anhänglichkeit an Vater und Mutter; die eheliche Liebe stärker, als die kindliche Liebe. Was heißt das aber anders, als: die Ehe soll unauflöslich sein? Oder darf je ein Kind die Liebe gegen seine Eltern auflösen? Wie viel weniger darf dann ein Gatte die Liebe gegen den andern verläugnen, den er nicht bloß von Gott bekommen, sondern sich selbst gewählt hat durch die freie Wahl! Da lesen wir im Neuen Testament: Der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde; aber wie nun die Gemeinde ist Christo unterthan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen. Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie Christus auch geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben. (Eph. 5,28-31.) Ehegatten also sollen einander ergeben sein, wie Christus und die Gemeinde einander angehören. Was heißt das wieder anders, als: die Ehe soll unauflöslich sein? Oder hört Christus je auf, Seine Gemeinde zu lieben, und darf die Gemeinde je aufhören, Ihm in treuer Gegenliebe bis in den Tod ergeben zu sein? Da lesen wir im Evangelio Marci (10,11.12.): Wer sich scheidet von seinem Weibe und freiet eine andere, der bricht die Ehe an ihr; und so sich ein Weib scheidet von ihrem Manne und freiet einen andern, die bricht ihre Ehe; im Lucas (16,18.): Wer sich scheidet von seinem Weibe und freit eine andere, der bricht die Ehe, und wer die Abgeschiedene von dem Manne freiet, der bricht auch die Ehe; im ersten Briefe an die Korinther (7,10.): Den Ehelichen aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß das Weib sich nicht scheide von dem Manne. Da lesen wir in unserm Texte: Es ist auch gesagt: Wer sich von seinem Weibe scheidet, der soll ihr geben einen Scheidebrief, d.h. eine schriftliche Erklärung, daß sie nicht mehr sein Weib sei. (5. Mose 24,1.) Ich aber sage euch, wer sich von seinem Weibe scheidet um irgend einer Ursache willen, wie es nach den leichtfertigen Erklärungen der jüdischen Schriftgelehrten gestattet war, es sei denn um Ehebruch und thatsächliche Untreue, der macht, ist die Ursach, daß sie die Ehe bricht, wenn sie nach der ihr im Ehebriefe gegebenen Freiheit sich wieder verheirathet, und wer eine aus andern willkürlichen Gründen Abgeschiedene freiet, der bricht auch die Ehe. Am allerausführlichsten erklärt sich unser Herr hierüber Matth. 19,3-6., wo es heißt: “Da traten zu Ihm die Pharisäer, versuchten Ihn, und sprachen zu Ihm: Ist es auch recht, daß sich ein Mann scheide von seinem Weibe, um irgend eine Ursach? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, daß, der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, daß ein Mann und ein Weib sein sollte; und sprach: Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei Ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht zwei, sondern Ein Fleisch. Was nun Gott zusammen gefüget hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Da sprachen sie: Warum hat denn Moses geboten, einen Scheidebrief zu geben und sich von ihr zu scheiden? Er sprach zu ihnen: Moses hat euch erlaubet, zu scheiden von euren Weibern, von eures Herzens Hartnäckigkeit wegen; von Anbeginn aber ist es nicht also gewesen. Ich aber sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet (es sei denn um der Hurerei willen), und freiet eine Andere, der bricht die Ehe. Und wer die Abgescheidete freiet, der bricht die Ehe.” Fassen wir diese Aeußerungen zusammen, so sehen wir, auch Jesus verlangt Unauflöslichkeit der Ehe; Er läßt nur eine Ausnahme als gültigen Scheidungsgrund zu: den wirklichen Ehebruch; von jeder andern Scheidung aber sagt Er, daß sie zu einem dreifachen Ehebruch Veranlassung gebe, sowohl von Seiten des Mannes, der die Frau entlasse, als von Seiten der Frau, die den Ehebrief erhalte; wenn sie sich wieder anderweitig verheirathe, als von Seiten des Dritten, der eine solche leichtsinnig und unrechtmäßig Abgeschiedene freie. Es fragt sich nun: Warum hat der Herr den Ehebruch allein ausgenommen? Und wie haben wir es uns zu erklären, daß Matthäus allein diese Ausnahme anführt, Marcus, Lucas, Paulus hingegen sie völlig mit Stillschweigen übergehen? Auf den Ehebruch stand bei Israel die Todesstrafe. (3. Mose 20,10. Joh. 8,5.) Hat Jesus nun etwa darum ihn ausgenommen, weil der Ehebrecher durch seine Missethat das Leben verwirkte und Gott also die Ehe nun trennte durch den Tod? Oder nimmt Er den Ehebruch um sein selbst willen aus, weil er in seinem innersten Wesen Untreue, Auflösung der Lebenseinheit beider Ehegatten ist? Offenbar fiel bei Israel Beides zusammen, die Sünde konnte nicht von der Strafe, die Strafe nicht von der Sünde getrennt werden. Ein Israelit konnte daher die Worte gar nicht anders auffassen, als wie sein Gesetz und die Strafgerechtigkeit seiner Obrigkeit sie auffassen ließ; es sei denn um Ehebruch, mußte ihm heißen: es sei denn, daß der eine Theil ein Verbrechen begeht, auf welches die Todesstrafe steht. Jesus selbst konnte, weder Matth. 19., noch in der Bergpredigt, es auch nicht anders meinen, weil Er in beiden Stellen, namentlich aber in der unsrigen, eben den wahren Sinn des Gesetzes erläutern wollte, das Er nicht aufzulösen, sondern zu erfüllen gekommen wäre. Daß auch die Apostel in diesem Sinne die Ausnahme verstanden haben, dafür bürgt das tiefe Stillschweigen, mit welchem alle andern Evangelisten, Marcus, Lucas, Paulus, über diesen Punkt hinweggehen; ein Stillschweigen, das sich nun von selbst versteht, sonst aber völlig unerklärbar gewesen wäre. ja, selbst der Umstand ist nun klar, daß Jesus an allen drei Stellen wohl sagt: ”Wer sich von seinem Weibe scheidet, es sei denn um Ehebruch, und freiet eine andere, der bricht die Ehe;” denn darüber konnte gar kein Gewissensbedenken mehr obwalten, der Ehebrecher war todt und es stand nunmehr dem lebenden Theile kein Hinderniß weiter zu seiner Verheirathung im Wege. Noch mehr: die christliche Kirche hat es überwiegend in den ersten Jahrhunderten ebenso verstanden; sämmtliche Reformatoren haben noch mit allem Eifer auf die Todesstrafe für den Ehebrecher und die Ehebrecherin gedrungen. Da, wo Solches nicht geschah, war Landesverweisung oder Ausschließung aus der Kirche die gebräuchliche Strafe; im letzteren Falle wurde der Schuldige in ein Kloster so lange eingesperrt, bis er aufrichtige Zeichen der Reue gegeben hatte und die Wiederaussöhnung desselben mit dem unschuldigen Theile stattfinden konnte. – Gesetzt aber auch, der Herr hätte, abgesehen von der Todesstrafe, den Ehebruch um sein selbst willen als genügenden Scheidungsgrund anerkannt, so ist doch jedenfalls so viel gewiß, daß der christliche, unschuldige Theil von dieser Erlaubniß nie Gebrauch machen wird (Luther sagt: “Nun wenn hie Eines christlicher Stärke wäre, und trüge des Andern Bosheit oder Uebel, das wäre wohl ein fein seliges Kreuz und ein richtiger Weg zum Himmel: denn ein solch’ Gemahl erfüllet wohl eines Teufels Amt und feget den Menschen rein, der es erkennen und tragen kann.”); er wird lieber sein Recht fahren lassen, als hinter seinen Pflichten zurückbleiben; lieber Unrecht leiden, als darum, weil der Gatte unrecht gehandelt, nun auch Unrecht thun; lieber seinen Sinn brechen, als die Ehe. Die christliche Liebe verträgt Alles, glaubt Alles, hoffet Alles, duldet Alles. Die christliche Liebe wartet so lange wie möglich auf die Besserung des Andern. Sie trägt mit Geduld auch das herbste Kreuz, sucht durch Milde zurückzuführen, und betet nur um so brünstiger für das Heil des Gefallenen. Sie denkt an ihren Heiland, wie der freundlich mit der Samariterin am Jakobsbrunnen umging, die doch im Umgange lebte mit einem Manne, der nicht ihr Mann war; wie der die reuige Magdalena tröstete und zu ihr sprach: “Dir sind deine Sünden vergeben, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden;” wie der die Zöllner und die Sünder aufsuchte und mit ihnen aß, die Pharisäer aber abwies mit der Erklärung: “Die Hurer und Ehebrecher werden eher in’s Himmelreich kommen, als ihr;” wie der sich im Tempel der verklagten Ehebrecherin annahm, und auf die Frage Seiner Feinde: “Meister, dieses Weib ist begriffen auf frischer That im Ehebruch; Moses aber hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen, was sagst Du?” antwortete: “Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie,” und als sie Alle, von ihrem Gewissen gestraft, weggingen, und Niemand das Weib verdammte, zu ihr das Trostwort sprach: “So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin, aber sündige hinfort nicht mehr.” Sie denkt an das Wort des Apostels: “Zum Frieden hat uns Gott berufen. Oder was weißt du, Weib, ob du den Mann nicht werdest selig machen? oder du, Mann, was weißest du, ob du das Weib nicht werdest selig machen?” und vergißt es nie, daß der Herr dem schuldlosen Gatten die Scheidung nirgends eigentlich gebietet, sondern sie ihm nur zuläßt. Wie bedarf sie doch täglich der Geduld ihres Gottes, da sie sich selbst anklagen muß des Ehebruchs in ihrem Verhältniß zu Ihm, und sie sollte nicht Geduld haben mit dem, der, wenngleich tief gefallen, doch ihr am nächsten steht unter allen Menschen auf Erden? – Schließlich haben wir noch eine Stelle zu berücksichtigen: 1. Cor. 7,10.11. Da heißt es: ”Den Ehelichen aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß das Weib sich nicht scheide von dem Manne; so sie sich aber scheidet, daß sie ohne Ehe bleibe, oder sich mit dem Manne versöhne; und daß der Mann das Weib nicht von sich lasse.” Auch Paulus nennt nicht den Ehebruch; aber wohl gedenkt er solcher Fälle, ohne sie jedoch näher anzugeben, unter denen eine theilweise Scheidung oder Trennung eintreten könne, aber nie dürfe solche Trennung bis zur Auflösung des geschlossenen Bundes durch Wiederverheiratung mit einem Andern ausarten.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ist klar: der Herr fordert gleichfalls Unauflöslichkeit der Ehe; läßt eine Scheidung und Wiederverheirathung nur zu im Falle des Ehebruchs; verbietet aber jede sonstige Wiederverheirathung nur zu im Falle des Ehebruchs; verbietet aber jede sonstige Wiederheirathung, wenngleich Er unter gewissen Verhältnissen eine Trennung voneinander erlaubt. Die katholische Kirche, welche den Unterschied der sichtbaren und unsichtbaren Kirche nicht anerkennt, versteht sämmtliche Erklärungen des Herrn von der sichtbaren Kirche, und verwirft daher für alle ihre Glieder jede Ehescheidung, auch beim Ehebruch; sie erlaubt nur eine Trennung vom ehelichen Umgange. Die evangelische Kirche, welche nach der Schrift den Unterschied der sichtbaren und unsichtbaren Kirche festhält, versteht die Textworte nur von der unsichtbaren Kirche, von den wahrhaft Gläubigen, die die acht Seligpreisungen der Bergpredigt sich zueignen dürfen und die Salz der Erde und das Licht der Welt sein sollen. Was die Mitglieder der sichtbaren Kirche, die bloßen Namenchristen, betrifft, so hat sie jederzeit an den apostolischen Rath als einen höchst bedeutungsvollen Wink für ihr Verfahren angeknüpft, 1. Cor. 7,12-15: “Den Andern aber sage ich, nicht der Herr: So ein Bruder ein ungläubig Weib hat, und dieselbige lässet es ihr gefallen, bei ihm zu wohnen, der scheide sich nicht von ihm. Denn der ungläubige Mann ist geheiliget durch’s Weib, und das ungläubige Weib wird geheiligt durch den Mann. Sonst wären eure Kinder unrein; nun aber sind sie heilig. So aber der Ungläubige sich scheidet, so laßt ihn scheiden. Es ist der Bruder oder die Schwester nicht gefangen in solchen Fällen,” und gemäß diesem apostolischen Vorgange hat sie zu allen Zeiten in ihren Kirchenverordnungen als allgemeine Trennungsgründe angenommen den Ehebruch und die bösliche Verlassung, diesen beiden Hauptgründen aber in der Anwendung eine Menge Fälle untergeordnet, sofern sie sich nur irgend in eine dieser beiden Klassen bringen ließen. Alle Reformatoren halten es fest, daß unter wahren Christen nie eine Trennung aufkommen könne, sondern sich dieselben vielmehr in unverbrüchlicher Treue und Liebe tragen werden bis an ihren Tod; daß aber unter den Weltmenschen, so lange ihre Herzenshärtigkeit bleibt und um größeres Unheil zu verhüten, die Ehescheidungen fortgehen müssen; fast alle aber sprechen dem schuldigen Theile die Wiederverheiratung ab (Zwingli allein gestattet sie ihm.).

II.

So ist es fortgegangen bis auf die neuesten Zeiten. Da ist mit dem schrecklichen Verfall der ganzen Kirche auch das Eherecht verfallen; der Gedanke, daß die Ehe nur ein gegenseitiger, auflösbarer Vertrag sei, ist immer herrschender geworden, und wir sind wieder ganz zu demselben Punkte des Leichtsinns herabgesunken, auf welchem die Juden zu Jesu Zeit standen. Nichts ist jetzt in der Welt leichter, als Ehescheidungen herbeizuführen; um der nichtswürdigsten Gründe willen wird ohne die mindeste Schwierigkeit getrennt, was ewige Treue einander zugeschworen hatte. Insbesondere ist der Ehebruch bei uns so gut als völlig straflos; vom Verbote der Wiederverheirathung mit dem ehebrecherischen Theile kann freigesprochen werden; Ehebruch und Unzucht wird sogar durch Abfindung belohnt und geehrt; kurz, die Unkeuschheit wird gar nicht mehr als etwas Unsittliches betrachtet und die Heiligkeit der Ehe ist fast nur noch ein süßer Traum aus alter Zeit. Ja, als wollte man jedes Gefühl von Ehrfurcht vor der Obrigkeit mit Füßen treten, werden die Ehescheidungssachen, als wären sie die geringfügigsten Sachen von der Welt, in den Gerichtsstuben in Gegenwart derer verhandelt, die das ganze Zimmer mit ihren Klagen über Schimpfreden, Schlägereien, Schulden und dergleichen ausfüllen. Solch ein Leichtsinn läßt sich nimmermehr entschuldigen und kann treue Seelsorger in wahre Gewissensnoth versetzen, wenn sie Ehen mit solchen leichtsinnig Geschiedenen zum zweiten Male einzusegnen haben. Es ist leider wahr, in dieser unvollkommenen, argen Welt wird Ehescheidung ebenso gut, wie Krieg, Processe und Eid, immer ein nothwendiges Uebel bleiben müssen; was Jesus Seinen Gläubigen gesagt hat, werden wir nie ohne große Gefahr auf die Ungläubigen anwenden können; Ehebruch, bösliche Verlassung, unversöhnlicher Haß, Nachstellungen nach dem Leben, werden jederzeit rechtmäßige Gründe zur Trennung der entfremdeten Herzen bleiben müssen; wo innerlich die Ehe aufgelöst ist, wo nicht Christus, sondern der Teufel der Dritte ist im Bunde, wo Mißhandlungen der empörendsten Art beinahe täglich vorfallen, wo durch längeres Zusammenbleiben Unheil und Verbrechen nur gehäuft werden, und der Ehebund eine Fessel ist, die Beide drückt, ein Kerker, dessen Wächter nur noch ist der Eid am Traualtar: da hat das gemeinsame Leben aufgehört und der Zweck der Ehe ist verfehlt; es wäre Unweisheit, festhalten zu wollen, was nicht vom Herrn, sondern von der Sünde geschlossen worden war. Nein, da darf das Neue Testament nicht grausamer sein, als das Alte gewesen ist. Wollte man die eine Vorschrift Christi über das christliche Ehegesetz anwenden auf die Ungläubigen, so müßte man folgerecht auch die andern Verordnungen des Herrn buchstäblich auf sie anwenden, die ebenso bestimmt lauten; Verordnungen, wie die über das Fußwaschen: “So ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr auch euch untereinander die Füße waschen” (Joh. 13,14.); Verordnungen, wie die über den Ständeunterschied: “Die weltlichen Könige herrschen, und die Gewaltigen heißt man gnädige Herren: ihr aber nicht also, sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie der Diener” (Luc. 22,25.28.); Verordnungen, wie die über Titel und Würden: “Ihr sollt Niemand Vater heißen auf Erden; denn Einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht lassen Meister nennen, denn Einer ist euer Meister, Christus” (Matth. 23,9.10.); Verordnungen, wie die über den Eid: “Vor allen Dingen, meine Brüder, schwöret nicht, weder bei dem Himmel, noch bei der Erde, noch mit keinem andern Eide. Es sei aber euer Wort ja, das ja ist, und nein, das nein ist, auf daß ihr nicht in Heuchelei fallet” (Jac. 5,12.); Verordnungen, wie die: “Ich sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Uebel, sondern so dir Jemand einen Streich giebt auf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar, und so Jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel.” (Matth. 5,39.40.) Und das ist unstatthaft und unausführbar. Aber der Schlaffheit der Gesetze und dem Leichtsinn in der Behandlung muß gewehrt werden; der Ehebruch muß wieder gelten als das, was er ist, als Verbrechen, und auf’s Nachdrücklichste und Empfindlichste bestraft werden; die Unzucht darf nicht länger privilegiert bleiben; die Ehescheidungsgründe müssen beschränkt, die Ehescheidungen auf alle Weise erschwert und der schuldige Theil niemals straflos gelassen werden. Helfet denn, ihr Richter und ihr Gesetzgeber, daß das große öffentliche Aergerniß, welches jetzt in den Ehesachen gegeben wird, möglichst bald sein Ende erreiche; und Gott leite euch mit Seiner Weisheit, daß ihr die schwere, entscheidende Aufgabe löset zum Heile Seiner Kirche und ihrer Glieder. Helfet aber auch nicht einseitig; neue, schärfere Gesetze allein heben das Uebel nicht auf, so lange die Quelle des Uebels die alte bleibt und nicht verstopft wird. Verstopfet denn die Quellen. Beschränkt, verhindert vor Allem den Gebrauch der geistigen Getränke, die jetzt Millionen an Leib und Seele vergiften; denn Trunkenheit ist unzählige Male die erste Quelle unglücklicher Ehen. Beschränkt die vielfachen Vergnügungen, insbesondere die schnöden Entweihungen des Sonntags und Sonnabends, welche trotz aller verschärften Gesetze nach wie vor ihren Gang fortgehen; denn Vergnügungssucht erstickt die Lust zur Arbeit und bringt um den Segen der Arbeit, Vergnügungssucht stiftet unglückliche Ehen und trennt die glücklichsten (Sehr zu berücksichtigen ist gewiß auch, was einer unserer achtbarsten und erfahrensten Mitbürger in seinem Werke: Bodz Staatswesen und Menschenbildung, I. und II. über den Einfluß der unbeschränkten Gewerbefreiheit auf die Ausartung der Sitten, auf Verarmung und Unglück in den Ehen, ebenso überzeugend als vielseitig nachweist.). Hauptsächlich aber befördert christliche Gottseligkeit, christlichen Unterricht, christliches Leben, wo ihr könnet; denn von innen heraus allein kann die gründliche Heilung der großen Schäden unserer Zeit erfolgen.

Was soll aber die Kirche thun, meine Lieben, bis ein neues, besseres Ehegesetz erscheinen wird, so lange die nachtheiligen Folgen des gegenwärtigen noch fortdauern? Soll sie Brautpaaren, von denen der eine Theil um anderer Gründe als um Ehebruchs willen von seinem ersten Gemahl geschieden war, den kirchlichen Segen versagen? Nimmermehr; sie versagt ihnen ja denselben nicht bei jedem öffentlichen Gottesdienste; sie hat es bei allen ihren Handlungen immer ja nur mit Sündern und Unwürdigen zu thun. Wenn der Herr sagt: “Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen”; über wie viel Ehebrecher wird da sonntäglich der Segen gesprochen! und das geschieht ebenso bewußt, wie am Traualtar. Ueberdies war ihre frühere Ehe keine eigentliche Ehe. So wenig Jemand dadurch, daß er den Namen Christi trägt, daß er in den Kirchenbüchern verzeichnet steht, daß er die Taufe erhalten, bei der Confirmation das Gelübde der Treue abgelegt hat und zum Abendmahle geht, schon ein wahrer Christ ist, wenn diese Gnadenmittel keine Wirkung auf ihn äußern und ihn nicht wahrhaft zum Herrn bekehren: so wenig wird der Bund zweier Menschen dadurch, daß er kirchlich eingesegnet wird, eine wahre Ehe, so lange keine innere Seelengemeinschaft in dem Herrn unter den Verbundenen stattfindet; mithin kann da die Wiederverheirathung auch kein Ehebruch sein. Endlich, wenn der Apostel dem Gläubigen sagt, er sei nicht gebunden, sobald der ungläubige Theil sich von ihm scheidet: wie viel weniger kann dann ein Ungläubiger gebunden sein, wenn ein lasterhafter Sünder sich von ihm geschieden hat! – Oder soll die Kirche etwa lieber wilde Ehen und uneheliche Kinder dulden, rohe Verbindungen, die aller göttlichen Ordnung und christlichen Sitte Hohn sprechen, geflissentlich befördern, wenn eine Rückkehr des getrennten Gatten zu seinem ersten Verhältniß nicht mehr möglich ist? Nimmermehr! eine Kirchenzucht, die der Unsittlichkeit Vorschub leistete, wäre Kirchenunzucht. Die sichtbare Kirche hat die Aufgabe, für die unsichtbare Kirche zu bilden; wodurch geschieht dies aber besser, durch Zurückweisen und Ausschließen, oder durch Pflege der gefallenen Seelen, durch Ermahnungen zur Buße, durch Vorhaltungen des Gesetzes, damit sie einsehen: “Bis jetzt sind wir keine Christen, sondern Heiden gewesen, und als solche, als Heiden, die aber nunmehr Christen werden und als Christen leben wollen, segnet uns die Kirche; was wir gelebt haben, das bedecke Du; was wir noch leben werden, regiere Du!” Die Kirche macht es, wie ihr Herr auf einem verwandten Gebiete. Er verbot in der Bergpredigt den Eid; und doch, als die Obrigkeit Ihm den Eid abforderte, als Caiphas Ihn beschwor bei dem lebendigen Gott, zu sagen, ob Er sei Christus? schwur Er: “Ja, du sagest es, ich bin’s.” Er gebot in der Bergpredigt, nicht zu widerstreben dem Uebel; und doch gab es Fälle, in denen Er und Seine Apostel dem Uebel widerstrebten, wenn es für das Reich Gottes und das Heil der Menschen nothwendig war. So auch die Kirche. Sie hält für ihre wahren Glieder fest das Gesetz der Unauflöslichkeit der Ehe; wo aber die Obrigkeit geschieden hat und neue Ehen sich bilden, entzieht sie ihren Segen nicht, und will nicht heiliger sein als Christus, der selbst die Ehebrecher an sich zog und jedes zerknickte Rohr aufzurichten suchte. Sie gehorcht der Obrigkeit in dem Gefühl, es könne leicht ein Einzelner zu hart gestraft werden, dessen eheliches Leben mehr durch allgemeine oder fremde Schuld zerstört war, als durch eigene, wenn sie auch nicht billigt; sie gehorcht mit Wehmuth und Traurigkeit und mit Ungewißheit, ob nicht das zweite Ja wieder ein Nein werden werde, und doch auch wieder mit Hoffnung, ob nach so bitteren vorangegangenen Erfahrungen nicht etwa jetzt der Geist des Herrn die neue Ehe weihen und heiligen werde. Eher will sie an der Strenge, als an der Liebe sich versündigen, wenn sie die Wahl hat zwischen beiden. Wie viele Geschiedene mögen bei der Leichtfertigkeit der jüdischen Gesetze unter den ersten Christen gewesen sein: wir lesen aber nirgends, daß die Gemeinde sie ausgeschlossen hätte; nur von den Ehebrechern sagt der Apostel, daß sie das Reich Gottes nicht ererben. Kann die Kirche einweihen und einsegnen zum Blutvergießen und Kriege, der ja auch ein nothwendiges Uebel ist: so kann sie noch vielmehr ohne Sünde einweihen und einsegnen zur besseren Ehe die früher Geschiedenen; nur daß sie die Gelegenheit benutze, auf die Sünde aufmerksam zu machen, zu ermahnen, zu strafen, zu bitten, zu beschwören an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott! Sind sie versöhnt mit Gott und haben sie bei Ihm Vergebung gesucht und gefunden: dann wäre es grausam und unchristlich, wenn Menschen nicht vergeben und nicht segnen wollten, was Gott gesegnet hat (Wie gern und milde der Herr segnet, beweist mehr als überraschend die Ehe Davids mit der Bathseba, die nicht nur nicht getrennt wurde, sondern auch welcher auch König Salomo abstammte, ja sogar Christus!!)

Theure Gemeinde! Wir haben heute viel Schweres gehört und das Herz blutet uns in bitterem Wehe, indem wir schließen. Doch haben wir das Allerschwerste dir noch anzukündigen. Der Herr sagt im Texte: “Wer sich von seinem Weibe scheidet, es sei denn um Ehebruch, der macht, daß sie die Ehe bricht!” Von wem, zu wem sagt Er das? Von Seinen Gläubigen, zu Seinen Gläubigen! Also auch unter denen, die das Salz der Erde und das Licht der Welt sein wollen, kann es Ehebrecher geben, kann von Ehebruch die Rede sein? Ja, Gott sei es geklagt; der Sohn Gottes sagt’s, und die Geschichte alter und neuer Zeit bewährt es. Namenloser Abgrund menschlicher Sündhaftigkeit! Versuchung ohne Ende! Kampf auf Leben und Tod! O töne uns fort und fort in die Ohren, zu unserer Warnung, Läuterung und Befestigung: “Ihr seid das Salz der Erde; wo nun das Salz dumm wird, womit soll man sagen? Es ist zu nichts hinfort nütze, denn daß man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten.” Töne fort und fort in unsere Ohren zu unserer Demüthigung, daß kein Stolz und keine Lieblosigkeit uns mehr erfülle: “Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.” Töne fort und fort in unsere Ohren, daß wir wachen und beten und nicht in Anfechtung fallen: “Wer sich dünken läßt, zu stehen, der sehe wohl zu, daß er nicht falle.”

Herr, wir fürchten uns vor uns selbst, vor unserm trotzigen und verzagten Herzen, und flüchten an Dein Herz mit der Bitte um Erbarmung und Kraft. Du hast uns erhalten mitten in der verderblichen Krankheit; um uns herum sind sie gefallen, unsere Brüder und Schwestern, aber uns hast Du bewahrt: Herr, wir sind nicht werth aller Barmherzigkeit und Treue, mit der Du uns verschont hast vor so Vielen, die besser sind als wir. Du hast uns dieses Jahr wieder gekrönt mit Deinem Gute und das Gewächs des Landes gesegnet mit großem Gedeihen, Regen und fruchtbare Zeiten hast Du uns gegeben und uns fröhlich gemacht über dem Reichthum Deiner Güte: Herr, wir haben alle diese große Gnade und Treue nicht verdient um unserer Sünde willen, und beschämt liegen wir vor Dir mit unserm Gebet, nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit. Du öffnest uns heute wieder den Tisch an Deinem Altare mit den köstlichsten Gütern des Himmelreichs, mit Deinem Leibe und Blute, mit Vergebung der Sünden und Kraft zur Heiligung: Herr, was sollen wir sagen? Wir fassen nicht den unendlichen Reichthum Deiner Huld und Liebe. O hilf denn, daß wir treu bleiben, daß wir die Krone nicht verlieren, daß wir wachsen in Glauben, in Gnade, in Gerechtigkeit und Heiligung, daß unsere Seufzer nach Besserung endlich einmal Erfüllung finden, damit wir am Tage jener großen Erndte kommen und unsere Garben bringen und dann erndten können ohne Aufhören. In Deiner Hand steht unser Leben, Leibes und der Seele: heilige Beides durch Dein himmlisches Leben. Amen.

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