Zwingli, Huldrych - Thesen (1522)

Zwingli, Huldrych - Thesen (1522)

1. Die Summe des Evangeliums ist, daß unser Herr Jesus Christus, wahrer Gottes-Sohn, uns den Willen seines himmlischen Vaters kundgetan und uns durch seine Unschuld vom Tode erlöst und Gott versöhnt habe.

2. Daher ist Christus der alleinige Weg zur Seligkeit für alle, die da waren, sind oder sein werden.

3. Wer eine andere Tür suchet oder zeiget, der geht irre, ja er ist ein Mörder der Seelen und ein Dieb.

4. Darum gehen alle irre und wissen nicht, was das Evangelium ist, welche andere Lehren dem Evangelio gleich oder höher schätzen.

5. Christus Jesus ist der Hauptmann und Wegführer, der dem ganzen Menschengeschlechte von Gott verheißen und auch gesandt worden.

6. Christus ist das ewige Heil und das Haupt aller Gläubigen, welche sein Leib sind, der aber ohne ihn tot ist und nichts vermag.

7. Daraus folgt erstens, daß alle, welche in dem Haupte leben, Glieder und Kinder Gottes sind., Und das ist die Kirche oder Gemeinschaft der Heiligen, eine Gemahlin Christi, „ecclesia catholica“.

8. Zum zweiten folgt, daß, wie die leiblichen Glieder ohne Leitung des Hauptes nichts vermögen, also vermag jetzt in dem Leibe Christi niemand etwas ohne sein Haupt, Christum.

9. Wie der Mensch verwirrt und zerrüttet ist, wenn die Glieder etwas ohne das Haupt wirken, indem sie sich selbst zerreißen, verwunden und beschädigen, also sind auch die Glieder Christi, wenn sie ohne ihr Haupt etwas unternehmen, verwirrt und schlagen und beschweren sich selbst mit unweisen Gesetzen.

10. Daher sehen wir, daß die sogenannten geistlichen Satzungen über ihre Pracht, Reichtum, Stand, Titel, Gesetze eine Ursache aller Uneinigkeit sind, indem sie mit dem Haupte nicht übereinstimmen.

11. So toben sie noch stets, nicht des Hauptes wegen – denn dieses sucht man gegenwärtig durch die Gnade Gottes wieder zu seinem Glauben zu erheben – sondern weil man sie nicht fürder toben lassen, dagegen aber allein auf das Haupt horchen will.

12. Wenn man auf das Haupt horcht, lernt man lauter und klar den Willen Gottes, und der Mensch wird durch seinen Geist zu ihm gezogen und mit ihm vereinigt.

13. Darum sollen alle Christenmenschen allen Fleiß darauf anwenden, daß allein das Evangelium Christi allenthalben gepredigt werde.

14. Denn im Glauben an dasselbe beruht unser Heil, im Unglauben unsere Verdammung; denn alle Wahrheit ist klar in ihm.

15. Im Evangelium lernt man, daß Menschenlehren und Satzungen zur Seligkeit nichts nützen.

16. Daß Christus der alleinige, ewige Opferpriester ist, daraus ersehen wir, daß diejenigen, welche sich für Oberpriester ausgegeben haben, der Ehre und Gewalt Christi widerstreben, ja ihn verdrängen.

17. Christus, der sich einmal für uns geopfert, ist ein in Ewigkeit währendes und bezahlendes Opfer für die Sünden aller Gläubigen.

18. Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen.

19. Weil uns Gott alle Dinge in seinem Namen gewähren will, so entspringt daraus, daß wir auch über diese Zeit keines andern Mittlers bedürfen als seiner.

20. Christus ist unsere Gerechtigkeit; daraus ermessen wir, daß unsere Werke, insofern sie Christi sind, gut, insofern sie aber nur von uns herstammen, weder recht noch gut sind.

21. Wenn wir auf Erden füreinander beten, so geschieht es im Vertrauen, daß uns alle Dinge durch Christum allein verliehen werden.

22. Gott allein verzeiht die Sünde und zwar allein durch Jesum Christum, seinen Sohn, unsern Herrn.

Quelle: Christoffel, Zwinglis Leben und ausgewählte Schriften, Bd. II, Elberfeld 1857

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