Tippelskirch, Friedrich von - Warnung vor der Unkeuschheit.
Predigt
über I. Thess. 4, 1-8.
von
Friedr. v. Tippelskirch,
Prediger bei der königl. Preuss. Gesandtschaft in Rom.
Text: 1. Thess. 4, 1-8.
“Weiter, liebe Brüder, bitten wir euch, und ermahnen in dem Herrn Jesu, (nachdem ihr von uns empfangen habt, wie ihr sollt wandeln und Gott gefallen), dass ihr immer völliger werdet. Denn ihr wisset, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesum. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein Jeglicher unter euch wisse sein Fass (seinen Leib) zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen, und dass niemand zu weit greife, noch übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist der Rächer über das Alles, wie wir euch zuvor gesagt und bezeuget haben. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung. Wer nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist gegeben hat in euch.“
Geliebte Brüder in dem Herrn In der vorliegenden Epistel des heutigen Sonntages ermahnt der Apostel Paulus die Christen zu Thessalonich zu wandeln nach den Geboten, welche sie von ihm im Namen des Herrn empfangen hatten, und all ihr Tun und Lassen zu richten nach der einigen Richtschnur des göttlichen Willens, wodurch sie sich Gott wohlgefällig machen und immer völliger werden, beständig wachsen würden in ihrem innern Leben. - Dieser Wille Gottes bezweckt aber nichts anders, als ihre Heiligung. Immer reiner, immer heiliger zu werden, darnach hätten sie daher ausschließlich zu streben. Dieser Heiligkeit aber steht vor allen Dingen die Unkeuschheit entgegen, daher er zunächst und am dringendsten vor dieser warnet. Lasset uns unter dem Beistande des göttlichen Geistes diese Warnung vor der Unkeuschheit näher betrachten, indem wir
1) zusehen, worin sie besteht und wie sie sich äußert, 2) nachweisen, wie wir uns dadurch versündigen, 3) ihren Grund untersuchen, woraus sie entsteht, 4) endlich uns ihre schrecklichen Folgen vor den Blick führen.
I.
Das Wort keusch, meine Zuhörer, wird in der Heiligen Schrift in einem weiteren Sinne genommen, als man im gewöhnlichen Sprachgebrauch damit zu verbinden pflegt. Es zeigt dort den Zustand des Gemüts an, in welchem Gott seine einige Liebe ist, und eben daher sein heiliger Wille, das einige Gesetz und die Triebfeder aller Handlungen; einen Zustand, in dem man sich hütet mit heiliger Scheu irgend etwas in die Seele einzulassen, es habe auch welchen Namen es wolle, was unser Herz von Gott abziehen, es teilen könnte zwischen ihm und irgend einem Geschaffenen. Das Verhältnis zwischen Gott und der gläubigen ihm dienenden Menschheit wird durchgehend unter dem Bilde eines ehelichen Bundes dargestellt, und daher Abgötterei und Ungehorsam gegen Gott und Abwendung von ihm, der allein volles Recht auf unsere Liebe hat, Hurerei und Ehebruch genannt. Der ist recht keusch in diesem höchsten und wahrsten und ursprünglichen Sinne des Wortes, dessen ganze Liebe Gott ist, dem Er das höchste Gut geworden, das seine ganze Seele erfüllt, der alle seine Kräfte und Fähigkeiten, seine ganze Zeit und alle Güter des Lebens ihm weihet, Alles, was er tut, redet und denket auf ihn allein beziehet. Unkeusch dagegen und ein Ehebrecher in dem Bunde, den Gott sein Schöpfer', fein Erhalter und Regierer, sein beständiger Wohltäter, sein Erlöser und Seligmacher mit ihm gemacht hat, ist der, der irgend etwas mehr liebt als seinen Gott, der die Kräfte, die ihm zur Erfüllung des heiligen Willens seines Gottes geliehen sind, missbraucht für eigenselbstische Zwecke, nur auf seinen Genussvorteil bedacht ist, und sein Herz an die Kreatur hängt, sich ihr ganz hingibt.
Während nun hienach eigentlich alle Sünde, welche nichts anders ist in ihrem letzten Grunde als eine Untreue an Gott und der Liebe zu ihm und dagegen ungerechte Liebe zu mich selbst und der Schöpfer in diesen Begriff der Unkeuschheit füllt, so ist er doch besonders zu verstehen von den eigentlich fleischlichen Sünden, von der Ungerechtigkeit im Verhältnis der Geschlechter. Denn alles, was wir von Unkeuschheit gesagt haben, findet hier vorzugsweise seine volle Anwendung. Nichts führt so von Gott ab und reißt das Gemüt los von allem Himmlischen, in nichts verliert der Mensch sich so ganz selbst in Bezug auf sein göttliches Bewusstsein, nichts zieht ihn so zur Sinnlichkeit, zum Irdischen und Sichtbaren herab, als die Lust des Fleisches und ihre Befriedigung. Alle menschlichen Verhältnisse sind nur insofern gut, als Gott dabei ihr Mittelpunkt ist, als die Liebe zu ihm die Herzen verbindet, und so dieselben adelt durch eine höhere himmlische Weihe, und sie sind in so weit schädlich und verwerflich, als der Mensch dabei nur sich selbst und die Befriedigung seiner augenblicklichen Lust sucht, und zwar um so schädlicher, um so mehr von Gott abführend, je inniger sie sind, und je mehr sie den ganzen Menschen und die Richtung seines ganzen Wesens und aller seiner Kräfte in Anspruch nehmen. Kein Verhältnis aber ist enger und bedingt die Richtung aller unsrer Kräfte so sehr, als das der sinnlichen Liebe, - und darum ist auch die Unkeuschheit, jene Gesinnung und Handlungsweise, welche in den Menschen nur Mittel sieht, die sinnliche Lust zu befriedigen, eine so große und gefährliche Sünde.
Freilich tritt dieselbe nicht immer gleich in die Augen fallend auf. Nicht immer darf sie sich äußern in offenbaren Ausschweifungen, die freilich vorzugsweise den Menschen in einen tiefen Abgrund stürzen, indem sie ihn seine edelsten Kräfte vergeuden lassen und ihn dadurch mehr und mehr für alles Himmlische, Göttliche, Geistige abstumpfen und unempfänglich machen. - Auch der schon ist unkeusch, wer sich in seinen Gedanken gern mit unzüchtigen Gegenständen beschäftigt, der sich Erlaubt mit einzustimmen in die frevelhaften Scherze loser Gesellen, darüber zu lächeln, daran seine Freude zu haben, statt dass er sich doch aufs Allerernstlichste und Entschiedenste von solchen frevelhaften Buben zurückziehen sollte. Auch der ist unkeusch, der sich nur einen unzüchtigen Blick erlaubt, oder eine Gebärde, - wie der, der in seiner Tracht die Zucht und Sitte irgend verletzt. - Auch der ist unkeusch, der in der Kunst, sei es durch Wort oder Bild, oder Musik, in sich und andern Gefühle. der Art aufzuregen sucht, ja der diese Versuchung nicht sorgfältig vermeidet. Da wo das sinnliche Gefühl vorwaltet, und das Geistige, Ernste, Göttliche, Klare in der Empfindung vor ihm in den Hintergrund tritt, da ist die Keuschheit verletzt, O, wie unsäglich sündigen die, welche auf diese Weise das Edelste herabwürdigen, und ihre schöne Fähigkeit, auf eine mächtige Weise Gefühle anzuregen, im Dienste der Sünde missbrauchen, indem es ihnen nicht darauf ankommt, ob diese Gefühle edel, rein und heilig, oder unheilig sind. - Aber es sündigen auch an der Keuschheit alle die, welche dergleichen schlüpfrige Darstellungen gern anschauen, gerne hören; denn, meine Freunde, es kommt ja Alles auf die innerste Gesinnung an, und wo die unrein und befleckt ist, wo die Phantasie mit unreinen Bildern angefüllt, wo man das Gemeine liebt, - da ist schon im Innern die Sünde begangen. Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon die Ehe gebrochen in seinem Herzen, spricht der Herr. - Lass dich nicht gelüsten heißt uns sein heiliges Gebot. - Einen solchen, der sich nicht mehr vor Gott scheut, den er durch die innerliche Befleckung beleidigt, hindert am offenbaren Ausbrechen dieser innern Sünde nur noch die mangelnde Gelegenheit oder andere Rücksichten auf eine noch überwiegendere Leidenschaft, wie Ehrgeiz, Geldgeiz, Menschenfurcht u. dgl.
Dem Reinen ist Alles rein, hört man oft auf die Rüge solchen Missbrauchs der edelsten Kräfte entgegnen. Auch die Sinnlichkeit ist an sich nichts Verwerfliches. Ja freilich, meine Teuren, dem Reinen ist alles rein. Aber wer will einen Reinen finden, bei welchen kein Reiner ist? Wer von den Darstellenden ist rein, und wer von denen, die ihre Darstellungen lesen und hören? Wohl ist auch die Sinnlichkeit nicht böse an sich, aber dadurch, dass sie das Übergewicht gewonnen über den Geist, der sie beherrschen sollte, ist sie's geworden, und kommt erst dadurch, dass man jenem die vollkommene Herrschaft über sie verschafft, in ihre richtige Stellung. Und damit hat man in dem, was sich im Leben unvermeidlich darbietet, genug zu tun, und soll sich hüten, sich selbst und seine Brüder in Versuchung zu führen durch noch ausdrückliche und künstliche Aufregung des schon an sich zu wachen und lebendigen und durch um vermeidlichen Eindruck zu leicht erregten Feindes.
II.
Und das um so mehr, je größer die Sünde ist, deren wir uns durch Unkeuschheit schuldig machen, denn wir versündigen uns dadurch gröblich gegen Gott md Christus, gegen uns selbst, gegen unseren Nächsten.
Wir rauben zunächst Gott dadurch, was sein ist, unser Herz, unsre Liebe. Wir rauben ihm unsere Kräfte, die er für seinen Dienst gebrauchen will, indem wir sie verschwenden für unsre niedere Lust. Wir versündigen uns an ihm, indem wir sein heiliges Gebot übertreten, in welchem er uns so oft durch seinen Apostel und Propheten von aller Unkeuschheit abmahnt. „Das ist Gottes Wille, eure Heiligung,“ sagt der Apostel, „dass ihr meidet die Hurerei in Werken, Worten und Gedanken, und ein jeglicher unter euch wisse sein Fass, d.h. seinen Leib zu behalten in Heiligung und Ehren;“ denn dieser Leib ist berufen, ein Gefäß, ein Tempel des heil. Geistes zu sein. Gott selbst will in uns wohnen, und so lange nur noch die Stimme des Gewissens nicht ganz im Menschen unterdrückt ist, ist er auch wirklich nicht ganz von uns gewichen mit seinem Geiste. Und diesen heiligen Geist Gottes, der in uns spricht, und uns ganz bewohnen möchte, ihn betrüben wir, ihn verachten wir, ihm sprechen wir Hohn, indem wir nicht ihn in uns herrschen lassen, sondern die böse Lust unsers Fleisches; wie der Apostel sagt: wer aber verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist gegeben hat in euch. Und zwar ist diese Sünde um so größer, je mehr wir schon Wirkungen des Heiligen Geistes an uns erfahren haben, je stärker demnach seine Rügen sind. Wir haben ja schon gekostet die Kräfte der zukünftigen Welt und das gütige Wort Gottes, und wenden uns nun doch noch davon ab und wollen die Träber der Welt mehr lieben als seine Himmelskost?! -
Aber auch gegen uns selbst versündigen wir uns; denn unser eigentliches Selbst ist ja nicht der Leib, nicht das Fleisch, sondern unser unsterblicher Geist. Und gerade ihn verachtet, ihn misshandelt der, der seinen Lüsten nachlebet. Seine Bedürfnisse berücksichtigt er nicht, und während er daran denkt, den Lüsten des Fleisches Befriedigung zu verschaffen, so bekümmert er sich nicht um ihn. Dadurch aber erniedrigt er sich selbst unter das Tier, denn das ist's ja, was den Menschen vom Tier unterscheidet, dass er einen Geist hat, der fähig ist seinen Gott zu erkennen, sich ihm zu verähnlichen und dadurch mit ihm in der innigsten bewussten Gemeinschaft zu stehn. Das Tier fragt nach nichts und kann nach nichts andrem fragen, als nach Befriedigung seiner Triebe. Welcher Mensch nun auch nach nichts andrem fragt, und so weit er nur danach fragt, der steht ihm gleich, ja er steht noch tiefer, weil jenes keine andere Bestimmung hat, er aber einen hohen und heiligen Beruf nicht achtet und aus den Augen fetzt. -
Endlich aber versündigen wir uns auch durch Unkeuschheit hoch und schwer an unserm Nächsten. Wir versagen ihm die Achtung, welche wir ihm schuldig sind, und die sich dadurch beweiset, dass wir ihn als ein selbstständiges Wesen anerkennen, das nicht unsert-, sondern sein selbst und Gottes wegen da ist; am wenigsten aber für unsere niederen Triebe. Aber der Unkeusche betrachtet seine Nebenmenschen nur als Mittel zur Erreichung seiner schlechten Zwecke. Er erkennt keinen Menschenwert an, er ist für wahre Liebe unfähig, denn wahre Liebe sucht nicht nur im Andern sich selbst, sondern sie meint, sie berücksichtigt ihn, sie wünscht und fördert sein Bestes. Die Liebe suchet nicht das Ihre. Jede unreine Wechselwirkung mit dem Nächsten ist ein Eingriff in seine heiligsten Rechte, ist ein Raub seiner höchsten Güter, ist ein beginnender Mord seiner Seele. Denn niemand kann die Wirkungen berechnen, welche vielleicht nur ein unlauteres Wort, ein unlauterer Blick haben kann. Alles fängt in der Welt klein und unbedeutend an, aber es kann zu einer entsetzlichen Bedeutung anwachsen. O, meine Brüder, wie oft springen schon die entsetzlichen Wirkungen der Unkeuschheit, die sie auf die eigne und auf die Wohlfahrt anderer ausübt, in die Augen, wie viel Jammer, Elend, geistlichen und leiblichen Tod hat sie schon hervorgebracht, wie offen und am Tage daliegt. - Aber wie unendlich viel zahlreicher sind noch die verborgenen, nicht so in die Augen fallenden Wirkungen. Wie mag da mancher Fluch ausgestoßen werden über den ersten Urheber des Elendes, in dem man sich jetzt befindet. .
III.
Aber was ist der eigentliche Grund ;der Unkeuschheit, die böse Wurzel derselben, die bittere Quelle, woraus sie hervorfließt? Der Apostel deutet's uns an, wenn er spricht: „Behaltet euer Fass in Ehren, nicht in der Lustseuche oder genauer in der Leidenschaft der Begierde, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.“ Ja, meine Brüder, heidnischer Sinn, Gottlosigkeit, Gottentfremdung, das ist der Grund dieses bösen Lasters. Denn was möchte den Menschen wohl bewegen, seinen Trieben und Leidenschaften entgegenzutreten, dieselben zu beherrschen, auf die untergeordneten Genüsse der Sinnlichkeit zu verzichten, die ihm doch immer von Natur als Güter erscheinen, weil sie ihm für den Augenblick angenehm sind, als die Kenntnis von einem höchsten Gute, was höher und süßer ist, als die Welt mit allen ihren Freuden? Wer von Gott nichts weiß, an ihn nicht glaubt, wer daher niemanden Rechenschaft von seinen Handlungen geben zu dürfen meine, - warum sollte der nicht ungescheut üben, was sein Herz gelüstet und was seinen Augen wohlgefällt? Wer keine höhere Ordnung der Dinge kennt, und sie zu berücksichtigen nötig hält, wie sollte der sich in dieser niederen Ordnung der Dinge noch irgend Schranken und Fesseln gefallen lassen? -
Aber nicht allein der völlige Unglaube führt notwendig ein Leben nach den Lüsten seines Fleisches herbei, sondern auch der Aberglaube, die falsche Vorstellung von Gott, die einseitige Auffassung seines Wesens. Denn wenn der Mensch nicht kindlich glaubt an den lebendigen Gott, wie er sich offenbart auf allein untrügliche, auf übernatürliche Weise in seinem heiligen Worte, sondern sich den Begriff davon nur bildet aus der Natur und aus seinem eigenen Innern, so ist nichts natürlicher, und die Geschichte der Verirrungen des menschlichen Geistes, die Geschichte aller heidnischen Religionen bezeugen's zur Genüge, als dass er ihn nach sich bildet, ihm die natürlichen Kräfte, die er in sich vorfindet, nur in höherm Maße, beilegt, sich so bei seiner Gottheit (denn bis zur Einheit vermag sich die bloße Natur, die ja überall um sich her nur Mehrheit erblickt, nicht zu erheben), -nicht über die Menschheit, ja über die vermenschte und nun sogar vergötterte Tierheit erheben kann. Denn in dem natürlichen Menschen ist eben noch jener göttliche Funke, der ihn erst wahrhaft über das Tierreich erhebt, nicht zum Bewusstsein gekommen, denn wahrhaft göttliche Begriffe müssen erst durch den lebendigen Gott, der sich uns in seiner Offenbarung zu erkennen gibt, in uns gepflanzt werden. Darum, meine Teuren, sehn wir auch, dass alle Götter der Heiden sich über das menschliche nicht erheben. Sie sind Wesen mit unsern Begierden, unsern Leidenschaften, sie haben menschlichen Ehrgeiz, Hass, Zorn, Neid, sie haben unsre sinnlichen Triebe; und auch bei denen, die den Namen Christen führen, also Anbeter im, Geist und in der Wahrheit sein wollen, ist oft die Vorstellung von Gott eine sehr sinnliche, wie aus dem bloß auf Sinnengenuss berechneten Gottesdienst hervorgeht, den sie ihm zu Ehren, und um ihn dadurch zu befriedigen, anstellen, - sobald sie sich von dem Bibelgott, wie ihn uns Christus kennen gelehrt hat, entfernen, und ihren eigenen Gedanken nachgehen. Was aber mag uns bei solchen Vorstellungen von der Gottheit bewegen, der Hingabe an unsere sinnlichen Triebe zu entsagen? Da ist ja alle Kraft göttlich und wird angebetet, und die Sinnlichkeit ist ja auch eine Kraft. Daher ist der menschliche Geist auch wirklich sogar auf solche Verirrungen gekommen, dass er die Ausübung der Sinnlichkeit in den Dienst seiner Götter hineingezogen, und ihnen zu Ehren die schamloseste Wollust geübt hat. - Erst wenn man erkennt, dass Gott der Geist ist, und wo der Geist ist, dass da Freiheit sei, dass da kein Unterwerfen unter sinnliche Triebe mehr statt findet, beginnt man zu ahnen, dass auch wir durch den göttlichen Funken, der in uns ist, berufen sind zu einem Leben im Geist und in der Freiheit, dass es gelte eine Lösung von untergeordneten Trieben, einen Kampf des Geistes wider das Fleisch, wenn jener, der unendlich edlere Teil unsers Wesens in seine wahren Rechte treten soll. Erst da beginnt man zu erkennen, dass ein Leben und Wandeln im Geiste, in Gott als dem Elemente unsers höheren Daseins unsere höchste Aufgabe, wie zugleich unsere höchste Seligkeit sei; dass aber das nicht ohne Kampf abgehe, und weil das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch, die sinnlichen Triebe demselben unter' werfen werden müssen. - Wenn auch die edleren Seelen aller Zeiten eine Ahnung hatten von dem Geiste und seiner Freiheit, so war diese Vorstellung doch so mannigfaltig getrübt, und der Weg dahin zu gelangen so verschieden und oft so verkehrt angegeben, dass es notwendig der Offenbarung Gottes und seines heiligen Gesetzes als unmittelbar von ihm mitgeteilter Vorschrift, wie man wieder zum Leben im Geist und in der Freiheit gelange, bedurfte, wie sie Israel hatte, das erwählte Volk des Herrn, um nicht auf immer dem Irrtum unterworfen zu bleiben. Diese Offenbarung nun in ihrer ganzen geistigen Reinheit und Würde, in ihrem strengen Gesetz, was den heiligen Gott, der da ist ein verzehrend Feuer, kund tat, - wie in ihren tröstlichen Verheißungen, die ihn als einen liebevollen, erbarmenden Vater kennen lehrten, war nun allerdings vorzugsweise geeignet, den Blick der Menschen abzulenken von dem bloß Irdischen und Vergänglichen, und ihn zu richten zu höheren, geistigen, himmlischen Gütern. Aber ach, noch fehlte, wenn auch die Notwendigkeit eingesehen wurde, die Kraft dazu, um so mehr, da das Bewusstsein der Schuld den Menschen zittern machte vor seinem Gott, dem Heiligen, den er so oft und so schwer beleidigt hatte. Erst als Gott in Christo Jesu offenbar ward, erst als der eingeborene Sohn das große Werk vollbracht, und sich zur Versöhnung und Erlösung der sündigen verlorenen Menschheit in die entsetzlichsten Qualen und in den Tod gegeben hatte, hat er durch das Alles uns Gott erst recht kennen gelehrt, als die ewige unergründliche Liebe. Und wer ihn so als die Liebe erkennt, als die vergebende, barmherzige, für ihn, den Sünder, sich hinopfernde Liebe, der muss ihn wieder lieben, in den wird ausgegossen die Liebe Gottes reichlich durch den Heiligen Geist, und er vermag endlich das hohe, alte, ewige Gebot zu erfüllen: Gott zu lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und aus allen Kräften. Und nur Liebe allein gibt wahre Kraft allem unserm Tun und Streben. Diese Liebe macht stark zu überwinden alles ungöttliche Wesen und alle weltlichen Lüste und züchtig, gerecht und gottselig zu leben in dieser Welt. Sie reißt das Herz los von dem bloß Vergänglichen, denn man hat das ewige Gut gefunden, den höchsten, den allmächtigen Gott, und dieser Gott ist die Liebe. In ihm, der Quelle aller Güter und aller Vollkommenheiten, sinket der, der ihn so erkannt hat, Alles, und ohne ihn ist ihm die ganze Welt nichts wert. Die Befriedigung der sinnlichen Triebe an sich, ohne für seinen Zweck und nach seiner Ordnung, ist ihm verleidet, denn sie stören ihn in der Gemeinschaft mit Gott, die seine höchste Lust ist. Er wandelt im Geiste und darum darf er die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Daher ist Mangel an lebendiger Gotteserkenntnis der Hauptgrund, warum so viele ihren Lüsten und Leidenschaften hingegeben sind. Wer aber ihn erkannt, denn wer kann ihn recht erkennen, ohne ihn über Alles zu lieben, der machet seine Seele keusch und hütet sich vor aller Befleckung.-
IV.
Endlich, meine Teuren, wollten wir noch einen Blick werfen auf die Folgen der Unkeuschheit. Was soll ich noch reden von den entsetzlichen Folgen, welche sie schon auf Erden ausübt, wie sie die edelsten Kräfte verzehrt, und als ein rasch verzehrendes, oder langsam schleichendes Gift unsere Gesundheit hinrafft, wie sie unsern Wohlstand untergräbt, den Frieden und alle Heiterkeit der Familien zerrüttet, Hass, Neid, Rachsucht und alle Leidenschaften entflammt, was soll ich von ihnen reden! Denn zum Teil fallen dieselben so klar in die Augen, dass ihr sie alle, bei geringer Kenntnis der Welt selbst kennt, - zum Teil sind sie aber noch im Beginn, und dann werden sie doch schwer geglaubt. Denn darin, sagt mancher, sind wir einverstanden, dass man sich vor Übertreibung hüten müsse. Aber gerade strenge gegen sich zu sein, sich vor jeder Sünde der Art in Gedanken, Worten und Werken zu hüten, das ist auch übertrieben, ist zu viel verlangt. So sagen sie und bedenken nicht, wie der ersten Versuchung noch am leichtesten zu widerstehen ist, und wie die Einwilligung in die geringere, leichter zu überwindende den Menschen schwächt, so dass er die folgende schwerere viel schwerer überwinden kann, und dass diese Abnahme der sittlichen Kraft in unglaublich rascher Steigerung wächst. Es find wir entsetzliche Fälle bekannt, wo die ehrbarsten, züchtigsten Menschen, bloß weil sie doch nicht ganz brachen mit der Sünde, sich noch irgend etwas erlaubten, in den allertiefsten Abgrund geraten sind, und sich einem Leben überlassen haben, wie sie selbst und alle, die sie kannten, es für unmöglich hielten. - Aber, meine Freunde, wie gesagt, das wird schwer geglaubt, und jeder denkt doch, bei ihm werde es so arg nicht werden, und er werde der erste sein, der sich seinen Lüsten bis auf einen gewissen Grad hingeben könne. Nun wen auch dies nicht schrecken kann, den erschrecke Gottes Gericht. „Der Herr ist der Rächer über das Alles, wie wir euch zuvor bezeugt haben,“ ruft der Apostel den Thessalonichern zu. Er, der Herr, ist ein starker, ein heiliger, ein gerechter, ein eifriger Gott. Er ist ein verzehrendes Feuer, dessen heilige Flamme alle Unreinigkeit verzehret, wie die Lohe die Stoppeln. „Er wird die Ungerechten behalten zum Tage des Gerichts zu peinigen. Allermeist aber, die so da wandeln nach dem Fleisch in unreiner Lust“ (2. Petr. 2, 9. 10.) Die Hurer und Ehebrecher wird Gott richten. (Ebr. 13, 4.) „Das sollt ihr wissen, dass kein Hurer oder Unreiner Erbe hat an dem Reiche Gottes und Christi.“ (Eph. 5, 5.) So verkünden die Apostel den Zorn des Herrn über die unkeuschen Seelen. Sie sind schon hier ausgeschlossen von dem wahren Reiche Gottes und Jesu Christi, der unsichtbaren Gemeinschaft der Heiligen. Aber, meine Zuhörer, noch sind sie oft nur dem bekannt, der Herzen und Nieren prüft, und befinden sich noch oft hochgeehrt und wohlangesehen in dem äußeren Reiche Gottes, der äußern Kirche des Herrn. Noch ist die Scheidung nicht geschehen. Noch können sie auch aufgenommen werden zur Gemeinschaft der Heiligen, wenn sie Buße tun und sich aufrichtig bekehren; wenn sie Vergebung suchen ihrer Sünden im Namen Jesu Christi, der auch ihnen dieselben erworben, wenn sie bitten um den Geist der Heiligung und der Zucht bei dem himmlischen Vater, der uns, wenn wir im Namen Jesu an ihn uns wenden, verheißen hat, dass er rein Wasser über uns sprengen und uns reinigen wolle von aller Sünde. Aber es kommt die Zeit, meine Teuren, wo der Herr Unkraut scheidet von dem Weizen, wo die unsichtbare Gemeinde, welche jetzt zerstreuet und verborgen ist, unter der entarteten Welt, gesammelt, und ihr inneres Leben, ihre Reinigkeit und Herrlichkeit offenbar werden soll. Dann wirds von ihnen heißen, diese reinen Seelen: „diese sind es, die mit Weibern nicht beflecket sind, denn sie haben ihre Kleider gewaschen und rein gemacht in dem Blute des Lammes, welches alle, die an ihn von Herzen glauben, rein wüschet von aller Sünde, sie sind Jungfrauen und folgen dem Lamme nach wo es hingehet.“ (Offenb. 14, 4.)
Sie im Verein mit allen reinen Seelen aller Zeil bilden die Stadt des lebendigen Gottes, das himmlische Jerusalem, in dem der Höchste Sonne, Licht und Tempel ist. Sie schauen ihn von Angesicht nach dem Worte des Herrn, der da sprach: „selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Aber in diese Stadt gehet nichts Unreines hinein, nichts Gemeines, und das da Gräuel tut. Draußen aber, außer der seligen Gemeinschaft der Gerechten, sind die Zauberer und die Hurer und die Totschläge und die Abgöttischen.“ Sehet da, meine Brüder, die entsetzliche Gemeinschaft der unkeuschen Seelen. „Ihr Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet, da ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verlischt, welches ist der andre Tod, spricht das Wort des Herrn. (Offenb. 21)
Das, meine Brüder, das sind die entsetzlichen Folgen der Unkeuschheit. Ausgeschlossen sein vom Reiche Gottes, verstoßen von seinem Angesichte, unselig schon hier und dort ewiglich. Nun, geliebte Zuhörer, wir alle sind nicht rein vor dem, des Augen sind wie Feuerflammen, und der in das Verborgenste des Herzens sieht. Aber lasst es uns nur anerkennen, und nicht leicht nehmen, lasst uns Vergebung bei ihm suchen und gläubig annehmen, die er uns in Christo Jesu, seinem Sohne, so reichlich anerbeut. Lasst uns in ihm, unserm hochgelobten Erlöser, seine unendliche Liebe kennen lernen und immer tiefer in sie eindringen, dass diese Liebe unser Herz ganz erfülle, und alle andere Lust zur Sünde und zur Kreatur in uns verdränge, durch sie werden auch wir stark werden, alle böse Lust zu überwinden, und unsre Herzen keusch zu machen im Gehorsam der Wahrheit. Getreu ist, der uns berufen hat, welcher wird es auch tun. Amen.