Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Feier des ersten Osterfestes.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Feier des ersten Osterfestes.

(I. heil. Ostertag 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Marci 16, V. 1-8.
Und da der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria Jacobi und Salome Spezerei, auf dass sie kämen und salbten ihn. Und sie kamen zum Grabe an einem Sabbater sehr frühe, da die Sonne aufging. Und sie sprachen unter einander: Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen dahin und wurden gewahr, dass der Stein abgewälzt war: denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Kleid an; und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzet euch nicht. Ihr suchet Jesum von Nazareth den Gekreuzigten; er ist auferstanden und ist nicht hier. Siehe da die Stätte, da sie ihn hinlegten. Gehet aber hin und saget es seinen Jüngern und Petro, dass er vor euch hingehen wird in Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat Und sie gingen schnell heraus und flohen von dem Grabe; denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen, Und sagten Niemand Nichts, denn sie fürchteten sich.

O du selige, o du fröhliche,
Gnadenbringende Osterzeit:
Welt lag in Banden.
Christ ist erstanden,
Freue dich, freue dich, Christenheit!

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Die göttliche Gerechtigkeit ist wie alle Gerechtigkeit oft mit einer Waage verglichen worden. Sie hat zwei Waagschalen. In der einen liegt unsere Sünde und darauf sein heiliges Gesetz. In der andern liegt seine väterliche Liebe und Barmherzigkeit. Da war es uns am Freitage, als ob er auf die erste noch das Schwert seines Gerichtes geworfen hätte. Es starb der einzige Heilige unseres Geschlechtes am Kreuze. Der Herr warf alle unsere Sünde auf ihn. Unsere Waagschale sank unter dem Gewicht, das darauf lag. Die Sonne verlor ihren Schein, die Erde erbebte. Es schien, als sei nun Alles aus. Gott hatte uns einen Blick in die Tiefe unserer Sünde tun lassen, Gott hatte uns gezeigt, was wir mit unsern Sünden verdienet hatten. - Aber gerade in der Stunde, wo er das Schwert in die eine Waagschale warf, da warf er in die andere sein volles Vaterherz und seine ganze Liebe. Wir sahen es nicht. Wir brauchten es auch nicht gleich zu sehen, denn es war hochnötig, dass wir erst unsere Sünde recht sahen. Aber das Herz und die Liebe die zogen uns heraus aus dem Gericht und der Verdammnis. Unsere Waagschale hob sich, sie ward emporgezogen bis in die Gnade, bis an die Pforten des Himmels. Sein Herz und seine Liebe zogen den stillen, großen Sabbat hindurch. Sie zogen den, der für uns gestraft und gemartert war, auf den Gott alle unsere Strafe geworfen hatte, aus dem Tode und aus dem Grabe heraus. Hell ging die Sonne auf am Ostermorgen. Durch alle Herzen geht der Jubel:

„Christ ist erstanden von der Marter alle,
Des sollen wir Alle froh sein,
Christ will unser Trost sein,
Kyrie Eleison.“

Ja, er will unser Trost sein, denn indem er erstanden, hat sein Vater durch ihn Zeugnis abgelegt, dass der Sünde ihre Macht, der Schuld ihre Last, dem Tode der Stachel, der Hölle der Sieg genommen ist. Die Osterfreude schließt die ganze Weihnachtsfreude wieder mit ein. Denn wenn die Engel nicht am Grabe verkündigt hätten: „Er ist auferstanden und ist nicht hier,“ so wäre damit auch die Botschaft des Engels: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren“ rc. auf ewig verstummet. Und wenn heute das Grab verschlossen geblieben wäre, so hätte es auch die Freude, die wir in jener Nacht hatten an der Krippe zu Bethlehem, mit verschlungen. Aber es ist nicht also. Der Herr ist auferstanden. Wir freuen uns des von ganzem Herzen, Damit aber diese Freude ihren rechten Gang finde, damit sie sich auf dem rechten Boden bewege, schließen wir uns an an das erste Osterfest und an die, so sich zuerst des Auferstandenen gefreut haben.

Die Feier des ersten Osterfestes.

  1. Die Zeit und der Ort der ersten Osterfeier.
  2. Die Gemeinde, die diese Feier begeht.
  3. Der erste Osterprediger.
  4. Die erste Osterpredigt.

Du aber, Herr Jesu, predige uns selber: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Wie ich von den Toten erstanden bin, so sollt ihr auch aufstehen. Wie ich um der Sünde willen gestorben und um der Gerechtigkeit willen auferwecket bin, so sollt ihr auch von der Sünde zum neuen Leben auferstehen.“ O Herr und Auferstandener, zerbrich in uns das Grab. Vollende deinen Ostergang in uns. Gib uns die Freude der zwiefachen Auferstehung, der einen aus der Sünde, der andern aus dem Tode, der einen im gegenwärtigen Zeugnis des heiligen Geistes, der andern im gewissen Glauben. Amen.

I. Zeit und Ort der ersten Osterfeier.

Johannes erzählt uns, dass es noch finster war, da die Frauen von Hause weg gingen. In der Morgendämmerung machten sie ihren Weg. Als sie aber an das Grab kamen, da ging die Sonne auf. „Sie kamen zum Grabe an einem Sabbater frühe, da die Sonne aufging.“ Wie Gott doch Alles so wunderbar verbindet! Wie doch eine so diese Harmonie ist zwischen dem Reiche der Gnade und der Natur! Mitten in der Nacht wird er geboren. Er war das Licht, der Stern, der mitten in die Sündennacht fiel. Die Sonne verlor ihren Schein, als er starb. Und die Sonne ging auf, da aus dem Grabe die Sonne der Gerechtigkeit aufging. Noch ist es uns, als ob an diesem Tage die Sonne fröhlicher aufginge, als ob sie lieblicher schiene, als ob alle Blumen schöner blühten. Unsere Väter haben wohl erzählt, dass die Sonne an diesem Morgen tanze bei ihrem Aufgang. Aber sie wollten damit nur den Wiederschein der eignen Osterfreude malen. Das Menschenherz ist der Spiegel, in den Gottes Gnade hienieden zuerst schauet. Darin bricht sie sich, und ihre Strahlen fallen hinüber in die Natur. Der Gläubige sieht Weihnachten und Ostern und Pfingsten überall, wo die Sünde ihren schwarzen Schleier nicht drüber gehängt hat. Und über die Sonne kann sie ihn nicht hängen. -

Der Morgen war die Zeit, das Grab war die Stätte der ersten Osterfeier, jenes Grab im Garten Josephs von Arimathia. Wo konnte das Fest besser gefeiert werden? Wir danken unserm Gotte und unserm Heilande, dass er da die erste Osterbotschaft gegeben hat. Da hatte man mit Weinen den edlen Samen gebracht, da sollte man mit Freuden die Garben holen. Da hatten Joseph von Arimathia und Nikodemus ihr letztes Liebeswerk vollbracht, da hatten sie ihre Hoffnung begraben. Sie hatten es getan mit Trauern. Da sollte auch die erste Freudenbotschaft herkommen. Da sollte die Erfüllung auferstehen. Das ist die Stätte, wo Leben und Tod am besten neben einander zu stellen sind. -

Liebe Christen, wo wollt ihr denn das Osterfest am liebsten feiern? Hier auf unserm Friedhofe, in der Kirche und um die Kirche herum. Da draußen sind die Toten, und hierinnen wird die Auferstehung verkündigt. Aber die Auferstehung wird auch hinauskommen. Da draußen ist noch Karfreitag oder der stille große Sabbat, hierinnen ist aber Ostern. Ostern wird aber auch hinauskommen. Auch da draußen wird Tod und Leben, Karfreitag und Ostern neben einander stehen. O lasset sie in euch jetzt schon bei einander stehen im Glauben! Gehet hinaus, wenn wir hier vollendet haben, und redet mit denen, die da schlafen: „Auch dein und mein Ostermorgen kommt, auch dir und mir werden die Engel Gottes den auferstandenen Christus und unsere eigene Auferstehung verkündigen.“ Redet aber auch mit euch selbst: „Stehe auf, der du tot bist in Sünden, Jesus Christus will dich erleuchten.“ - Sind wir nun mitgegangen an die Stätte, so wollen wir uns auch anschließen an

II. die erste Ostergemeinde.

Wer war diese? Drei Frauen waren's: Maria Magdalena, die begnadigte Sünderin; Salome, die Mutter der beiden Apostel Jacobus und Johannes, das Weib des Zebedäus; und Maria, die Schwester der Mutter des Herrn, das Weib des Cleophas, die Mutter Jacobus des Jüngern, darum Maria Jacobi. Klein war die Schar. Aber es war doch die Zahl, in deren Mitte Jesus sein will: Wo zwei oder drei der Meinen versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Wollen wir aber nicht auf die Zahl, sondern in das Herz dieser Jüngerinnen Jesu sehen! Sie gingen hin ihr Herz voll Sorgen. Sie gingen hin um Christum den Gekreuzigten zu suchen. Er war ihnen noch tot in ihrem Glauben. Nacht war es noch, da sie ausgingen. Die Finsternis von der Stunde der Kreuzigung war auf ihren Seelen liegen geblieben, wenn auch draußen schon wieder heller Tag gewesen war. Ihr Heil war tot, ihre Hoffnung war tot, ihre Liebe war gestorben. Der Maria Magdalena, die ihn gesalbt hatte bei seinem Leben, die ihm die Füße mit ihren Tränen genetzt und mit ihrem Haar getrocknet hatte, hatte er gesagt: „Sie hat viel geliebt, darum ist ihr viel vergeben.“ Nun war er tot, dieser Versöhner und Erlöser. Die ganze Nacht der alten Sünde - und die Nacht der Sünde ist die Schuld - war wieder über ihre Seele gekommen. Ihr war ein kurzer Maientrost im Herzen aufgegangen; Nun nahm der alte Winterfrost aufs Neu' ihr Herz gefangen. Und wie sie waren auch die beiden Andern gestimmt. Finsternis lag auf ihren Seelen. Höchstens dämmerte noch ein matter Streifen der Hoffnung, wie der Tag allgemach anfing zu dämmern, da sie auf dem Wege waren. Sie gingen aber um Jesum zu salben. Sie hatten gekauft nach ihrem Vermögen. Sie wollten sorgen, dass ihn die Verwesung nicht so früh antastete. Maria hatte ihn im Leben gesalbt, sie wollte ihn im Tode noch salben. Das war ihre Stimmung. -

Lieber Christ, du gehst doch nicht auch hin, um ihn einzubalsamieren? „Wie soll ich das?“ sprichst du, „das ist nicht mehr möglich.“ O wohl! Wenn du nicht glauben willst, dass er auferstanden ist, wenn du dir vorredest mit allerlei Gründen: „Wer drei Tage im Grabe gelegen hat, kann nicht wieder auferstehen. Wo das Leben heraus ist, da kann es nicht wieder hineinkommen. Wer tot ist, der ist tot. Wenn das Wort: „Er neigte sein Haupt und verschied“ völlig wahr gewesen ist, so ist die Geschichte des heutigen Tages nicht wahr“ - dann bindest du ihn fest im Grabe mit den Bändern und Tüchern deiner Klugheit, trotz aller Allmacht Gottes. Und wenn du anfängst zu klügeln und zu sprechen: „Er ist mir darum eben so lieb, wenn er nicht auferstanden ist, wie wenn er auferstanden wäre. Ich kann darum doch meinen Herrn und Heiland in ihm haben,“ so salbest du ihn, dass er im Grabe bleibe. Deine Klugheit soll leben, aber Christus soll tot bleiben. Wenn du dich dabei aus Wissenschaft und Naturkunde stützest und steifest, so bedenke, dass Gottes Naturkunde über alle deine Wissenschaft hinausgehet. Magst dir dabei auch zu Herzen führen, dass der berühmte Arzt Huseland in Berlin, dessen Name so Vielen von euch bekannt ist, vor seinem Tode 1835 bestellte, man sollte ihm zur Bestattung das Lied singen, das wir heute zum Osterfeste gesungen haben: „Jesus meine Zuversicht.“ Und der verstand auch ein wenig von der Natur des menschlichen Leibes. Balsamiere ja deinen Heiland nicht ein! - Hüte dich auch vor Trauer am Ostermorgen. Lieber Christ, ist denn dein Herz auch noch traurig wie ihre Herzen? Nein, es kann nicht sein. Diese Gemeinde hat ja mehr erfahren, als die erste Ostergemeinde. Ihr habt ja die Botschaft so oft gehöret: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“ Aber wenn du recht im Ernst heute zu Christi Grabe, zu deinem Grabe und der Deinigen Gräbern gegangen bist, hat dich doch nicht auch eine Bangigkeit befallen, wie jene erste kleine Ostergemeinde? Der Stein lag dir nicht vor des Grabes Tür, der Jenen vorlag. Aber in einem andern Sinne fragest du: „Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Tür?“ Nämlich den Stein der Schuld, der dir vor deinem Grabe liegt, den Stein der Angst, der dir auf deinem Herzen liegt, der dir den frohen Hinblick auf dein Grab und deine Auferstehung raubt. Ja, das ist der Stein, der, so oft weggewälzt, immer wieder hinrollt. Und warum? Weil wir, wenn wir an Ostern denken, den Karfreitag so leicht vergessen haben. Da hat Christus diesen Sorgenstein weggewälzt. Du aber wälzest ihn im Unglauben wieder hin. Dein Unglaube und deine Sünde sind die römische Wachen, die dein Grab behüten, dass es zubleibe. So lange du nicht glaubest an den Sieg des Herrn am Kreuze, so lange gehst du auch mit Bangen zu seinem und zu deinem Grabe. Ehe wir uns recht freuen können an seiner Auferstehung, müssen wir mit ihm in den Tod gegangen sein. Dann aber lauschen wir auch mit offenem Ohr und Herzen

III. dem Festprediger.

Wer war dieser? Ein Engel Gottes. Als die Frauen hineingingen in das Grab, sahen sie einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an. Wie Nacht und Wolken nicht hinauf dringen zu den Sternen, so sind auch die heiligen Engel Gottes unberührt von den Schrecken des Todes. Sie haben an der Sünde keinen Teil, darum zahlet ihnen Gott auch den Sold der Sünde nicht aus. Sie sind in dem heiligen Leben aus Gott geblieben, darum sind sie auch so gern Boten des Lebens. Auf dem Weihnachtsfelde bei Bethlehem verkündiget einer von ihnen, dass Gott aus Erbarmung seinen Himmel aufgetan und seinen Sohn hernieder gesandt hat. Aus dem Osterfelde bei Jerusalem verkündiget einer von ihnen, dass Gott das Grab zerbrochen und seinen lieben Sohn aus dem Tode gerufen hat. Wie mögen sich die Frauen dieser Boten gefreut haben! Wo sie gehen, da geht die göttliche Wunderkraft neben ihnen. Wo sie erscheinen, da bezeuget Gott durch sie, dass eine höhere Ordnung des Regiments eingreift, denn die wir gewöhnlich schauen in den Ordnungen, die wir Naturgesetze nennen. Wo sie reden, da wird eine Wahrheit offenbart, die aus des Vaters Reiche kommt. Noch hatte sich der Herr selbst den Frauen nicht gezeigt, noch hatte er ihnen selbst sein neues Leben nicht offenbaret. Aber sie sollen einen Boten haben, gegen den es keinen Zweifel gibt. Sie sollen einen Boten haben, der ihnen in seiner Lichtgestalt, in seinem Verklärungsgewand gleich ein Vorbild der eigenen Auferstehung und Verklärung ist. Und dieser Bote, dieser Osterprediger suchet sich eine eigne Kanzel. Er wälzte, wie uns Matthäus vollständiger erzählt, den Stein von des Grabes Tür und setzte sich darauf. Wer die zerbrochenen Ketten zu seinen Füßen liegen hat, der kann wohl reden von der Freiheit. Und dieser Engel hat den Riegel und die Ketten des Todes damit der Herr ins Grab gebunden war, unter sich liegen. Er kann wohl reden von der Auferstehung. So wird der Herr einst auf den Gräbern stehen, die alten Todesketten werden ihm zu Füßen liegen, und dann wird er die zweite Auferstehungs- und die große Osterpredigt halten. O wie unterscheidet sich da sein Siegeswort von den Worten eines menschlichen Siegers! Ja, er ist der Lebensfürst. Ein irdischer Sieger hält seine Siegespredigt über denen, die er vom Leben zum Tode gebracht hat, über den Leichnamen der Gefallenen; dieser himmlische Sieger über denen, die er vom Tode zum Leben geweckt hat. Dass wir aber gerüstet seien auf diese seine letzte Predigt, die nicht mehr zur Buße mahnt, denn die Zeit der Buße ist dann aus, wollen wir heute weiter hören

IV. die erste Osterpredigt.

Wie lieblich sind doch in der evangelischen Heilsordnung alle die Anreden, mit denen der Herr die Sünder anspricht und ansprechen lässt! „Fürchtet euch nicht,“ beginnt der Engel zu Weihnacht. „Unser Vater“ lehret uns der Herr unser Gebet anfangen. „Friede sei mit euch,“ grüßt der Auferstandene seine Apostel. „Entsetzet euch nicht,“ fängt der Engel seine Osterpredigt an. Es sind dies Alles Eingänge, durch die die Herzen zum Glauben, zum Vater gezogen werden sollen. „Morgenstunde hat Gold im Munde“ können wir am Ostermorgen sagen. Das Wort in des Engels Munde ist klares, lauteres Gold. Mit dem Worte: „Entsetzet euch nicht“ will er den Frauen ein Herz machen, dass sie da bleiben, dass sie die Botschaft ganz hören sollen. Dass er doch uns Allen mit diesem Worte auch ein Herz machte, dass wir die liebe Osterbotschaft ganz hören, mit dem äußern Ohr und bis in den Grund unserer Seelen! -

Nun aber geht die Predigt erst hinein in die Gedanken der Hörerinnen. Sie geht hinein in den Unglauben und in die Trauer ihrer Herzen. Wo man eine Pflanze hinsetzen will, da muss man erst ein Loch in die Erde graben. So muss man, wo man die göttliche Wahrheit pflanzen will, erst eine Stätte im menschlichen Herzen aufmachen. Das geschieht damit, dass wir dem Sünder seine Sünde zur Erkenntnis bringen, oder dass wir trauern mit dem Traurigen, und so durch die offene Tür seines Herzens mit hineingehen. „Ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten,“ spricht der Engel. Damit straft er sie, darum, dass sie nicht geglaubt hatten an sein Wort von der Auferstehung. Damit nimmt er Teil an ihrer Not und findet eine Bahn in ihr Herz, damit sie nun das Hauptstück der Predigt mit offenem Herzen vernehmen sollten: „Er ist auferstanden und ist nicht hier.“ Jedes Fest, Geliebte, hat sein Festwort, in das der ganze, reiche Sinn des großen Tages zusammen geschlossen ist. Für Weihnachten ist es die Freudenkunde: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Für Pfingsten ist es die Tatsache: „Sie wurden alle voll des heiligen Geistes.“ Für Ostern ist es unser Wort: „Er ist auferstanden und ist nicht hier.“ Das ist der ewige Ostertext. O dieser reichen, tröstlichen Predigt! Wenn er hier wäre, hier auf seinem Friedhofe im Garten Josephs von Arimathia, hier im Grabe, dann blieben auch wir ewig hier. Wenn das Grab den Gottmenschen gehalten hätte, dann hielte es auch uns. Wenn die Palme mit ihrem gewaltigen Triebe die Decke der Erde nicht sprengen kann, wie will sie denn das Kräutlein mit schwachem Stängel sprengen! Wenn Gott ihn, seinen Sohn, der Menschheit Krone, nicht wert geachtet hätte der Auferstehung, wie wären wir ihrer wert. Wenn er das reine Gold nicht aus dem Staube aufgehoben hätte, wie sollte er die Schlacken aufheben, durch die sich kaum hie und da ein Goldäderchen zieht. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euern Sünden, so sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren. Aber er ist auferstanden und ist nicht hier. Und wir wollen uns an ihn hängen mit aller Kraft des Glaubens und der innigsten Liebe. Die Bänder und die Flächsen1), die die Glieder mit dem Haupte verbinden, sollen sich stärken von Tage zu Tage, sollen sich recht stärken am heutigen Tage, dass wir rühmen können:

„Ich bin durch des Glaubens Band
Zu genau mit ihm verbunden.
Meine starke Glaubenshand
Wird in ihn gelegt gefunden,
Dass mich auch kein Todesbann
Ewig von ihm trennen kann.“

Er ist nicht hier, und wir werden auch einst nicht hier sein. Freue dich, du Christenherz: in diesem Worte hast du die Zusicherung deiner eignen Auferstehung und Erneuerung. -

Nun will aber der Engel den Jüngern auch einen Beweis geben. Sie können wohl seinem Worte glauben, Aber er kennet die Schwachheit unserer Herzen. Wo wir nicht sehen, wird uns das Glauben schwer. Er weist sie hin auf die leere Grabstätte: „Sehet da die Stätte, da er gelegt war.“ Da lag das leinene Tuch, in das er gewickelt war, und das Schweißtuch besonders. Er aber war nicht mehr da. O Christ, Wenig war es, was der Herr sein nannte, da er in den Tod ging. Aber auch das wenige hat er in der Gruft gelassen. So wirst du auch all dein Gut und Habe, deine Ehre vor Menschen, und das sind auch nur Schweißtücher, hinter dir lassen. Kannst sie nicht mitnehmen, droben taugen sie Nichts. -

Endlich knüpft der Engel noch einen ermahnenden Teil an seine Predigt: „Gehet aber hin und saget es seinen Jüngern und Petro, dass er vor euch hingehen wird in Galiläa. Da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“ Als die Hirten zu Weihnacht die Botschaft auf dem Felde empfangen hatten, als sie dann nach Bethlehem gegangen waren und die Geschichte gesehen hatten, die ihnen der Engel kund getan, da breiteten sie das Wort aus überall. Dieser ersten Ostergemeinde gibt der Engel den Befehl, den Jüngern die Auferstehung kund zu tun. Und so soll sie allen seinen Jüngern kund getan werden. Auch du sollst sie wissen. Auch dir soll sie wie ein Feuer ins Herz fallen: „Er ist auferstanden und ist nicht hier.“ Die Apostel sind Boten der Auferstehung geworden. Es war eins ihrer ersten Worte, das sie an die neu zu gründenden Gemeinden richteten, dass der Herr auferstanden sei. Die Christen des Morgenlandes begrüßen sich am Ostermorgen mit dem Gruß: „Der Herr ist auferstanden!“ So verkündige du es auch.

Ich sag' es jedem, dass er lebt
Und auferstanden ist,
Dass er in unserer Mitte schwebt
Und ewig bei uns ist.

Aber der Engel fügt noch ein besonderes Wörtlein hinzu: „Saget es seinen Jüngern und Petro.“ Warum denn Petro besonders? Will ihn der Herr nicht mehr zu seinen Jüngern zählen? Hat er ihn ausgestoßen? Nein, er verstößt Niemand. Nur der ist verstoßen, der sich selbst verstößt. Das hatte Petrus getan, indem er Christum verleugnete, indem er sagte, er kenne ihn nicht. Darum wird es ihm besonders gesagt. Der Engel ruft ihn mit dieser besonderen Ermahnung zurück von seinem Falle. Auch für dich ist er auferstanden. Komm wieder! Bekenne ihn, der du ihn verleugnet hast! Christus ist auferstanden, und Petrus soll mit aufgerichtet werden. Es ist ja vor allen eine Botschaft für den Sünder: „Er lebet, und du sollst auch leben.“ Der Tod ist überwunden. Das Gericht in dir soll auch überwunden werden. -

Die Auferstehung Christi ist das völligste Siegel der Vergebung der Sünden. Dr. Luther sagt einmal: „Wenn ich ein Maler wäre, und ich sollte Petrum malen, so würde ich ihm auf jedes Härlein die Worte malen: Ich glaube an die Vergebung der Sünde.“ - Wie aber der Engel den Petrus bei Namen nennt, wie er es diesem besonders sagen lässt, so ruft er in ihm auch Jeden von uns bei seinem Namen: Saget es auch ihm und ihr: „Der Herr ist auferstanden!“ Wir haben ihn ja eben so gut verleugnet wie Petrus. Uns ist ja der Ruf zur Auferstehung so nötig wie ihm. Und damit es ja Jeder hören soll in diesem schweren Jahre, hat er es nicht allein durch die Predigt und durch die Glocken, sondern auch durch die Natur verkündigen lassen. Jeder Vogel singt es dir dies Jahr zu, jeder Baum in seinem Osterschmuck ruft es dir zu: „Der Herr ist auferstanden!“ Fasse Glauben, fasse Mut, steh auf in der Buße, feiere Ostern. Dass doch die Kirche ein rechtes Osterfest feierte! Dazu ist der Herr auferstanden, dass wir mit ihm in einem neuen Leben wandeln sollen. Erhebet euch aus dem Tode des Unglaubens. Denn der Glaube der Jünger, der auch nur noch glimmte wie ein armes Fünklein, ist an dem offenen Grabe Christi wieder angefacht. Erhebet euch aus dem Tode des Kleinglaubens und der Verzagtheit. Nirgend kann die Hoffnung erloschener sein, als unter dem Kreuze, da er sein Haupt neigte und starb. Und herrlich ist er aus dem Tode hervorgegangen. Wo deine Hoffnung gestorben und ins Grab gelegt ist, durchforsche und prüfe sie. Wenn du in ihm gehofft hast und noch hoffest, so wird dir auch ein Ostermorgen tagen. Sollst nicht weggehen wie die Weiber: „Und sie flohen von dem Grabe und sagten Niemand Nichts, denn sie fürchteten sich.“ Sollst ruhig und fröhlich weggehen, denn du bringst dein Leben von dort mit. Brauchst dich nicht zu fürchten, denn da der Tod überwunden ist, ist auch die Furcht überwunden. Amen.

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