Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Pilger am Osterabende.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Pilger am Osterabende.

(II. heil. Ostertag 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Lukas 24. V. 13 - 35.
Und siehe, zwei aus ihnen gingen an demselbigen Tage in einen Flecken, der war von Jerusalem sechzig Feldweges weit, des Name heißt Emmaus. Und sie redeten mit einander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, da sie so redeten und fragten sich mit einander, nahte Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht kannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs, und seid traurig? Da antwortete einer, mit Namen Cleophas, und sprach zu ihm: Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darinnen geschehen ist? Und er sprach zu ihnen: Welches? Sie aber sprachen zu ihm: Das von Jesu von Nazareth, welcher war ein Prophet, mächtig von Taten und Worten, vor Gott und allem Volk; wie ihn unsere Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammnis des Todes und gekreuzigt. Wir aber hofften, er sollte Israel erlösen. Und über das Alles ist heute der dritte Tag, dass solches geschehen ist. Auch haben uns erschreckt etliche Weiber der Unsern, die sind früh bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben ein Gesichte der Engel gesehen, welche sagen, er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fanden es also, wie die Weiber sagten, aber ihn fanden sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und träges Herzens, zu glauben alle dem, das die Propheten geredet haben; musste nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an von Mose und allen Propheten und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren. Und sie kamen nahe zum Flecken, da sie hingingen: und er stellte sich, als wollte er weiter gehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden. und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen unter einander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselbigen Stunde, kehrten wieder gen Jerusalem und fanden die Elfe versammelt, und die bei ihnen waren, welche sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war, und wie er von ihnen erkannt wäre an dem, da er das Brot brach.

Gestern, in dem Herrn geliebte Gemeinde, sind wir in der Dämmerung ausgegangen zum Grabe. Heute wandern wir in der Dämmerung nach Emmaus. Nur war es gestern Morgen, heute ist's Abend. Gestern waren es drei Frauen, die wir begleiteten, heute sind es zwei Männer. Nur getrost! Es kommt noch ein dritter dazu. Darin aber stimmt der Ostermorgen und Osterabend überein, dass wir betrübte und zagende Herzen vor uns haben, denen der Glaube an den auferstandenen Jesus noch nicht lebendig geworden. Dass dies bei den Frauen am Morgen noch nicht der Fall war, dass diese vom Grabe weggingen und sich fürchteten, das mag uns so sehr nicht wundern. Dass aber auch die Männer am Osterabend noch verzagten Herzens dem Städtlein Emmaus zu pilgerten, das könnte dir auffallen. Es war ja nun bereits ein Tag seit der Auferstehung verflossen, und sie gehörten zu den Jüngern des Herrn. Ja, ein Tag war verflossen, und er war bereits Mehreren erschienen. Aber dürfen wir uns darüber wundern? Es sind nun seit dieser Auferstehung bereits fast 2000 Jahre verflossen, und er ist gar Vielen erschienen. Er ist in jenen ersten Tagen Vielen sichtbar erschienen, er ist der christlichen Kirche diese ganze Zeit hindurch als ihr wunderbarer Begleiter erschienen, er ist vielen Tausenden in ihrer Not in seiner Auferstehungsglorie im Herzen erschienen. Und wie steht's um uns? Für Viele neigt sich ihr Tag, und sie sind noch so traurig wie die Weiber am ersten Ostermorgen, und sie sind noch so traurig wie die Männer am ersten Osterabend. Und wenn wir den Gang der Geschichte in unsern Tagen ansehen, so möchte es uns vorkommen, als ob der völlige Weltabend und das Gericht des Herrn hereinbrechen wollte. Und doch haben bis zu diesem Abende Hunderte von Millionen nicht einmal die Botschaft vernommen, dass der Herr auferstanden ist. Viele aber von denen, die dies Wort gehöret haben, die mit auf die Auferstehung des Herrn getauft sind, die glauben es nicht. - Was möchte da für den heutigen Tag unser liebster Wunsch sein? Der, dass wir Alle mitgehen könnten auf dem Wege nach Emmaus, ja dass wir auch alle die mit nehmen könnten, die bisher noch nicht glauben wollen an den Auferstandenen. Möchte ihnen auch erst unterwegs das Herz brennen! Möchten sie ihn dann erkennen, und endlich mit denen zu Jerusalem bekennen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen.“

Die Pilger am Osterabende.

Lasset uns mit einander so recht unserm Evangelio nachgehen. Wir haben:

1) Die Pilger, da sie noch allein waren.

Es war gegen Abend am ersten Ostertage. Die Jünger hatten den Tag in Furcht und Hoffen hingelebt. Etliche wussten wohl schon etwas Genaueres von dem Auferstandenen. Aber an alle war die Botschaft noch nicht gekommen. Maria Magdalena und Petrus hatten Jesum bereits an diesem Tage selbst gesehen. Aber die meisten hatten nur die Erzählung der Frauen am Ostermorgen gehört. Und dieser Erzählung wollten sie noch nicht glauben. Zu diesen gehörten unsere zwei Wanderer am Abend. Wer waren denn diese? Der eine ist uns genannt. Es war Cleophas, der Mann der Maria, der Schwester der Mutter Jesu. Unter den Frauen, die am Morgen zum Grabe gingen, haben wir sein Weib gesehen. Wer der andere war, das wissen wir nicht. Die Alten haben an Natanael oder Lucas oder den einen und den andern von den Jüngern gedacht. Wir wollen uns darum nicht kümmern, sondern wollen denken, Jeder von uns sei es selber gewesen. Dazu hat vielleicht der Evangelist den Namen weggelassen. Dann leben wir uns am besten in diese Osterwanderung hinein. - Die zwei aber, da sie mit einander gingen, waren traurig. Ihre Hoffnung und ihr Trost war gekreuzigt, gestorben und ins Grab gelegt. Der Stern aus Jacob, so lieblich aufgegangen, war wieder von der Nacht erstickt. Der Erlöser war tot; also war auch ihre Erlösung gestorben. Der König des neuen Reiches lag im Grabe. Sie mussten trauern. Jeder muh trauern, der nicht an den auferstandenen Christus glaubt. O Geliebte, wenn heut zu Tage Alle traurig einhergingen, die nicht glauben an ihn - große Reisezüge und ganze Gesellschaften voll Trauernder würden wir sehen. Aber man ist so weit gekommen, dass man auch nicht einmal mehr darüber trauere, dass man keinen Heiland hat. - Jene Beiden redeten mit einander von allen diesen Geschichten. Von welchen denn? Von den Geschichten des Karfreitags. Von Ostern konnten sie noch nicht reden, weil sie noch nicht glaubten an die Osterbotschaft. Sie konnten aber nicht schweigen. Wess das Herz voll ist, des geht der Mund über. Und ihr Herz war voll von der Trauer um den gekreuzigten Herrn. Du, lieber Christ, hast nun den Karfreitag durchlebet und den großen Sabbat, da der Herr im Grabe ruhte, und den Auferstehungstag. Hast du, wenn du mit den Deinen beisammen warst, auch geredet von allen diesen Geschichten? Hast du, wenn du mit deinen Freunden gingest, es auch nicht lassen können, der zwiefachen Erbarmung Gottes im Tode und in der Auferstehung Jesu zu gedenken? Du hast ja viel mehr zu reden, denn diese zwei. Du hast durch die Auferstehung Christi die volle Bedeutung seines Kreuzestodes erfahren. Die kannten Jene noch nicht. Du kannst reden von der Auferstehung. Davon wussten Jene noch Nichts. - Doch Gott sei es geklagt, alle die Geschichten, die in unserm Staate und in andern Staaten jetzt vorgehen, die werden wohl viel erzählt; aber was geschehen ist in diesen Tagen in dem Gnadenreiche Gottes, das tritt in den Hintergrund, man schweigt davon! Und doch sollte man in diesen Tagen sich, daran erquicken und letzen1), wie man sich letzet an einer frischen Quelle, wenn man weit durch die Wüste gegangen ist. Weißt du nicht, dass es nie eine höhere und teurere Politik geben wird, als die: „Schaffet eure Seligkeit mit Furcht und Zittern. Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten?“ Das war auch das Ziel, dem unsere zwei Pilger an dem Abend nachwanderten. Sie hatten den Tag durchsorget um ihr Heil, und am Abend war noch kein Friede in ihre Seelen gekommen. Da machten sie sich auf. Dort in Emmaus mochte noch ein Freund wohnen, auch ein Mann, der darauf gehofft hatte, dass Christus Israel erlösen sollte. Dahin wollten sie, da wollten sie sich mit einander stärken. Das hätten sie freilich näher haben können. Sie konnten ja in der Stadt die Apostel aufsuchen. Aber der der Menschen Herzen lenket wie Wasserbäche, hat so seine eigenen Wege. Er lässt das oft in der Ferne suchen, was man näher haben kann. Aber in dieser Ferne gibt er auch mehr, als man in der Nähe gefunden hätte. - Indem sie noch hinwandern und hintrauern,

2) da kommt ein Mitpilger und geht schweigend mit ihnen.

Und es geschah, da sie so redeten und befragten sich mit einander, nahte Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Wunderbar ist nach der Auferstehung das Erscheinen des Herrn. Er kommt, und sie wissen es nicht, von wannen er kommt; er geht, und sie wissen nicht, wohin er geht. Er ist plötzlich da. Er tritt unter sie bei verschlossenen Türen. Es sehen ihn nur die, die ihn sehen sollen. Mit keinem Worte steht in den Evangelien geschrieben, dass er den Feinden des Evangeliums erschienen sei. Er deutet uns damit klärlich an, welcher Art einst unsere verklärten Leiber sein sollen. Er gibt uns damit auch schon ein kleines Vorbild seiner ewigen Gegenwart bei seinen Gläubigen in der Kirche: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Wo zwei oder drei der Meinen versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Meinest du nun, mein lieber Christ, es sei das ein Vorrecht jener apostolischen Zeit gewesen, dass sich der Herr an diese Pilger anschloss? Meinest du, er tue es nicht mehr, er tue es bei dir nicht auch? Wenn du deinen Weg gehest, und es ist ein aufrichtig Suchen und Sehnen nach deinem Heil in dir, dann kommt er auch. Er geht mit dir, er redet mit dir, er stärket dich, er hält dich, er straft dich auch. Er gibt so selige Stunden, wie wenn man im Sturm einen Platz hinter einem Felsen oder einem festen Bau gefunden hat. Das ist er. Es ist kein Mensch, den er nicht begleitete. Dem einen steht er schützend zur Seite, dass er bleibe im Glauben und heiligen Leben. Neben dem andern geht er her und zieht ihn mit Güte und Mildigkeit, dass er ihn gewinne. Neben einem dritten geht er und schlägt ihn, dass er ablasse von dem Dienst des eitlen Wesens und der Sünde. Alle Menschen begleitet ihr Schatten, alle Menschen auch ihr Licht. Den Schatten sehen wir, das Licht aber so selten. Das Licht ist Jesus Christus. - Nun sind also unsere Wanderer drei geworden. Jene zwei lassen sich durch den dritten nicht stören. Sie reden fort von den Geschichten. Höre, da kannst du von ihnen lernen. Wenn du mit deinem Freunde geredet hast von deinem Heile, und es kommt ein dritter dazu, dann wirst du still. Du willst erst warten, welchen Ton dieser anstimmt. Das ist nicht recht. Die Kinder dieser Welt, wenn sie in ihrem Gespräch sind, die fragen wenig darnach, ob Jemand dazu trete. Sie fahren fort. Sie stimmen wohl gar einen recht starken Ton an, um den Andern zu übertäuben. Und wenn du von deinem und von andrer Menschen Heil redest, dann hast du das höchste Recht. Horche nicht erst, was der Andere redet. Er mag horchen, was du redest. Nachdem unser Mitpilger zugehöret hat, knüpft er

3) mit seinen beiden Weggenossen ein Gespräch an.

Er fragt: „Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs und seid traurig?“ Erfragt nicht, weil er es nicht wusste. Er war ja selbst ihr Gespräch. Aber er will sie herausrufen zum Bekenntnis. Er will die Tür ihres Herzens aufhaben, damit der König der Ehren einziehen könne. Er bekomm! aber von Cleophas eine harte Antwort: „ Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wüsste, was in diesen Tagen darinnen geschehen ist?“ Cleophas meinet, es kann nicht einmal ein Fremdling, viel weniger ein Bürger in Jerusalem sein, der die große Geschickte dieses Tages nicht kennte. - Weißt du, welches das neue Jerusalem ist? Das ist die Kirche Christi, Ihr Bau wird vollendet in der Verklärung. In dem alten Jerusalem, das dem Herrn feind war bis auf wenige Seelen, sollte auch nicht einmal ein Fremdling sein, der nicht um sein Leiden und Sterben wüsste. Und in der Kirche Christi, in seinem Jerusalem, sind Fremdlinge genug, die nicht davon wissen; nicht weil sie nicht davon wissen konnten, nein, weil sie nicht davon wissen wollen. - Auf Jesu weitere Frage: „Welches?“ erzählet ihm Cleophas: „Das von Jesu von Nazareth, welcher war ein Prophet, mächtig von Taten und Worten vor Gott und allem Volk. Wie ihn unsere Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdammnis des Todes und gekreuzigt.“ Der Herr hält mit seinen Mitpilgern ein Osterexamen. Und so lange es sich handelt um das, was geschehen ist, da bestehen sie gut. Sie bekennen ihn als einen Propheten, mächtig von Taten und Worten. Sie haben auch einen fröhlichen Mut, die Sünde der Obersten und Hohenpriester zu strafen. Die der alten Propheten Mörder geworden sind, sind auch dieses Propheten Mörder geworden. Sie fragen nicht, ob ihr Gefährte ein Späher oder Laurer sei, ob er sie verrate oder nicht, sie sagen es frei heraus: .Unsere Hohenpriester habenden Propheten Gottes getötet.“ Als sie aber hinkamen an seinen Tod, da war ihr fröhliches Bekennen aus. Sie sprachen: Wir hofften, er sollte Israel erlösen. Wir hofften, und hoffen nicht mehr; wir glaubten, und glauben nicht mehr. O ihr armen Wanderer, ihr habt das Teuerste und Köstlichste verloren. Den Propheten habt ihr behalten, den Erlöser habt ihr verloren. Ist hier unter uns auch Einer, der da sagt: Ich hoffte, er sollte mich erlösen? Wenn du hofftest, so bitte Christum, dass er komme und schließe sich an dich an und gehe mit dir und stärke Leinen Glauben wieder. Ist Einer unter uns, der den Erlöser verloren hat, und es ist ihm nur der Prophet oder der Weise von Nazareth übrig geblieben, er wolle bitten, dass der Herr sich seiner wieder annehme. Wege weisen kann ein Weiser, aber Kraft geben sie zu gehen, kann nur der Sohn Gottes. Erlösen von Schuld, Tod und Hölle kann nur der Erlöser. Nein, nicht wir hofften; wir hoffen noch, und hoffen immer fort, und unsere Hoffnung wird nicht zu Schanden. - Und weiter klagen die Wanderer: „ Auch haben uns erschreckt etliche Weiber der Unsern, die sind früh bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagen, er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fanden es also, wie die Weiber sagten, aber ihn fanden sie nicht.“ Erschreckt haben sie die Botinnen, welche sagen, er lebe. Warum sind sie erschrocken? O Mensch, dein Glaube ist so enge, und Gottes Gnade und Gottes Herrlichkeit so weit. Darum erschrickst du, wenn diese Herrlichkeit kommt. Wenn die Wasserströme in ein enges Gefäß fließen, dann kann es sie nicht fassen, es strömt über. Das ist freilich einmal eng. Aber dein Herz soll nicht eng sein. Machet die Tore weit und die Pforten der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe. Die Männer waren erschrocken, dass ihre Hoffnung wahr sein sollte. Sie sagen: „Über das Alles ist heute der dritte Tag, dass Solches geschehen ist.“ Was soll dieser dritte Tag? Ist er nicht eine Erinnerung an die Weissagung des Herrn, dass er nach dreien Tagen auferstehen wollte? Und nun er da ist, erschrecken die Herzen. Nun will es der Mann nicht einmal seinem Weibe glauben. Wenn nun der Herr kommt in seiner großen Macht und Herrlichkeit, wie sollen wir dann erschrecken! Wollet ihr nicht erschrecken, so machet die Tore weit und die Pforten des Herzens hoch. Es ist Nichts damit gewonnen, wenn wir mit dem Glauben ein leises, scheues Spiel treiben. Lasset uns die Worte des Herrn nehmen als eine goldene, oder, wenn wir das noch nicht können, als eine eherne Wahrheit. Nur wenn wir sie so nehmen, gibt es auch eine ehrliche Hingabe an ihn. - Bisher hat Christus gefragt, bis hierher hat er ihre Herzen erforscht. Nun tut er selbst den Mund auf. Aber wie? Mit scharfen Strafworten: „O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, das die Propheten geredet haben. Musste nicht Christus Solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ Wie anders lautet dieses Wort, als das Engelswort am Morgen! Da hieß es: „Entsetzt euch nicht. Ihr suchet Jesum, den Gekreuzigten, er ist auferstanden und ist nicht hier.“ So freundlich hatte er am Morgen reden lassen. Und warum am Abend so scharf? Einen Tag, ja nur einen Tag, war ihnen der Auferstandene verkündigt, und sie hatten es nicht geglaubt. Wie wird er nun mit dem reden, dem er vierzig und fünfzig Jahre verkündigt ist, und er hat noch nicht geglaubt! Wie wird er mit dem Geschlechte reden, dem er an 2000 Jahre verkündigt ist, und es hat noch nicht geglaubt! Wie wird er mit dem Geschlechte reden, das nicht allein das weissagende Wort der Propheten vernommen hat, dem auch die Apostel, als die Zeugen der Auferstehung, dem auch der Auferstandene selbst sein neues Leben verkündigt hat! O wie träge ist unsere Zeit! Wie wenig fasset sie zu mit ganzer Hand! Wie ist doch alles Glauben weniger ein Glauben, als ein gemütliches Spielen mit den heiligen Offenbarungen! Aber die Zeit wird uns glauben lehren. Was wir bisher Glauben genannt haben, wird weiter Nichts sein, als die Vorübung zum Kriege in den Tagen des Friedens. Der Herr wolle in dieser Zeit das Schwert des Glaubens fegen und schärfen, dass es fertig und scharf sei in den Tagen der Not. - Nach diesem Eingange fing der Unbekannte an von Moses und legte seinen Gefährten alle Schrift auf, die von ihm gesagt war. Warum hat uns denn aber Lucas diese Predigt nicht berichtet? - Ein alter Geistlicher wollte seinen besten Rock darum geben, wenn er sie mit niedergeschrieben hätte. - Wir sollen sie uns selbst suchen. Genug, dass der Herr dafür zeuget, dass Moses und die Propheten von ihm geredet haben. Moses redet von dem, der der Schlange den Kopf zertritt, den die Schlange in die Ferse sticht. Isaak hat das Holz, auf dem er geopfert werden sollte, auf die Höhe des Berges Morijah getragen. Und auf dem Morijah ist später Jerusalem erbauet. Auch Golgatha war ein Teil des Morijah. Christus aber trug selbst das Holz, an dem er für uns geopfert ist. Moses setzet auf Gottes Befehl das Osterlamm ein. Das sollte ein fleckenloses Lamm sein. Es sollte ihm, wenn es geschlachtet würde, kein Bein zerbrochen werden. Es sollte genossen werden mit bitteren Salzen oder Kräutern, wie denn auch unser Osterlamm im Sakrament nur mit den bitteren Kräutern der Buße und Reue genossen werden kann. David redet im Psalmbuch von dem, der eine kleine Zeit von Gott verlassen sein wird, aber mit Ehre und Ruhm wird ihn Gott fronen. Er spricht im Namen seines Herrn: „Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung schaue.“ Und die Propheten? Wer kann die Strahlen der Morgenröte in seine Arme zusammenfassen? Noch weniger können wir die Strahlen, die der himmlischen Sonne vorangingen, in eine Predigt fassen. - Stumm und still gingen die Begleiter neben ihm her. Die vorher das große Wort geführt hatten, die sagten nun kein Wörtlein. So wird es einst Allen ergehen, die Zweifel oder Widerspruch erhoben gegen den Auferstandenen. Aber er wird sie nicht mehr schlagen mit Prophetensprüchen, er wird sie schlagen mit seiner neuen Wiederkunft, er wird sie schlagen mit der Erfüllung. Darum gehe lieber still neben ihm, dieweil es noch Zeit ist, und lass dich lehren und weisen durch den Meister aus Israel. - Endlich

4) kommen sie an in dem Flecken.

Da sieht man doch, dass die Begleiter Jünger Jesu, Christen gewesen. Obgleich er hart mit ihnen gefahren war, tritt doch gleich wieder die brüderliche Liebe hervor: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt,“ bitten sie ihn. So dich Jemand schilt um deinen Unglauben und um deines Herzens Härtigkeit, bist du wohl froh, wenn du seiner los bist. Aber christliche Strafe soll nicht Hass und Überdruss erwecken, sondern Dank gegen den, der dich gestraft hat. So war es hier: sie nötigten ihn. - Sie hatten aber auch für diese Osterherzen reichen Ostersegen. Er kam mit herein, er setzte sich mit zu Tische. Da erkannten sie ihn an dem, dass er das Brot brach. Er war es, der Auferstandene, um den sie getrauert hauen, Er war es, den sie für tot hielten, und siehe, er lebte, er war mitten unter ihnen. Ein Kind der Welt, das man lange nicht gesehen, erkennt man wieder an seinen alten Sünden, an den alten Muttermalen: wenn ihm die Zornesader in alter Weise auf der Stirne schwillt, wenn ihm die kippen in alter Weise übergehen. Jeden erkennt man wieder in dem, das sein Eigenstes ist, in dem sein Wesen am tiefsten aufgeprägt ist. Christum erkannten sie wieder am Gebet, an dem Verkehr mit seinem Vater im Himmel und an dem Liebeswerk, das er so oft vollbracht, am Brotbrechen. Frage du hierbei, woran man dich am ersten wieder erkennt, so man dich lange nicht gesehen hat. Im Jahre 1765 wurde eine fromme deutsche Familie in Amerika von den Wilden überfallen. Vater und Sohn wurden erschlagen. Die Mutter war nicht zu Hause. Das war ihre Rettung. Eine Tochter von 9 Jahren Namens Regina ward mit andern Kindern tief in die Wälder des Landes hinein geschleppt. Neun Jahre wurde sie dort festgehalten, musste sie unter harten Misshandlungen die schwersten Dienste tun. Sie vergaß ihre Muttersprache. In Sprache, Tracht und Haltung war sie eine Wilde geworden. Nur die Lieder und Bibelsprüche, die sie in der Kindheit gelernt hatte, betete sie in der Waldeseinsamkeit in deutscher Sprache fort. Nach 9 Jahren (1764) schlug ein englischer Oberst die Wilden aufs Haupt. Sie mussten alle ihre Gefangenen heraus geben. An 400 kehrten in dem elendesten Zustande aus den Wäldern zurück. Da war guter Rat teuer, wie man die Kinder, die Sprache und Namen vergessen hatten, wieder an die Ihrigen bringen sollte. Unter den Eltern, die verlorene Kinder suchten, fand sich auch Reginens Mutter ein. Aber sie erkannte ihr Kind nicht. Es war ihren Augen entwachsen und zur Wilden geworden. Als sie mit Tränen durch die Reihen ging und vergeblich forschte, fragte sie der Oberst, ob sie kein Kennzeichen wüsste, daran sie ihre Tochter erkennen könnte. Da antwortete sie: sie wisse Nichts, als ein deutsches Lied, das das Kind fleißig gesungen habe. Nun forderte er sie auf, dasselbe laut vor der Schaar der Befreiten zu singen. Es war das schöne Lied:

Allein und doch nicht ganz alleine
Bin ich in meiner Einsamkeit,
Denn wenn ich ganz verlassen scheine,
Vertreibt mein Jesus mir die Zeit“

Kaum hatte sie die ersten Zeilen gesungen, so sprang ihre Tochter aus dem Haufen heraus, trat neben die Mutter und stimmte mit Freudentränen ein. Die Mutter hatte ihr Kind wieder. Sie hatte es wieder durch ein liebliches Erkennungszeichen. Wehe aber dem, den wir nach langer Frist wieder sehen, und als den Alten wieder erkennen an altem Unglauben, an altem Spott, an alten Flüchen, an alter Sünde und Schande, an alten Seelenbrandmalen. - Sicher hätten die beiden Osterpilger nun gern nach Vielem gefragt. Aber er ließ ihnen keine Zeit dazu. Er verschwand vor ihnen. Er will Vieles übrig behalten auf den großen Tag, wo erst alle Geheimnisse offenbar werden sollen. Auch in den später n Gesprächen hat er seinen Jüngern kein Wort gesagt von den Tagen im Grabe und von der Art seiner Auferstehung. Genug, dass er auferstanden ist; genug, dass sie den Auferstandenen gesehen hatten. Lass dir an meiner Gnade genügen. Die Jünger sagen nur: „Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete?“ Ja, es hatte gebrannt, aber es war nicht zur lichten Flamme geworden, und die Flamme war nicht herausgebrochen.

Brennt dich auf deinem Pilgergange
Ein Ahnen, dass er bei dir ist.
Regt sich dein Herz im Glaubensdrange,
So brich hervor du lieber Christ:
Du bist es Herr, der mit mir gehet.
Du bist es Herr, der bei mir stehet,
Herr Jesu Christ, ich kenne dich.
Ach bleib bei mir und segne mich!

Jetzt hätte man singen mögen: „Abend heller als der Morgen, Nun mein Jesu bei mir ist, Gute Nacht ihr müden Sorgen, Sanfte Ruhe sei gegrüßt.“ Aber an Ruhe war nicht zu denken.

5) Sie mussten zurück nach Jerusalem.

Die Herzen waren zu voll. Es sollte nicht allein mehr darinnen brennen. Es sollte auch nicht allein in dem kleinen Hause brennen. Die Männer mussten ja nachholen, was die Frauen versäumt hatten. Sie sollten es Alle wissen. Als der Herr verschwunden war, da brachen sie auch auf. Sie kehrten wieder um gen Jerusalem und fanden die Elfe versammelt. Aber wie ging es da? Die Jünger von Emmaus und die Elfe waren wie zwei Chöre, die gegen einander singen und preisen. Ehe die Wanderer zu Worte kommen konnten, riefen die Elfe schon: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen.“ Und diese antworteten: „Und mit uns ist er gegangen, uns hat er gestraft, uns hat er die Schrift ausgelegt, und wir haben ihn daran erkannt, dass er das Brot brach.“ So, teure Gemeinde, sollst du dich teilen in heilige Osterchöre. Das Fest ist vorbei, aber die Verkündigung soll fortdauern: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.“ Rufe es Einer dem Andern zu! Weiß es der Andere schon, fühlt er es lebendig in der eignen Auferstehung in der Sünde, was tut es? 'Diese Jünger wussten es auch schon, und doch freuten sie sich, dass auch ihren Brüdern die Gnade wiederfahren war. Ein Bekenntnis, das ein Bekenntnis weckt und stärkt, ist nicht vergebens gewesen. Und an dies Bekenntnis schließe sich die Bitte der Jünger von Emmaus: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.“ - Ja Herr, es will Abend werden in den Völkern, Die Sünde zieht herauf wie finstre Nacht. Sie will die Sonne vom Himmel verdrängen. Bleibe du bei uns. Wir haben keinen andern Hüter in der Nacht, wir haben keinen Andern, der aus Nacht Tag machen kann, als dich. Amen.

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