Ahlfeld, Johann Friedrich - Was hat der Herr den Seinen aus dem Grab mitgebracht?

Ahlfeld, Johann Friedrich - Was hat der Herr den Seinen aus dem Grab mitgebracht?

(l. Sonntag n. Ostern Quasimodo. 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Joh. 20,19-31.
Am Abend aber desselbigen Sabbats, da die Jünger versammelt, und die Türen verschlossen waren, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu Ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das sagte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch. Und da er das sagte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, der Zwölfen einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er sprach zu ihnen: Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nagelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich es nicht glauben. Und über acht Tage waren abermals seine Jünger darinnen, und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein und spricht: Friede sei mit euch! Darnach spricht er zu Thoma: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände; und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thoma, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Auch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes, und dass ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Als das Volk Israel im Jahre nach seinem Auszug aus Ägypten das Osterfest feierte - also das zweite Osterfest - da konnten etliche Männer aus dem Volk nicht mitfeiern. Sie waren unrein über einem toten Menschen (4. Mos. 9,7 rc.). Sie hatten mit der Bestattung eines Toten zu tun gehabt. Dadurch waren sie nach dem Gesetz unrein. Ein Unreiner aber durfte kein Fest mitfeiern. Und doch wollten sie so gern Ostern feiern. Deshalb fragten sie Mosen. Moses aber fragte den Herrn, wie es mit solchen Leuten zu halten sei. Da erhielt er zur Antwort, sie sollten dennoch ihr Ostern feiern, und zwar am 14. Tage des andern Monats, also einen Monat nach dem eigentlichen Fest. Da feierten denn diese Leute das Fest mit großer Freude. -

Geliebte Gemeinde, in unserm Evangelio haben wir auch einen Mann der ist unrein über einem Toten. - Die christliche, die evangelische Unreinigkeit ist nämlich der Unglaube. - Unser Unreiner ist Thomas. Ihm war Christus im Tod geblieben. Er will es den Aposteln und den andern Jüngern und Jüngerinnen nicht glauben, dass er auferstanden und ihnen erschienen sei. Er hatte demnach Ostern auch nicht mitfeiern können. Denn was wäre das für eine Osterfeier ohne Glauben an den auferstandenen Christus! Wie sich nun Gott jener alttestamentlichen Unreinen erbarmte, so erbarmt sich Christus dieses neutestamentlichen. Er setzt ihm eine besondere Nachfeier des Auferstehungsfestes an, und zwar acht Tage nach dem eigentlichen Osterfeste. - Geliebte Gemeinde, ist Jemand unter uns, der vor acht Tagen das Osterfest nicht hat mitfeiern können? Du antwortest etwa: „Ich lag krank und konnte nicht erscheinen in der Gemeinde der Gläubigen.“ Auf den Krankenbetten sind oft gar liebliche Auferstehungsfeste gefeiert. Krankenbetten oft die besten Osterstätten. - Ist aber Einer unter uns, der aus andern Gründen und in anderem Sinn nicht hat mitfeiern können? der unrein gewesen ist über diesem Toten? dem Christus im Grabe geblieben ist? der mit Thoma nicht glauben wollte an den Auferstandenen? - Wie Viele sind unrein über dem toten Christus! Die israelitischen Unreinen mussten die Zeit ihrer Unreinigkeit draußen außer dem Lager bleiben. Wenn jetzt in der Kirche Christi so geschieden würde, wenn die Unreinen an unserm Toten hinaus müssten aus dem Lager: dann möchte das Lager der Unreinen leicht größer werden, denn das der Reinen. Denn auch alle die, welche wohl mit dem Gedächtnis glauben an die Auferstehung Jesu Christi, die aber durch den Auferstandenen nicht in einem neuen Leben wandeln, gehören in jenes Lager. - Hätten doch nur Alle, in denen der Glaube erstorben ist, und die in totem Glauben dahin leben, dieselbe Sehnsucht nach der Osterfeier, wie jene Unreinen! Den Aufrichtigen lässt es Gott gelingen. Für sie schafft er Rat. Für sie hat er auch in der christlichen Kirche noch eine Nachfeier angesetzt. Für sie überwindet er den Thomas, dass sie mit ihm überwunden werden. Wie ein milder Herr die Armen Nachlese halten lässt auf seinen Äckern, auf seinen Bäumen und in seinen Weinbergen, so lässt heute Christus Nachlese halten auf seinem heiligen Osterfeld. - O Herr, hilf, dass wir es recht tun. Wer am Fest nicht sehen konnte, dem tue heute die Augen auf. Wer am Fest nichts gefunden hat, den lass heute finden. Wem die heiligen Ähren auf dem Osterfeld zerknickt und zerschlagen waren von den Wettern des Unglaubens, dem richte Du sie auf, dem zeige Du. dass dennoch in ihnen und in ihnen allein Korn und Brot enthalten ist zum ewigen Leben. Amen. Wir fragen uns heute:

Was hat der Herr den Seinen aus dem Grab mitgebracht?

Antwort:

  1. Sich selbst.
  2. Seinen Frieden.
  3. Das letzte Siegel der Auferstehung.

I. Sich selbst.

Am Abend aber desselbigen Sabbats, da die Jünger versammelt, und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten hinein. Wenn ein Vater aus gewesen ist auf einer kleinen, gefahrlosen Reise, so rufen seine Kinder bei seiner Wiederkunft wohl: „Vater, was hast du uns mitgebracht?“ Es ist dies wohl ihr erstes Wort. Ist er aber lange fort gewesen, sind Todessorgen um ihn durch die Familie gegangen, so denkt Niemand an eine solche Frage. Er ist wieder da, er selbst ist wieder da. Alles hängt sich an ihn an und jubelt und dankt Gott, dass sie ihn wieder haben. Der Herr Christus hatte die gefährlichste Reise gemacht. Es gibt für das Leben keine größere Fremde, als den Tod und das Grab. Nur Wenige sind aus ihr zurückgekommen, und diese Wenigen nur durch die wunderbarsten Taten der göttlichen Allmacht in Christo Jesu. - Nun denkt euch recht hin in die Lage der Jünger. Es ist der erste Osterabend. Die zehn Apostel ohne Thomas sind in Jerusalem versammelt, Petrus ist unter ihnen und erzählt, wie ihm der Herr erschienen ist. Kaum ist er fertig, da kommen die zwei Jünger von Emmaus gar eiligen Schritts und berichten: „Er ist auferstanden, er ist mit uns gewandert, er ist mit uns eingekehrt, wir haben ihn erkannt an dem, dass er das Brot brach.“ Kaum sind sie fertig, da tritt der Herr selber mitten unter sie. Die Boten sind dagewesen, nun ist er selbst da. Aus der Geschichte dieses großen Tages hat die Kirche drei Evangelien genommen: eins aus der Morgendämmerung, da die Weiber zum Grab gingen; eins aus der Abenddämmerung, da die zwei Jünger nach Emmaus wanderten; eins aus dem späten Abend, da der Herr selber unter seinen Jüngern erschien. Wundert euch darüber nicht. Der Tag steht zu hell da nach den dunklen Tagen, die vorangegangen waren. Sie hatten ihn selbst wieder. Und wie haben sie ihn wieder? In verklärtem Leib, in einer Herrlichkeit, die schon in der Mitte steht zwischen seiner Erniedrigung und seiner völligen Erhöhung. Von Wunden durchbohrt, ohne Gestalt und Schöne war er in das Grab gelegt. Nun sind seine Wunden Siegeszeichen geworden. Die Verklärungsstrahlen, die ihn auf dem Verklärungsberg eine kleine Weite umleuchtet hatten, ruhen dauernd auf ihm. Er ist schon gerüstet mit den Anfängen der Macht, die er vor der Welt her beim Vater hatte, die er bis in Ewigkeit wieder beim Vater haben wird. Er tritt unter sie, da die Türen verschlossen sind. Er ist, wo er sein will. Es sind dies die Morgenstrahlen zu dem Wort: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Wo zwei oder drei der Meinen versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Wer doch ein lebendiges Bild übrig hätte von den Herzen der Jünger, wie sie an dem Abend bestellt waren! Freude und Zittern wechselte in ihnen. Ihre Augen ruhten auf ihm, als ob sie angeheftet wären. Viel Worte konnten sie nicht machen.

In den größten Gnadenstunden,
Ist die Zunge fest gebunden
Durch der Allmacht große Stärke,
Durch der Gnade Wunderwerke.

Es ist noch ein Empfangen und Nehmen. Zum Geben kann man noch nicht kommen, nicht einmal zum Danken. Das Danken ist aber auch ein Geben. Ich gebe mich dem Gott wieder, der sich mir gegeben hat. Hernach kommt die Reihe erst an die Menschen, dass ich ihnen gebe. In jenem Nehmen aber floss ein Siegesmut in die Herzen der Jünger, dass alle Feinde: Furcht, Welt, Hölle und Teufel in ihnen überwunden waren. Und wenn sie Zeit hatten, hinaus zu denken in die Welt, die einst soll sein Szepter küssen, die ihm sinken soll zu Füßen, so sahen sie sie in dem Todesüberwinder schon überwunden. Er lebte, und das war genug. - Liebe Christen, damals war die Menschheit in zwei Teile geteilt, und so ist sie es noch. Der eine Teil war und ist die gläubige Gemeinde des Herrn. Der andere Teil ist die Welt. Sie befasst die, so in Gleichgültigkeit oder Feindschaft gegen Christum, den eingebornen Sohn Gottes, dahin leben. Auch heute noch fürchtet sich die Gemeinde der Gläubigen vor der Welt. Sie möchte auch die Türen verschließen, wie die Jünger aus Furcht vor den Juden. Sie verschließt sie auch nicht selten. Du hast vor der Welt dein Bekenntnis mehr als einmal verleugnet. Du hast, wenn sie wider dich streiten, ihnen zu Gefallen nachgegeben und deinem heiligen Bekenntnis die Schärfen und Kanten abgestoßen, damit du einen Übergang zu ihnen, eine Vereinbarung mit ihnen fändest. Viele sind unter uns, die den Herrn in stillem Herzen lieb haben, aber sie wagen es nicht zu sagen. Höchstens wenn sie im engen Kreise ihrer Freunde beisammen sitzen, dann sprechen sie es aus. Sie schauen auch mit bangem Blick nach den Türen, ob etwa ein Fremder komme, wie die Jünger hinschauten, ob etwa ein Jude in ihren verborgenen Kreis eindringen wollte. Du singst:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.
Das soll mir Niemand nehmen.
Er lebt und was ihm widerstrebt.
Das muss sich endlich schämen.

Alle jene starken Geister, die sein Grab zuhalten wollen, werden einst auch niederstürzen wie die römischen Kriegsknechte. Er wird sich die Starken zum Raub nehmen. Was fürchtest du dich? Er lebet. Sich selbst hat er dir aus dem Grabe mitgebracht. Wie er in die Mitte jener Jünger trat, so tritt er auch in unsere Mitte. Dass wir ihn nicht sehen, schließt seine Gegenwart nicht aus. Die Kirche ist alt genug geworden, dass sie glauben sollte, auch wo sie nicht sieht. Und wenn du an ihn glaubst, an seine heilige Nähe, an seinen mächtigen Arm, was hast du dann zu fürchten? Hast du ihm die Türen recht aufgetan, brauchst du sie vor der Welt nicht zuzuschließen, und dein Zuschließen hilft doch Nichts. Wenn er nur drinnen ist, dann ist er Held genug, sein Eigentum zu verteidigen. Die Arche hat Gott selbst zugeschlossen, dass die wilden Wasser nicht hineindringen, dass die Feinde der Geretteten nicht hineinbrechen konnten. So schließt Christus seine Arche, seine Kirche zu, wenn die Sündflut der Welt herantobt. Dasselbe Siegesbewusstsein, von dem die Jünger an jenem Abend getragen waren, soll auch uns tragen, und wenn die Nacht noch viel finsterer wäre, als in dieser unserer Zeit, und wenn völlige Nacht am Völkerhimmel hereingebrochen wäre. Er ist nicht von uns geschieden. Er ist auferstanden und lebt und regiert ewiglich. - Wenn jener trotzige französische Kriegsfürst, der 25 Jahre Gottes Rute an der sündigen Menschheit gewesen ist, während der Schlachten in die Scharen seiner Kämpfer ritt, wenn die Kämpfer sahen, dass er Heer und Kampf ordnete, dann pflegten sie zu sagen: „Das ist Er.“ und somit gingen sie stürmend vor. Sie waren des Sieges gewiss. Endlich aber half dieser Er doch nichts mehr. Gott hatte mit der Rute ausgerichtet, was er wollte. Uno weil sie selbst dürre war und keinen Lebenssaft in sich hatte, zerbrach er sie und warf sie weg. Ihr Kämpfer Christi gegen die Welt, ihr kennt euren Siegesfürsten. Wenn die Welt euch ansieht mit ihren Stürmen, dann sagt getrost im Glauben: „Da ist Er. Er lebt.“ Mit ihm geht's zum Sieg. Die Rute aber aus dem Stamme Isai (Jesaias 11,1.) wirft Gott nimmermehr weg. Sie kann nicht dürr werden, sie hat das Leben in sich selber. Aus dem Todeswinter ist sie durch die harte Decke hervorgebrochen. Sich selbst hat der Herr aus dem Grabe wiedergebracht. Und was noch?

II. Seinen Frieden.

Er grüßt in jener Nacht seine Jünger, er grüßt in unserer Trübsalsnacht die gläubige Gemeinde mit dem Gruß: „Friede sei mit euch.“ O das ist ein lieblicher Ton. „Friede sei mit euch“ war in der alten Kirche ein häufiger Gruß, ist es noch in der katholischen Kirche. Auch in unserer sollte dieser teure Gruß des Herrn wieder zu seinem Recht kommen. Er ist besser als jedes: „Guten Morgen“ und „guten Tag.“ Er enthält die Quelle aller guten Morgen, guten Tage und guten Abende in sich, auch des letzten Abend, wenn es ganz Nacht wird. Denke zuerst daran, dass der Gruß von ihm kommt. Und er gibt nicht, wie die Welt gibt. Die Welt vergibt oft, was sie nicht zu vergeben hat. Er aber kann Frieden geben, denn Gott hat ihn gesetzt zum Frieden, zur Versöhnung zwischen Himmel und Erde. - Die Welt gibt heute, und morgen nimmt sie wieder. Könige haben oft ewigen Frieden mit einander geschlossen. Aber ihre Ewigkeiten waren kurz. In Jahr und Tag waren sie aus. - Die Welt gibt oft in Falschheit. Während sie die eine Hand reicht und spricht: „Friede sei mit dir,“ stößt sie dir mit der andern den Dolch ins Herz. Ihr Friede ist nur eine Maske, unter der sie um so sicherer ihre Sünde treiben will. Er aber gibt nicht, wie die Welt gibt. Was er gibt, kommt aus der lauteren Liebe, die dich geliebt hat, ehe der Welt Grund gelegt war. - Die Welt gibt mit der einen Hand, mit der andern nimmt sie wieder. Sie ist nicht eins. Während ein Teil von ihr vorübergehend regiert wird vom natürlichen guten Willen, wird der andere geknechtet durch Habsucht, Hass, Neid, und wie ihre Regenten sonst heißen. Es gibt in ihr nichts Gewisses. Der Herr gibt uns einen ewigen Frieden. - Als er zu den Jüngern gesprochen: „Friede sei mit euch,“ zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Sein erster Friede, den er mitbrachte, war aus dem Tode zum Leben. „Sehet, ich lebe!“ Das Haupt war gestorben, die Glieder waren auch im Sterben. Was noch von Glaubensleben übrig geblieben war, war ein mattes Zucken in dem Leibe, der da ist die Gemeinde. Er brachte sein Leben aus dem Tode. Damit hatte er tatsächlich gesagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Frieden hatten sie also gegen den Feind, der da heißt der Tod. Seine durchbohrten Hände und seine durchstochene Seite zeigten, dass er ein Raub war, den er selbst dem Tod entrissen hatte. -

Du kennst die Angst, die dir der Tod auf die Seele wirft. Dieses Wörtlein mit drei Buchstaben ist schwerer, denn die größte Bleilast. Vor diesem Wörtlein mit drei Buchstaben zittert die ganze Welt wie Espenlaub. Der Tod ist ein König der Schrecken. - Auch zu dir spricht Christus:

„Friede sei mit dir.
Wenn dich der Tod anficht.
Verzage darum nicht,
In schweren Kampfesstunden
Hab' ich ihn überwunden.
Ich habe aus der Grabesnacht
Auch dir den Frieden mitgebracht.“ -

Aber was hilft mir Friede gegen den Tod, gegen das kurze Sterben, in dem ich etliche Stunden oder einen Tag ringe. Ich brauche Frieden gegen das Gericht, Frieden gegen das ewige Sterben, gegen die Verdammnis. Höre, der Herr spricht zum zweiten Mal: „Friede sei mit euch.“ Warum wiederholt er das Wort? Etwa damit sie recht fest glauben sollen? Bei ihm konnte man einer Aussage hinlänglich glauben. Nein. In jener Nacht vom grünen Donnerstag zum Karfreitag hatten sich die Jünger von ihm losgerissen. Der Herr hatte den Hirten geschlagen, und die Herde hatte sich zerstreuet. Petrus hatte ihn verleugnet, alle Jünger waren geflohen, aller Jünger Glaube war dahin gefallen wie im Herbst die Blätter, wenn der Sturm den Stamm schüttelt. Mit dem zweiten: „Friede sei mit euch“ nimmt er sie wieder an sich, bindet er sie wieder fest an sich, vergibt er ihnen ihre Sünden. Du, der du Christum verleugnetest, wo ihn Judas in dieser gottlosen Zeit verriet, und wo ihm die Welt die Dornenkrone flocht, freue dich seiner Auferstehung in dir. Du, der du ihn in dir gekreuzigt hast mit Unglauben und Sünde, komm, sammle dich mit zu ihm. Fürchte dich nicht. Die Apostel sind in der nämlichen Verdammnis gewesen wie du. Es geht hier nicht einmal ein Wort des Zürnens oder Strafens über seine Lippen. Sie waren ja wiedergekommen, ihre Verirrung war Strafe genug gewesen. Wenn ein Vater einen verlorenen Sohn hat, der sich von ihm losriss, der ohne Gehorsam, ohne Vater und Vaterhaus lange in der Welt herumsteuerte, so war dieser arm und elend genug. Wenn er sich endlich auf den Weg macht und zu seinem Vater geht, wenn er mit den Striemen, die ihm die Welt zum Dank für seinen Dienst geschlagen hat, mit Tränen vor ihn tritt: fängt da der Vater an zu poltern und zu schelten? Nein, er kann nicht. „Friede sei mit dir“ ist sein Gruß und Willkomm. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich Gott über die, so ihn fürchten. Wer aus den Nächten des eigenen Todes aufsteht zum neuen Leben, ist vor Gott ein in Christo willkommenes Kind. Diesen reichen Frieden gibt Christus ins Herz. Wie aber die warmen Quellen, die in den Tiefen eines Sees springen, das Wasser wärmen bis an die kalte Luft herauf, so wärmt jener Friede auch das ganze Leben bis hin an die Kinder der Welt. Auch diese müssen ihn den Jüngern des Herrn anmerken. Um aber seinen Frieden völlig zu machen, setzt Christus die Apostel wieder ein in ihr Amt. „Gleich wie mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch.“ - Es war diese Erneuerung des Apostelamts nötig. Im Garten Gethsemane, da sie flohen, im Hof des Kaiphas, da Petrus ihn verleugnete, am Kreuz, da sie meinten, es sei nun Alles aus, hatten sie mit dem Glauben auch ihr Amt weggeworfen. Der Sender war ihnen tot, was sollten die Gesandten noch? Der Sender lebt wieder, er setzt sie auch wieder in ihr Amt ein. Er gibt ihnen zuerst die Berechtigung zu diesem Amt. Sie geht zurück bis in den heiligen Rat des Vaters. Der Vater sendet den Sohn, der Sohn sendet seine Apostel. Darum heißt es mit Recht: „Wer euch hört, der hört mich; wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat. Ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Zu dem Amt gibt er ihnen sodann den Geist. Und da er das sagte, blies er sie an, und sprach zu ihnen: „Nehmt hin den heiligen Geist.“ Hier, liebe Christen, habet ihr die heilige Gabe, ohne die Niemand ein rechter Diener am Wort sein kann. Der Herr berufet seine Apostel, der Geist gibt ihnen die Kraft zu ihrem Amt. Nicht scharfer Verstand, nicht die Kenntnis alter Sprachen, nicht das Auswendiglernen von Sprüchen oder Büchern der Schrift - der Geist macht den Theologen, den Prediger. Das Erbe, die Mitgift vom Vater und Sohn ist das einige rechte Siegel für jeden geistlichen Beruf. Das ist in keinem gelehrten Examen zu erkennen, sondern in dem großen Lebensexamen, in dem uns der Herr Christus täglich fragt: „Simon Johanna, hast du mich lieb?“ Wo dieses Siegel nicht ist, da dient scharfer Verstand und Gelehrsamkeit häufig nur dazu, Christum in der Kirche zu töten. Darum soll jeder Prediger alle Tage bitten: „Herr Jesu, gib mir deinen heiligen Geist.“ Die Gemeinde aber soll mit ihm bitten, denn sein Segen ist ihr Segen, und sein Tod wird leicht auch ihr Tod. Lasset uns dies beide nicht vergessen, teure Gemeinde. -

Endlich gibt Jesus den Aposteln die Vollmacht, in seinem Namen Sünden zu vergeben und zu behalten: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Wen ihr auf Erden binden werdet, der soll auch im Himmel gebunden sein; wen ihr auf Erden lösen werdet, der soll auch im Himmel los sein.“ In diesen Worten hat der Herr seinen Jüngern, seiner Kirche ihre größte Macht gegeben, die Macht Sünden zu vergeben und Sünden zu behalten. Sie wird sich diese Vollmacht nimmer nehmen lassen. Sie wird den seligen Teil derselben ausüben am Altar, sonst hin und her an betrübten Gewissen und insonderheit am Sterbebett; sie wird mit dem schweren Teil derselben entgegentreten allen verstockten Sündern. Die Perle soll nicht vor die Säue geworfen werden, die sie zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und die zerreißen, so sie hingeworfen haben. Die rechte Perle im Christentum ist gerade das Wort von der Versöhnung und der Vergebung der Sünden. - Damit soll aber doch Niemand unter ein menschliches Gericht fallen. Niemand soll dem guten oder bösen Willen seiner Mitbrüder und Mitsünder hingegeben sein. Ehe der Herr redet vom Amt der Schlüssel, setzt er das Apostelamt, das geistliche Amt ein. Weil dies aber doch noch keine Bürgschaft ist, weil Sünde, Hass, Groll, Neid, Habsucht, Hochmut auch durch die Ordination mit hindurchgehen und sich mit in den geistlichen Rock stecken, gibt er seinen Jüngern vor dieser letzten Vollmacht den heiligen Geist. Nicht der Mensch bindet und löst, sondern der Herr im heiligen Geist durch seinen Knecht. Dass aber der Geist des Herrn unsere Seele gefangen genommen hat in die Wahrheit und in die Liebe Christi, erkennen wir daran, dass der natürliche Mensch mit seinem Hass und seiner Liebe in uns schweigt, und es redet nun der neue Mensch, der nicht eifert, nicht zürnet, sich nicht fürchtet, sondern gewiss ist in der Macht des Herrn und seiner Stärke. Und wenn der Todfeind eines Dieners Christi bußfertig am Altar kniete, so soll er ihm mit demselben leuchtenden Herzen Vergebung seiner Sünden sprechen, wie seinem Bruder. Ja, wie die Wasser hin rinnen nach der Stätte, da es tief ist, so soll seine segnende Liebe besonders auf dieses Haupt hinströmen. Der alte natürliche Geist kann dies nicht ausrichten, aber der heilige Geist. Darum stellt Christus diesen vor das Amt der Schlüssel. -

Der Herr hat nun die Apostel wieder in ihr Amt eingesetzt, und hat es ihnen in seinen drei Hauptteilen vorgelegt. Da möchtet ihr sagen, geliebte Gemeinde, was haben wir dabei? Einmal das, dass es nun wieder Apostel gibt, die hingehen in alle Welt und das Evangelium predigen allen Völkern. An dieser Einsetzung hängt auch unsere Berufung. Sodann haben wir darin auch einen eigenen Trost in unsern Sünden. Wenn wir ihn verleugnet und unser hohes Amt verachtet hatten mit Unglauben und Übertretung, und wir kommen wieder, dann setzt er uns auch wieder in unser Amt. Er spricht: „Friede sei mit euch.“ Das Amt aller Gläubigen aber ist das königliche Priestertum. Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums. dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Ja wohl, ein Abgefallener und wieder Angenommener wird ein doppelt eifriger Verkündiger der Gnade Gottes sein. -

Die Apostel hatten ihr Amt wieder, du hast dein Amt wieder. Es ist voller Friede. - Aber Einer war da, bei dem war doch kein Friede. Wer denn? Thomas. Er war an jenem Osterabend nicht unter den Jüngern. Als er sich wieder zu ihnen fand, riefen sie ihm jubelnd entgegen: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Er antwortete: „Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meine Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich es nicht glauben.“ Zwanzig Augen sollten ihm nicht so gewiss sein wie seine zwei. Sehen wollte er. Hat ihn nun Christus in seinem Unglauben gelassen? Nein,

III. er hat ihm das vollste Siegel der Auferstehung aus dem Grab mitgebracht.

Acht Tage hat er den armen Zweifler warten lassen. Heute ist sein Ostertag. Wie mag es ihm in den acht Tagen ergangen sein? Er war unter den Jüngern, als ob er nicht dazu gehörte. Er war ein Armer unter den Reichen, ein Trauriger unter den Fröhlichen, ein Toter unter den Lebendigen. Er hatte keinen Heiland, er hatte keinen Frieden, er hatte kein Apostelamt. So geht es dir gerade auch, der du nicht glaubst an die Auferstehung des Herrn. Dein Heiland ist tot, dein Friede liegt im Grabe, dein heiliges Priesteramt, zu verkündigen die Tugenden und Taten Jesu Christi, ist dir verloren gegangen. Denkt euch einmal hinein in die Kriegs- und Friedensjahre 1813 und 1815. Als der Friede geschlossen war, da zogen die Kämpfer überall wieder in ihre Städte und Dörfer ein. Mit Freude und Dank gegen Gott empfingen die Eltern ihre wiederkehrenden Söhne. Musste nun da eine Mutter sagen: „Sie sind Alle wiedergekommen, und meiner ist nicht wiedergekommen,“ so war sie die Ärmste in ihrem Orte. Sie konnte das Friedensfest nicht mitfeiern, sie war traurig. Ist nun Christus wiedergekommen, auferstanden für alle Jünger, hat er seinen Frieden gebracht allen Jüngern; aber dir ist er nicht auferstanden, du kannst es nicht glauben: so musst du noch trauriger sein, denn solche Mutter. Ein Sohn ist nie mein Alles, aber mein Heiland ist mein Alles. Ist er tot, so ist Alles tot. -

Davor will Christus Jeglichen bewahren. O sieh, wie er sich herablässt, wie er wirbt um deinen Glauben! Wie eine Mutter mit dem Kind redet in seiner kindischen Sprache, so redet er mit Thomas, so mit dir. Nach acht Tagen tritt er wieder unter sie. Wiederum grüßt er: „Friede sei mit euch.“ Er will auch dem Thomas sich selbst und seinen Frieden bringen, und damit auch dir, der du noch in Zweifeln gehst. Darauf sprach er zu Thoma: “Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände; reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: „Mein Herr und mein Gott.“ Spricht Jesus zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, Thoma, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“„ Ja, nun heißt es: „Mein Herr und mein Gott.“ Es hätte vorher auf die Nachricht der Zehn auch so heißen können. -

Du nun, der du trotz Petrus und der Emmausschen Jünger, trotz der Zehn und des Thomas noch zweifelst, meinst du, er soll dir auch so erscheinen, er soll dir auch die Wunden in den Händen und der Seite zeigen? Gerade das soll der Segen von Thomas Zweifel sein, dass du nicht zweifelst. Gerade darum hat er sich die Mühe nicht verdrießen lassen, diesen Zweifler mit der genauesten Erhörung zu überwinden, damit hinfort alle Zweifler in ihm überwunden seien. Hast ja gehört, dass er Apostel- und Predigtamt eingesetzt und den heiligen Geist gegeben hat. Diese Ämter und dieser heilige Schaffner Gottes und Jesu Christi sind eben darum da, weil er nicht persönlich mehr hier ist. Was die ersten Seinen durch ihn empfingen, das sollen wir jetzt durch das Predigtamt im heiligen Geist empfangen. Du sollst aber dem Diener des göttlichen Worts glauben wie ihm selbst, denn er hat ihn gesandt. Willst du im Unglauben stehen, bis du den erhöhten Sohn Gottes wiedersiehst, bis er kommt zu richten die Lebendigen und die Toten: dann hilft es dir nicht, wenn du schreist: „Mein Herr und mein GOtt.“ Dann möchte es wohl in der Angst alle Welt schreien. Dann hat er für die, so ihn verachtet haben, kein: „Friede sei mit euch“ mehr. Amen.

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