Argula von Grumbach - Argula's Schrift an ihren Herrn Vetter, Adam von Thering, Pfalzgräflichen Statthalter zu Neuburg.

Argula von Grumbach - Argula's Schrift an ihren Herrn Vetter, Adam von Thering, Pfalzgräflichen Statthalter zu Neuburg.

Gnade und Friede in Gott samt Beiwohnung seines göttlichen Geistes wünsche ich Euch, mein herzlieber Herr und Vetter! -

Mir ist gesagt, daß es vor Euch gekommen sei, daß ich der hohen Schule zu Ingolstadt geschrieben habe; weshalb Ihr über mich nicht wenig erzürnet seid, und Euch vielleicht eingebildet habt und meinet, daß es von mir als einem thörichten Weibe [wofür ich mich selber bekenne und halte; denn diese Weisheit, Gott zu bekennen, ist nicht des Menschen Vernunft zuzueignen, sondern Gottes Gabe] unrecht gethan sei, daraus mir nicht wenig Schmach, Schande und Gespött nachgeredet ist oder werden möchte von den Weisen dieser Welt. Dessen nehmt Ihr Euch als angestammter Freund an, woraus ich schließe, daß Ihr mich liebet als Eure geborne Freundin, und sage Euch dafür großen und hohen Dank. Denn ich kann wohl ermessen, wo Ihr es mit mir nicht treulich meintet, würdet Ihr wenig achten, was mir Gutes oder Böses nachgeredet würde. Durch diese Eure erkannte Freundschaft bin ich bewogen, Euch zu schreiben und der Wahrheit zu berichten, schicke Euch deshalb Copie, wie und was ich geschrieben habe, und bitte Euch herzlich, das zu lesen, und nach dem Geist Gottes darin mich zu beurtheilen; denn die Weisheit dieser Welt kann Gottes Geist nicht begreifen, als Hoseä 4 [7 steht]: Je mehr ihrer wird, je mehr sie wider mich sündigen; darum will ich ihre Ehre zu Schanden machen; und Paulus 1 Cor. 3 [19 sage]: Die Weisheit dieser Welt ist Thorheit bei Gott. Habe ich aber unrecht gethan, will ich gern die Strafe leiden, ich denke aber nicht, das für mich darum schelten sollt. Denn was uns Gott gebietet, soll kein Mensch schelten; und ich wäre auch in diesem nicht schuldig, irgend einem Menschen zu folgen, als ich denn in der Taufe gelobt habe, zu glauben, ihn zu bekennen, zu entsagen dem Teufel, auch allem seinem Gespenst. Dies ist ein solch hohes Gelübde, daß ich es nicht kann oder mag erfüllen, bis ich von Neuem geboren werde durch den Tod. Denn dieweil wir in dem Fleische leben, sind wir Sünder, als im Buch der Sprüche am 20 [9. steht]: Wer kann sagen: Ich bin rein in meinem Herzen, und ohne Sünde? Und Jerem. 17 [5.7]: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt. Aber gesegnet ist der Mann, der sich auf den HErrn verläßt. Nun wißt Ihr wohl, daß alle Menschen ein gleiches Gelübde gethan haben, nehmlich: ich glaube, ich entsage. Welcher Doctor hat doch mehr, als ich gelobt in der Taufe, oder welcher Pabst, Kaiser und Fürst? Darum thue ich auch alle Tage Gott bitten um seine Gnade, daß ich das erlange, damit das Gelübde, das mein Dod [Pathe] an meiner Statt gethan hat, erfüllet werde, welches ich, als ich zur Vernunft gekommen und im christlichen Glauben unterrichtet bin, angenommen und darein gewilligt habe, welches also durch den Glauben bestehet. Darum, mein lieber Herr und Vetter, laßt Euch das nicht verwundern, daß ich Gott bekenne; denn wer Gott nicht bekennet, der ist kein Christ, wenn er auch tausendmal getauft würde. Es muß auch ein jeglicher für sich selbst Rechenschaft geben am jüngsten Gericht, es wird weder Pabst, König, Fürsten noch Doctor für mich Rechnung thun, das bedenke ich; hilft auch da kein Reichthum, als Ezech. 7 [19]: Ihr Silber und Gold wird sie nicht erretten am Tage des Zorns des HErrn, und so die Angst über sie kommt, werden sie den Frieden suchen, aber ihn nicht finden; und Hosea 8 [7]: Sie säen Wind, und werden Ungewitter einärndten. Das werden die erfahren, die ihr Vertrauen setzen auf Reichtum und ihre Werke.

Darum, mein herzlieber Herr und Vetter, bitte ich Euch, macht Euch darüber keine Sorgen, wenn Ihr höret, daß man mich schändet und verspottet, darum, daß ich Christum bekenne. Aber dann erschrecket, wenn Ihr höret, daß ich Gott verläugne, dafür Gott ewig sei! Ich rechne mir's für eine große Ehre, daß ich geschändet werde von Gottes Lobes wegen; es ist ein Geringes, daß ich von denen, die Gott in ihrer menschlichen Weisheit verblendet und geschändet hat, vermaledeiet werden sollte, denn Jes. 40 [6-8 sagt]: Alles Fleisch ist Heu, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde; das Heu verdorret, die Blume verwelket; aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Ich spreche wie Paulus Gal. 1 [10]: Wenn ich noch den Menschen gefiele, so wäre ich nicht ein Diener des HErrn. Denn Gott sagt Hosea 13 [4]: Du solltest ja keinen anderen Gott kennen, denn mich, und keinen Heiland, ohne allein mich; und Joh. 12 [48]: Wer mich verachtet, und nimmt meine Worte nicht auf, der hat schon, der ihn richtet; das Wort, welches ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage.

Daß wir Gott nicht erkennen, machen unsere Prediger; denn der HErr sagt Jerem. 50 [6]: Mein Volk ist wie eine verlorene Herde, ihre Hirten haben sie verführt; und Jerem. 6 [10]: Siehe, sie hatten des HErrn Wort für einen Spott, und wollen seiner nicht; und Jerem. 10 [11]: Die Hirten sind zu Narren geworden, und fragen nach dem Herrn nicht; darum können sie auch nichts rechts lehren, sondern alle Herden sind zerstreuet; und Jerem. 23 [38. 40]: Ihr habt verkehrt das Wort des lebendigen Gottes, und nennet es eine Last, darum will ich euch ewige Schande und ewige Schmach zufügen, deren nimmer vergessen soll werden; und Paulus 2 Tim. 4 [1 Tim. 1,7]: Sie wollen der Schrift Meister sein, und verstehen nicht, was sie sagen, oder was sie leben, und merken auf die Lügen, u. s. w. Wie uns denn unser getreue Hirt, Christus, oft und viel gewarnet hat, uns zu hüten vor den falschen Propheten und ihrer Lehre, die er einen Sauerteig nennt, welcher, so ein wenig davon in viel Teig kommt, eine große Menge versäuert, als Matth. 7 [15] und 13 [39]; und 17 [5], da er sich verklärte, heißt es: Dieser ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören! Und Jes. 42 [8]: Ich will meine Ehre keinem andern geben; und Joh. 1 [12]: Wie viele ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.

Man heißt mich lutherisch, ich bin es aber nicht; ich bin im Namen Christi getauft, den bekenne ich, nicht Luthern; aber ich bekenne, daß ihn Martinus auch als ein getreuer Knecht bekennet. Gott helfe, daß wir solches nimmermehr verläugnen, weder durch Schmach, Schande, Kerker, Peinigung, noch auch durch den Tod! Das helfe und verleihe Gott allen Christen! Amen.

Ich habe gehört, wie Ihr sollt gesagt haben, so mein Hauswirth [Ehegemahl] nicht wollte dazu thun, so wolle meine Verwandtschaft dazu thun, und mich vermauern. Ich gebe ihm aber keinen Glauben. Er thut leider sehr viel dazu, daß er Christum in mir verfolgt. 2 Cor. 4 [7-18] sagt Paulus: Wir leider alle Dinge ohne Beschwerde, um den Namen des HErrn. Darum ist die Mühe umsonst, und ich bin in diesem nicht schuldig, gehorsam zu sein; denn Gott sagt Matth. 10 [34-39] und Marcus 8 [36], wir müssen Alles verlassen, Vater, Mutter, Brüder, Schwester, Kinder, Leib und Leben, und sagt darauf: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? Womit wollte er sie wieder einlösen? Es muß ja also sein, oder Gott sagt, er wolle uns auch nicht bekennen. Das schmeckt aber dem Fleische nicht, Ehre, Freundschaft, Gut und Leben zu verlassen; wir vermögen's aus uns selbst so wenig, als St. Peter, der dem HErrn zusagte, mit ihm zu sterben, und verläugnete ihn zu dreien Malen; da ließ ihn Gott sehen, was der Mensch ist, aber zuletzt gab ihm Gott auch den Geist, daß er fröhlich um den Namen des HErrn starb. Gott muß den Geist geben, nicht Fleisch und Blut. Was sagt aber der HErr, Matth. 7 [11. Lucas 11, 13]? Welcher Gott bittet um einen guten Geist, dem wird er vom Vater gegeben.

Mich kann nicht genug erbarmen unserer Obrigkeit, daß sie es so gar nicht zu Herzen nehmen, weder die geistliche noch die weltliche. Daß ich doch einen kennen lernte, der sich annähme die Bibel zu lesen, auch sich genau erkundigte, was der Befehl Gottes wäre! Und doch verfluchen sie also, würgen und toben ohne alle Weisheit und Grund aus der Schrift! Dennoch soll Niemand sagen, daß es unchristlich sei! Welcher Christ könnte da schweigen? Es ist ihnen aber ebensoviel, so man sagt, das hat Gott geredet, als ob es ein Ungelehrter oder Narr geredet hätte. Was ist aber daran schuld? Das, daß sie des Wortes Gottes so wohl berichtet sind, als eine Kuh des Brettspiels. Schlechtweg müßt ihr antworten: Ich glaube, was meine Aeltern geglaubt haben, es gebührt mir nicht, es auszufragen. Damit ist es aber nicht ausgerichtet; es gehöret allen Christen zu, das Wort Gottes zu wissen; denn Paulus sagt, der Glaube komme aus der Predigt.

Wie die Fürsten, also der meiste Adel. Ich habe von vielen gehört, die da sagen: So mein Vater und Mutter in der Hölle wären, wollte ich ungern im Himmel sein. Mir nicht! Wenn gleich alle meine Freunde darinnen wären, da Gott vor sei! fürchte ich doch, sie könnten mir die Weile nicht kürzen. Es ist der Aeltern Schuld, daß sie die Kinder nichts haben lernen lassen; sind sie schon zur Schule gegangen, so hat man sie den Ovidiam, Terentium gelehrt. Wie der Grund, also das Leben. Was stehet aber in diesen Büchern? Wie man buhlen soll, Bube und Bübin werden, u, s. w. Das kann man sonst wohl, und sind auch alle Stände voll solcher Leute, und rühmen sich dessen mehr, als man sich schämt, sowohl in der Ehe als außerhalb; es ist leider dahin gekommen, daß H…. weiber und ihre Gesellen mehr Treue an einander beweisen, als oft in der Ehe geschieht, daß wohl der Spruch Pauli ist erfüllet 1. Cor. 5 [1]: Es ist unter euch solche Hurerei, da auch die Heiden nicht von zu sagen wissen. Da hebt sich dann an grollen, zanken, raufen, schlagen, Tag und Nacht kein Friede, gehet Gut und Muth, Alles hinweg, hilft nichts, halte sich eine, wie sie wolle, darüber oft eine auch zu Schanden wird. Gott behüte alle, die dawider kämpfen, helfe auch wiederum auf den Gefallenen! Da sieht niemand drein; klagt man's den Freunden, ist's ein Gelächter; sie wagen auch das nicht zu strafen desgleichen die Obrigkeiten selbst haben gemeiniglich des Holzes eine Geige.

Ich bin jetzt wieder in einiger Freude und Hoffnung, weil ich höre, daß ein Reichstag ausgeschrieben ist, Gott sende ihnen seinen Geist, der sie die Wahrheit erkennen lehre, damit dieser Reichstag nicht vergeblich den Namen habe, sondern wir reich an Seele und Leib, und alle in Einem wahren christlichen Glauben regieret werden, und nicht das Gut, Land und Leute so böslich verzehret, dadurch wir noch ärmer werden. So man aber so viel Fleiß auf Gottes Wort legen würde, als auf Essen, Trinken, Panketiren, Mummereien und anderes, würde es bald besser werden. Wie viel mal hunderttausend Gulden ist auf den Reichstagen den Landschaften bei meiner Gedächtniß verzehret! Was es genützt, wißt Ihr besser, als ich. Was kann man rathschlagen, so sie Tag und Nacht die Köpfe kaum tragen vor Fülle? Ich hab's selbst zu Nürnberg gesehen, ein solches kindisches Wesen der Fürsten, dass mir, so lange ich lebe, vor Augen ist. Ach wie schwer wird es aber sein, so der HErr wird sagen: Gib Rechnung von deinem Haushalte, hinfort wirst du nicht mehr Haushalter sein! Was sagt Gott, Hosea 8 [4]: Sie haben regiert, und nicht aus mir, sie waren Fürsten, und ich erkenne sie nicht. Gott schicke es für Besserung, damit sie nicht in ihrer Herrlichkeit, wie Pharao, verderben, und die Fürsten in ihren Rathschlägen das Wort Gottes begreifen, nicht, daß ihnen das Wort Gottes unterworfen sein soll, sondern sie demselben getreuen und gewissen Wort Gottes!

Darum, mein herzlieber Herr und Vetter, ist an Euch meine ganz freundliche Bitte, Ihr wollet Euch der göttlichen Schrift annehmen. Ihr habt lange den Fürsten berathschlaget; nun ist es Zeit, daß Ihr Eure Seele, die da ewig ist, berathschlagt; könnt Ihr nicht mehr, so Leset doch vor Euerem Ende die vier Evangelisten durch. Wollte: aber Gott, Ihr hättet die ganze Bibel gelesen, welches Buch allen Befehl Gottes in sich enthält! Es ist auch die Meinung Lutheri nie gewesen, daß man seinen Büchern glauben soll; sie sollten allein sein als die Leitbüchlein zum Wort Gottes. Ihr könntet in Euerem Regiment viel Nutzen schaffen, sonderlich so ihr behülflich wäret, daß die Pfarren und Prädicaturen [Predigtämter] mit gelehrten Männern besetzt würden. Alles Heil wirkt das Wort Gottes, wie Jes. 55 [10, 11] steht: Wie der Regen gibt die Speise, und die Saat den Samen, und macht grünen das Erdreich, also ist mein Wort, das aus meinem Munde gehet, es kommt nicht ohne Frucht wieder zu mir; Jerem. 23. [29]: Meine Worte sind wie ein Feuer und Hammer, der Felsen zerschmeißt.

Man hat mir gesagt, man wolle meinem Junkherrn das Amt nehmen. Ich kann ja nicht dafür, denn ich habe vorher alles wohl betrachtet, es soll mich aber mein Heil nicht gereuen, wie Pilatum, habe mich darein ergeben. Alles zu verlieren, ja, Leib und Leben; Gott stehe mir bei! Ich vermag nichts Gutes, zu thun aus mir selbst. kann nur sündigen. Bittet Gott ernstlich für mich, daß er mit den Glauben mehre! Ob es gleich dazu käme, daß ich darüber müßte zu Grunde gehen, so schämet Ihr Euch deß nicht, sondern Lobet Gott. Hätte ich die Gnade, ein wie edel Kleinod würde meine Seele Gott dem HErrn sein! Das Gut, das man mir nehmen kann, ist nicht viel; Ihr wißt, daß mein Vater unter den Herrn von Baiern verdorben, und seine Kinder zu Bettlern worden sind's wiewohl sie [die Herrn von Baiern] mir und meinen Kindlein durch die Dienste, so mein Hauswirth von ihnen gehabt hat, gütlich gethan haben; Gott sei ihr Lohn! So haben die Pfaffen zu Würzburg meines Junkherrn Gut auch verzehrt. Meine Kindlein wird der HErr schon versorgen, und sie speisen mit den Vögeln in der Luft, auch bekleiden mit den Blümlein des Feldes, Er hat's gesagt, Er kann nicht lügen.

Ich hatte gemeinet, ich wollte mein Schreiben heimlich haben behalten; so sehe ich wohl, da es Gott will offenbar haben. Nun werde ich darum geschändet; das ist ein gut Zeichen, daß es aus Gott ist, denn so es die Welt lobete, wäre es nicht aus Gott.

Damit, mein herzlieber Herr und Vetter, befehle ich Euch jetzt und allezeit in die Gnade Gottes; hie in der Zeit und dort in Ewigkeit beizuwohnen.

Datum zu Grünbach. Argula von Grünbach, eine geborne von Stauffen.

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