Spurgeon, Charles Haddon - Jesus in unserer Mitte
Gehalten am Sonntag, den 12. September 1875
„Am Abend aber desselbigen Sabbats, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!“
Joh. 20,19
Es wundert uns nicht, dass einige fromme Griechen, die hinaufgekommen waren, um das Fest in Jerusalem zu feiern, zu Philippus sprachen: „Herr, wir wollten gerne Jesus sehen.“ Wer möchte ihn nicht gerne sehen? Wer unter denen, die durch sein teures Blut erlöst sind, sehnt sich nicht danach, ihn zu sehen? Wie ein Kind nach seiner Mutter verlangt, so sind wir krank gewesen vor Sehnsucht, unseren Herrn zu sehen, doch den König in seiner Schönheit zu sehen mit unseren Augen, ist uns für jetzt noch verwehrt, und die Gründe für die Verzögerung sind so voller Gnade, dass wir wohl damit zufrieden sind, zu warten. Es ist besser für uns, dass der Herr uns seine leibliche Gegenwart entzogen hat, denn sonst würde der Tröster nicht zu uns kommen, und der Tröster, der Heilige Geist, bringt uns reichere Gaben, als uns selbst durch die persönliche Gegenwart Christi zu Teil geworden wären. Doch Gründe können die Sehnsucht nicht ganz fern halten, und wir würden dennoch froh sein, unseren Herrn zu sehen. Ist es nicht natürlich, dass ein Krieger wünscht, seines Feldherrn Stimme zu vernehmen? Wenigstens ist etwas Entschuldbares darin, wenn wir dann und wann den Wunsch wagen, einen Schimmer, wenn auch noch so kurze Zeit, von unserem Freund, unserem Herrn, der „ganz lieblich“ ist, zu sehen. Wenn wir nur einen Schimmer von jenem Antlitz auffangen könnten, dessen Glanz die Sonne überstrahlt, wie würde uns das anspornen! Aber, Brüder, es darf nicht sein; bis er selber kommt oder bis er uns hinauf nimmt, da zu sein, wo er ist, müssen wir uns mit dem Glauben begnügen und unser Verlangen nach dem Schauen zurückhalten.
Wenn wir nun die Bedürfnisse des Reiches Gottes in Betracht ziehen, so sind keine Augenzeugen mehr nötig. Apostel, die den Herrn gesehen haben, sind nicht mehr erforderlich. Die vierzig Tage, die unser Herr noch auf Erden weilte, reichten hin, um eine genügende Anzahl von Personen völlig davon zu vergewissern, dass er wirklich von den Toten auferstanden sei; und Jesus trug sehr Sorge, eine Reihe von Zeugnissen für die wirkliche Auferstehung seines Leibes zu hinterlassen, die diese Tatsache für alle aufrichtigen Gemüter zur unwidersprechlichen Gewissheit erheben würden. Wahrscheinlich gibt es keine Tatsache in der menschlichen Geschichte, die besser durch Zeugnisse beglaubigt ist, als die, dass Jesus von Nazareth, der am Kreuz hing und starb, danach von den Toten wieder auferstand. Die Zeit der Augenzeugen ist nun vorüber, mehr Beweise würden überflüssig sein, und wir befinden uns auf der hohen See des Glaubens. Der Herr weiß, dass das Schauen dem Glauben Abbruch tut, und deshalb gibt er uns keine Mischung von beidem. Wir wandeln nicht im Schauen und Glauben, sondern wir „wandeln im Glauben und nicht im Schauen.“ Uns gelegentlich einmal schauen zu lassen, würde uns in der Tat aus dem Bereich des Glaubens hinwegrücken und uns von dem hohen Standpunkt der Gläubigen hinunterbringen auf den niedrigen Standort der Zuschauenden. Fahre wohl daher, auf einige Zeit, o Schauen.
Doch, liebe Brüder, es gibt einen geistlichen Umgang mit Jesus, der ein mehr als genügender Ersatz für seine leibliche Gegenwart ist, und diesen können wir noch immer wünschen und erwarten. Christus kann wirklich da gegenwärtig sein, wo er nicht körperlich gegenwärtig ist. Es gibt ein Wahrnehmen der Gegenwart Christi, das wir alle haben müssen, besonders, wenn wir zum Abendmahlstisch kommen, denn es ist uns gesagt, dass der, der nicht den Leib des Herrn unterscheidet, unwürdig isst und trinkt. Es gibt eine Wahrnehmung der Gegenwart des Herrn inmitten seines Volkes, die wesentlich notwendig ist, wenn unseren Versammlungen Kraft einwohnen soll, und ich bete, dass wir diese jetzt haben mögen, dann werden wir um Nichts hinter denen zurückstehen, die Jesus mit ihren Augen sahen und mit ihren Ohren hörten. Ich glaube nicht, dass es irgend ein Vorrecht gibt, das die wirkliche leibliche Gegenwart Christi verleihen konnte, das wir nicht in diesem Augenblick durch die wirkliche geistliche Gegenwart Christi erhalten könnten, wenn wir nur den Glauben haben, dass er wahrhaft in unserer Mitte ist. Er hat gesagt: „Sieh, ich bin bei euch alle Tage“, und dies ist das Pfand aller erdenklichen Güter. Über diese Gegenwart will ich sprechen, indem ich die Erzählung, wie sie von dem Evangelisten berichtet wird, als eine Art Vorbild der geistlichen Gemeinschaft benutze, die wir, hoffe ich, jetzt fühlen.
I.
Unser erster Punkt heute Morgen soll sein: Es ist eine eigentümliche Art des Kommens unseres Herrn zu seinen Jüngern.
Ihr werdet zuerst sehen, dass er mit Freuden zu ihnen kommt. Ich bin gewiss, dass er mit Freuden kam, denn er kam so bald und so oft. Zuerst erschien er der Maria Magdalena, dann den zwei Jüngern bei Emmaus, und dann den elf Jüngern zu Jerusalem. Hier sind wenigstens vier Male an einem Tag, wo der Auferstandene seine Brüder aufsucht. Seine Erscheinungen waren an verschiedenen Orten, die etwas von einander entfernt waren. Es war ein geschäftiger Tag für ihn, dieser erste Tag, nachdem er von den Toten auferstanden war. Wie wahr war es nach seiner Auferstehung, eben so wie in längst vergangenen Zeiten, dass „seine Lust bei den Menschenkindern“ war. Er liebte es augenscheinlich, da zu weilen, wo sein Volk war. Er hätte hinweg gehen können und die vierzig Tage in der Wüste zubringen, um auf dem Schauplatz seines früheren Kampfes triumphieren, oder er hätte in einsamer Wanderung über die Erde gehen können, aber statt dessen brachte er seine heilige Muße bei den Seinen zu, und von dem ersten Tag, nachdem er aus dem Grab auferstanden war, haben wir nicht weniger als vier Berichte von Zusammenkünften mit seinen Jüngern. Erinnert euch, dass er bei jeder Gelegenheit ganz freiwillig kam und sich aus eigenem Antrieb zeigte. Magdalena ging zwar zum Grab, um ihn zu suchen, aber er hätte leicht unerkannt bleiben können, wenn er es gewünscht hätte. Ich weiß nicht, wo Simon war, als sein Herr ihm begegnete, aber er fand ihn auch, ohne dass er ihn suchte. Die zwei Jünger von Emmaus gingen von Jerusalem weg und suchten ihn offenbar nicht, doch gesellte er sich zu ihnen; und die Elf waren versammelt, um miteinander zu trauern, aber nicht, um mit ihm zusammen zu kommen - das war etwas, was über ihre Erwartung hinausging. Die Türen waren geschlossen; keine Wache stand da, um auf die Erscheinung unseres Herrn Jesu zu warten, aber er kam zu ihnen als ein plötzlicher unerwarteter Gast. Daraus entnehme ich, Geliebte, dass es unseres Herrn Freude ist, sich auch jetzt seinem Volk zu offenbaren, denn wir wissen, dass er derselbe ist wie immer. In geistlicher Weise ist er froh, zu uns zu kommen und mit uns das Abendmahl zu halten, auf dass wir es mit ihm halten. Er ist nicht abgeneigt, die Stätten zu besuchen, wo sein Volk sich versammelt. Es ist die Freude seines Herzens, denen ins Angesicht zu blicken, für die er sein Blut vergossen hat, ihre Gebete und Lobgesänge zu hören und ihre Gaben anzunehmen. Ihr braucht deshalb heute in dem Gebet, das ihr, wie ich hoffe, zu ihm hinaufschickt, nicht einen unwilligen Gast zu bitten, dass er kommen möge, wo er nicht gerne weilt, ihr habt ihn nicht zu ergreifen und ihn zu nötigen und zu sprechen: „Bleibe bei uns,“ nein, es wird seine Freude sein, sich uns zu offenbaren, wie er sich nicht der Welt offenbart. Jesus kommt gerne, wo er gern empfangen wird; er kommt selbst zu denen, die ihn nicht einladen, und deshalb wird er sich gewiss wenden und bei euch bleiben, die ihr euch nach Gemeinschaft mit ihm sehnt.
Er kam bei dieser Gelegenheit auch zu denen, die eines so großen Vorrechtes ganz unwürdig waren; denn wer waren diese Elf? Gott verhüte, dass wir ein hartes Wort gegen diese geehrten Männer sagen sollten, aber gegen ihren Meister hatten sie sich nicht betragen, wie sie es hätten sollen. Es steht geschrieben: „Die Jünger verließen ihn alle und flohen.“ Unter den Elf war nicht einer, der zu seines Herrn Verteidigung aufgestanden wäre, nicht einmal der Mann, der sein Haupt an seine Brust gelegt hatte. Ja, Einer, der nicht der Geringste unter ihnen war, hatte ihn mit Fluchen und Schwören verleugnet. Sie hatten ihn nicht vergessen oder sich von seiner Sache abgewandt, sonst würden sie nicht zusammen gekommen sein, wie sie es taten, aber sie alle glaubten nicht an die Verheißung seiner Wiederkehr, sonst hätten sie sich nicht mit Furcht und Zittern versammelt, wie sie es an diesem Abend taten. Mir scheint, manche Führer hätten sich geweigert, solche Nachfolger anzuerkennen oder sie hätten ihnen im besten Fall kalte Befehle zugeschickt und sich des persönlichen Verkehrs mit ihnen verweigert haben, bis sie in besserer Stimmung wären. Unser Meister kam zu seinen feigen, treulosen Jüngern und stand in ihrer Mitte mit dem freundlichen Gruß: „Friede sei mit euch.“ Meine Seele, warumsollte er nicht zu dir kommen, obwohl du die unwürdigste von allen bist, die er mit seinem Blut erkauft hat? Obwohl du sicherlich untreu, feige und ungläubig bist, kann doch über dir auch das Licht aufgehen, und in dein Ohr kann er den friedevollen Segen sprechen, wie er es bei den Jüngern tat. Dies sollte euch sehr tröstlich sein heute morgen und euch anregen, zu hoffen, dass ihr des Herrn geistliche Gegenwart erhalten werden, unwürdig, wie ihr seid.
Nun achtet auf die Art seines Kommens. Er kam in die vollständige Versammlung der Apostel und ihrer Gefährten, nachdem er von den Einzelnen gesehen worden war. Das heißt, zuerst hatte eine ihn gesehen, dann ein anderer und dann zwei; und dann erst wurde die volle Zahl der Jünger und derer, die bei ihnen waren, mit seiner Erscheinung begnadigt. Ich freue mich, meine Brüder, zu wissen, dass heute früh, bald nach Tagesanbruch, einige Glaubensgenossen unter diesem Dach zusammen waren, und dass ihr Meister ihnen seine Liebe kundtat 1) Ich weiß auch, dass ein zweites Mal, ehe wir uns in diesem oberen Raum versammelten, eine Schar in den unteren Zimmern dieses Gebäudes zusammenkam, die den Herrn suchte und fand; und darüber hinaus ist hier wenigstens einer, der Jesus heute früh bei der einsamen Andacht im Kämmerlein sah. Dies sind gute Zeichen, meine Brüder, denn da wir nun alle zusammengekommen sind, viel mehr als elf, und sich nun unser aller Herzen nach ihm sehnen, wird er sicher zu uns kommen. Die Brüder und Schwestern sagen: „Wir haben ihn heute Morgen gesehen, wir sahen ihn in unserem Kämmerlein, wir sahen ihn, als wir zum Betaus gingen, wir fühlten seine Nähe in der frühen Betstunde“ - dies sind gute Nachrichten für uns, und sie bestätigen unsere Hoffnung, dass er sich auch uns nahen wird. Ja, Geliebte, er wird zum dem Fest kommen; eben jetzt sehe ich ihn, und seine Gegenwart macht, dass mein Herz in mir brennt.
Unser Herr kam zu seinen Jüngern, als sie ruhig versammelt waren, abgesondert von der Welt und so weit wie möglich geschieden von ihren Sorgen und Zerstreuungen. Die Elf und andere zuverlässige Brüder hatten diese mitternächtliche Versammlung zu keinem anderen Zweck berufen, als um ruhig ihre Lage zu betrachten, sich gegenseitig aufzurichten und auf Gott zu harren. Sie hatten nichts zu kaufen oder zu verkaufen oder zu beratschlagen, sie hatten die geschäftlichen Sorgen und die häuslichen Kümmernisse bei Seite gelegt, da kam ihr Meister. Es ist eine gute Sache für die Heiligen, wenn sie eingeschlossen sind und die Welt ausgeschlossen haben. Ich hoffe, wir sind jetzt in dieser Verfassung. Ihr müsst nicht erwarten, dass Jesus sich euch zeigt, wenn euer Herz zu Hause bei den Kindern ist, oder in der Werkstatt oder da und dort auf der Erde umher wandert und nach Eitelkeiten strebt; aber wenn alle Türen um uns her verschlossen sind, so werden wir selbst in diesem großen Tabernakel den Freund unserer Seelen sehen. Wenn wir nur die Welt ausschließen können, so dürfen wir erwarten, seine Gegenwart zu fühlen und sein Anhauchen, wie jene es taten. Nicht in die lärmende Straße, sondern in die ruhige Kammer kommt Jesus, nicht auf den Markt, sondern in die Andachtsstunde, nicht auf der Gasse, sondern im Heiligtum wird sein versammeltes Volk ihn am klarsten sehen.
Der nächste bemerkenswerte Punkt bei dem Kommen des Herrn war, dass sie, nachdem sie alle versammelt waren, alle an ihn dachten und von ihm sprachen. Das, was sie alle erfüllte, war Jesus, dem sie als ihrem Meister gefolgt waren, den sie sterben sahen und von dem gesagt wurde, er sei von den Toten auferstanden. Ich denke, sie beteten zusammen, aber ich bin gewiss, alle ihre Gebete bezogen sich auf ihn. Ich glaube nicht, dass sie sangen, aber wenn sie es taten, so haben sie, denke ich, einen Psalm gewählt, der eine klaren Bezug zu ihm hatte. Einige von ihnen werden gesprochen haben. Ich zweifle nicht daran, dass Simon Petrus es tat, aber es wird nur gewesen sein, um zu erzählen, wie sich der Herr ihm offenbart hatte und dass er wahrhaftig auferstanden sei; und Magdalena mag in dieser stillen Versammlung wieder das Gesicht der Engel erzählt haben, das sie sah, und wie der Herr ihr begegnete und sie ihn für den Gärtner hielt. Und nun traten die zwei Brüder herein, heiß von ihrem raschen Gang nach Emmaus, die gerade noch zur rechten Zeit kommen, ehe die Versammlung auseinander geht, um ihre frohe Kunde zu erzählen. Alles betraf an dem Abend Jesus, bestimmt und deutlich ihn. Da waren keine Erörterungen über Lehren und keine Fragen über eingesetzte Gebräuche, sondern sie sprachen allein von Jesus, der starb, Jesus, von dem gesagt wurde, er sei auferstanden und sie sagten einer zum anderen: ist es in der Tat wahr? So, während ihre Herzen und Zungen ganz mit Jesus beschäftigt waren, offenbarte er sich ihnen. Nun, ich hoffe, unser Herr wird heute Morgen kommen, denn ich kenne einige, die mit jedem Tag alle anderen Dinge weniger achten, die eine Predigt für köstlich oder schlecht halten, je nachdem sie voll von Jesus ist oder nicht, und einen Tag für gut oder schlecht genutzt, je nach dem Maß, in dem sie ihn mit Jesus zugebracht haben. Er ist das A und das O, das Haupt, der Erste, Gebieter, Herr, Alles, ja, Alles in Allem für uns. Und wenn viele solche Menschen heute gegenwärtig sind, so könnt ihr euch darauf verlassen, Christus wird nicht wegbleiben, wir werden die Wonne seiner Gemeinschaft fühlen.
Doch, sagt jemand, vielleicht kommt er nicht hierher, denn hier sind viele Hindernisse, und wir selber sind vielleicht nicht in der besten Verfassung, um ihn zu empfangen. Haltet inne, Brüder, und fragt euch: Fanden sich damals keine Schwierigkeiten? Die Türen waren verschlossen und die Jünger waren voll Furcht. Ich weiß nicht, wie Jesus in das Zimmer kam. Einige meinen, dass er auf wunderbare Weise durch die verschlossene Tür kam, obwohl sein Körper wirkliches Fleisch und Blut war; andere sind der Ansicht, dass er die Tür durch ein Wunder öffnete und dann wieder verschloss. Mich kümmert nicht, wie, aber da war er, obwohl die Türen verschlossen waren; und ich weiß: was für Türen auch zwischen meinem Herrn und meiner Seele sein mögen, und wenn es Türen von siebenfach gehärtetem Stahl wären, so könnte er durch sie hindurchgehen oder könnte sie öffnen, um zu meinem Herzen zu gelangen, wenn dieses sich nach ihm sehnt. Brüder, wenn Berge zwischen euch und Christus sind, siehe, er kommt und nichts kann ihn von dir zurückhalten, nur du selber, und wenn du willst, dass er kommen soll, so wird er kommen und ist eben jetzt auf dem Weg. Kein Denken an häusliches Leiden oder persönlichen Schmerz, keine Erinnerung an die Prüfungen der Woche, nicht einmal die gegenwärtigen Versuchungen Satans werden vermögen, euren Herrn und Meister zurückzuhalten. Ehe du darum weißt, kann er deine Seele gleich den Wagen Amminadabs gemacht haben. Aber vielleicht hast du Angst, dass er nicht zu dir kommt, weil eine Furcht in dir ist, die du nicht abschütteln kannst. Das hatten die Jünger auch, sonst hätten sie nicht die Türen so sorgfältig verschlossen. Sie fürchteten den jüdischen Pöbel, der versuchen könnte, sie zu töten wie ihren Herrn; und obwohl du die Leiden der kommenden Woche fürchten magst, so will dich der Herr deshalb nicht verachten. Vielleicht hängt gerade jetzt eine sehr schwere Wolke über deiner Seele. Nun wohl, dein Herr kann Wolken durchbrechen. Scheint nicht die Sonne am Himmel, obwohl der Morgen trüb und dunkel war? Scheint sie nicht selbst durch die Nebel und Dünste, die sich um unsere Stadt ansammeln? Und Jesus kommt, obwohl uns die Sünde umgibt und Zweifel, Furcht und Sorgen dich über unserem Pfad hängen. Er kommt wie der Tau, „der auf niemandem harrt noch auf Menschen wartet.“ Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht jetzt, in diesem Augenblick, die Stimme unseres Freundes hören sollten. Teurer Heiland, wir bitten dich, komm, denn kommen kannst du, wie wir gut genug wissen. In Zeiten besonderer Gnade habe ich gefühlt, als wenn sein Schatten über mir wäre und seine rechte Hand mich anrührte, und ich hörte ihn zu mir sprechen: „Fürchte dich nicht, ich bin der Lebendige, und ich war tot.“ Und warum nicht wieder? Warum nicht jetzt? Es sind manche Anzeichen da, die uns hoffen lassen, dass wir ihn diesen Morgen sehen werden. Lasst uns empor blicken und mit einem Ruf unseres Herzens sagen: „Komm, Heiland, und offenbare dich uns, wie du dich nicht der Welt offenbarst.“
II.
Zweitens: Unser Herr hatte eine eigentümliche Art, als er gekommen war, und so können wir, wenn er heute Morgen hier ist, ihn ungefähr in folgender Weise erwarten.
Er stand in ihrer Mitte (engl. Üb.). Er stand, stand plötzlich da; wo sie im Augenblick vorher Niemanden gesehen hatten, stand er nun deutlich und offenbar. Er flog nicht durch das Zimmer, wie ein Meteor, sondern blieb in einer Stellung, als wenn er eine Zeit lang verweilen wollte. Er stand in der Mitte, er nahm den Platz ein, der dem Lehrer zukommt, die Stellung, die dem Meister und Herrn gebührt. Ich denke gern an meinen Herrn Jesus, wie er die Mitte des Kreises einnimmt, wenn er seine Brüder besucht. Ich liebe den Namen Calvin, aber ich stelle ihn mir immer auf einer Seite des Zimmers sitzend vor; und ich liebe den Namen Wesley, aber ich stelle ihn mir vor, wie er einen anderen Seitenplatz in der Versammlung einnimmt. Es gibt viele Prediger in der Kirche, aber keiner von ihnen ist in der Mitte des Familienkreises der Erlösten. Der Herr allein ist da, der Mittelpunkt aller Herzen. Andere sind gegenwärtig und sie scheinen in verschiedenartigem Licht, aber er ist die Sonne, der Mittelpunkt und Beherrscher seines Kirchensystems. Heute Morgen, wo ich zu euch spreche, stehe ich äußerlich in eurer Mitte, aber ohne Zweifel stimmt mein Predigen nicht mit den Erfahrungen und Gefühlen aller Gegenwärtigen überein, ich muss auf der Seite stehen; aber wenn mein Herr sich euch offenbart, so bin ich gewiss, wir werden ihm alle den ersten Platz geben, er wird der Mittelpunkt all unserer Liebe und Wonne sein. Ich möchte euch nicht den Vorrang einräumen, Brüder, in meinem Wunsch, den Herrn zu ehren, als den, den meine Seele vor allen anderen liebt, und ich bin gewiss, was auch sonst euer Zustand sein mag, ihr stimmt alle darin überein, ihn zu erheben, und seid alle froh, in dieselbe Richtung zu blicken, nämlich auf ihn allein. Obwohl eure Ansichten mitunter verschieden sein mögen, doch sind eure Ansichten von Jesus alle dieselben und die Beste Liebe eurer Herzen vereinigt sich in ihm. Wohlan denn, wenn er diesen Morgen hier ist, werden wir alle finden, dass wir einen gemeinsamen Sammelpunkt in ihm haben, dass unsere Zuversicht in ihm ruht, unsere Hingebung an ihn ist, dass wir ihm angehören und er uns gehört, und wir die Glücklichsten unter den Glücklichsten sind, weil er uns alle um sein liebevolles Herz versammelt.
Wenn er in unserer Mitte steht, so ist das Nächste, dass er spricht, und sein Wort ist: „Friede sei mit euch.“ Die Gegenwart Christi heute morgen wird angekündigt werden, indem er ein tiefes Gefühl von Frieden verleiht. Ihr werdet nicht im Stande sein, einer dem anderen zu sagen, warum ihr solche tiefe Ruhe fühlt, aber es wird euch lebendig vor die Seele treten, dass Jesus euch liebte, ehe der Welt Grund gelegt war, dass euer Name in seine Hände gezeichnet ist, dass er euch mit seinem kostbaren Blut erkauft hat, dass ihr ihm nahe und ihm lieb seid und dass, wo er ist, ihr auch sein sollt; und eure Seelen werden fühlen, als wenn sie mehr als zufrieden wären. Eure Empfindung wird die des Psalmisten sein, als er sprach: „Meine Seele ist wie ein entwöhntes Kind.“ (Ps. 131,2, engl. Üb.). Es ist eine frohe Stunde, wenn wir nichts mehr bedürfen, sondern voll sind von der Fülle Gottes; wenn wir von Herzen sagen können: „Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ Sorgen sind vergangen, Wonne ist gekommen, die Sehnsucht ist befriedigt und die Wünsche schlafen an seiner Brust ein, wenn Jesus gegenwärtig ist. Kein Kriegston ist im Lager, keine Stimme derer, die da trauern, die Zeit für das Singen der Vögel ist gekommen und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.
Nachdem wir bemerkt haben, dass unser Herr gesprochen hat, finden wir zunächst, dass er zeigte - sich selber seinen Jüngern zeigte. Jesus kam nicht in ihre Mitte, um ihnen einen neuen Gedanken zu zeigen, eine philosophische Entdeckung oder auch eine tiefe Lehre oder ein tiefsinniges Geheimnis, oder überhaupt irgend etwas Anderes als sich selbst. Er war ein heiliger Egoist an diesem Tage, denn was er sprach, war über sich selbst, und was er offenbarte, war er selber. Welch ein Anblick war dies für die Jünger! Sie sahen den wirklichen Christus. Sie hatten ihn vorher drei Jahre lang gesehen, aber nicht als einen, der tot gewesen und durch das Grab gegangen war; aber jetzt stand er vor ihnen als der Erstgeborene von den Toten. Das Augenfälligste, was er an sich zeigte, waren seine Wunden - seine Hände, seine Füße, seine Seite. O, wenn mein Herr hier heute Morgen gegenwärtig ist, so wird der Hauptgegenstand, den der Glaube schaut, er selber sein; und das am meisten in die Augen Fallende an ihm selber werden die Merkmale seiner Leiden sein. Die Seele kann keinen seligeren Gegenstand betrachten als die Wunden Jesu - die Quellen der Erlösung, die Türen des ewigen Lebens, Brunnen der Hoffnung, Siegel des Himmels. Blick, ihr Heiligen, jetzt auf euren gekreuzigten Heiland! So weit er euch dazu befähigt, kommt nahe zu ihm, legt eure Finger in die Nägelmale und sprecht: „Mein Herr und mein Gott!“ Diese seine heiligen Narben sind die sicheren Zeichen, dass die Sünde vergeben ist, die Strafe von dem Stellvertreter getragen und die Seele auf immer aus ihrer Sklaverei befreit ist. Dies ist es, was Jesus tut, wenn er im Geiste zu uns kommt; er wird uns teurer als je, durch vollere und noch gnädigere Erfüllungen seiner Liebe, so dass wir erkennen und glauben die Liebe, die er für uns hat.
Indem er dies tut, öffnet unser Herr uns die Schrift. Er tat dies bei den Elfen. Jesu Christi Gegenwart wird immer von den Seinen erkannt an dem Werte und der Schönheit, den sie der Schrift zu solchen Zeiten beilegen. Die Bibel ist ein Buch im Dunkeln und ein anderes Buch im Licht. Nehmt ihr nicht zuweilen die Schrift in die Hand und fühlt, wenn ihr sie lest, dass es dem Lesen jedes anderen Buchs gleicht, nur dass es eine Verantwortlichkeit einschließt, die ein anderes Buch nicht mit sich führt? Zu solchen Zeiten findet ihr keine Süßigkeit in ihr, eher Bitterkeit. Aber wenn Jesus das Buch nimmt, so löst er dessen sieben Siegel und sein Finger erleuchtet jede Zeile und heißt euch, wenn ihr wollt, durch das Mal in seiner Hand sehen und die Verheißungen so lesen. Ah! Wie sie glühen und glänzen! Dann spricht das Buch mit euch, und ihr nehmt wahr, dass seine Stimme die eures Seelenfreundes selber ist. Es ist Leben in dem Wort, weil Christus da ist, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, und er selber ist der ewige Logos, das wahrhaftige Wort Gottes. Ja, Jesu Christi Gegenwart lehrt nie einen Menschen, die Schrift zu verachten und nach dem inneren Licht zu suchen oder nach persönlicher Offenbarung, denn vieles von dem, was als eine besondere Offenbarung angesehen wird, ist das Kind des Aberglaubens und der Einbildung, wohingegen wir in der Schrift das feste Wort des Zeugnisses haben. Je mehr Licht ein Mensch unmittelbar vom Geiste hat, desto mehr schätzt er das Licht des Geistes in dem Wort, und je wahrer seine Gemeinschaft mit dem unsichtbaren Christus ist, desto mehr freut er sich an der Wahrheit, wie sie auf den Blättern des von Gott eingegebenen Buchs geoffenbart ist. Mögen wir Christi Gegenwart an diesem Zeichen und Anzeichen heute Morgen erkennen.
Liebe Freunde, mit der Gegenwart des Herrn unter seinen Nachfolgern an jenem Tage war noch eine Eigentümlichkeit verbunden, diese, dass sie all ihre Furcht vergaßen. Wie er ihnen Frieden mit Gott gegeben hatte, so nimmt er nun alle Furcht vor den Juden hinweg und jede andere Furcht, die sie bekümmert hatte. Sie waren zuerst erschreckt worden, sie meinten, er sei ein Geist; aber nun, da sie sich um ihn sammelten und sahen, dass er mit ihnen aß, da sammelten sie sich um ihn wie die Schafe um den Hirten und fühlten sich heimisch. Ich bin sicher, als sie in ihre Häuser zurückgingen, hatten sie keine Furcht vor den Juden, wie sie durch die mitternächtlichen Straßen gingen und als sie ihre Türen erreichten, fühlten sie sich freudig und leicht ums Herz. Wie auch ihre Vermögensumstände gewesen sein mögen, sie hatten keine Sorge mehr, denn sie hatten den Herrn gesehen. Jesu Christi Gegenwart wird heute von euch erkannt werden an dem Vergessen eurer Sorgen. Es ist eine Stelle im Salomo, wo es heißt: „Gebt starkes Getränk denen, die umkommen sollen und den Wein den betrübten Seelen, dass sie trinken und ihres Elends vergessen und ihres Unglücks nicht mehr gedenken.“ Die Liebe Jesu ist dieses gesegnete starke Getränk; seine Gegenwart ist der Wein, wenn jemand davon trinken will, so wird er seines Elends vergessen und seines Unglücks nicht mehr gedenken. Wenn Jesus Christus den Niedergeschlagenen nur den würzigen Wein seiner Granatäpfel gibt, indem er ihn seine Nähe fühlen lässt und seine Liebe; wenn er ihm nur das Bewusstsein gibt, dass des Erlösers Persönlichkeit kein Wahnbild ist, sondern ein gegenwärtiger Freund und Helfer, dann wird er, welche Trübsal es auch sein mag, sie leicht tragen, denn sein Kreuz wird aufhören, eine Last zu sein, und der Pfad unter des Pilgers Füßen wird eben werden.
Brüder, wir können der leiblichen Gegenwart Christi uns noch nicht erfreuen, aber ich habe euch schon gezeigt, dass wir aller Segnungen, welche seine körperliche Gegenwart uns verleihen könnte, teilhaftig werden können, wenn unser Herr geistlich in derselben Weise uns heute nahe ist.
III.
Nun drittens, die Gegenwart Christi erregte bei seinen Jüngern verschiedene Empfindungen. Diese Empfindungen können durch seine geistliche Gegenwart eben so leicht erregt werden.
Zuerst waren sie entsetzt, denn sie hielten ihn für einen Geist. Es ist ein trauriges Zeichen von der verderbten Natur des Menschen und seiner großen Fleischlichkeit, dass die Gegenwart eines Geistes ihm Schrecken verursacht. Wenn wir geistlicher wären, als wir es sind, würden wir es nicht fürchten, Wesen unserer eigenen Gattung anzutreffen, sondern würden uns freuen, an die Gegenwart entkörperter Geister zu denken und froh sein, mit ihnen Verkehr zu haben. Weil die Jünger ungeistlich waren, erschraken sie, und als der Schreck sich ein wenig legte, sprach Jesus zu ihnen: „Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in eure Herzen?“ Ich denke, sie fingen an, ihres schlechten Betragens gegen ihren Meister zu gedenken, und das Gewissen machte, dass sie zitterten. Markus erzählt uns auch, dass er ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit schalt; in sanften Worten hielt er es ihnen vor, dass sie so ungläubig gewesen, und dies muss auch traurige Gedanken in ihnen erweckt haben. Zu gleicher Zeit zweifeln sie, ob es der auferstandene Heiland sein könne, und als sie durch unwidersprechliche Zeichen überzeugt waren, freuten sie sich sehr und beinahe in demselben Augenblick blendete gerade die Lebhaftigkeit ihrer Freude sie in einen anderen Zweifel hinein. Wie ein Pendel schwangen sie zwischen Freude und Unglauben hin und her. Nachdem der Zweifel vergangen, freuten sie sich, und dann kam die Verwunderung und dann wieder Zweifel, so dass sie kaum wussten, wo sie waren, so groß war ihre Aufregung. Johannes gibt, wie ihr bemerken werdet, einen sehr ruhigen Bericht über das Ganze, denn er betrachtete es mehr vom Standpunkt Christi aus, als von dem der Jünger, und da er so kürzlich das Haupt an seines Meisters Brust gelehnt, war er vielleicht gläubiger als die Übrigen. Die Schilderung des Lukas zeigt uns die widerstreitenden Empfindungen in der Brust der versammelten Brüder, denn Lukas war ein Arzt und gewöhnt, Symptome und Gefühlserscheinungen zu beobachten; er betrachtete es von der menschlichen Seite, und darum gibt er uns eine vollständigere Beschreibung von dem Hin- und Hergeworfen-werden, den Hoffnungen, Befürchtungen, Schmerzen, Fragen und Tröstungen dieser Stunde.
Nun, wir wollen die Elfe verlassen und auf uns selber zurückkommen. Setzt einen Augenblick voraus, unser Herr erschiene wirklich heute Morgen unter uns. Ich will nicht sagen, ich wünsche, er möge es tun, denn wir kennen ihn nicht mehr dem Fleische nach, und es gibt keinen Segen, den seine körperliche Gegenwart uns verleihen könnte, den wir nicht in seiner geistlichen haben; aber wenn er kommen sollte, meine Brüder, wie würde unser Herz zu ihm stehen? Ich hoffe, wir würden nicht entsetzt sein. Ich denke, die meisten von uns, die an ihn glauben, würden eher vor Freuden außer sich sein, als vor Schreck, aber ich bin gewiss, wir alle würden mit der tiefsten Ehrfurcht erfüllt werden. Ihn zu sehen, unseren Meister und Herrn! Würden wir nicht, wie Johannes auf Patmos, zu seinen Füßen als ein Toter fallen? Würde nicht die Seligkeit dieser Erscheinung zu groß für diesen schwachen Körper sein? Auf jeden Fall würden wir andächtig die Knie vor ihm beugen und ehrfurchtsvoll anbeten. Und o, wie wollten wir das Lamm anbeten, das einst erwürget ward! Den teuren, hochgelobten Sohn Gottes, der uns von den Sünden gewaschen hat mit seinem Blut. Brüder, wir würden dies Tabernakel in einen Tempel wandeln und diese heilige Stunde in einen Teil der Ewigkeit des Himmels. Wenn unser Herr nur hierher kommen uns sich uns zeigen wollte, welche überfließende Liebe würde er von uns empfangen! Wie würden unsere Herzen schmelzen, wenn er spräche! Brüder, er ist hier! Lasst uns ihm diese liebende Anbetung jetzt geben. Lasst uns vor ihm niederfallen und mit tiefer Ehrfurcht des Herzens den göttlichen Sohn anbeten. Warum sollte es nicht so sein? Brüder, möge der Heilige Geist uns jetzt in die Tiefen der Andacht leiten.
Ich zweifle nicht, wir würden ein wunderbares Maß von Frieden und Freude empfinden, in dem Gedanken, dass wir endlich bei unserem Herrn wären. Wenn wir nach Hause gingen und unseren Freunden, die nicht hier waren, davon erzählten, würden wir sagen: „Wir haben manche liebliche Sonntage gehabt, aber wir hatten niemals einen Tag des Herrn, wie diesen, denn er, der das A und das O ist, wandelte unter uns und sprach mit uns. Wir vergaßen den Prediger - er ging zurück zu seinem Sitz und stützte sein Haupt vor Entzücken; wir dachten nicht mehr an ihn, denn unser Herr zog alle Aufmerksamkeit an sich. Die Freude, die wir hatten, als wir Jesus sahen, wäre wert, dafür zu sterben.“ Wohlan, liebe Freunde, wir werden unseres Herrn gekreuzigten Leib hier nicht so haben, dass das, was unsere Augen sehen und unsere Ohren hören, uns Frieden gäbe, aber er ist in Wahrheit hier, und alle Tatsachen, die mit seiner Gegenwart verbunden sind und uns rechtmäßige Gründe für Frieden und Freude geben, die haben wir schon, denn er ist gestorben und vertritt uns, und kommt wieder, um uns heim zu nehmen, dahin, wo er ist, und dies sind die Gründe, worauf unser Friede ruht. Wir haben alle die wirkliche Ursache zur Freude, die wir haben würden, wenn der Mann von Nazareth wirklich in unserer Mitte stände; deshalb lasst uns ruhig freudig und ganz in Frieden heute morgen sein. Gott helfe uns, so zu sein!
Gewiss würden auch viele vor tiefer Zerknirschung vergehen in unseres Erlösers Gegenwart. Einige von uns müssten sagen: „Herr und Meister, bist du gekommen, um Rechnung von unserem Haushalten zu verlangen? Wir schämen uns, dir ins Gesicht zu blicken, denn wir haben so wenig für dich getan!“ Da ist einer, der sagen könnte: „Ich bin Jahre lang Mitglied einer Kirche gewesen, aber ich habe weder in der Schule geholfen, auf den Dörfern gepredigt, die Kranken besucht, noch irgend einen Dienst getan. Ich habe das Fette gegessen und von dem Süßen getrunken in des Herrn Hause, und das ist alles, was ich getan habe.“ Brüder, hier, vor dem geistig anwesenden Herrn, könnt ihr dieselben Bekenntnisse ablegen und euch ihrethalben demütigen. Ich wollte, ihr tätet es. Obgleich Jesus nicht hier ist mit jenem teuren Antlitz, das euch milde zurechtweisen würde, doch ist er hier durch seinen Heiligen Geist, um euch sanft an eure vergessenen Verpflichtungen zu erinnern. Bei seinen Wunden und bei seinem blutigen Schweiß bitte ich euch, seid nicht länger müßig, sondern geht hin und arbeitet in seinem Weinberge und hört nicht auf, ehe die Lebensflamme untergeht.
„Ah,“ sagt einer, „wenn unser Herr hier wäre, wollte ich ihm meinen großen Kummer mitteilen und um sein Mitgefühl und seine Hilfe bitten. Ich wollte zu seinen Füßen knien und ihn anflehen, meinen Gatten zu erretten und meinen ungläubigen Sohn zu bekehren.“ Tue dies, Schwester, tue das jetzt, denn er wird dich hören - eben so gewiss, als wenn wir das Rauschen seiner Füße in diesen Gängen hörten. Sein Geist, der dies Verlangen in deine Seele gelegt hat, ist das Pfand seiner Gegenwart. Sende das Gebet hinauf und erwarte den Segen, und deine Erwartung wird nicht getäuscht werden.
Ich höre einen anderen Gläubigen ausrufen: „O, wenn mein Herr hier vor mir stände, würde ich meine frohe Seele in Lob und Preis ausströmen und ihm sagen, wie ich ihn liebe. Ich wollte seine Füße küssen und sie mit meinen Tränen waschen.“ Tue es jetzt, mein Freund, denn obgleich Fleisch und Blut Christi nicht gegenwärtig ist, doch ist Jesus im Geiste hier, und obgleich sein Körper in der Herrlichkeit weilt, werden doch deine Tränen und dein Dank ihn erreichen, und er wird sie annehmen, als wenn er hier dem Leibe nach gegenwärtig wäre. Jetzt, in diesem Augenblick will sein Herz die Empfindungen deiner Seele annehmen, lass sie vor ihm ausströmen, wie der Duft aus den Blumen.
„Ach,“ sagt einer, „wenn ich nur den Herrn sehen könnte, würde ich diese Versammlung heute morgen verlassen in dem Gefühl, dass ich nun ein höheres Leben führen könnte, als ich je vorher gefühlt habe. Ich könnte nicht auf ihn blicken, ohne zu sagen: Du, der du ganz lieblich bist, ich übergebe mich dir, für dich zu leben, für dich zu sterben, und alles, was ich habe, und alles, was ich bin, soll auf immer dein sein.“ Geliebte, tut das ohne Vorbehalt und ohne Heuchelei - jetzt; tut es jetzt, sage ich, denn er wird euch gerade eben so wohl annehmen, nun er aus dem Land der Herrlichkeit da droben herunter blickt, als wenn er von dieser Plattform auf euch herabsähe.
Mich sollte wundern, wie es mit einigen Heuchlern stehen würde, die hier anwesend sind, wenn Christus jetzt käme. O, wie würden sie wünschen, dass sie nie ein Bekenntnis der Religion abgelegt hätten. O Judas, Judas, wie könntest du ertragen, die auferstandene Herrlichkeit dessen zu sehen, den du verrietest? Bist du heute morgen hier, Judas? Und du, schwankender Pilatus, der wusste, was Recht war, aber Unrecht tat, wie willst du vor den Mann treten, an dem du keine Schuld fandest und ihn doch zum Tode verurteiltest? Es mögen manche hier sein, die ihn verachtet haben, die sein Volk geschmäht und sein Evangelium verspottet haben, obgleich Jesus sein Blut für die Menschenkinder vergossen hat. Wohlan, obgleich Jesus hier nicht dem Leibe nach ist, so wird er doch bald in Person kommen, um die Lebendigen und die Toten zu richten; und wenn ihr es nicht wagt, jetzt vor ihm zu stehen, wie wollt ihr dann vor ihm stehen? So spricht der Herr: Bereitet euch auf seine Ankunft, denn siehe, er kommt, das Menschengeschlecht zu richten, und wehe denen, die zu leicht erfunden werden am Tage seiner Erscheinung!
IV.
Das Letzte von allem ist: Jesus Christus ließ einige dauernde Gaben zurück, als er zu seinen Jüngern kam, und diese können auch durch seine geistige Gegenwart unser werden. Eine der köstlichen Gaben, die er ihnen hinterließ, war die, dass ihnen seine Person zu einer wirklichen ward. Die, welche ihn an jenem Tage sahen, dachten hinfort niemals an ihn als an eine bloß geschichtliche Person oder einen Traum oder ein Trugbild. Ihr habt eine große Menge von Geschichten gelesen, aber die Personen der Geschichte haben euch nie als so wirkliche Personen vor Augen gestanden, wie euer Vater und eure Mutter und euer Sohn, aber, den Jüngern muss Christus eine wirkliche Person gewesen sein, denn sie sahen und einige rührten ihn an und legten ihre Finger in seine Nägelmale. Nun ist es sehr wünschenswert, dass wir alle fühlen, dass Jesus Christus, als Gott und Mensch, wirklich ist, und wir können dies heute morgen tun, wenn er kommt und uns mit seiner Gegenwart überschattet. Es sind einige unter uns, denen Christus viel wirklicher und gewisser gewesen ist, als ihr eigenes selbst, denn wir haben kaum gewusst, ob wir in oder außer dem Leibe waren, wenn er uns nahe war, aber wir haben immer gewusst, ob er in dem Leibe oder außer dem Leibe war. Wir haben gefühlt, als wenn Weib und Vater und Mutter Schatten wären, die vergehen würden, aber wir haben das ewige Dasein Christi als Wahrheit empfunden und gewusst, dass er nicht vergehen würde; und so haben wir ihn geistlicherweise weit fester gehalten, als unsere eigenen Blutsverwandten. Das allerwirklichste Ding unter dem Himmel ist für meine Seele der Herr Jesus Christus. Brüder, könnt ihr alle das sagen? Wenn ihr es könnt, dann ist Christus heute morgen euch gegenwärtig gewesen. Ich sage nicht, dass ich immer diese Sprache brauchen kann. Ach! Ach! Wenn mein Herr gegangen ist, dann gibt es keine Kraft, die mich so vollständig zwingt, keinen Eindruck, der mich so gänzlich festgebannt hält, als der Eindruck, den seine Gegenwart hervorbringt in die zwingende Gewalt, die uns aus seiner Liebe fließt, wenn sie in mein Herz ausgegossen ist. Jedes Kind Gottes weiß, dass es so ist, und so ist es klar, dass ihr ohne Christus mit Augen zu sehen, doch diese Gnade erhalten könnt, ihn als wirklich zu empfinden.
„Darnach gab er ihnen allen einen Auftrag; er sprach: 'Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.'“ Er hat niemals seine Hand auf deine Schulter gelegt, mein Bruder, und gesprochen: „Geh und verkündige das Evangelium armen Sündern!“; er hat dich nie, meine Schwester, angerührt, und gesprochen: „Weib, ich habe dich gesandt, deine Gefährten zu mir zu bringen, geh und sage ihnen von meiner Liebe!“ Nein, aber er hat es in Wahrheit getan durch den Auftrag, den er allen seinen Jüngern gab, und er tut es in mächtiger und spezieller Weise durch seinen Geist bei vielen von uns, wenn wir seine Gegenwart empfinden. Wir können nicht zu Christi Füßen niedersitzen, ohne zu fühlen, dass wir für ihn wirken müssen. Ich fordere einen Menschen heraus, in Christi Nähe zu leben und träge zu sein. Unser Herr geht einen raschen Gang, und wenn ihr in seiner Gesellschaft bleiben wollt, müsst ihr mit ihm Schritt halten; aber wenn ihr zögert und zaudert und eure Zeit verliert, so wird Christus vorausgehen und euch allein lassen. Ich bitte ihn, heute morgen einigen von euch Aufträge zu geben. Ich versuchte letzten Sonntag Morgen, junge Helden für Christus aufzurufen; ich weiß nicht, ob der Herr sie durch mich aufgerufen hat oder nicht, aber ich möchte, Jesus täte es. Wenn er heute erschiene, der Gekreuzigte, mit dem Angesicht, entstellter als das anderer Menschenkinder, mit durchbohrten Händen, mit der Seite, die durch die tiefen Stiche geöffnet ist - wenn er persönlich mit jedem von uns sprechen könnte, und sagen: „Mein Sohn, meine Tochter, gehe hin und diene mir von diesem Tage an, bis dass ich komme!“, mit welcher Ausdauer würden wir hingehen in seinem Dienst, selbst wenn es an die Enden der Erde wäre.
Die letzte Gabe, welche er ihnen verlieh, war diese, er blies sie an. Sein Odem war der Geist Gottes. Dies war der erste Tropfen des Geistesregens, der nachher so reichlich am Pfingstfest fiel. Er hauchte sie an, und obgleich sie nicht die Fülle des Geistes dadurch empfingen, so erhielten sie doch ein gewisses Maß davon und wurden befähigt, ihren Auftrag zu erfüllen. O, dass er jetzt uns mit dem Geiste anhauchte! Nein, wir brauchen nicht darum zu bitten, Geliebte, denn unser Herr hat den Geist ein für alle Mal seinem Volk gegeben. Er hat seine Kirche in den Heiligen Geist und in Feuer getauft, und der Geist bleibt bei uns allezeit, nur müsst ihr an die Macht glauben, welche dieser Geist euch verleiht. O Bruder, o Schwester, ich bitte dich, schätze dich nicht nach deiner Fähigkeit, nach deiner Erfahrung, deinen Kenntnissen und dergleichen, sondern nach jener göttlichen Kraft, die auf dir ruht, wenn du von Gott zum Dienst berufen bist. Was sind die Kräfte in unserem Innern? Sie sind die Schwachheit selber, aber die Kraft von Oben ist die Kraft Gottes. Lege diesen geheimnisvollen Gürtel um, diese göttliche Allmacht, und wenn du ihn zu tragen verstehst, so wirst du „Kriegsvolk zerschmeißen und über die Mauern springen.“ „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet.“ Möge Jesus Christus denn durch seinen Geist hier so unter uns sein, dass Jeder von uns sich bewusst wird, eine frische Salbung heute morgen erhalten zu haben. Möge Gott euch segnen um Jesu willen. Amen.