Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 23, Vers 4-6.

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 23, Vers 4-6.

Es hat der Psalmist wohl recht gesagt (Ps. 4,4): erkennt doch, dass der HErr seine Heiligen wunderlich führt; der HErr hört, wenn ich ihn anrufe. Davon haben wir ein Beispiel an Abraham, Isaak und Jakob, an Joseph und allen Kindern Israel. So führt der treue Hirte, unser HErr Jesus Christus, seine Schäflein oft in's finstere Tal; dass sie aber nichts Böses zu befürchten haben, weil ihr getreuer Hirte bei ihnen ist, davon wollen wir jetzt aus dem Psalm in der Furcht Gottes reden.

V. 4. Und ob ich schon wandre im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Was ist das finstere Tal? Es ist das liebe Kreuz, Trübsal, Verfolgung und der zeitliche Tod. Und warum führt denn Christus die Seinen dahin? Nicht zu ihrem Verderben, sondern zu ihrer Seligkeit, um sie desto besser zu weihen und zu schützen. Denn ohne Kreuz kann man Gottes Wort nicht recht verstehen, sonderlich die Psalmen: wer mit David leidet, der kann David verstehen; allein die Anfechtung lehrt aufs Wort merken, und die Geduld bringt Erfahrung. Wenn ein Mensch nicht geübt ist im Kreuz, was versteht der? So kann man den Trost Gottes ohne Kreuz nicht recht schmecken, ohne Kreuz kann Glaube und Gebet nicht recht geübt, noch deren Kraft empfunden werden, kann auch nimmermehr die verborgene Bosheit des Menschenherzens gedämpft, und wahre, gründliche, herzliche Demut, Sanftmut und Geduld erweckt werden; ohne Kreuz wird der Mensch nicht so begierig nach dem ewigen Leben und der Erlösung aus dieser Welt, noch dankt und lobt er Gott so herzlich als in Errettung aus großen Nöten. Siehe darum führt sich dein getreuer Hirte in das finstre Tal des Kreuzes, auf dass du diese edle Weide mögest genießen, welche du sonst nimmermehr schmeckst.

Darum spricht David, er fürchte kein Unglück, denn das Kreuz Christi ist kein Unglück, sondern eine heilsame Arznei, die uns zur Gesundheit der Seele und zum ewigen Leben befördert. Ach wenn wir doch das lernen könnten, so würden wir Gott für unser Kreuz danken; wie leicht und süß würde uns dann Christi Joch werden! Denn es kommt ja von Gott und ist der Wille Gottes, der uns zu allem Guten und zum ewigen Leben bereitet und führt, und vom ewigen Verderben errettet. Und weil nun dieses David wohl versteht, so spricht er, er fürchte kein Unglück, er habe sich Gott ergeben und wisse wohl, Gott werde ihn nicht lassen verderben. Von einem solchen Gläubigen sagt auch Psalm 112 (V. 7): wenn eine Plage kommen will, so fürchtet er sich nicht, sein Herz hofft unverzagt auf den HErrn.

Der zweite Grund, warum wir uns vor dem Kreuz nicht fürchten, viel weniger darin verzagen sollen, ist die Gegenwart des HErrn: du bist bei mir. Wo Christus ist, da darf man sich vor keinem Unglück fürchten, auch vor dem Tod nicht: der HErr Christus aber ist bei allen Gläubigen, darum brauchen sie sich nicht zu fürchten. Solche Trostsprüche, welche die teure Verheißung der Gegenwart des HErrn enthalten, haben wir viele, z. B. Jesajas 41 (V. 10): fürchte dich nicht, ich bin bei dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott, ich stärke dich, wenn du schwach bist, ich helfe dir, wenn keine Kreatur dir helfen kann, ich errette dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit, wenn alle Feinde ja die ganze Welt wider dich sind. Ach, lieber HErr, bist du wirklich bei mir? sehe ich dich doch nicht. Antwort: du musst auch andere Augen haben, um mich zu sehen, den Glauben und deinen erleuchteten Verstand; damit siehst und erkennst du meine Allmacht, Erhaltung und wunderbare Hilfe im Kreuz. Sollte der HErr nicht anders bei uns sein können als auf sichtbare Weise, oder wie wir es nach unseren Sinnen und unserer Vernunft begreifen können?

Der dritte Grund, warum wir uns in Kreuz und Unglück nicht fürchten sollen, ist der mächtige Schutz Gottes: dein Stecken und Stab trösten mich. Ein Hirte gebraucht seinen Stab zu zweifachem; er ergreift damit die Schafe und zieht sie zu sich, sie zu heilen, wenn sie krank sind, und wehrt damit dem Wolf und allen Feinden und schützt sie. Das findet sich auch bei Christo, und darum heißt es: dein Stecken und Stab trösten mich, ich verlasse mich auf deine Barmherzigkeit und Allmacht; deine Barmherzigkeit tröstet mich, deine Allmacht schützt mich. Daran halte sich in allen Anfechtungen. Will sich der Satan erschrecken und zerreißen, so halte dich an den Stab deines Erlösers: ich kenne meine Schafe; sie sollen nimmermehr umkommen, und Niemand soll sie aus meiner Hand reißen (Joh. 10,27 f.). Und wirst du angefochten, ob du denn auch unter die Zahl der Erlösten und Seligen gehörst, so sprich mit dem Apostel (1 Tim. 2,4 f.): Gott will, dass allen Menschen geholfen und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, dass solches zu seiner Zeit gepredigt würde. Siehe das ist der tröstliche Stab deines Hirten. Du findest aber in Christo auch den Stecken des hohen Schutzes in seiner ewigen Gottheit. Ist die Sünde mächtig, der Teufel gewaltig, der Tod schrecklich, die Hölle ein Abgrund und die Welt dir zu stark, so denke daran: wer ist Christus? was für einen Hirten hast du? Ist er nicht ein wahrer, ewiger, allmächtiger, starker Gott? Ist die Sünde mächtig, so ist Christus, der dich von Sünden erlöst, noch viel mächtiger. Ist der Teufel ein starker Gewappneter, so ist Christus viel stärker als ein allmächtiger Gott und hat den Satan überwunden, uns errettet von der Obrigkeit der Finsternis, ausgezogen die Fürstentümer und Gewaltigen und einen Triumph aus ihnen gemacht. Ist der Tod schrecklich, so ist dagegen Christus tröstlich und hat dem Tod die Macht genommen und Leben und ewiges, unvergängliches Wesen an's Licht gebracht durch das Evangelium. Ist die Hölle ein Abgrund, so hat Christus über die Hölle gesiegt: ich will sie aus der Hölle erlösen und vom Tod erretten; Tod, ich will dir ein Gift sein, Hölle ich will dir eine Pestilenz sein (Hos. 13,14). Ist dir die Welt zu mächtig, so gedenke, dass Christus mit seinem königlichen Szepter und seiner eisernen Rute die Könige auf Erden wie Töpfe zerschmeißt und alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße legt. Siehe das ist deines Hirten Stecken und Stab, damit er dich tröstet und schützt wider alle Höllenpforten; dadurch wirst auch du siegen und überwinden.

V. 5. Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde, du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. Ach, lieber HErr, sprichst du, soll ich über alle deine Liebe und Treue und große Wohltaten noch dein Gast sein? Ja spricht der HErr; wenn du nicht mein Gast wirst, so kannst du auch meine Wohltaten nicht genießen. Ich gönne dir aber auch alle meine Güter und Wohltaten so herzlich gerne, dass ich dir dieselben zu einer Speise und einem Trank gemacht habe, auf dass sie ja in dein Inwendiges gingen und sich so innig mit dir vereinigten, als Speise und Trank Fleisch und Blut wird. Ich wollte gerne, dass deine Seele mit meinen Wohltaten gespeist, gelabt, erquickt, geheiligt, gereinigt, erleuchtet, begnadigt und beseligt werde.

Wie hat sich denn Gott uns zu unserer Speise gemacht? In unserem HErrn Jesu Christo, in seiner Menschwerdung, in seinem bitteren Leiden und Sterben, da er sich für uns am Kreuz opferte und als das Gotteslamm schlachten ließ. Joh. 6,55 spricht der HErr: ich bin das lebendige Brot vom Himmel gekommen; wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit und wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Gott und unser HErr JEsus Christus wird uns ferner zu einer Speise in seinem Wort und Evangelium; wenn wir Gottes Gnade und die Vergebung der Sünden im Wort durch den Glauben ergreifen, so wird uns das Evangelium eine Kraft Gottes zur Seligkeit; und davon lebt man, wie ein König Hiskias (Jes. 38,16) sagt. Im heiligen Abendmahl wird Christus durch Darreichung seines Leibes und Blutes unsere Speise und unser Trank, da wir nicht allein seiner Wohltaten, sondern seiner selbst genießen und teilhaftig werden. Da wird dir Christus alles, wonach deine Seele verlangt: hungert und dürstet deine Seele, Christus ist deine Speise und dein Trank; bist du betrübt und traurig, er ist dein Trost und deine Freude; bist du unruhig in deinem Herzen, er ist deiner Seele Friede; bist du arm, er ist dein Reichtum, bist du verachtet, er ist deine Ehre, bist du verfolgt, er ist deine Zuflucht, dein Arzt, wenn du krank bist, dein Leben, wenn du tot bist. Ein herrlicher Tisch, wie ihn kein Mensch, kein Engel hätte bereiten können.

Warum und zu welchem Ende tut das Gott der HErr? Zu unsrem Trost wider unsere Feinde. Denn wenn uns die Feinde und die böse Welt betrüben, so tröstet uns Gott inwendig und bereitet uns einen Gnadentisch wider unsere Feinde und schenkt uns aus seinem Trostbecher einen Freudentrunk, dass wir nicht verzagen. Da der HErr Christus in seinem höchsten Leiden war, da kam ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Also tut Gott allen Betrübten, die ihm vertrauen, wie David spricht (Ps. 25,2.3): keiner wird zu Schanden, der deiner harret; darum lass auch mich nicht zu Schanden werden, dass sich meine Feinde nicht über mich freuen; und Micha (7,8): freue dich nicht, meine Feindin, dass ich darniederliege, ich werde wieder aufstehen, und ob ich gleich im Finstern sitze, so ist doch der HErr mein Licht. Wenn unsere Feinde den inwendigen Trost des Herzens auch nehmen könnten, sie täten es gerne; aber hier steht: der HErr hat uns diesen Tisch bereitet: du bereitest einen Tisch vor mir, welchen mir die Feinde nicht nehmen können, und diesen Tisch setzt Gott in unsere Seele, da die Feinde keinen Eingriff tun können. Er ist vor uns bereitet und vor allen unseren Feinden verborgen. Inwendig schmecken wir diesen Freuden- und Gnadentisch, haben eine Seele voll Gottes, obgleich wir äußerlich voll Leids sind.

Du salbst mein Haupt mit Öl. Gleichwie wir pflegen unseren Tisch mit Blumen zu zieren, wenn wir Gäste haben, also pflegten die Juden ihre Gäste zu ehren und gossen köstlichen Balsam auf ihr Haupt, davon der Mensch schön ward und fröhlich, und dessen köstlicher Geruch das ganze Haus erfüllte. So gütlich will uns der HErr auch tun über seinem Tisch und uns mit dem rechten himmlischen Freudenöl seines Heiligen Geistes erquicken. Denn der heilige Geist ist in den betrübten Seelen ein rechter Herzensbalsam und ein herzerquickender Geist, durch, dessen Trost und Kraft alle auswendigen Trübsal können überwunden werden. Es ist das ein herrlicher Trost, dass wir alle mit dem Geist unseres HErrn Jesu Christi gesalbt werden zu Priestern und Königen, zu einem ewigen Reich, zur Unsterblichkeit, und diese Salbung ist es, die in uns bleibt, die uns alles lehrt (1 Joh. 2,27).

Er schenkt mir voll ein. Wenn unser Herz nur leer ist von der Welt und der Liebe zur Welt, so füllt er es mit himmlischem überfließenden Trost, dass des Menschen Herz viel zu klein ist, solchen Reichtum der Gnade Gottes zu fassen. Denn Gott ist so milde, dass er sich in eine gläubige Seele ganz und gar einsenkt mit all seinem Reichtum. Er behält nichts, was er nicht einer solchen Seele gäbe, denn er gibt sich ihr selbst. Das heißt ja voll eingeschenkt. Ach wenn wir den Reichtum der Gnade Gottes in Christo erkennen wollten, so würden wir sehen, dass Himmel und Erde und alle Menschen zu klein wären, diesen Reichtum zu fassen, die Höhe seiner Gnade, die Tiefe seiner Liebe, die Länge seiner Sanftmut, die Breite seiner Demut, die Größe und Würdigkeit seines Verdienstes, die Unschätzbarkeit seiner Wohltaten und seiner Güte.

V. 6. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Lebenlang, und werde bleiben im Hause des HErrn immerdar. Eine gläubige Seele sitzt allezeit an Gottes Tisch und isst mit ihm, d. h. genießt seiner Güte und seiner Wohltaten. Wenn der Mensch im tiefsten Kerker säße und im größten Elend wäre, so sitzt doch die Seele an Gottes Tisch, und isst bei ihr Gutes und Barmherzigkeit. Wenn auch der Mensch in den äußerlichen Geschäften seines Berufes einhergeht, und sein äußerliches Amt verrichtet, sitzt doch seine Seele an Gottes Tisch, und wird sein Amt, Werk, Arbeit und Beruf begleitet und bewahrt durch die Güte und Barmherzigkeit Gottes, dass es wohl verrichtet werde, Gott zu Ehren und zu Nutz des Nächsten. Da begegnen einander Güte und Treue, und küssen sich Gerechtigkeit und Friede im Herzen der Gläubigen und in allem ihren Tun und Lassen. Darum bittet David (Ps. 40,12): lass mich deine Güte und Treue allezeit leiten und behüten.

Gott, unser HErr, behält aber seine Gäste allezeit bei sich in seinem Hause; denn diese Mahlzeit währt fort und fort in Zeit und Ewigkeit, und die gläubige Seele isst ohne Unterlass von Gottes Tisch; darum muss sie auch allezeit im Haus des HErrn bleiben. Denn wenn sie aus dem Haus des HErrn geht, so kommt sie von Gottes Tisch. Darum bleibt sie allezeit im Haus des HErrn, d. h. im Glauben, in Christo JEsu. So bittet auch David (Ps. 27,4): Eins bitte ich vom HErrn, das hätte ich gerne, dass ich im Hause des HErrn bleiben möge mein Lebenlang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HErrn und seinen Tempel zu besuchen. „Es ist aber auch das Haus des HErrn der innerste Grund unserer Seele, da Gott wohnt; darin sollen wir bleiben und uns nicht an die gottlose Welt hängen, an Augenlust und Fleischeslust und hoffärtiges Leben, sondern einkehren in unserem Herzen und darin bleiben. Dann können wir im Hause Gottes von Gottes Tisch immerdar essen, bis wir in's himmlische Jerusalem kommen, da das Lamm Gottes selbst die Auserwählten führt zu lebendigen Wasserbrunnen und alle Tränen von ihren Augen abwischt. Darum sagt der 100ste Psalm: jauchzt dem HErrn alle Welt, dient dem HErrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken. Erkennt, dass der HErr Gott ist, er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. Amen.

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