Ahlfeld, Johann Friedrich - Die erste Weihnachtsfeier.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Die erste Weihnachtsfeier.

(I. heiligen Weihnachtstag.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Luk. 2, 1 - 14.
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste, und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth. in das jüdische Land, zur Stadt Davide, die da heißt Bethlehem, darum, dass er von dem Hause und Geschlecht Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe. des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt, und in einer Krippe liegend. Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!

O du selige, o du fröhliche Gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt war verloren, Christ ist geboren. Freue dich, freue dich, Christenheit! Ja freue dich, freue dich. Christenheit! Wenn, in dem Herrn geliebte Gemeinde, der Weihnachtstag aus der Reihe der Tage gestrichen werden konnte, und wenn das Bethlehem im jüdischen Lande mit dem größten Wunder der Liebe, das Gott allda vollbracht, aus der Geschichte getilgt werden könnte: dann wäre der Zeit und der Geschichte ihr Herz genommen, und der einzige Quell, der dem armen Geschlechte sein Sehnen und seinen Durst stillet, wäre vertrocknet. Aber, Gottlob! das wird nimmer geschehen. Noch steht dieser Tag hoch in dem Gedächtnis der Völker. Noch wird er gefeiert bis in die ärmsten Hütten hinunter, bis auf die Throne hinauf. Und selbst die, welche von dem Christ, von dem eingebornen Sohne Gottes Nichts wissen wollen, die feiern ihn doch äußerlich. Sie können es nicht lassen. Der Gottessohn in Stall und Krippe hat eine solche Macht über sie, dass sie, ob sie ihn schon mit ihrem Verstande verleugnen, ihm doch an diesem Tage seine Ehre geben müssen, wenn auch nur in armen entfernten Bildern. Man murret gegen ihn, und muss ihm doch dienen, denn er will sich die Starken zum Raube nehmen. Ebenso wenig, wie er selbst und sein Tag, wird die Stätte vergessen werden, wird die Christenheit mit ihrer Liebe von der Stätte los wollen, da er geboren ist. Der alte Kirchenlehrer Hieronymus wohnte ganz nahe bei der Geburtsstätte des Herrn zu Bethlehem. Man berief ihn anders wohin zu einem reichen Bistum. Er aber gab zur Antwort: „Man bringe mich nicht von der Krippe Christi weg, mir ist's nirgends besser; eben an dem Ort, da mir Gott seinen Sohn vom Himmel gegeben, will ich ihm auch meine Seele hinauf in den Himmel schicken.“ Und er blieb an dem Orte bis in das späteste Greisenalter, bis in den Tod. Und wenn wir auch persönlich nicht dort leben und sterben können, wir haben in unserm fernen Abendlande doch den Ort von Herzen lieb. Wer ist unter uns, der nicht gestern Abend oder heute in der Frühe des Tages auf den Flügeln des Glaubens hingepilgert wäre? Und wenn du gefragt wirst: „Welches ist dir der teuerste Ort in der ganzen Geschichte der Erde?“ so kann in deine Seele nur ein Schwanken kommen, nämlich das, ob du sagen sollst: Bethlehem oder Golgatha. Das sind die beiden Herzkammern der Liebe Gottes zu der sündigen Menschheit. Doch Golgatha hat eine andere Zeit. Die Kreuzestage werden kommen. Sie sollen uns nicht stören in der fröhlichen, seligen Weihnachtsfeier. Und damit dies eine recht völlige werde, wollen wir uns das Vorbild dazu von Bethlehem herüber holen. Dieses Vorbild ist:

Die erste Weihnachtsfeier.

Schauen wir da

  1. Gottes Festrüstung,
  2. die Stätte der Feier,
  3. die Festgemeinde,
  4. den Prediger.
  5. die Predigt.
  6. den Chorgesang.

Herr Gott, reich an Gnade und Barmherzigkeit, du hast einst Israel und die Heiden erreget, dass sie sich auf das Fest freuen sollten. Ach wir bitten dich, errege auch uns zum Dank gegen dich für deine große Gnade und Treue, errege uns zum Jauchzen über unser Heil, das an diesem Tage geboren ward. Ja, gib uns Glauben, gib uns Freude, wie wenn wir mit gestanden hätten auf Bethlehems Aue, wie wenn wir die Engelsbotschaft und den himmlischen Chorgesang mit gehört hätten. Amen.

I. Gottes Festrüstung.

Unser Evangelium hebt an mit den Worten - „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste, und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land, zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum, dass er von dem Haus und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger.“ Was soll denn diese lange Vorrede von der Schätzung, ehe der Evangelist zur Sache kommt? Teure Gemeinde, ihr habt euch auf das Fest gerüstet Wochen lang, wohl sogar Monate lang. Der barmherzige Gott hatte sich auch darauf gerüstet und zwar von Ewigkeit her. Seit viertausend Jahren hatte er die Völker geregt und gerüttelt, dass sie sich auf den Tag bereit machen sollten. Nur dazu, dass er auf Erden ein bereit Volk hätte, unter dem der neue Mensch, der Gottes- und Menschensohn, geboren werden könnte, hatte er sich Israel zum Bundesvolk erwählt. Nur dazu, dass es ein Zuchtmeister auf Christum sein sollte, hatte er das Gesetz gegeben. Nur dazu hatte er seine Propheten durch Juda und Israel und hin und wieder durch die Heidenwelt gesandt, dass die Völker ihre Häupter aufheben und aufschauen sollten, ob sich ihre Erlösung nahe. Doch lassen wir diese alten Rüstungen; fassen wir nur die, die der Geburt des Herrn unmittelbar vorangingen. Sollte Christus erkannt werden als der, der da kommen sollte, sollte die Welt, die so schwer glaubet, Glauben zu ihm fassen, so mussten die alten Wahrzeichen auf ihn passen, die die Propheten längst vorher verkündigt hatten. Sie standen in der Schrift, sie ruhten im Gedächtnis des Volkes wie ein heiliges Gemälde auf den Zukünftigen. Wenn nun das Leben dieses Gemäldes, wenn nun der Held der Weissagung kam, so musste sein Wesen und Leben, Geburt, Lebensgang und Todesdrang zu diesen Zügen stimmen. Und wie wunderbar ordnet und passet Gott alles zusammen, bis auch die kleinsten Füge Wahrheit haben. Zwei der alten Propheten, Jesaias und Micha, zwei Zeitgenossen sind es besonders, die jenes alte Bild für seine Geburt entworfen haben. Jesaias verkündigt: „Eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären, des Namen sollst du heißen Immanuel.“ Und Micha füget zu der Mutter und dem Namen auch Stamm und Stadt, aus denen er kommen soll: „Und du Bethlehem Ephrata. die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, des Ausgang von Anfang und von Ewigkeit gewesen ist.“ - Dass nun dieser göttliche Gnadenrat zur Gnadentat werde, wie leitet es Gott so wunderbar! Wer muss da nicht alle mithelfen! Auch die Heiden müssen mithelfen, denn auch sie sollen an Christo Teil haben. - Droben in Galiläa, in dem lieblichen Berglande, in dem Städtlein Nazareth, wohnet die Jungfrau, die Gott ersehen hat, der er durch den Engel verkündigt hat, dass sie die Mutter seines eingebornen Sohnes werden soll. Was hat diese aber zu tun in dem fernen Bethlehem unten im jüdischen Lande? Wie soll der Propheten Wort erfüllet werden? Da muss um der Sünde des Volkes willen zur Zeit ein fremder Fürst, ein Heide, der Kaiser Augustus, das Szepter über Israel führen. Sein König Herodes ist nur ein Schattenkönig, und muss allerdinge dem Winke des Augustus gehorchen. Dieser Augustus lässt ein Gebot ausgehen, dass alle Welt, d. h. alle Untertanen seines weiten Reiches, geschätzt werde. Alle sollen Habe und Güter angeben. In Israel aber musste sich jede Familie zur Schätzung in die Stadt begeben, aus der sie entsprossen war, denn nach Stämmen und Familien war einst das Land verteilt. Dass Gott Recht behalte in seinen Weissagungen, muss ein fremder König die Nachkommen Davids zwingen, sich zur Schätzung nach der alten Davidsstadt, nach Bethlehem, zu sammeln. - Aber er rüstet noch anders. Mächtig hatte er die Flamme der Sehnsucht nach dem Verheißenen in Israel entzündet. Zerschlagen war das alte Volk. In ihrem zweiten Tempel, von Esra und Nehemia gebaut, hatten sie keine Bundeslade mehr, in der ehemals die Gesetzestafeln, das Manna und das grünende Reis Aarons lagen. Ihr eignes Fürstengeschlecht, der glorreiche Stamm der Makkabäer, war verdrängt von dem klugen, kalten Edomiter Herodes, der seiner eignen Familie und des Volkes Blut wie Wasser vergoss. Um Alles zu vollenden waren die Heiden Herren des alten Gottesvolkes geworden. Sie führten ihre Weise unter ihm ein. Gerade diese Schätzung ließ es den fremden Druck in seiner ganzen Last fühlen, - Wie Noah aufschaute aus der Arche, ob noch kein Bergesgipfel heraustauchte aus der Flut. an dem er anlanden und anlegen könnte, so schauten die Frommen Israels aus, ob er noch nicht käme, der ihnen Burg und Fels und Hafen sein sollte. Ja. auch durch die Heidenwelt, in der die alten Götter in Verachtung gefallen waren, ging ein wunderbares Regen und ein unklares Hoffen, dass in dieser Zeit von dem Morgenlande, von dem jüdischen Lande, ein großer König ausgehen sollte. So hatte Gott gerüstet in der Geschichte und im Herzen der Völker. Die Zeit der Rüstung war nun aus, der Bräutigam kam, das erste Weihnachtsfest brach an.

II. Wo ward es denn gefeiert?

Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde.“ Auf dem Felde zu Bethlehem hatte David einst seine Herden gehütet, auf dem Felde zu Bethlehem hatte er seine Jugendpsalmen gesungen. Ob er dort auch schon den sang: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe und der Welt Ende zum Eigentum geben,“ und den andern: „Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße,“ das wissen wir nicht. Dort, wo der Hirtenknabe, der nachmalige Hirt der Völker, seine Lieder sang, da wurde dem Erzhirten aller Seelen das rechte Hohelied, das erste Weihnachtslied gesungen, der erste Weihnachtsgottesdienst gehalten. Auf dem Felde war's. Kein Tempel schloss die Feier ein, Das ist ein Zeichen, wie der freie Dienst der Kinder Gottes alle Völker durchdringen und laufen soll bis an die Enden der Erde. Frei von dem alten Tempel ist das erste Christfest gefeiert worden, zum Zeichen, dass wir uns des eingebornen Sohnes Gottes freuen sollen, wie im Tempel, so in Hütten und Häusern, so im Berufe hier und dort. - Nacht war es, ja doppelt Nacht. Die Nacht lag auf dem Felde; Finsternis bedeckte das Erdreich und Dunkel die Völker. In dieser Nacht sprach Gott zum zweiten Male und im höchsten Sinne: „Es werde Licht!“ und es ward Licht. In dieser Nacht schien das Licht in die Finsternis. In dieser Nacht ging der Morgenstern auf, brach der Tag an. In dieser Nacht sah das Volk, das im Finstern wohnet, ein großes Licht, und über denen, die da sitzen im finstern Lande, schien es helle. Da durfte es auch äußerlich nicht finster bleiben. Der Morgen des neuen Lebens konnte nicht in Finsternis gehüllt sein. Klar schienen die alten Sterne Gottes, aber unter ihnen wie ein himmlischer Kronleuchter der Stern, der über dem Haus stand, darinnen das Kindlein war. - Nacht war es, denn in der stillen Nacht stillet der Herr so manche Leibeskrankheit. In dieser Nacht gibt er auf die alte Wunde unseres Geschlechts den rechten Balsam, die rechte Arznei. In der Nacht fällt Gottes Kühle und Tau auf die welken Pflanzen, dass sie früh wieder fest und frisch dastehen. In dieser Nacht ist der Himmelstau auf das Menschengewächs gefallen, dass es fortan wieder anfing sich aufzurichten in neuem Leben und in neuer Frische.

III. Welches waren aber die Auserwählten. die diese langersehnte Erquickung zuerst fühlten?

Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde.

- Von dem ersten Adam, den Gott rein und unschuldig erschaffen, zieht sich durch die Jahrtausende hin ein stiller Glaubenszug bis zu dem zweiten Adam, zu Christo, der das Geschlecht reinigte von seiner Schuld. Dieser Glaubenszug ist oft breit wie ein schönes goldenes Band, oft ist er dünn wie ein einziger Faden: aber völlig abgerissen ist er nie. Nie hat es ganz an demütigen Leuten gefehlt, die ihre Sündenlast fühlten, nie an solchen, denen die alte Gnadenverheißung auf den, der der Schlange den Kopf zertreten sollte, wie ein heiliger Schatz im Gedächtnis ruhte. Und wenn unter den Großen dieser Welt das alte Kleinod vergessen ward, dann ward es flugs von armen Leuten, die die Welt nicht blendete, um so höher gehalten. Und wenn den Weisen dieser Welt in ihrem Getriebe diese alte Weisheit der Vater zur Torheit ward, dann stand sie flugs denen um so lebendiger vor der Seele, die in den Augen jener als Toren galten. Solche Armen, solche Toren, solche stillen Hoffer waren diese Hirten. Sie glaubten, sie hofften. Sie verzweifelten nicht. Sie mögen dem David, dieser Krone und diesem Stolze des Hirtenvolkes, seine Messiaslieder nachgesungen haben. Und mit diesen Liedern hatten sie sich den alten Messiasglauben immer fester ins Herz gesungen. Unter diesen Liedern stand auch das: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zu frischen Wassern.“ Aber wo war unter dem Gesetze der freundliche Hirt? Hart ist der Stab des Moses. - Wo war die liebliche Aue? Kahl und felsig sind die Höhen des Gesetzberges. - Wo waren die frischen Wasser? Das bittere Wasser in der Wüste, in der sie das Gesetz empfingen, ward erst süß, als ihnen Moses einen Baum zeigte, von dessen Holze sie hineintaten. Deute dir dieses Vorbild, lieber Christ; du kennst ja den Baum, der das Bittere süß macht, der Leben in den Tod bringt. - Die Sehnsucht trieb die Hirten hinüber über das Gebiet des Gesetzes, hinein in das Gebiet der Gnade. Stille hoffende Leute waren jene Hirten. Wie viel aber ihrer gewesen sind das wissen wir nicht. „Wo zwei oder drei der Meinen versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ So viel sind es denn auch mindestens gewesen, die in der Nacht bei ihren Herden wachten und hoffend an den Seelenhirten dachten. - Seinen weiten Tempel hatte also der Herr gerüstet und erleuchtet, und seine kleine Weihnachtsgemeinde hatte er sich zusammengerufen. - Nun kann aber, Geliebte, nie ein Fest gefeiert werden ohne das Wort Gottes. Auch bei diesem Feste ist das Wort im vollsten Sinne. Das Wort ward an demselben Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Ohne dieses Wort ist jedes Fest ein leerer Schall. Aber mit dem Wort aus Gottes Wesen geht auch das Wort aus Gottes Mund.

IV. Wer war der Prediger am ersten Christfeste?=

Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie.“ Der Engel des Herrn war der erste Weihnachtsprediger. Könige und Propheten wünschten zu sehen, was Gott auf diesen Tag zuvor versehen hatte, und auch die Engel gelüstete zu schauen das große Geheimnis. Freude ist im Himmel über einen Sünder, der Buße tut. Und nun wird der geboren, der das ganze Geschlecht nicht allein zur Buße, sondern zum neuen Leben wecken soll. Er ist uns gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Die Engel können den Erneuerungstag des Geschlechtes nicht vorübergehen lassen. Sie sollen, sie wollen das Ihre mittun. Sie wollen das Geschlecht, dem sich seine Erlösung nahet, aufrufen, die Augen und Ohren zu öffnen, dass es nicht verkenne die Zeit seiner Heimsuchung. Sie sind zugleich das Ehrengefolge dessen, dem alle Gewalt gegeben ist, vor dem sich alle Knie beugen sollen im Himmel und auf Erden und unter der Erden. Wer soll ihn auch hineinleiten in sein Erlösungsfeld? Wer soll zu den Menschen zuerst reden von dem, der machen wird die Reinigung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden? Die Reinen, die nie von Sünde beflecket sind, die das weiße Kleid der Unschuld anbehalten haben von Anbeginn. Wenn ein König seinen Sohn sendet, dass er ein abgefallen Land zurückbringe zu der alten Treue, dann sendet er mit diesem Sohne seine Getreuen. Diese wissen zu reden von der Gnade, in deren Schatten diese Getreuen ruhen. Sie wissen die armen Irregegangenen mit diesem lieblichen Bild aus der Königsstadt anzulocken. So sendet Gott seine Engel, dass sie die Herzen der Menschen kehren zu dem Sohne, und durch den Sohn zum Vater. Wohl ist die erste Weihnachtspredigt, wohl ist das erste Weihnachtslied der Boten Gottes würdig.

V. Welches war die Festpredigt?

Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ - Lieblich ist sie schon in ihrem Eingange: „Fürchtet euch nicht!“ Als die ersten Menschen in der ersten Sünde zuerst ihr Angesicht von Gott abgekehrt hatten, und Gott Nachfrage hielt über ihren Gehorsam, da fürchteten sie sich und versteckten sich. Seitdem haben sich alle Menschen vor dem Angesichte Gottes gefürchtet und versteckt. Da er ihnen nun in Christo sein gnädig Angesicht und Vaterherz zukehret, ist der erste Anruf: „Fürchtet euch nicht! Die Zeit des Gesetzes ist aus, wo ihr aus Furcht vor der Strafe euer ganzes Leben Knechte sein musstet. Der Gnadenmorgen ist hereingebrochen, ich bin kein Zornesbote, Gottes Erbarmung hat mich gesandt.“ Und nun kommt die Predigt: „Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus.“ - Wer sich an ihr nicht freuen kann, dem muss im Winterfrost des Unglaubens und der Verzweiflung die Freude selbst erfroren sein, Er muss ein Grab in seinem Herzen haben, in dem ein Toter liegt, der sich nicht regt und nicht wieder auferstehet. Alle andere Freude hat ihr Gebiet und ihre Grenze. Sie geht entweder nicht ganz in die Tiefe, oder nicht ganz in die Weite. Groß ist die Freude an Siegesfesten. Aber neben dem Volke, das den Sieg davon getragen, das die Siegeslieder singt, wohnt das andere. Es kann nicht einstimmen in die Lieder, es ist geschlagen und seine Toten sind umsonst gefallen. Und selbst im Siegesvolke sind solche Herzen, die doch nur mit halber Seele an der Freude Teil haben. Sie haben sie zu teuer bezahlen müssen. - Hier ist auch ein Siegesfest. Der Siegesfürst tritt auf den Plan. Der alte Feind, der uns so lange geknechtet, die Sünde und ihr Fürst, sie dauern Keinen, wenn sie unterliegen. Auch der alte Mensch in uns, der von Gott abgefallene Teil, o wie selig wäre das Herz, in dem ihn der Löwe aus dem Stamme Juda ganz überwunden hätte! Groß ist die Erntefreude, wenn das Feld wohl getragen hat.

Aber die Erntefreude hat ihre Grenzen. Hagelschauer haben hie und da gedroschen, ehe es reif war, und die Sonnenglut oder Wasserflut haben den Segen verderbet. Und mitten unter den reichen Erntern sind solche, denen ein Leid am Herzen nagt, schwerer und tiefer, als dass es der reichste äußere Segen heben könnte. Christfreude braucht keine Grenzen zu haben. Wen hindert Gott, dass er sich nicht die Früchte vom Baume des Lebens reichlich in seine Herzensscheuer sammle! Kein Hagelwetter, keine Sonnenglut. keine Wasserflut kann diese Ernte verderben, wenn wir nur sammeln wollen. Nirgends hat Gott ein Gebot gegeben, darin es hieße: „In dieses Haus soll keine Weihnachtsfreude kommen.“ - Es gibt einen Reichtum, eine weltliche Hoheit, zu denen die gewöhnliche Freude schwer hinauf kann, weil sie Alles vollauf haben. Aber Niemand ist so reich, dass die Gnade Gottes an diesem Tage nicht für ihn noch reichlich und überschwänglich wäre über Wissen und Verstehen. Es gibt eine Armut, eine Tiefe der Not, in die gewöhnliche Freude schwer hinunterkann, sie sieht höchstens einmal eine Dämmerung derselben. Aber Niemand ist so arm, dass ihn seine Armut von dem Heile, von der Freude dieses Tages ausschlösse. Wir brauchen den Christ nicht mit Geld und Gut zu erkaufen, er kauft uns; wir steigen nicht in den Himmel hinauf, er kommt hernieder; nicht wir haben ihn erwählet, er hat uns erwählet. Es gibt elende zerschlagene Herzen, die da sprechen: „Weg mit der Freude, für Andre mag sie sein, für mich ist sie nicht. Mein Auge und mein Ohr für die Freude ist erblindet und vertäubet.“ Die Christfreude ist gerade recht für sie. Er ist gekommen zu predigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie sollen los sein, und den Blinden das Gesicht, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, und zu predigen das angenehme Jahr des Herrn. Bis in den Himmel hinauf reichet die Christfreude, denn die Engel Gottes freuen sich mit uns, dass der Heiland geboren ist. Bis in den Tod hinunter reichet die Christfreude, denn die Seligen, die den Tod überwunden haben, haben ihn in ihm überwunden. Und wie Mancher mag jetzt in diesem Christstündlein, denn wir sterben täglich, mit dem Tod ringen und in seinem Ringen seines Heilandes sich getrösten! Christfreude reichet über alle Meere hinaus. In allen Erdteilen. ja wir können fast sagen, in allen Zungen wird heute die Engelspredigt verkündigt: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ O wer durch den Himmel ziehen und die Lobgesänge der Engel vernehmen könnte: wer an allen Krankenbetten vorbeigehen und alle Psalmen aus den zerschlagenen Leibern sammeln könnte; wer an den zerschlagenen und begnadigten Herzen aller Sünder lauschen, und die Hallelujas und Hosiannas und alle die „Ehre sei Gott in der Höhe“ in ein Bündlein sammeln könnte: - der wüsste erst, wie groß, wie unergründlich die Bedeutung jener Predigt war. Und er wüsste doch nur erst, was schon geschehen ist, er kennte doch nur das Danken der Kirche in der Pilgerzeit. Wie aber die Erwählten, wie die Erretteten an jenem großen Tage für die Predigt danken werden, das kann er doch nicht fassen, weil er selber die Tiefe der Sünde, die Schauer des Gerichts, und die unaussprechliche Seligkeit der Gnade noch nicht ganz gefühlt hat. Wer aber auch nur die Taten und den Segen dieses Wortes bis heute kennt, in dem müssten alle Pulse seines Herzens singen und klingen: „O du selige, o du fröhliche, gnadenbringende Weihnachtszeit, Welt war verloren, Christ ist geboren, freue dich, freue dich, Christenheit!“ Der ganze Spruch: „Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren.“ - Wort für Wort ist ihm wie eine Schnur himmlischer Perlen. Er weiß nicht, welche die lieblichste ist. Wie er jede einzelne ansieht, scheint sie ihm die teuerste. Der ganze Spruch ist ihm wie eine liebliche Musik. Er weiß nicht, welcher Ton der köstlichste ist. Jeder, bei dem er anhält, scheint ihm der köstlichste zu sein, und klingt tief nach in seinem Herzen. Ich verkündige euch große Freude: Gott verkündigt sie, sein Engel ist sein Mund. Verkündige: es ist nun nicht mehr ein banges Hoffen. Große Freude: sie steigt über alle Erdenfreude, nicht Zeit, nicht Grab ertötet sie. Allem Volke: es ist nun nicht mehr ein erwähltes Volk; in allerlei Volk, wer Gott fürchtet und recht tut, ist ihm angenehm. Heute ist euch der Heiland geboren: heute ist die angenehme Zeit, der Himmel steht offen. Der Heiland ist euch heut geboren: nun ist der da, der die alte Wunde der Menschheit heilt. Euch ist der Heiland geboren: ich und du wir gehören auch dazu, wir haben auch Teil an seinem Heil. Wer diese Predigt aufhört und auffühlt, der muss sagen: „Nur der lebendige Gott kann in so wenige Worte so viel Gnade zusammendrängen,“ Wer diese Predigt aufhört und auffühlt, der stellt sich am Schluss derselben auch in den himmlischen Weihnachtschor, um sein Danklied mitzusingen.

VI. Welches war dieser Weihnachtschor?

Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerschaaren, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. - Diesen Chor zu singen wäre der Menschen Pflicht gewesen, denn den Menschen war der Heiland geboren. Die Menschen aber schwiegen, denn die zugegen waren, waren überwältigt von der großen Gnade Gottes. Sie konnten noch kein Wort des Dankes finden. Da singen die Engel aus alter Liebe und Treue den Dank- und Lobgesang, da beschließen sie die teure Weihnachtsfeier. - Nun aber, liebe Brüder, hat die Gemeinde des Herrn Zeit genug gehabt, sich in seine Gnade zu versenken, sich in ihr Heil hineinzudenken. So stimmet denn ein in diesen Engelsgesang. Singet ihn weiter alle Weihnachtsfeste, singet ihn weiter unter eurer Mühe und Arbeit, wenn ihr des gedenket, der euch tröstet von eurer Arbeit. Preiset Gott mit Herz und Mund für seine Gabe. Sein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Ein Himmel soll die Erde werden. Gottes Ehre sei deine Lust, wie sie die Lust seiner Engel und Seligen ist. Dann wird allen Menschen ein Wohlgefallen sein an der Erneuerung, in der aller Streit ruhet auf der Erde, in der aller blutiger Kampf mit Ungestüm aufhöret, in der der Held und Friedefürst uns zu Kindern des Friedens macht, in der die Gnade den Sieg davon getragen hat über die Sünde. Amen.

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