Ahlfeld, Johann Friedrich - Das Leben im Licht des Wortes Gottes - Die Jugendfreundschaft.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Das Leben im Licht des Wortes Gottes - Die Jugendfreundschaft.

1. Buch Samuelis, Kap. 18, V. 1-4:
Und da er hatte ausgeredet mit Saul, verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids, und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigen Herz. Und Saul nahm ihn des Tages, und ließ ihn nicht wieder zu seines Vaters Haus kommen. Und Jonathan und David machten einen Bund mit einander; denn er hatte ihn lieb wie sein eigen Herz. Und Jonathan zog aus seinen Rock, den er anhatte, und gab ihn David, dazu seinen Mantel, sein Schwert, seinen Bogen, und seinen Gürtel.

Herr Jesu Christe, wir danken dir, dass du aus unverdienter Gnade und Güte unser Freund geworden bist, unser Blutsfreund und Herzensfreund. Bei dir ist die Freundschaft und Liebe eine ganz reine und ungefärbte. Du hast Nichts von uns, wir haben nur von dir. Du hast uns Alles gegeben, wir können dir dagegen nur ein armes, schuldbeladenes Herz geben. Du nimmst es und gibst uns dafür deine Gerechtigkeit. Ja, Herr, wie Jonathan mit David hast du auch das Kleid mit uns getauscht. Da du unter dem Kreuze gingest voll Schmach und Last und Schweiß, und da du am Kreuze hingest voll Blut und Wunden, Schmerz und Durst, da trugest du unser Kleid. Und wenn wir im Kämmerlein oder als Beicht- und Abendmahlsgäste, Vergebung der Sünden empfangen, ja wenn wir einst gerecht und heilig vor das Angesicht deines himmlischen Vaters treten dürfen, dann tragen wir dein Kleid. O habe Dank für solches Freundesherz. O behalte uns an dir, dass du zu uns nie wie zu Judas zum letzten Male sagen müssest: „Mein Freund.“ Wir wollen ewig deine Freunde. bleiben. Dazu, lieber Herr, gib uns auch hier auf Erden in deiner Kirche treue Freunde, die redlich mit helfen an unserer Seligkeit. Herr, gib sie den Kindern, gib sie den Alten. Lass keinen einsam dastehen. Erbarme dich unser, auf dass auch der Einsamste, der ohne Familie dasteht, Einen habe, der mit ihm trage und bete, der an seinem Krankenlager stehe, der ihm im letzten Stündlein die Augen zudrücke, eine Träne an seinem Sarge weine und ein Vaterunser an seinem Grabe bete. Du rechter Seelenfreund, erwecke uns aus Gnaden solche Freunde, und heilige uns, dass wir sie festbehalten bis an unser Ende. Amen.

Einsam und allein zu stehen ist ein hartes Loos, der Mensch mag es schwer ertragen. Wenn er ein einsames Tier auf der Weide gehen oder im Herbst eine einsame Blume im Garten oder einen einsamen Baum auf der Höhe stehen sieht, so beschleicht ihn selbst da eine Wehmut. Die Bäume verstehen zwar unter einander Nichts von ihrem Rauschen und Flüstern, aber doch hält und deckt einer den andern im Sturme. Wie viel größer ist unter den Menschen, unter den Christen das Bedürfnis herzlicher und brüderlicher Gemeinschaft, wie viel drückender die Einsamkeit! Ein rechter Christ ist allerdings nie allein noch verlassen. Er singt:

„Allein und doch nicht ganz alleine
Bin ich in meiner Einsamkeit,
Denn wenn ich auch verlassen scheine,
Vertreibt mein Jesus mir die Zeit.
Bin ich bei ihm, ist er bei mir.
So kommt's mir gar nicht einsam für.“

Wir rühmen von unserm Herrn: „Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt sich meiner an. Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag mich scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn.“ Der Herr steht bei uns Tag und Nacht, wenn wir seine Nähe im Glauben nur fühlen und schmecken wollen. Er bleibt mein Freund, wenn Freundschaft weicht. Dazu hat er uns zu Gliedern seiner Gemeinde gemacht. Sie ist der große Bruderbund. Alle evangelischen Christen haben denselben Herrn, dieselben Sakramente, dasselbe Wort, denselben Heilsweg, dieselbe Hoffnung des ewigen Lebens. Alle Christen sind gliedlich mit einander verbunden. Aus dem Haupte ist der ganze Leib zusammengefügt, und hängt ein Glied am andern durch alle Gelenke. Also könnte eigentlich ein Christ niemals einsam und verlassen dastehen. Aber Gott sei es geklagt, weil es in der Kirche so kalt zugehet, weil sie so weit abgekommen ist von dem apostolischen Vorbilde, wird doch genug geseufzt über Einsamkeit, und leider mit Recht. Darum sehnet sich ein Jeder noch nach besonderen Freunden. Doch wollen wir auch zugestehen, dass das Bedürfnis darnach auch in den gesegnetsten Zeiten der Kirche lebendig gewesen ist. Der Herr selbst hat auch einen Johannes gehabt, welcher nicht allein an seiner Brust, sondern auch am engsten an seinem Herzen ruhte. Er hat auch einen Lazarus gehabt, den er „unsern Freund“ nannte, und bei dem er ausruhte von der Arbeit in der Welt und von ihrer Bitterkeit. Paulus hat auch seinen lieben Timotheus, gegen den er sein Herz noch anders ausschüttet, als gegen andere Leute; von dem er auch noch andere Opfer der Liebe annimmt, als von Andern. Und Dr. Luther zählt in der vierten Bitte die guten Freunde zum täglichen Brote. Ja auch im Schoße der Gemeinde haben wir noch eine Sehnsucht nach Freunden im engern Sinne. - Und wisst ihr, in wem dieses Bedürfnis ganz besonders lebendig ist? In den Kindern, in den Jünglingen und Jungfrauen, in der lieben Jugend. Und diese Freunde haben unbestreitbar sehr großen Einfluss auf Herz und Leben der Kinder. Wir fragen zuerst: Wer findet Freunde?

In dem Herrn geliebte Leser. Im Frühjahr steht auf den Wiesen und an dem Berghange eine Blume neben der andern; im Herbst hingegen sehen wir es, wie der Wind hier und dort mit den einsamen sein Spiel treibt. So stehen die lieben Kinder eng und dicht neben einander. Da gibt es viel Freunde. Die Stammbücher sind oft voll von Freundesnamen, und fast hinter jedem ist von einer Ewigkeit der Freundschaft die Rede. Sind nun diese Ewigkeiten oft auch gar kurz, so wollen wir die Kinder doch glücklich preisen um des offenen und weichen Herzens willen. Noch regiert in ihnen nicht der kalte Verstand, von Berechnung wissen sie nicht viel. Ein Schulweg, eine Woche neben einander auf der Schulbank, ein froher Nachmittag mit einander. auf grüner Aue verlebt, eine kleine Hülfe in Verlegenheit, ein gemeinsamer Konfirmandenunterricht ist genug, um den Grund zu einer Freundschaft zu legen. Weil das Kind noch wenig in sich lebt, muss es in und mit Andern leben. Das Mein und Dein oder die Rücksicht, dass ihm der Andere einmal im Wege stehen könne, kommen noch nicht in Rechnung. Die Seele ist noch frei wie ein Vogel, welcher sich auf jeden grünen oder auch dürren Ast niederseht und sein Lied singt. Bei dem Manne und bei der Frau ist es anders. Die Seele hat die Weichheit und Biegsamkeit nicht mehr. Die Klugheit, das: „Traue, schaue, wem!“ redet auch mit hinein. Standesrücksichten und Vorteil werden mit in Anschlag gebracht. Dazu hat die Seele jene Freiheit nicht mehr. Der Mann geht auf in der Kirche, dem Staate, der Stadt, dem Haufe und dem Berufe; das Weib in der Kirche und in der Familie. Selten kommt es in reiferen Jahren vor, dass man sich, gezogen und überwunden von einen Anderem, schnell an denselben hingibt. Ach, wir können es aussprechen: rechte Herzensfreundschaften sind unter den Leuten reiferen Alters jetzt überhaupt ein selten Ding geworden! Ist es aber da zu beklagen, so haben wir noch mehr über freundlose Kinder zu klagen. Der Drang darnach ist da. Auch Jonathan, der Königssohn, der Sohn des kalten Königs Saul, will einen Freund haben. - Welche Kinder finden nun Freunde? Alle, welche noch Kinder sind, welche noch ein offenes Herz haben, welche sich kindlich freuen, sich hingeben und Andere hinnehmen können. Sieht man jedoch die Kinder nach ihrem Glaubensstande an, so bemerkt man in dieser Zeit einen Unterschied. Die, welche in kindlicher Art ihren Herrn lieb haben, auch von ihm zu reden wagen und dazu ein strenges Gewissen kindlicher Pflicht in sich tragen, die finden doch nur wenigere, da werden die Stammbücher nicht so voll. Die andern fliegen nicht heran wie die Bienen an den Honig. Die hingegen, welche in gewöhnlichen Kinderfreunden bei Tag hinleben, welchen noch kein Zug des Ernstes über die junge Stirn geht, die haben die meisten. Wir wollen es nicht loben, aber es ist so. - Welche haben denn aber gar keine? Welche haben mitten in der vollen Kinderwelt über ein ödes Kindesleben zu klagen? Alle, in denen die Selbstsucht frühe zum Regimente gekommen ist. Wer den Freund nur nehmen und sich ihm nicht geben will, der steht bald gar einsam da. Von einem Strudel, der Alles hinunterzieht in seine Tiefe, hält sich Jeder fern. Von einem Kinde, das mit kaltem Hochmut die andern richtet oder sie für seine Selbstsucht ausbeuten will, weicht auch bald jedes andere zurück. Ohne sich selbst darüber Rechenschaft geben zu können, hat das kindliche Herz in diesem Punkte gar seine Fühlfäden. Wer sich nicht opfern kann, dem opfert sich auch kein Anderer. Wer mit Kindern nicht mehr ein Kind sein kann, wer in jungen Jahren nur alte mit viel Genuss gewürzte Freuden haben will, wer auf kindliche Art und kindliches Spiel mit Vornehmheit herabsieht, und wie ein Alter darüber richtet, der findet auch keine Freunde. Man lässt ihn stehen und gehen; er ist allein, ehe er sich dessen versieht. Auch hier haben die Kinder gar seine Fühlfäden. Ein Vogel setzt sich nicht auf eine Eisscholle, und ein Kino hängt sich nicht an solch kaltes eisiges Herz. Seht Jonathan an. Er steigt vom Throne herunter an das Herz seines Freundes. Er zieht seinen Rock aus, dazu seinen Mantel, sein Schwert, seinen Bogen, seinen Gürtel, und gibt Alles dem David. David will es nicht, Jonathan gibt es ihm. Er legt auch die Krone dazu. Der Sohn des Königs Saul spricht zu dem Hirtenknaben: „Fürchte dich nicht, meines Vaters Sauls Hand wird dich nicht finden, und du wirst König werden über Israel, so will Ich der Nächste um dich sein.“ Er kann das Alles vor David niederlegen, dein, er hat ihm sein Herz gegeben. Er hat ihn lieb wie seine eigene Seele. Er weiß auch, wem er sich gegeben hat. Da gibt es denn auch eine Freundschaft bis in den Tod. Sie ist so fest, weil sie ihren Bund in dem Herrn und vor dem Herrn gemacht hatten. - Ihr Eltern, habet ja Acht auf eure Kinder. Wenn sie keine Freunde finden, muss in ihnen Etwas fehlen, Etwas nicht richtig sein. Hingegen, wenn sie Freunde finden, was sollen das für Freunde sein?

Nicht solche, die sich selbst suchen. Ein solcher war Jonathan nicht. Nicht solche, die der Seele des Kindes schaden können. Wachet ihr Eltern, dass sich an eure Kinder nicht Buben und Dirnen hängen, welche sie in Lüge, Ungehorsam, Trägheit und Eitelkeit hineinlocken, welche sie in unreines Wesen, unkeusche Gespräche, Gedanken und Taten, welche sie an die Stätten des fleischlichen Genusses hinziehen. Wachet über eure Kinder, dass sie sich nicht an junge Spötter und Taugenichtse hängen. Ach, der Abfall ist unter den Jungen fast so arg wie unter den Alten. Ein halbes Jahr im Umgange mit gottlosen Freunden kann ein Kind so verderben, dass wir es innerlich gar nicht mehr kennen. Suchet für eure Kinder, bittet für eure Kinder um Freunde, welche wie Jonathan und David den Bund mit ihnen vor dem Herrn schließen. Er muss wurzeln in einem Glauben. Er muss genährt und gehalten werden durch das Wort und die Furcht Gottes. Er muss das Heil der beiden Seelen zum Ziel haben. Im Altertum erbot sich einmal ein König, er wollte der dritte zu zwei in treuer Liebe verbündeten Freunden werden. Wir kennen den Dritten in jedem christlichen Freundesbunde. Es ist der Herr. Wo Zween oder Drei versammelt sind in seinem Namen, da ist er mitten unter ihnen. - In einem christlichen Freundschaftsbunde muss das Gebet wohnen. Dieses hält die Freunde erst mit dem hochheiligen Dritten und dann unter sich in Verbindung. Man pflegt zu sagen, das seien erst rechte Freunde, die einen Scheffel Salz mit einander gegessen hätten. Das Wort ist das Salz, das Gebet das gesunde Leben, welches dadurch genährt wird. Das Wort und der gemeinsame Glaube ist das Feuer, womit Alles, womit auch ein solcher Bund gesalzen werden muss. Da wird der rechte Salzbund geschlossen. Freunde, welche noch nie mit einander gebetet haben, schwimmen auch in ihrem Bunde nur noch auf der Oberfläche. Es mag jetzt selten sein, dass auch in die Kinderkreise solche tiefste Einigkeit eindringt. Ich habe meine Konfirmanden oft nach ihren Freunden gefragt. Ich habe sie alljährlich gefragt, ob sie auch Freunde haben, mit denen sie beten. Leider habe ich, wenn ich nicht irre, in mehr denn zwanzig Jahren nur selten ein Ja zur Antwort bekommen. - Ist aber jenes heilige Salz im Bunde, dann scheidet es auch das Unreine und Faule aus. Ein rechter Freund kann an seinem Freunde die Sünde nicht lieben, er muss sie strafen. Je lieber er ihn hat, desto weniger kann er sie mit Stillschweigen übergehen. Er will ihm ja ein Freund zur Rettung seiner Seele, ein Freund zur Seligkeit sein. Ein evangelischer Theologe des vorigen Jahrhunderts, der bis heute in der Kirche einen guten Namen hat1), war als Kind im elterlichen Hause in einfältigem Glauben erzogen. Nach dem Tode seines Vaters kam er auf das Gymnasium zu Brieg. Im ersten Jahre reichte das väterliche Erbe an Glauben und Zucht noch. Er erwarb sich durch Fleiß und frommen Wandel den Beifall seiner Lehrer. Später aber ließ er sich von bösen Buben locken und geriet auf Abwege. Alle, die ihn lieb hatten, waren besorgt um sein Heil. Aber unter Vielen, die solche Gedanken hegten, war kaum Einer, der da redete, der sie an den Mann brachte. Und der Eine war ein Mitschüler, ein Schulfreund. In einer guten Stunde sagte er dem verirrten Knaben: „Im Innersten schmerzt es mich, mein teurer Freund, dich an dem Rande eines so tiefen sittlichen Verderbens zu erblicken. Wie konntest du deinem eigenen Glücke so mutwillig zuwiderhandeln? Hätte ich das Talent von Gott erhalten, dos du besitzest, ich wollte recht fleißig studieren und meine Zeit recht weise auskaufen. Aus dir könnte einmal ein recht brauchbares Werkzeug der Kirche Gottes werden!“ Diese treuherzige Anrede schlug bei ihm ein. Er ließ die losen Gesellschaften. Bald erwarb er sich wieder die Achtung seiner Lehrer. Die Gnade des Herrn zog an ihm. Sie hat ihn, er hat den Herrn nicht verlassen bis an sein Ende. - Solche Freunde haben uns selbst lieb. Sie fliegen nicht weg, wie die Schwalben in den trüben Herbsttagen. O seht doch wieder zurück auf den Jonathan. Der steht, als später der. bittere Groll gegen David sich seines Vaters Saul bemächtigt hatte, wie ein guter Schild vor dem Freunde. Als dieser flüchtig werben musste, zog er ihn, nach in die Wüste, tröstete und stärkte ihn, Auch den Geächteten ließ er nicht. Mochte es denn in der Wüste Siph oder Engeddin noch so kahl sein, wenn dieser Freund kam, sprossten doch die Blumen um David herum. Die Freundschaft hat auch nicht aufgehört, als beide mit ihren Heeren verschiedene Straßen zogen. Als endlich Jonathan in der Schlacht gegen die Philister auf dem Gebirge Gilboa gefallen war, da entquillt aus Davids Herzen ein Trauerlied, wie es kaum ein ergreifenderes in der Welt gibt. Denket nur an das Wort: „Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan, ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt; deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, denn Frauenliebe ist.“ Seine Liebe erbte fort auf Jonathans lahmen Sohn Mephiboset, den er später als König in Jerusalem täglich an seinem Tische essen ließ. Von solcher Liebe glauben wir, dass sie auch im Himmel nicht stirbt. Es ist ja auch dort kein kaltes Einerlei. Freunde werden sich auch dort als rechte Freunde in dem Herrn wiederfinden. Alle heiligen Ordnungen Gottes finden dort erst ihre ganze Vollendung, und eine fromme Freundschaft ist auch aus ihm. Doch sie trägt auch hier schon ihre reiche Frucht.

Bleiben wir in dem lieben Garten der Kindheit stehen! Zuerst segnet die Freundschaft das Kind mit wirklicher Kindesfreude. Es ist kein Spielzeug, es ist eine lebende und liebende Seele, mit welcher es sich letzet2). Freunde sind die lieblichsten Blumen im Kindergarten. Ihnen gegenüber geht das Herz auf. Und köstlich ist es, wenn es dem Kinde in dem Herrn aufgeht, wenn sein Glaube schon mitteilsam und flüssig wird. Lehrer und Eltern stehen dem Kinde amtlich gegenüber. Wenn es da von seinem Herrn redet, geschieht es meist auf vorhergegangene Frage. Es ist keine ganze Freiheit darin. Wenn aber der Freund zum Freunde redet, dann redet kein Amt und auch Keiner, der da antworten müsste. Es redet ein Herz zum andern, ein Leben zum andern. Solche jugendliche Aussprache wirkt befreiend und gestaltend für das ganze Leben. - Ferner hilft Nichts mehr die Selbstsucht, diese Schlange, der die abgehauenen Häupter immer wieder wachsen, zertreten als Jugendfreundschaft.

Wir wissen allerdings, dass der Herr allein auch dieser Schlange den Kopf zertreten kann. Aber er braucht die Kinder mit dazu. In den Unmündigen bereitet er sich eine Macht gegen den Widersacher. Lernt das Kind lieben und sich selbst opfern und darangeben, dann kann es der Mann. Lernt das Kind seine Sünde dem Freunde gegenüber eingestehen, lernt es ihn um Vergebung bitten, dann kann es der Mann. Das ist Alles Segen, der in den tiefsten Lebensgrund hinuntergeht. Ein Freund richtet auch den andern von seinem Falle auf. So aber Einer allein gehet, wer soll ihn aufrichten, wenn er fällt? Und an diese inneren Gnaden knüpfen sich dann die äußeren. Ein Freund kommt zum andern in der Not. Ein Freund schüttet dem andern sein Herz aus bis in den Grund. Wenn er das getan hat, ist er wirklich erleichtert. Es stehen jetzt zwei Träger unter der einen Last. Beide tragen, trauern, glauben, beten und hoffen mit einander. Freunde kommen einander dann auch äußerlich mit Kräften und Mitteln zu Hülfe. Und wer in der Jugend schon helfen lernt, der kann es wiederum im Alter. In einer Erziehungsanstalt in Colmar in Frankreich wurde ein Jüngling von einem reichen Freunde mehrere Jahre unterhalten. Der Freund starb. Mit seinem Tode versiegte nicht allein für den Jüngling sondern auch für seine Mutter die wesentlichste Hilfsquelle Da ließ sich der Sohn, lang und schlank gewachsen, in aller Stille unter die königliche Leibgarde anwerben, legte das ansehnliche Handgeld der Mutter zu Füßen und unterstützte sie noch monatlich von seinen Ersparnissen. Sie nur wusste, wo er war. Nach einem Jahre kam er ans Urlaub nach Hause. Da stürmten die alten Mitschüler mit Fragen auf ihn ein, warum er die Anstalt verlassen habe, wo und was er denn eigentlich sei. Endlich konnte er dem freundlichen Drängen nicht mehr widerstehen. Er sagte es ihnen. Da schrieben die Schüler der Anstalt in aller Stille an seinen Hauptmann und erkundigten sich nach der Summe, um die er losgekauft werden könnte. Hundert Taler sollten gezahlt werden. Die Jünglinge sammelten unter sich. Die erste Einlage trug ein und zwanzig Taler ein. Da wurden sie einig, so lange ihr ganzes Taschengeld beizusteuern, bis die 100 Taler voll seien. Aber der Herr, der den Jüngling auch in sein Herz gezeichnet hatte, wollte ihn so lange nicht warten lassen. Ein aufgefundener Brief eines Zöglings an den andern hatte den Lehrern und durch diese den Eltern den Plan verraten. Da vollendeten denn andere Hände, die mehr zu opfern hatten, schneller das Werk. Es fand sich auch ein Helfer, der dem Jünglinge den Weg zu einem gesegneten irdischen Berufe bahnte. - Ein treuer Freund ist der beste Seelsorger, der beste Arzt und auch der beste Hausrat. Teure Leser, lasst uns nur fleißig bitten, dass es unsern Kindern auch nicht an solchem fehle. Jetzt stehen die Freunde noch dicht neben einander wie die Eichen und Buchen im jungen Schlag. Der Herr gebe Gnade, dass wenn sie einmal alt sind, doch noch zwei oder drei oder wenigstens einer neben ihnen stehe. Ja wenigstens zwei Bäume, die feste Wurzeln auf dem Felsen geschlagen und ihre Zweige gen Himmel getrieben haben, mögen neben einander stehen! Auch uns Alten wolle der treue Gott solchen Freund in dem Herrn erhalten. Herr, du unser erster Freund, schenke uns aus Gnaden noch einen Zweiten. Amen.

1)
Steinmetz, später Abt zu Klosterbergen bei Magdeburg, Herausgeber eines trefflichen Gesangbuches.
2)
Sich erfreuen, vergnügen
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