Arnd, Johann - Passionspredigten - Neunzehnte Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Neunzehnte Predigt.

Es ist geweissaget von unserm Herrn Jesu Christo im 31. Psalm, daß ihn seine liebsten Freunde in seinem Kreuz verlassen und verleugnen werden, denn der Psalm saget in der Person des Messias: Es gehet mir so übel, daß ich bin eine große Schmach worden meinen Nachbarn, und eine Scheu meinen Verwandten; die mich auf der Gasse sehen, fliehen vor mir. Und im 38. Psalm: Meine Lieben und Freunde stehen gegen mich, und scheuen meine Plage, und meine Nächsten treten ferne. Daß nun unser lieber Herr Christus diese Untreue an seinen liebsten Freunden, an seinen Jüngern, und sonderlich an Petrus hat erfahren müssen, das ist ein groß Stück seines Leidens gewesen. Also sehet ihr, daß der Herr Christus alles menschlichen Trostes in dieser Welt beraubt gewesen ist. Wenn wir nun diesem Bilde Christi auch ähnlich werden, und auch keinen menschlichen Trost haben können im Kreuz, so tröstet euch mit dem Exempel euers Erlösers. Denn dadurch wird man seinem Bilde ähnlich, darüber klaget auch David im 142. Psalm: Schaue zur Rechten, und siehe! da will mich Niemand kennen. Ich kann nicht entfliehen. Niemand nimmt sich meiner Seele an. Herr, zu dir schreie ich, und sage: Du bist meine Zuversicht, mein Theil im Lande der Lebendigen.

Wir wollen auf diesmal zwei Stück betrachten:

  1. Den Fall Petri.
  2. Die Buße und Bekehrung Petri.

I. Der Fall Petri.

1. Ist hier zu bedenken die große und schwere Sünde Petri, welche keineswegs entschuldiget oder bemäntelt werden darf, wie etliche unter den Vätern Petrum gerne ein wenig bei Ehren erhalten wollen. Aber was will man entschuldigen? Wir haben einen klaren Ausspruch. Matth. am 10. und Mare, am 8. Cap.: Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater und allen heiligen Engeln. Wer sich meiner schämet, deß will ich mich wieder schämen. Nun hat aber Petrus seinen Herrn nicht allein dreimal zwischen zweien Hahnenschreien verleugnet, sondern auch den Herrn hoch und theuer verschworen. Darum hätte er freilich, soviel seine Schuld belanget, vom Herrn wieder verleugnet werden sollen. Lernet hier, daß keiner seine Sünde entschuldige, sondern von Grund des Herzens erkenne. Die „Sünde ist ein solcher großer Greuel, daß sie nicht genugsam erkannt und verabscheuet werden kann.

Lernet hier, daß man Christum auf dreierlei Weise verleugne: 1. Mit Stillschweigen, damit Gunst zu behalten, oder aus Furcht, oder sich nicht einzumischen in Händel. 2. Mit Worten. 3. Mit Werken.

  • Mit Stillschweigen also, wenn man der falschen Lehre nicht widerspricht, und für die Wahrheit nicht streitet, oder nicht bekennen will, daß man der reinen Lehre zugethan sei. Vertheidige die Wahrheit bis in den Tod, so wird der Höchste für dich streiten.
  • Mit Worten aber, wenn man falsche Lehre billiget oder vertheidiget.
  • Mit Werken aber; erstlich, wenn man nicht leiden will um der Wahrheit willen, das Kreuz fürchtet und flieht. Luc. 9 und 14: Will mir Jemand nachfolgen, der nehme sein Kreuz auf sich. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir, kann mein Jünger nicht sein. Darnach heißet auch das Christum verleugnen mit den Werken, wenn man unter dem Schein der wahren Religion ein gottlos Leben führet, in Hoffart, Geiz und allerlei Wollust lebet, und nicht in den Fußstapfen Christi wandelt, wie er uns in Demuth und Sanftmuth vorgegangen ist. Davon sagt St. Paulus zum Titus am 1. Capitel: Sie sagen, sie erkennen Gott, aber mit den Werken verleugnen sie es. Und 2. Timoth. 3: Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie, darum wird sie der Herr wieder verleugnen an jenem Tage und sagen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet Alle von mir, ihr Uebelthäter, Matth. 7. Ihr habt mich nicht kennen wollen in meiner Demuth, Liebe und Sanftmuth, so kenne ich euch wieder nicht in eurer Hoffart.

2. Ist hier zu betrachten, wie Petrus in diese Sünde gerathen, und durch welche Gelegenheit, 1. Durch seine Vermessenheit, und daß er seinen eigenen Kräften zuviel getrauet hat, nicht zu Herzen genommen die Vermahnung des Herrn: Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Ach, wie treulich ermahnet uns St. Paulus Römer am 11.: Sei, nicht stolz, sondern fürchte dich. Und abermal 1. Cor. 10: Wer sich lasset dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle! Und abermal Philipp. 2: Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern. Und abermal Col. 1: So ihr anders bleibet im Glauben gegründet und fest, und unbeweglich von der Hoffnung des Evangelii. Welches Alles dahin gemeinet ist, die geistliche Hoffart zu vermeiden, und die Vermessenheit und Sicherheit zu fliehen, und immer an Gottes Gnade zu hangen, in Demuth und Furcht.

Darum sollen wir ja nicht auf unsere Wissenschaft und Erkenntniß trauen, daß wir viel und hocherfahren seien in göttlichen Sachen, auch nicht auf unsern Eifer und guten Willen oder Glaubensstärke uns verlassen, sondern in wahrer einfältiger Demuth und Gehorsam auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit trauen, in der Furcht Gottes beten und bitten um Beständigkeit, weil wir durch Gottes Kraft bewahret werden zur Seligkeit. 2. Durch Leichtfertigkeit verursachet Petrus diesen Fall, denn er menget sich unter die gottlose Rotte, wärmet sich bei ihrem Feuer, darum muß er auch ihr Gespött, das sie über Christum treiben, anhören. Und also gehet's, wer sich bei der Gottlosen Feuer wärmet, Genuß und Ehre, Gut und Nahrung von ihnen haben will, der muß oft Christum verleugnen helfen, oder ihr gottlos Leben billigen, oder mit jenen gottlos werden. Darum der I. Psalm sagt: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen. 3. Wird Petrus zu diesem Fall verursachet durch's Kreuz. Da es wohl zuging, sagte er: Du bist Christus des lebendigen Gottes Sohn. Ebenso Johann. 6: Wohin sollen wir gehen! Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, daß du bist Christus der Sohn des lebendigen Gottes. Aber jetzo, da das liebe Kreuz vorhanden, sagt er: Ich kenne den Menschen nicht.

Darum, lieben Kinder, laßt uns an dem Kreuz des Herrn, und an der Verachtung und Verfolgung des heiligen Evangelii uns nicht ärgern. Laßt uns auf's Ewige sehen, auf die künftige Herrlichkeit. Selig ist, der sich nicht an mir ärgert, spricht der Herr, Matth, am 11. Cap.

3. Sind die Grade und Stufen der Sünde wohl in Acht zu nehmen. Petrus steiget immer höher in seinen Sünden. 1. Sagt er: Ich kenne den Menschen nicht. 2. Schwöret er dazu. 3. Verflucht er sich, so er ihn kenne.

Der böse Feind läßt nicht ab, wo man ihm ein wenig nachgiebt; er versucht die Sünde auf's Höchste zu treiben. Wer nicht bald wiederkehret und sich durch wahre Buße von einem Werk des Teufels abwendet, den führet er immer weiter und weiter, bis er ihn um die Seligkeit bringet. Darum spricht St. Jacobus: Widerstehet dem Teufel, so fliehe er von euch.

Sehet, wie listig greifet's der Satan im Paradies an, Erstlich trachtet er darnach, daß er mit dem Menschen zu reden kam durch ein lieblich und listig Thierlein. Zum Andern, da nun der einfältige Mensch mit dem Teufel zu reden begann, da ward sein Glaube geschwächt und im Herzen der Zweifel erwecket. Zum Dritten ward auch die böse Lust erwecket, da es schöne Aepfel wären. Zum Vierten folget darauf Hoffart, weil die Aepfel klug machten und Gott gleich. Zum Fünften folget darauf der Ungehorsam und Abfall. Zum Sechsten folget darauf Fluch und Tod.

Ach, du lieber Gott, behüt uns doch vor der List des Satans; gieb, daß wir seine List merken und bald zurückkehren mögen, auf daß wir nicht in Verzweiflung und Verdammniß gerathen.

II. Von der Bekehrung Petri, und wie die Bekehrung zugehe.

Sobald Petrus den Herrn Christum zum dritten Mal verleugnet hatte, mit verfluchen und schwören, und nun sein Heil und Seligkeit dahin war, da krähet der Hahn zum andren mal, wie der Herr ihm zuvor gesagt und gewarnet hatte. Und dies Hahnengeschrei lässet der Herr nun vorher gehen seine Weissagung zu erfüllen, und zur Bestätigung der Wahrheit, und um der Ordnung willen der Bekehrung Petrum zu erinnern. Darnach stehet der Herr Petrum an, freilich nicht allein mit leiblichen Augen, sondern auch mit seiner Gnade und Barmherzigkeit, die auch Petro in sein Herz geleuchtet und geschienen ist, damit er auch kräftiglich und heilsamlich gezogen und bewogen worden ist. Dies ist die rechte Ordnung der Bekehrung und die ordentlichen Mittel, so Gott zu unsrer Bekehrung braucht, dadurch er uns zur Buße bringt, dadurch die Buße in uns wirket. Das Erste ist, daß wir äußerlich durch das Gesetz erinnert und ermahnet werden zu bedenken, was wir gethan haben. Das Andre ist, daß uns Gott mit seiner Gnade ansehe und erleuchte, und freundlich zuspreche und tröste. Wo das Erste nicht geschieht, kann ein Mensch nimmermehr zur Erkenntniß der Sünde kommen, dieweil uns die Sünde von Natur beliebet, und wir daran eine Lust und Wohlgefallen haben.

Und hierher gehört das Gebet des Jeremias am 17. Cap.: Bekehre mich Herr, so werde ich bekehret; heile du Dich, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen; denn du bist mein Ruhm. Und zwar versäumet uns Gott hier in keinem Wege; denn sobald wir gesündiget haben, so weckt er uns auf durch sein Wort und unser eigen Gewissen, so krähet der Hahn in unserm Gewissen, auch durch anderliche Zeichen, auch durch's Kreuz; so ist auch sein Geist bei seinem Wort, der strafet, drohet, beweget unsere Herzen und Gewissen, klaget uns an, welches ein jeder täglich bei sich findet und demnach keine Entschuldigung hat. Darum sagt der 95. Psalm: Heute, heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht, daß Gott nicht schwöre in seinem Zorn, ihr sollet nimmermehr zu meiner Ruhe kommen.

Wer nun die Gesetzespredigten höret und nicht muthwillig oder halsstarrig verachtet, Gottes Wort nicht von sich stoßet wie die Halsstarrigen, die ihre Ohren zustopften, da St. Stephanus predigte, als er sprach: Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heiligen Geiste, sondern höret's, so wird Gott durch die Kraft seines Wortes und Geistes das Herz rühren, und eine göttliche Traurigkeit im Herzen wirken, die da wirket eine Reue zur Seligkeit, die Niemand gereuet. Dazu wird nun kommen das gnädige Anschauen des Herrn, das liebe Evangelium und Gnadenpredigt von Vergebung der Sünden, durch Christum erworben und verdienet. Dadurch wird die Buße heilsam, dadurch werden rechtschaffene Glaubensthränen erwecket, damit wir mehr beweinen und uns gereuen lassen, daß wir unsern lieben Gott und Vater im Himmel beleidiget, unserm lieben Herrn Jesu Christo, der für uns gestorben ist, so undankbar gewesen sind für seine große Liebe und Wohlthaten, und daß wir den heiligen Geist betrübet haben. Das, sage ich, werden wir schmerzlicher beweinen denn unsre Strafe, die wir wohl verdienet haben. Darum bedachte erst Petrus nach dem Ansehen des Herrn, wie treulich ihn der Herr warnet, und was für große Liebe er ihm erzeiget habe. Das jammert ihn so, daß er hinausgehet und bitterlich weinet.

Das sind nun zwei Stücke der Buße, der Hahnenschrei, dadurch das Herz erschrecket und erwecket wird zu wahrer Reue; und das Ansehen des Herrn, dadurch Petrus erinnert wird der Liebe und der Gnade des Herrn, dadurch der Glaube erwecket wird und dadurch Petrus an das Wort Jesu gedenket.

Wenn ihr nun, Geliebte im Herrn, in eurer Buße, oder in Traurigkeit, in Anfechtung, in Krankheiten, an die schönen evangelischen Trostsprüche gedenket, und euch dieselben sein einfallen, was ihr zuvor gehöret und gelesen habt, so denket hieran: Der Herr hat euch angesehen. Gedenket an das Wort: Und der Herr wandte sich und sahe Petrum an. Sehet, so sorget der Herr für Petrum, auch mitten in seinem Kreuz, da er vor Gericht stand, daß er sich umwandte und mit seinem Ansehen Petrum erinnern und bekehren wollte. Siehe, wenn er dich nun auch erinnert der Trostsprüche, so gedenke: Jetzo stehet mich der Herr auch an, wie Petrum. Ach, des gnädigen und freundlichen Anblicks! Wie leuchtet er in mein Herz! Wie habe ich so einen freundlichen und gnädigen Herrn und Gott, Erlöser und Seligmacher, daß er mich in meinem Herzen seiner Gnade und Erlösung so treulich erinnert, auf daß ich nicht verzage und verzweifele. Und obwohl meine Sünde sehr groß ist, ach, so ist doch Gottes Gnade auch groß. Es wäre kein Wunder, daß der Herr Petrum nicht angesehen hätte, weil er ihn dreimal verleugnete, mit Verfluchen und Verschwören, aber damit er beweise, daß seine Barmherzigkeit größer sei, denn Petri Sünde, wendet er sich und stehet ihn gnädig an.

Darauf soll nun die Frucht der Buße folgen. Gehe mit Petro hinaus von dem sündigen Haufen, sondere dich von ihnen ab, sei nicht mehr unter dem Haufen der Gottlosen, das ist, sahe ein anderes neues Leben an. Du bist nun eine neue Kreatur worden, ein Kind Gottes, ein Kind des Lichts. Darum fliehe die Werke der Finsterniß, lebe nun dem Satan nicht mehr zu Gefallen, sondern deinem Herrn Christo. Und wie du zuvor des Satans Werke gethan hast, Unzucht, Lügen, Hoffart, Feindschaft, und alle Lüste des Fleisches; ach, so thue nun die Werke unsers Herrn Jesu Christi und seines heiligen Geistes, Wahrheit, Demuth, Sanftmuth, Liebe. Denn, die der Geist Gottes treibet, die sind Kinder Gottes, und die den Geist Christi nicht haben, die sind nicht sein. Die Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Daraus folget nun, die Christo nicht angehören, die thun Alles, wozu sie ihr Fleisch und ihre bösen Lüste und Affekte treiben. Und wie die, so Christo angehören, Christi Werke thun, so thun die, die dem Satan angehören, des Satans Werke, Wie der Herr Christus, da die Juden sagten: Wir sind Abrahams Kinder, spricht: Wäret ihr Abrahams Kinder, so thätet ihr Abrahams Werke; ihr seid aus eurem Vater dem Teufel, denn ihr thut seine Werke. So wird ein jeglicher nach seinen Werken gerichtet werden, denn daraus spüret man, wo Glaube ist, oder Unglaube. -

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