Arndt, Friedrich - 56. Andachten zum Titusbrief

Arndt, Friedrich - 56. Andachten zum Titusbrief

Titus 1.

Herr, ich armer, sündiger Mensch komme und klage Dir von ganzem Herzen, daß ich Dich mit meinen vielfältigen großen Sünden leider oft wie die Kreter erzürnt und Deinen Zorn und Ungnade wohl verdient habe. Ich habe gesündigt und bin gottlos gewesen, deß muß ich mich schämen, und darf meine Augen nicht aufheben gen Himmel. So finde ich auch auf Erden weder Trost noch Rath, mein Herz ängstigt mich, mein Gewissen verklagt mich, das Schuldregister der zehn Gebote überzeugt mich. Wo soll ich doch nun hin fliehen? Bei wem soll ich Trost und Hülfe suchen? Bei Dir, o Herr, allein! Denn ob ich wohl in Dir schwer gesündigt habe, so weiß ich doch, daß Du nicht allein bist gerecht und heilig, sondern auch barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue; Du vergibst Missethat und Sünde Allen, die Dich fürchten und anrufen. Darum komme ich zu Dir im Namen Deines lieben Sohnes Jesu Christi, den Du mir und der ganzen Welt geschenkt hast, und bitte Dich, Du wollest Deinen Zorn und Grimm gnädig von mir abwenden und Dich meiner in Gnaden erbarmen. Du hast es ja alles beschlossen unter die Sünde, daß Du Dich aller erbarmest: so erbarme Dich auch heute über mich, und gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knecht, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. Ach, Herr, höre; ach Herr, sei gnädig; schone Deines Knechtes und vergib mir alle meine Sünden um Deiner Güte willen. Gedenke daran, was Du uns versprochen hast, wie Du nicht willst den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Du willst ja niemand, der zu Dir kommt, hinausstoßen: so wirst Du denn auch mich, der ich zu Dir mit demüthigem und bußfertigem Herzen komme, nicht verwerfen, sondern zu Gnaden annehmen. Herr, gib mir Deinen heiligen Geist, der mein Herz erneuere und mich zu allem Guten leite, daß ich mich vor Sünden hüte und in Deinem Dienst allezeit gehorsam erfunden werde, auf daß das bittere Leiden und Sterben Deines lieben Sohnes an mir armen Sünder nicht verloren sei, und Dein Wort und Deine Verheißung mir nicht zum Gericht und Verdammniß gepredigt werde. Hilf, daß ich Glauben und ein gut Gewissen behalte, damit mir beigelegt werde die Krone der Gerechtigkeit, welche Du wirst aufsetzen Allen, die Deine Erscheinung lieb haben, um Jesu Christi willen. Amen.

Titus 2.

O ewiger und allmächtiger Gott, ich bin Dir den größten Dank schuldig, daß Du mich erschaffen hast, da ich nichts war; aber noch weit größern, daß Du mich erlöset hast, da ich verloren und verdammt war! Ich lag in der Hölle Rachen. Du hast mich durch das Blut Deines Sohnes herausgezogen. Ich bin mir ganz Dir schuldig; denn Du hast mich ganz gebildet. Meine Zunge soll Dich beständig loben, weil Du sie mir gegeben hast. Mein Mund soll immerdar Dein Lob verkündigen, weil er von Dir Luft und Odem hat. Mein Herz soll mit beständiger Liebe Dir anhangen, weil Du es gebildet hast. Alle Glieder sollen zu Deinem Dienste bereit sein, weil Du sie alle, wie viel und wie groß sie auch sind, wunderbar bereitet hast. Wenn ich schon zuvor mich ganz Dir schuldig bin, weil Du mich ganz gemacht hast, was wird’s sein, daß ich Dir für die Erlösung aus meiner Knechtschaft und Gefangenschaft vergelten könnte? Das verlorne Schäflein hast Du den Krallen des höllischen Wolfs entrissen; den verlornen Groschen hast Du ängstlich gesucht. Wer bin ich, daß Du für meine Erlösung so besorgt, und zu meinem Heile so wunderbar freigebig sein wolltest? Wenn Du die ersten Menschen nach dem Falle ganz von Dir verworfen und mit allen ihren Nachkommen bis in die unterste Hölle hinabgestürzt hättest, so wäre keinem von uns Unrecht geschehen, sie und auch wir hätten empfangen, was unsere Thaten werth sind. Aber nun erzeigst Du Deine unbegreifliche und unaussprechliche Liebe gegen uns, daß Du Deinen Sohn den ersten Eltern nach dem Falle als Erlöser versprichst, und denselben in der Fülle der Zeit uns sendest, und durch ihn aus dem Tode zum Leben, aus den Sünden zur Gerechtigkeit uns zurückrufst. O Liebhaber der Menschen, der seine Lust bei den Menschenkindern hat, wer kann diese Liebe würdig preisen? wer kann sie mit dem Verstande erfassen? War der Knecht so werth, daß der Sohn zu seiner Erlösung in den Tod gegeben werden mußte? War der Feind so zu lieben, daß Du ihm den geliebtesten Sohn zum Erlöser bestimmt hast? Meine Seele staunt, wenn sie diese Wohlthat erwägt, und wird ganz hingenommen und zerfließt in Liebe zu Dir. Reinige mich denn, daß ich immer fleißiger werde zu guten Werken und verleugne das ungöttliche Wesen, und züchtig, gerecht und gottselig lebe in dieser Welt. Amen.

Titus 3.

Es ist doch lauter unaussprechliche Gnade in Dir, mein Gott, Du Heiland. Aus Gnaden hast Du Dich mir sogar erkauft, wie ein Knecht, auf daß Dich niemand mir abstritte und Du mich frei machtest. Und jede Stunde bietest Du Dich mir an, Du Unbezahlbarer, und setzest einen Preis, unbegreiflich, was er Dir werth sein könne. Denn wenn ich Dir mein Herz gebe, und Alles, was ich bin, so gewinne ich abermal nur, in also reich durch’s Nehmen und durch’s Geben. Darum ach, wie arm bin ich! –

Betrübt mich das? Hat mir’s mein Gott je aufgerückt? Wenn Er gibt, und ich habe nicht, alsdann zürnt wohl der Geber mit Recht um das Verwahrlosete, drohend: Wer nicht hat, dem wird auch genommen, was er hat. Und solche Habe trägt sich leicht, göttlicher Reichthum ist keine Bürde, wäre sogar Irdisches dabei, ich könnte es nach des Gebers Erlaubniß abwerfen, und das bessere Gut behalten, das nie drückt, sondern erleichtert. Aber welche Plage ist’s um den Reichthum, an dem das Herz hängt! Nur um den leiblichen? Nein, viel mehr noch um den geistigen. Denn ein leiblich Reicher ißt vielleicht sein Brod mit Kummer und Sorgen, mehr denn der Tagelöhner, weil er weiß, wenn er sein Geld verloren, so bleibt ihm gar nichts mehr; er tröstet sich aber doch der Hoffnung, vertraut auch wohl auf Gott. Aber der geistig Reiche tröstet sich weder der Hoffnung Gottes, will weder jene noch diesen, kämpft wider beide an, denn er ist satt und hat genug, und verblendet sich mit Gewalt wider den Abgrund seines Nichts. Wohl ihm, wenn in Nachtstunden ihn Schrecken daraus anheulen, und er nicht auch sie schon beschwichtigt hat und lächelt schlummernd wie ein Thor, daß er so unselig ist.

So will ich denn sehr selig sein im Wissen und Gefühl, daß ich nichts habe, als Gottes Gütigkeit; will mich nach Seiner Barmherzigkeit selig machen, mich täglich mit allem meinem Schmutz in das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes hineinwerfen lassen, und mich freuen meines himmlischen Erbes. Der Himmel steht mir offen bei Tag und Nacht. Gelobt sei Gott, gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit! Amen.

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