Arnd, Johann - Passionspredigten - Achtunddreißigste Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Achtunddreißigste Predigt.

Am stillen Freitage. 2. Kor. 5, 14.

Dies ist der Tag, von welchem der Prophet Sacharja am 3, geweissaget hat: Denn siehe, ich will meinen Knecht Zemah kommen lassen; und will die Sünde desselben Landes wegnehmen auf einen Tag. Dies ist derselbe Tag, von welchem der Prophet Daniel am 9. geweissaget, an welchem die Missethat vergeben, die Sünde zugesiegelt und eine ewige Erlösung erworben ist. Dieser Tag ist das rechte Versöhnungsfest, davon 3 Mose 23 stehet, da ein Priester in heiligen Kleidern das Volk mit einem Opfer versöhnen, und einen Sabbath von einem Abend bis wieder zum Abend halten mußte. Dies rechte Versöhnungsfest ist im Leiden Christi durch den rechten Hohenpriester gehalten, und das rechte Opfer, und ist der rechte Sabbath gehalten, der Ruhetag des Herrn in seinem Grabe, von einem Abend bis wieder zum andern, von dem Abend des heutigen Tages bis an den Abend des morgenden Tages, da der Herr am Ostertage in der Morgenröthe auferstanden ist. Heut diese Nacht hat der Herr am Oelberge so heftig gebetet, mit dem Tode gerungen und blutigen Schweiß geschwitzet, ist darauf gefangen und gebunden, und in derselbigen Nacht vor den geistlichen Rath geführt; des Morgens heute von Sechs an bis um Zwölf, sechs ganzer Stunden vor Gericht gestanden, vor Pilatus und Herodes, ehe ihn Pilatus zum Tode verurtheilen wollte. Um Zwölf heute, gleich im Mittag, ist er gekreuziget worden, und hat drei Stunden am Kreuz gelebt, von Zwölf bis um Drei. Heute um drei Uhr ist er verschieden, mit großem Geschrei, und sind die Zeichen an Himmel und Erde geschehen, und ist ihm etwa um vier Uhr seine heilige Seite mit einem Speer geöffnet, daraus Blut und Wasser geflossen, ist auch heute noch vor Sonnenuntergang vom Kreuz abgenommen und begraben worden, und auf den Abend das Grab mit einem großen Steine verschlossen und versiegelt.

Wir wollen demnach jetzt auf's Allerkürzeste die vier vornehmsten Handlungen, oder Oerter, da der Herr gelitten, besehen:

  1. Den Oelberg.
  2. Den Pallast des Hohenpriesters.
  3. Das Richthaus des Pilatus.
  4. Die Schädelstätte oder Golgatha. Denn die heilsame Betrachtung der Passion bestehet in vier Stücken, daß man sie anstehet:
  1. Als einen Sündenspiegel.
  2. Als einen Zornspiegel.
  3. Als einen Gnadenspiegel.
  4. Als einen Tugendspiegel.

Das will ich eurer Liebe diesmal in den vier Handlungen der Passion zeigen.

Die erste Handlung.

Heute diese Nacht hat der Herr sein heiliges Leiden am Oelberge angefangen. Die Historie sagt: Er sing an zu trauern, zu zittern und zu zagen. Aus welchen Worten wir die traurigen Worte, Gedanken und Geberden des Herrn abnehmen. Dies ist das traurigste und betrübteste Herz auf Erden gewesen. Der ganzen Welt Traurigkeit, Angst und Betrübnis, lag auf ihm. Wie wird er so kläglich geredet, gewinselt, und geweint und gesagt haben: Ach, wie ist mir so herzlich bange, so angst und wehe, wo soll ich hin, wo soll ich bleiben? Die elendeste Zeit hat mich überfallen, kein Wurm auf Erden ist so elend als ich; ein Würmlein hat noch sein Löchlein, darein es kriecht; eine Taube ihre Steinrigen, dahin sie flieht vor ihrem Unglück, wo soll ich aber hin? Aller Menschen Traurigkeit, Angst und Schmerzen sind auf mich geworfen, und betrüben meine Seele bis in den Tod; die Hölle und der Tod haben ihren Rachen weit aufgesperret wider mich, und wollen mich verschlingen; davor ist mein Herz erschrocken, meine Seele trauert und zaget, mein ganzer Leib erzittert davor.

Hier stehe still, lieber Mensch, besiehe deinen Herrn, und sprich: Ich danke dir, mein getreuer Heiland, für deines Herzens große Traurigkeit, für die große Betrübniß deiner heiligen Seele, für das Herzzittern deines heiligen Herzens und heiligen Leibes, daß du alle meine Krankheit und Schmerzen an deinem heiligen Leibe erlitten und ertragen hast. Denn dies sind alle meine Schmerzen gewesen, die du getragen hast, dadurch du mich von der ewigen Traurigkeit, von dem ewigen Zittern und Zagen erlöset hast. Du hast dich recht zu uns in unsere Krankheit gelegt, und den Aussatz unserer Sünde von uns an dich genommen, und stirbst für uns, auf daß wir ewig leben, und trauerst für uns, auf daß wir uns ewig freuen sollen.

2. In dieser höchsten Traurigkeit bittet der Herr um Errettung, stellet es aber in Gottes Willen und spricht: Abba, mein Vater, es ist dir Alles möglich, überhebe mich dieses Kelchs, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Hier bleibe stehen und höre den heiligen Gehorsam deines Erlösers an, und lerne, was St. Paulus sagt: Wie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden viele Gerechte. Und sprich: Ich danke dir, mein Heiland, für deinen heiligen Gehorsam, mit welchem du meinen Ungehorsam gebüßet hast; gieb mir ein gehorsames Hei! deinen Willen zu thun, und mein Kreuz willig zu tragen.

Im dritten Gebet des Herrn ist nun der heilige Todeskampf und blutige Schweiß des Herrn geschehen. Stehest du hier den Zorn und Sündenspiegel? Hier haben Tod und Leben mit einander gerungen, die zwei stärksten Riesen, Christus, Gott und Mensch, und die ganze höllische Todes- und Teufelsmacht, die dringen dem Herrn den blutigen Schweiß ab; sein Saft und Kraft war so gar ausgetrocknet, wie eine Scherbe, daß er keinen natürlichen Schweiß mehr geben konnte. Darum hat ihm die Todesangst und Hitze das Blut aufgelöset und durch die Schweißlöcher herausgedrängt, nicht anders, als wenn man ein rothes Weinträublein zerknirscht oder zerkeltert. Dies ist das rechte edle Traubenblut, Denn diese Blutströpflein sind durch sein Kleid gedrungen und auf die Erde gefallen. Hier haben wir den rechten Keltertreter, der die Kelter des Zornes Gottes allein getreten, und sein Blut auf sein Kleid gesprengt, Jes. 63.

Hier steht nun stille, und beseht die heiligen Blutströpflein Christi, fasset sie in eure Herzen durch den Glauben auf! Wenn man an eine Stätte kommt, da ein Mensch ermordet ist, und man siehet Menschenblut auf der Erde liegen, wird einem gleich das Herz bewegt. Laß dich nun Christi Blut bewegen, so ihm deine Sünde aus seinen heiligen Adern und aus seinem ganzen Leibe herausgedrungen hat. Dies Blut schreiet zu Gott in den Himmel von der Erde, und bittet für dich. Denn so Abels Blut zu Gott um Rache schreiet, wieviel mehr schreiet das Blut Christi zu Gott um Vergebung deiner Sünden. Laß nur dein Herz die Erde sein, darauf es gefallen, so wird es aus deinem Herzen zu Gott schreien.

Hast du noch nicht des Morgens die Blümlein voll Thautröpflein hängen sehen? Hier ist die edle Blume, die Königskrone, die voll blutiger Tröpflein des heilsamen Thaues hanget. Sammle denselben, er ist gut deine Sündenwunden zu heilen.

In diesem Todeskampf kommt ein Engel vom Himmel und stärket den Herrn. Siehe, hier muß der Brunnen alles Trostes selbst getröstet werden, und die Kraft aller Stärke selbst gestärket werden. Das ist die allertiefste Erniedrigung des Sohnes Gottes, das sind die güldenen Cherubim, die unterwärts auf den Gnadenstuhl sehen. Der Engel wird ihn aus Gottes Wort getröstet und gesagt haben: Du liebster Sohn Gottes, du ewiges Heil der Welt, du Gesegneter des Herrn, sei getrost, dein himmlischer Vater lässet dir sagen, dein Gebet sei erhöret; Gott ist bei dir in deiner Noth, er wird dich herausreißen und zu Ehren machen. Das böse Stündlein wird nun bald vorüber sein, du mußt eine kleine Zeit von Gott verlassen sein, aber mit ewigem Schmuck und Herrlichkeit wird dich dein himmlischer Vater krönen und schmücken.

Bleibe nun hier stehen, siehe, wie dein Herr und Erlöser als ein Blutwürmlein daliegt. Er liegt auf der Erde im Todeskampf, der Engel steht bei ihm, und tröstet ihn.

Das ist ein Spiegel. So werden deine Engel auch bei dir in deiner Todesnoth sitzen, ja der Herr Christus selbst wird in dir mit dem Tode kämpfen, und in dir den Tod überwinden.

Die andere Handlung.

Als nun das unschuldige Lämmlein Gottes, das etliche Tage von der Heerde abgesondert war zum Schlachtopfer, im Garten gegriffen, wird es erstlich vor die reißenden Wölfe, die Hohenpriester, und vor den geistlichen Rath geführt. Ist ebensoviel als wenn ein einzelnes Lämmlein unter einen Haufen Wölfe geriethe. Und da er nun vor dem geistlichen Rath stehet und sich verantworten will, giebt ihm der Diener einer einen Backenstreich, und spricht: Sollst du dem Hohenpriester also antworten?

Hier stehe still, und siehe deinen Herrn an, wie er dastehet mit gebundenen Händen und geschlagen wird. Ist das nicht schrecklich eine solche Person in's Angesicht schlagen, die Gott und Mensch ist? Was wird dieser Knecht sagen, wenn er am jüngsten Tage des Herrn Angesicht leuchten sehen wird, Heller als die Sonne? Er wird grausam erschrecken und sagen: Siehe, das ist das herrliche Angesicht, das du geschlagen hast. Höre, was der Prophet Jesaias spricht: Er ist um unsrer Sünde willen geschlagen, auf daß wir Frieden hätten, und sprich: Ich danke dir, mein treuer Heiland, daß du die Schläge, die ich verdienet hatte, erlitten und mich von den ewigen Schlägen erlöset hast.

Der Herr verantwortet sich sanftmüthig, und spricht: Habe ich übel geredet, so beweise es, daß es unrecht sei, habe ich aber recht geredet, warum schlägst du mich? mich armen gefangenen und gebundenen Mann? Ach, lieber Herr, fragst du, warum? Unsere Sünden haben dich so geschlagen. Deine Schläge sind unser Friede, dafür sei dir ewig Dank gesagt.

Der ganze geistliche Rath aber hat ihn gefragt, und gesagt: Bist du Christus, der Messias, sage es uns. Der Herr spricht: Sage ich's euch, so glaubt ihr's nicht. Frage ich aber, ob nicht die Propheten von einem solchen Messias geweissagt haben? So antwortet ihr nicht und lasset mich dennoch nicht los. Darum von nun an werdet ihr sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft Gottes, und kommen in den Wolken des Himmels. Da sprachen sie Alle: Bist du denn Gottes Sohn? Er sprach; Ihr sagt's, ich bin's. Dies ist das herrliche Bekenntnis), die Grundfeste der Kirche, und das Fundament unsers Glaubens; der Ursprung und Brunnen unsers Heils.

Komm nur bald, Herr, und zeige dich in den Wolken des Himmels deinen Feinden, daß sie sehen, daß du Gottes Sohn bist, und gieb uns Beständigkeit und Freudigkeit dich zu bekennen, daß du Gottes Sohn bist.

Ueber diesem Bekenntnis) wird nun der Herr schmählich verspottet, wie ein Narr, und ist doch die ewige Weisheit des Vaters. 2. Speien sie aus, in sein Angesicht und er ist doch der Allerunschuldigste. 4, Verhüllen sie sein Angesicht und sagen: Bist du Gott, der Alles weiß, se sage uns, Christe, wer ist's, der dich schlägt? Und ist er doch der Herr aller Herzenskündiger. 5. Viele Lästerungen sagten sie wider ihn, und ist er doch der Allerheiligste. Dies Alles sind unsere Sünden gewesen; unsere Hoffart hat ihn so verspottet, unser Ehrgeiz hat ihn so verspeiet, unsere Wollust hat ihn so hart geschlagen und unsere Gotteslästerung hat ihn so gelästert. Ach, du liebreicher Herr, wir haben die Untugend und Laster begangen, und du mußt die Schmach leiden; wir sind hoffärtig gewesen, und du mußt verspottet werden; wir sind ungehorsam gewesen, und du mußt die Schläge leiden; wir haben die Schande begangen, und du mußt verspeiet werden. Wer wollte doch unter allen Menschenkindern für einen Andern das leiden, und eines Andern Schande auf sich nehmen? O große Liebe, die auch keine Schläge, keine Schmach oder Schande auslöschen konnte, auf daß wir von der ewigen Schmach und Schande erlöset würden! Siehest du hier den Sünden- und Zornspiegel?

Die dritte Handlung.

Von dem geistlichen Rath wird er vor das weltliche Gericht geführt, und allda angeklagt als ein Uebelthäter. Ach, der allerunschuldigste Herr muß der größte Uebelthäter sein! Warum? Alle Menschen sind Uebelthäter, und er stehet da an aller Menschen Statt, unsere Sünden klagen ihn als den größten Uebelthäter an, als hätte er aller Welt Sünde allein gethan; unsere Sünden wollen ihn todt haben. Denn der Tod ist der Sünden Sold. Darum schrieen sie: Kreuzige, kreuzige ihn! Darum ist er an einer Säule jämmerlich gegeißelt, daß sein ganzer Leib voll blutiger Striemen worden, und das Blut allenthalben von seinem heiligen Leibe rinnet Sonst war's im Gesetz verboten, 5 Mose 25, man durfte keinem Knecht über vierzig Streiche geben, daß er nicht scheußlich aussehe. Aber hier mußte der gerechte Knecht Gottes also geschlagen werden, auf daß der 88. Psalm erfüllet würde: Du Hast mich ihnen zum Greuel gemacht. Ich liege gefangen, und kann nicht auskommen. Hier haben wir die rechte Meerschnecke, die die Purpurfarbe giebt aus dem Meere des Zornes Gottes.

2. Ueber solche Blutstriemen ziehen sie ihm einen Purpurmantel an, zu Hohn und Spott. Ich meine ja, Gott hat ihn mit Purpur gekleidet, mit seinen heiligen, rosinfarbigen Blutstropfen. Die Naturkundigen schreiben, daß die Purpurfarbe so tief färbt, daß sie mit keinerlei Kunst und Mittel wieder ausgelöscht werden könne. Bittet Gott, daß Christi Blut euere Herzen und Seelen also färbe, daß der Tod und Teufel dieselben nicht auslöschen mögen.

3. Setzen sie ihm eine Dornenkrone auf sein Haupt. Als Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte, sah er sich um, und sah ein Böcklein in der Dornenhecke hangen, das nahm er und opferte es. Siehest du dasselbe allhier? O König der Ehren, der du uns durch eine Dornenkrone die Ehrenkrone erworben, laß uns deine Dornenkrone immer vor unsern Augen stehen, die Hoffart damit zu vertreiben.

4. Geben sie ihm ein Rohr statt des Scepters in seine rechte Hand. O sanftmüthiger Herr, du wirst das zerbrochene Rohr nicht vollends zerbrechen, und den glimmenden Docht nicht auslöschen.

5. Beugen sie die Knie vor ihm, und sagen: Gott grüße dich, lieber König der Juden.

6. Schlagen sie ihn in's Angesicht.

7. Speien sie ihn an.

Da er nun so jämmerlich zugerichtet war, nimmt ihn Pilatus bei der Hand, führet ihn heraus, und spricht: Sehet, welch ein Mensch! Habt ihr auch je einen elenderen Menschen gesehen? Siehe, den rechten Sündenspiegel. Sehet ihr nun diesen Menschen an, lieben Christen, ist er nicht der, von welchem der Prophet Jesaias spricht: Er war der Allerverachtetste und Unwertheste, voller Schmerzen und Krankheit? Ist das nicht der von welchem der Prophet spricht: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und Verachtung des Volks?

Endlich verurtheilt ihn Pilatus zum Tode des Kreuzes, auf daß uns der Herr damit von dem schrecklichen Urtheil erlöse: Gehet hin, ihr Verfluchten. Siehest du hier abermal den Sünden- und Zornspiegel?

Die vierte Handlung.

Der Herr wird hinausgeführet, und muß das Kreuz zu seinem Tode selbst tragen. Bestehe diesen Kreuzträger, er gehet vor dir hin, du mußt ihm also folgen. Er wird mit Händen und Füßen an's Kreuz angenagelt, wie der 22. Psalm spricht: Sie haben meine Hände und Füße durchgraben. Und der Prophet Sacharja am 13: Was sind das für Wunden in deinen Händen? wird er sagen: So bin ich geschlagen im Hause derer, die mich lieben. Meine Blutsfreunde und Verwandten haben mich so zugerichtet.

Er hänget da als ein Fluch. Ein Fluch sein heißet: Alles Unglück leiden, so in der Welt ist, ja alle Angst und Pein des Todes und Teufels. 2. Der keinen Trost hat, und von Gott und Engeln und Menschen verlassen ist. 3. Deß sich Niemand erbarmet. 4. Der allem Fleisch ein Greuel und Ekel ist. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg, der Allerverachtetste unter allen Menschenkindern, ein Wurm und kein Mensch. Eine Schlange ist ein verfluchter Wurm, denn Gott hat die Schlange verflucht. Siehe, hier stehest du die rothe verfluchte Schlange am Kreuz hangen. Er war ein Wurm, darum scheuete, grausete, ekelte Jedermann vor ihm. Er war so unwerth, daß er für keinen Menschen mehr geachtet ward, darum wollte sich Niemand sein erbarmen, sondern man speiete ihn an. Hier besiehe recht den Sünden- und Zornspiegel. Die Schmach bricht mir das Herz, sagt er im 69. Psalm. Ich warte, ob's Jemand jammert, aber da ist Niemand, und auf Tröster, aber ich finde keine. Betet er, so spottet man sein; will er trinken, so giebt man ihm Galle und Essig zu trinken, daran er den bittern Tod hätte trinken mögen. Und muß endlich mit bloßem, blutigem, verwundetem Leibe sterben, da man doch sonst über die Sterbenden ein Tuch wirft, und ihren elenden Leib zudecket. Darum schreiet er auch: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Hilf Gott, den allerschönsten unter den Menschenkindern, wie hat ihn unsere Sünde zugerichtet, der da weißer war denn Schnee, klärer denn Milch, röthlicher denn Korallen, seine Augen heller, denn ein Saphir. Klagelieder Jeremiä 4. Das Hohelied hat seine Gestalt beschrieben. Aber nun heißet's: Meine Gestalt ist verfallen vor Trauren, und ist alt worden, denn ich allenthalben geängstet werde. Und so hat nun sein heiliger Leib bloß, unverhüllt am Kreuz sterben müssen, auf daß Jedermann dies blutige Opfer, diesen bloßen Blutwurm, seine Schmerzen und Striemen sehen konnte. Schauet doch Alle, die ihr vorübergehet, und sehet, ob irgend ein Schmerz sei, wie mein Schmerz; der Herr hat mich voll Jammers gemacht am Tage seines grimmigen Zorns. Das mag ein Zornspiegel sein.

Da nun Alles vollbracht, neiget der Herr sein heiliges Haupt, und verscheidet, und stirbt als der Gerechte für die Ungerechten, der Allerheiligste für die Sünder, der Unschuldige für die Uebelthäter, ein solcher Tod war noch nie auf Erden gesehen. Hier ist nun Gottes Urtheil und Gerechtigkeit erfüllet: Du sollst des Todes sterben. Da ist nun der Gerechtigkeit Gottes genug geschehen, und die Sünde mit dem Tode bezahlet. Wie könnte eine Sünde so groß sein, welche dieser heilige unschuldige Tod nicht bezahlen sollte? Wie könnten der Sünden so viel sein, die nicht durch diesen heiligen Tod hinweggenommen und vertilget werden sollten? Dieser himmlische Simson hat nun die zwei Säulen, darauf der höllischen Philister Haus erbauet war, die Sünde und den Tod, eingerissen, und in seinem Tode mehr Feinde erschlagen, denn in seinem Leben.

Zuletzt wird dem Herrn seine heilige Seite mit einem Speer geöffnet, auf daß auch noch sein zartes heiliges Blut heraus gezapft würde, damit er ja keinen Blutstropfen im Leibe behielte, welchen er nicht um unsertwillen vergösse, wie der Text sagt: Und als bald ging Blut und Wasser heraus. 2. Hier ist nun der Fels, den Moses geschlagen, in der Wüste, da die Kinder Israel Durstes sterben wollten. Wäre dieser Fels nicht geschlagen, und geöffnet, wir hätten in dieser dürren Wüste Alle des ewigen Durstes sterben müssen. Den Fels schlug Moses mir seinem Stab, daß er Wassers die Menge gab. Der Fels ist Christus. Das Lamm Gottes gab Wasser und Blut an des Kreuzes Stamme. Bestehe nun diesen Blutbrunnen. 3. Dies ist das Fenster, so sich der Herr zu seinem Herzen hat eröffnen lassen, daß du sein Herz sehen solltest. 4. Dies ist der gewaltige Zeuge unsrer Erlösung auf Erden. Denn drei Dinge sind auf Erden, die da zeugen, der Geist, das Wasser und das Blut, und diese drei sind beisammen. 5. Dies ist der geistliche Regenbogen, mit seiner Wasser- und Blutfarbe, den Gott als einen Zeugen in die Wolken gesetzet hat. Wenn Gott denselben ansiehet, so will er uns gnädig sein. 6. Hier ist der rechte Heilbrunnen, die lebendige Quelle. Wohlan Alle, die ihr durstig seid, kommet her zum lebendigen Wasser und trinket. Des Herrn Wunden sind uns ein Brunn des lebendigen Wassers, das in's ewige Leben quillet. Wie Simson durch einen Eselskinnbacken 1000 Mann schlug, also Christus durch seinen heiligen Leib. Und wie dort ein Brunnen aus des Esels Kinnbacken ward, darin Gott einen Zahn spaltet, also ist aus der eröffneten Seite Christi ein Lebensbrunnen worden. Hier stehest du nun den rechten Gnadenspiegel. Der Tugendspiegel aber ist der Glaube, Liebe, Hoffnung, Gebet, Demuth, Sanftmuth, Geduld, Gehorsam im höchsten Grad.

Wohlan, du Christenmensch, wecke auf deine Seele, danke deinem Erlöser für sein ganzes heiliges Leiden und Sterben. Dankbarkeit ist das beste Opfer und nicht zu vergessen, und sprich:

O du allerheiligster, holdseligster Herr Jesu! Ich danke dir von Herzen für deine

1. Herzliche Traurigkeit, da deine Seele bis in den Tod betrübt gewesen ist.

2. Für deinen demüthigen Fußfall, so du deinem himmlischen Vater für uns gethan, da du mit deinem heiligen Angesicht auf die Erde gefallen.

3. Für dein heiliges Gebet, und deinen heiligen Gehorsam, da du sprachst: Nicht was ich will, sondern, was du willst.

4. Für deinen bittern Todeskampf und allerheiligsten blutigen Schweiß.

O, du unschuldiges, unbeflecktes Lämmlein Gottes, wir danken dir, daß du für uns arme Sünder bist

1. Gefangen. 2. Gebunden. 3. Falsche Anklage erlitten. 4. In dein heiliges Angesicht geschlagen, verspottet, verspeiet, gelästert, und das Alles als ein geduldiges sanftmüthiges Lämmlein gelitten.

O, du König der Ehren und Herr der Herrlichkeit, wir danken dir, daß du um unsertwillen

1. Als ein Uebelthäter gegeißelt.

2. Zu Hohn und Schmach mit Purpur gekleidet.

3. Mit Dornen gekrönet und durch Pilatum heraus geführet und dem Volk gezeiget: Welch ein Mensch!

4. Verworfen, verläugnet, und zum Tode des Kreuzes verdammt.

0. du gerechter Knecht Gottes, du gehorsamster Sohn deines Vaters! Wir danken dir

1. Daß du mit großer Schmach dein Kreuz zu deinem Tode selbst getragen.

2. Daß du daran mit Händen und Füßen angenagelt, und ein Opfer worden bist für unsre Sünde, ja ein Fluch, ein Wurm, und mit bloßem blutigen Leibe unsre Sünde gebüßet.

3. Daß du als der rechte Hohepriester für uns am Kreuz gebeten, das Paradies eröffnet, Höllenangst erlitten, das du schreiest: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! Wir danken du für deinen heiligen Durst und bittern Trank, für das tröstliche Wort: Es ist vollbracht. Wir danken dir für deinen Tod und für dein letztes Wort am Kreuz, damit du alle unsre Seelen in deines Vaters Hände befohlen.

4. Wir danken dir für dein heiliges Herzblut, so aus deiner eröffneten Seite geflossen, zur Bezahlung unsrer Sünden.

Laßt uns nun hingehen mit Joseph von Arimathia, um den Leib des Herrn Jesu bitten, denselben in eine reine Leinwand unsers Glaubens wickeln, mit Myrrhen und Aloe salben, das ist, mit Liebe, Dank, Ehre, Lob und Preis. Laßt uns denselben in unser Herz, als in ein neues Grab legen, daß er allein, und sonst keiner mehr darin ruhe, und versiegele du, o Gott, dies Grab mit deinem heiligen Geist, daß wir diesen edlen Schatz aus unsern Herzen nicht verlieren, sondern mit ihm, in ihm, und durch ihn leben, sterben, auferstehen, gen Himmel fahren und ewig bei ihm bleiben mögen. Amen.

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