Arndt, Friedrich - 60. Andachten zum 1. Johannesbrief

Arndt, Friedrich - 60. Andachten zum 1. Johannesbrief

1. Johannes 1

Wir schau'n hinauf, der Vater herab,
An Lieb' und Treu geht uns nichts ab,
Bis wir zusammen kommen.

Mit diesen kurzen Worten schildert Luther gar trefflich das Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Es ist ein sich stets wiederholendes Hinaufblicken des innern Menschen zu Gott in Liebe und Verlangen; ein Hinaufblicken, dem Seine Antwort von oben gewiß ist, eine Antwort voll Gnade und Erbarmen, aus dem Herzen der ewigen Liebe und Treue. Indeß kann nur zwischen Gleichartigen eine wahrhafte und innere Verbindung, eine Lebensgemeinschaft gestiftet werden und Bestand haben; Gottes Wesen muß erst unser Wesen geworden sein, sein Licht, d.i. seine Reinheit, unser Sein und Wandeln im Lichte erzeugen und nähren; nur die reines Herzens sind, können Gott schauen. Von Natur ist leider in uns nichts als Finsterniß, und lieben wir die Finsterniß und hassen das Licht. Um zum Wandel im Lichte zu gelangen, müssen daher die Bande der Finsterniß gelöst und die Ketten gesprengt werden, in welchen wir gefangen liegen. Dies geschieht dadurch, daß wir die Finsterniß in uns erkennen und bekennen; denn dann vergibt uns Gott unsere Sünde und reinigt uns von unserer Untugend; der Gott, der das Licht ist, ist zugleich die Liebe und hat seine Gnade in Christo der Welt erscheinen lassen. Selige Erfahrung, wenn das gläubige Geistesauge eindringt in das Innerste des Herzens Gottes und sieht, was sich darin reget und beweget von Liebe und Erbarmen, und aus der Fülle dieses Lichts Kräfte eines neuen heiligen Lebens in das entsündigte Gemüth einströmen! Seliger Zustand, wenn die Sünde uns eine Last, ein Kummer, eine Demüthigung ist und das Leben in Gott allein unsere Lust, unser innigster Wunsch, unser tägliches Gebet und unser Wachsthum am inneren Menschen! Amen!

1. Johannes 2.

Der Grundton dieses Kapitels ist, die Gnade nicht zur Sünde und Weltliebe zu mißbrauchen, weder als Väter, noch als Jünglinge, noch als Kinder in Christo, und das um so weniger, als die letzten Zeiten dieser vergänglichen Welt und der Tag der Entscheidung nahe seien. Was ist denn die Welt, die ich nicht lieben soll? Zuvörderst suche sie in deinem Busen und selbsteigenen Herzen, dessen Dichten und Trachten nur böse ist von Jugend auf und immerdar; ferner suche sie unter den Menschen, ihren Lüsten, Sitten, Gewohnheiten, Werken, Gebräuchen, Freuden, Schätzen, Ehren und Ergötzungen; endlich sind die Welt, die Geschöpfe und Gaben Gottes, die du nicht hassen, aber doch weit unter Gott lieben sollst. Von Natur steckt in aller Menschen Herzen freilich die Weltliebe, nämlich Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Dieses goldene Kalb hat drei Köpfe: Fleischeslust oder Wollust, Augenlust oder Geiz und hoffärtiges Leben oder Ehr- und Lobgierigkeit. Dies sind die drei Hauptleidenschaften des menschlichen Herzens. Prüfe dich uns gib Acht auf deine inneren Begierden, was gilt’s? Du wirst diese Welt in Dir finden! Aber habt nicht lieb die Welt! Die Welt nicht lieben, heißt, an ihren Ehren, Reichthümern und Wollüsten keinen Gefallen haben, daß, wenn schon die Begierden darnach sich im Herzen hervorthun, man widerstrebe und sie unterdrücke; heißt einen Haß in dem neuen, guten Herzensgrunde fühlen gegen Alles, was Welt ist, daß, woran man zuvor sein Vergnügen hatte, der Seele nun ein Verdruß sei; heißt endlich in der That nach nichts streben, sinnen und arbeiten, was die Welt geben kann, sondern es vielmehr von sich stoßen und ausschlagen. Thust du das? Niemand kann zweien Herren dienen; wer die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. So viel wir uns von der einen Liebesart ausleeren werden, so viel werden wir uns mit der andern erfüllen. – Ich bekenne es Dir, mein Gott, daß ich leider die Welt auch lieb gehabt habe. Was habe ich damit geliebt? Heu, das verdorret, einen Schatten, der verschwindet, einen Reichthum, den die Diebe stehlen und die Motten fressen, eine Ehre, die in der Schande besteht. O ich thörichter Mensch, daß ich eine so böse, so vergängliche, so verfluchte Welt geliebt habe! Ach, vergib mir diese Thorheit; und weil ich ja nicht leben kann ohne lieben, so sollst Du, mein Gott und Heiland, der Mittelpunkt und einzige Gegenstand meiner Liebe sein. Du bist allein liebenswerth; Du hast allein da Recht zu unserer Liebe; Du kannst allein das Verlangen unserer Liebe füllen und sättigen. So kehre Du mein Herz ab von der Weltliebe und gieße Deine Liebe aus in mein Herz durch Deinen heiligen Geist, daß ich Dich liebe von ganzem Herzen und von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe und von allen Kräften. Bewahre mich vor der halbierten Liebe, die Welt und Dich zugleich lieben zu wollen; sondern nimm Du mein ganzes Herz ein und laß mir allezeit im Herzen und in den Ohren erschallen dies Wörtlein, das Du zu mir sagst: “ganz mein, oder laß es gar sein!„

Amen.

1. Johannes 3

Köstliches Wort: „Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor Ihm stillen, daß, so uns unser Herz verdammet, Gott größer ist, denn unser Herz und erkennet alle Dinge!“ Die wichtigste Lebensfrage ist unstreitig die: bin ich aus der Wahrheit? d.h. ist Leben in mir? gehöre ich zu Christi Schafen? sind lauter meine Gottesdienste, aufrichtig meine Bekenntnisse und Gebete, ohne Lug mein gottseliger Wandel, gerad und einfältig und ungefärbt mein ganzes Wesen? Und kann ich mein Herz und Gewissen vor Gott stillen, so daß es mich nicht verdammt, den Richterstab bei Seite legt und der Ruhe, dem Frieden und einer stillen, ungetrübten Heiterkeit in den Gründen meines Wesens Raum giebt? Der Apostel spricht drei Worte, und in den drei Worten die genügendste und herrlichste Lösung beider Fragen. Der Mensch ist aus der Wahrheit, wenn ihn 1) sein Herz verdammt und mit inniger Beugung und Beschämung ihm das Bekenntniß abnöthigt: ja, ich bin ein Sünder und nach Gottes Recht des höllischen Feuers schuldig; 2) wenn er glaubt, daß Gott größer ist als sein Herz; kann dieses nur verdammen, Gott kann auch lossprechen und vergeben; das Opfer und die Genugthuung seines Sohnes hat Ihn in den Stand gesetzt, unbeschadet seiner Gerechtigkeit die größten und schwersten Schulden zu streichen; 3) wenn er festhält, daß Gott Alles wisse und erkenne, und darum Gott nichts verhehlt, sondern sich ehrlich und aufrichtig vor Ihm giebt, wie er ist. Diese drei Stücke sind die Merkmale unserer Kindheit vor Gott, und die gewissen Mittel, unser Herz vor Gott zu stillen, sowohl in der ersten Buße als bei jedem weiteren Fehltritt unseres Lebens, wenn das Gericht in den innern Kammern wieder angeht und das von Gott schon längst gestillte Gewissen wieder in große Unruhe geräth. Sie setzen das Herz in jene Sabbathfeier, die ein Vorschmack derjenigen ist, welche unser droben harret vor Seinem ewigen Thron. Amen.

1. Johannes 4.

Unseres Glaubens Wurzel, Leben und Seligkeit ist die Liebe; denn er ist darauf gegründet, daß Gott die Liebe ist. Gott will nicht allein selig sein, sondern auch Andere selig machen, will mit Wesen Gemeinschaft haben, die seine Liebe erkennen, sie genießen und Ihm wieder Liebe geben können. Ja, Er hat uns fast mit Gewalt zum Glauben an seine Liebe gezwungen, indem Er uns seinen eingebornen Sohn gesandt und für uns in den Tod gegeben und uns durch Ihn aus Feinden wieder in Kinder Gottes verwandelt hat. „Darin stehet die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ – Haben wir aber erst lebendig erkannt, daß Gott uns liebt, dann können wir es nicht lassen, Ihn wieder zu lieben. Gott ist jetzt das einzige Ziel unseres Lebens geworden. Was dem Gesetz unmöglich war, das wird durch unsern Glauben an die Liebe erfüllt. Der Gläubige liebt die Feinde, liebt die Bösen selbst. Er hört darum nicht auf, seinen Brüdern Gutes zu thun, weil sie es nicht verdienen; denn auch er ist ja ohne Verdienst nur aus Gnaden selig geworden. Er vergibt, weil ihm vergeben worden ist; er liebt jedes Geschöpf Gottes, weil er Gott selbst liebt. – Und diese Liebe allein ist auch unseres Glauben Seligkeit; denn Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Einen ganz eignen Muth giebt die Liebe, und sie fühlt die Kraft in sich, durchaus Alles zu tragen. Liebe kann Alles. Wahrhaft Liebende, fürchten nur Eins, ihre Liebe zu verlieren oder getrennt zu werden. Was kann der gläubige Christ fürchten, der Gott über Alles liebt? Kann er auch die Liebe Gottes verlieren? Schmerzen kann es ihn wohl, daß seine Liebe zu Gott noch nicht völlig ist, daß sie oft wieder kalt wird, und dann Furcht und Pein wieder eintreten, aber sie wird völlig werden und das einzige Gnadengeschenk unseres Glaubens im Himmel wird vollendete Liebe und damit vollendete Seligkeit sein. So kommt der Glaube aus der Liebe, so lebt er in der Liebe, so führt er zu der Liebe. Amen.

1. Johannes 5.

Ein wichtiges Kapitel! Gedanke drängt sich an Gedanke. Jeder Vers ist Goldes Werth und inhaltschwer. Besonders wichtig für unser Herz ist aber das Wort: „Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, daß so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört Er uns.“ Das beschränkt nicht den Kreis unserer Gebete; es berichtigt ihn nur; denn im Worte Gottes ist viel, viel Gutes uns verheißen und von uns gefordert; was aber Gott verheißt oder fordert, ist unfehlbar der Gegenstand seines Willens. Ein Beter darf sich also so weit ausbreiten als die Gebote und Verheißungen Gottes reichen, und dabei versichert sein, daß er nach Seinem Willen bitte. Wenn er bittet: „Herr, erquicke, stärke mich, sie mir gnädig nach Deinem Wort,“ so verfehlt er des Willens Gottes nicht. Ja, wenn Christus in uns bleibt und seine Worte in uns bleiben, so ist ein Wille des Geistes in uns, welcher mit dem Willen übereinkommt, und deswegen konnte Jesus Joh. 15,7. zu seinen Jüngern sagen: „So ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollet, und es wird euch widerfahren.“ Es giebt freilich Dinge, von denen Gott seinen Willen in seinem Worte nicht geoffenbaret hat. Was sollen wir da thun? Wir dürfen einen bescheidenen Versuch mit Bitten machen, wie Moses um den Eingang in Canaan, Jeremias um Abwendung und Zerstörung Jerusalems, Salome für ihre Söhne um das Sitzen zur Rechten und Linken des Herrn Jesu; wenn Gott unsere Bitte aber wie dort abschlägt, so sollen wir uns zur Ruhe geben und glauben, daß das, was Gott thun will, besser ist als das, um das wir Ihn gebeten haben. Wie sollen wir aber diese Antworten Gottes vernehmen? So daß wir darauf achten, ob uns der h. Geist vom weiteren Bitten abhalte, und ob der Erfolg anders ausgefallen ist, als wir gewünscht und erbeten haben. Hanna bat Gott nach Seinem Willen, da sie um einen Sohn bat, Hiskias ebenfalls, als er um die Verlängerung seines Lebens flehete, ungeachtet weder dieser noch jene sich auf ausdrückliche Verheißungen Gottes berufen konnten. Auch sagt Jacobus 5,16. mit großer Bestimmtheit: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Weil Gott uns hört, so wir etwas nach Seinem Willen bitten, so dürfen wir auch eine Freudigkeit oder Freimüthigkeit gegen Ihn haben, und Ihn in der Hoffnung der Erhörung oft und um Vieles bitten.

Gott, Du erhörst, das Reich ist Dein;
Ja, ja es soll geschehen.
Als Herr hörst Du der Raben Schrei’n,
Als Vater unser Flehen.
Daher kommt alles Fleisch zu Dir
Und wie die Kinder beten wir
Zum Vater in dem Sohne.

Gott, Du erhörst, Dein ist die Kraft;
Ja, ja, es kann geschehen.
Du bist’s, der alle Hülfe schafft
Und mehr als wir verstehen.
Was aller Welt unmöglich ist,
Da hilfst Du uns durch Jesum Christ
Von Sünden, Tod und Hölle.

Gott, Dein ist auch die Herrlichkeit;
Ja, ja, es wird geschehen.
Du hast dir selbst ein Lob bereit’t,
Daß wir Erhörung sehen.
Hier dankt man Dir in Schwachheit schon,
Dort wird Dein Ruhm vor Deinem Thron.

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