Schlatter, Adolf - Andachten - Dezember
1. Dezember
Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören.
Matthäus 13,16
Nicht das sagt mir Jesus. Selig ist dein Verstand, weil er begreift, und selig ist deine Phantasie, weil sie dichtet, und selig ist deine Tatkraft, weil sie Erfolge schafft, sondern mein Auge meint er selig, weil es sieht, und mein Ohr, weil es hört. Wenn durch mein Sehen und mein Hören komme ich mit dem in Verkehr, was Gott vollbringt, und werde vor sein Werk gestellt. Es gäbe keine seligen Augen, wenn es nicht etwas wunderbar Großes zu sehen gäbe, und keine seligen Ohren, wenn nicht etwas Herrliches und ewig Wahres zu hören wäre. Ihr, sagte Jesus seinen Jüngern, seht und hört solches, und ich sehe und höre solches jedes Mal, wenn ich mit dem, was von Jesus kommt, in Berührung bin. Gibt es selige Augen, so gibt es auch unselige und neben den seligen Ohren stehen die unseligen, und es ist in der Tat ein unseliger Zustand, wenn sich uns das Wirkliche enthüllt; aber vergeblich, weil wir es nicht sehen. Es ist schon ein Jammer, wenn sich die Natur uns umsonst zeigt, weil wir sie nicht sehen mögen, und die Menschen für uns nicht vorhanden sind, weil wir uns nicht deutlich machen, was mit ihnen geschieht. Aber es ist vollends ein Jammer, wenn uns Gott zu seinen Kindern bringt und zu dem, der uns das Recht zur Kindschaft Gottes gegeben hat, zu seinem einigen Sohn, und uns die Augen fehlen, und wenn das Wort, das aus Gottes Geist geboren ist, uns erreicht und wir kein hörendes Ohr haben. Wenn ich in mir selbst versinke, dann sterben mein Auge und mein Ohr ab, und wie vieles zieht mich in mich selbst hinein, so dass nichts mehr für mich Bedeutung behält als meine eigenen Zustände. Ich soll freilich auch mich selber kennen und das, was in mir hörbar wird, vernehmen. Gott hat aber sein Werk in die Welt hineingestellt und von oben her tritt unser Herr zu uns heran und von außen kommt das Wort zu mir, das mir seinen Willen sagt. Dazu sind mir das Auge und das Ohr gegeben als die offenen Pforten nicht nur für das, was von unten, sondern auch für das, was von oben kommt, und wenn ich sie so habe, dass sie ihr Geschäft besorgen und das zu mir leiten, was Gott uns gab, dann bringen sie mir die Seligkeit.
Es ist Dein Gericht, heiliger Gott, wenn unser Auge stirbt, und deine strafende Hand macht, dass unsere Ohren verriegelt werden. Deine Gnade aber macht das Auge offen und das Ohr wach. Wecke mir das Ohr, dass ich Deinen Ruf höre, und gib mir die erleuchteten Augen, dass ich Dein Heil schaue. Amen.
2. Dezember
Da Jesus solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: „Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast.“ Er aber sprach: „Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“
Lukas 11,27+28
Nach dem Urteil der Frau, die hier spricht, war das mütterliche Glück Marias unbeschreiblich groß. Einen solchen Sohn zu haben, muss, meinte sie, Maria mit dem höchsten Stolz erfüllen. Bewundernd sah sie zu Jesus auf; wie groß ist er! Und der Glanz seiner Größe verklärt auch die, die ihm das Leben gab. Wäre Jesus wie wir, so hätte ihn diese begeisterte Bewunderung erfreut. Wenn das, was wir tun, die anderen entzückt und ihnen die Anerkennung abgewinnt, sehen wir darin einen Erfolg, der unserer Tüchtigkeit gebühre. Jesus macht es anders und stößt die ihm dargebrachte Bewunderung von sich weg, weil sie das, was er begehrte, verhinderte. Er verlangte nach Größerem als nach Bewunderung, nämlich nach Glauben, der sein Wort hört und bewahrt. Wer nach Verwunderung strebt, genießt seine Größe als das ihm bescherte Gut, und wenn es seine süßeste Freude ist, dass er seinen Ruhm seiner Mutter bringen kann, damit auch sie in seinem Glanz strahle, bleibt das, was er für sich selbst erwirbt, sein Ziel. Jesus hat aber nicht das gesucht, was ihn verklärt, sondern sich um uns bemüht, um die, denen er sein Wort gibt, damit sie es hören und bewahren. Ihnen ist damit etwas so Großes zuteil geworden, dass Jesus ihnen seine Seligpreisung gibt. Wenn ich bewundernd zu Jesus aufblicke, so nehme ich den Unterschied zwischen seiner Größe und dem Maß meines eigenen Lebens wahr, und dieser Anblick beschenkt mich mit wonnigen Empfindungen. Den Erhabenen zu kennen, das beugt mich nicht nur, sondern erhebt mich zugleich. Gibt mir aber eine solche Verehrung Jesu mehr als einen Anblick, der mich entzückt? Höre und bewahre Gottes Wort, sagt er mir. Damit hört er nicht auf, über mir als der hoch Erhabene zu stehen, aber er überbrückt durch sein zu mir gesprochenes Wort die Entfernung, die ihn von mir trennt, und beugt sich zu mir, dem Kleinen und Schwachen, herab, und gibt mir das, was ich bedarf, nicht nur Empfindungen, auch nicht nur Worte, die ihn feiern, sondern den Glauben, mit dem ich sein Wort so höre, dass ich es bewahre. Dadurch bringt er alles, was ich bin und tue, unter Gottes Willen und macht aus mir den Täter des göttlichen Worts.
Dein Ruhm soll mir glänzen, Herr Jesus Christus, und vor Deiner Hoheit beuge ich mich. Ich möchte dich aber so ehren, wie Du es haben willst, und so Dir danken, wie es Deiner Gnade entspricht. Ich danke Dir, indem ich Dein Wort empfange und bewahre, durch das Du mich dem Vater gehorsam machst. Amen.
3. Dezember
Niemand kennt den Vater, als der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.
Matthäus 11,27
Habe ich ein Auge für Gottes Wirken? Soweit ich es habe, ist es Jesu Gabe. Ohne ihn wüsste ich nicht, ob ich irgendwo eine Spur von Gott wahrnähme, ob ich mich zur Natur, so mächtig sie von Gott spricht, anders stellte als ein Tierlein, ob ich mich auch bei der Betrachtung der Menschen und ihrer Geschichte irgendwo an Gott erinnern ließe, ob ich nicht mein eigenes Leben einig als mein Werk betrachten und, da diese Betrachtung immer scheitert und undurchführbar bleibt, nicht auch von einem blinden, vielleicht sogar grausamen Schicksal spräche, das mich vielfach gehindert habe. Ja, auch in der Schrift, auch im Neuen Testament würde ich schwerlich Gott erkennen, hätte mich die Wirkung Jesu nicht erfasst. Man kann auch ihn selbst betrachten, ohne Gott wahrzunehmen, und kann auch seiner Geschickte den gottlosen Sinn geben, den die Geschichte dann bekommt, wenn wir in ihr nur die in die Natur hinein gesetzten und von ihr bewegten Menschen sehen. Darin macht uns Jesus die Einzigkeit seiner Sohnschaft Gottes wahrnehmbar, dass er es ist, der uns den Vater zeigt, während da, wo er fehlt, Gott die Züge der Natur oder des Schicksals bekommt oder uns zum Gesetzgeber wird, der uns durch sein heiliges Buch regiert, wie Mohammed ihn gesehen hat. Dagegen den Vater zu erkennen, so dass ich durch ihn und bei ihm bin und für ihn lebe, das gibt uns Jesus allein. Die Einzigkeit seiner Sohnschaft gibt ihm die königliche Vollmacht, die uns alle von seinem Willen abhängig macht. Wenn ich dir den Vater offenbaren will, sagt er mir, dann erkennst du ihn; wenn ich dir dagegen meinen Dienst versage, bleibt er dir unbekannt. Er spricht als der Herr, dem niemand seine Gnade abzwingt. Soll ich mich deshalb vor ihm fürchten? Hier übt die Herrschaft nicht ein eigenwilliger Machthaber, sondern der Sohn, der keinen wegstößt, den der Vater zu ihm führt.
Das ist das ewige Leben, dass wir Dich kennen, allmächtiger Schöpfer und Vollender. Aber, ob wir auch umringt sind von Deinen Werken, erkennen wir Dich doch nicht, bis Du Dich uns im Kreuz Deines Sohnes offenbarst. Dort nimmt Deine gnädige Hand von unseren Augen die Hülle weg, dass wir Deine Liebe schauen, die es uns schenkt, dass wir Deine Kinder heißen. Amen.
4. Dezember
Herr, wer wird wohnen in deiner heiligen Hütte? Wer wird bleiben auf deinem heiligen Berg? Wer ohne Wandel einhergeht und recht tut und redet die Wahrheit von Herzen.
Psalm 15,1+2
Weil es ein Heiligtum bei uns Menschen gibt, müssen wir uns besinnen: Wer hat dort Zutritt? Was gibt mir das Recht, dass ich dorthin gehen kann? So war es in Israel, als das Zelt Gottes bei ihm war. Wer in das Zelt hineingelassen wird, ist verborgen; das Gastrecht schützt ihn und gewährt ihm Anteil am Tisch des Gastfreundes. Als an die Stelle der „Hütte“ der „heilige Berg“ trat mit dem von seinen Mauern umgebenen Gotteshaus, stellte es vor alle Glieder der Gemeinde die Frage: Für wen öffnen sich die Tore? Für wen gibt es eine Stätte an dem für Gott geheiligten Ort? Hätten wir bei uns kein Heiligtum mehr, so wäre diese Frage für uns erledigt. Aber der alte Tempel ist nicht dazu abgebrochen worden, dass es keinen Tempel mehr gebe. Brecht den Tempel ab, sagte Jesus; ich werde ihn neu bauen. Er ist unser Tempel, weil wir bei ihm in Gottes Gegenwart stehen. Darum ist die Frage des Psalms auch unsere Frage, und je herrlicher das Heiligtum und je größer die Gnade ist, die wir dort finden, desto tiefer bewegt uns die Frage: Wer darf auf deinem heiligen Berg bleiben? Und umso seliger ist die Antwort, die uns sagt, dass es einen Zugang zum Heiligtum gibt und eine ebene Bahn uns dorthin führt, die für alle gangbar ist. Wandle redlich, sagt der Psalmist; tue, was gerecht ist, und rede die Wahrheit, indem dein Wort das sagt, was in deinem Herzen ist. Verstellung, Unrecht und Lüge machen dich unwürdig zum Eintritt in das Heiligtum; denn du findest dort den, der die Gerechtigkeit lieb hat und die Wahrheit beschirmt. Ruft nicht Jesus die Sünder? O ja; so war es auch im alten Heiligtum, wo das Feuer des Altars auch für die brannte, die sich versündigt hatten, und ihr Opfer empfing, damit ihnen die Vergebung gewährt werde. Ebenso ist uns Christus dazu gegeben, damit wir die Vergebung empfangen. Die Vergebung macht aber dem Unrechttun ein Ende und führt aus dem Schein und der Lüge heraus in die Wahrheit hinein. An die Redlichkeit unseres Willens ist das Bleiben auf Gottes heiligem Berg gebunden. Wem dieser Wille Gottes nicht gefällt, für den gibt es kein Heiligtum.
Zu Dir rufst Du uns, herrlicher und heiliger Gott, und bereitest uns ein Heiligtum, in dem wir bei Dir sind. Mache Deinen Ruf in uns kräftig, dass er unredliches Wesen und lügenden Schein von uns treibe, damit wir im hochzeitlichen Kleid als Deine festliche Schar in Lauterkeit und Wahrheit Dir dienen. Amen.
5. Dezember
Denn Gottes Zorn vom Himmel wird geoffenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen.
Römer 1,8
Ich muss beides wissen, wann ich Gott gegen mich habe und wann ich ihn für mich habe. Paulus gibt mir über beides klaren Bericht. Wann hat der Mensch Gott gegen sich? Wann offenbart sich an ihm Gottes Zorn in seiner himmlischen Allgewalt, gegen die es keine Schutzwehr gibt? Er offenbart sich über jede Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit. Jede Entehrung Gottes, die ihn missachtet und ihm die dankbare Anbetung versagt, und jeder Bruch des Rechts, der dem Menschen versagt, was ihm gehört, bewirkt, dass Gott mir widersteht. Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit stoßen mich beide in derselben Weise aus Gottes Gnade heraus. Ich verliere sie nicht nur, wenn ich Gott vergesse, sondern auch dann, wenn ich den Menschen entehre. Gottes Zorn schützt den Menschen gegen meine boshafte Gewalttätigkeit. Ich habe aber auch dann Gott gegen mich, wenn ich zwar den Menschen nichts Übles tue und mich gegen sie brav und ehrbar verhalte, aber Gott ausweiche und gottlos bleibe. Gottlos leben heißt für sich selbst leben. Darum hat jeder Gott gegen sich, der nicht nach seinem Willen fragt, sondern nur an sich selber denkt, auch wenn er klug genug ist, um zu begreifen, dass er die anderen nicht verderben darf, da er so auch sich selber schädigte. Paulus lag es sehr daran, dass wir an der für alle gültigen Festigkeit des göttlichen Rechts nicht zweifeln. Er schärft uns ein, dass es keine Gottlosigkeit, worin sie auch bestehen mag, und keine Ungerechtigkeit, von welcher Art sie sei, gebe, bei der wir Gott auf unserer Seite haben. Ausflüchte, die meine Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit entschuldigen, gelten hier nichts, und Hintertüren, durch die ich entwischen und ungestraft gottlos und ungerecht sein könnte, gibt es nicht. Also liegt in meinem Leben Grund genug, dass Gott mir widerstrebt, und jedes Recht, mich aufzulehnen, wenn Er mir entgegentritt, ist mir genommen. Die Wahrheit zwingt mich, ihn zu ehren, auch wenn er mir schwerem Schlag mich trifft. Es ist recht und billig, dass Gott sich jeder Gottlosigkeit und jeder Ungerechtigkeit widersetzt. Eben deshalb, weil es so ist und so sein muss, sagt Paulus, hat Gott seinen Sohn gesandt und deshalb lautet die Botschaft Jesu: glaube mir; dann bist du gerecht.
O Herr, ich preise Deine Gerechtigkeit allein, nicht die meine, keines Menschen Gerechtigkeit. Wer hat Dir Anbetung und Dank gebracht? Wir versuchen es alle, für uns zu leben. Und wer gibt den anderen, was ihnen gebührt? Darum bist Du gerecht, Du allein, gerecht, wenn Du zürnst, und gerecht, wenn Du uns hilfst in deiner göttlich großen Art durch Deinen gekreuzigten Sohn. Amen.
6. Dezember
Sorgt nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet.
Matthäus 6,25
Quält euch nicht mit dem, was ihr zur Erhaltung des Leibes braucht; ist das die Meinung Jesu? Ja. Aber sein Wort sagt uns noch mehr. Die Qual, mit der wir uns ängsten, bis wir die Lebensmittel haben, nimmt uns Jesus ab. Er kann uns aber von der Qual nicht befreien, wenn er nicht unser Begehren stillt. Spricht er von den Sorgen, so sind das nicht nur die bekümmerten Gedanken, die dann entstehen, wenn wir kein Brot und keinen Rock haben oder doch sie nicht so haben, wie wir sie uns wünschen, sondern das sind auch die begehrlichen Gedanken, die gierig nach dem fragen, was wohl auf den Tisch kommen wird und was wir als Schmuck und Ehrenzeichen um uns legen wollen. Die Sorge, von der Jesus spricht, nimmt mit dem Besitz nicht ab, sondern zu; denn sie erfaßt den Menschen mit Gewalt, wenn er in der gottlosen Nacht verweilt. Dass wir die Nahrung und Kleidung bedürfen, das hat Jesus nicht vergessen. Wir bedürfen sie wie die Tiere, die nicht vergeblich nach der Nahrung suchen, weil sie dazu gerüstet sind, sie zu finden wie die Lilien, die mit ihrem herrlichen Gewand das salomonische Prachtkleid verdunkeln. Erwogen werden muss die Frage: was werden wir essen und anziehen? Mit jedem neuen Tag. Sie ist aber nicht mehr der heiße Funke, der unsere Begehrlichkeit in hellen Brand versetzt. Alle unsere Krankheiten heilt Jesus durch dasselbe Mittel. Unsere wilde, nach vielerlei greifende Begehrlichkeit löscht er dadurch aus, dass er uns den Vater zeigt, den gebenden Gott. Mit dem Glauben an ihn versetzt er uns in die Freiheit von der Sorge, sowohl von der, die sich bekümmert und ängstigt, als von der, die lüstern genießt. Mit dem Glauben endet nicht unsere Natürlichkeit und ihr Bedürfnis, endet auch nicht die Arbeit, die unserem Bedürfnis gehorcht; aber die Zerrüttung der Seele endet im Aufblick zum gebenden Gott. Denn nun erscheint, wenn ich mich glaubend an ihn wende, vor meinem Blick sein Reich und seine Gerechtigkeit und gibt meinem Leben das neue, hohe Ziel.
Es ist, Vater, Deine Schöpferhand, die mich des Brot und Kleids bedürftig macht, und ich ehre auch diesen Deinen Willen in froher Dankbarkeit. Du gabst mir, was ich bedarf. Aber alle, die Dich kennen, sollen Dich von Herzen preisen, dass Du uns mehr gibst als nur das, was auch die Vögel und Lilien haben. Jetzt erst in dem, was uns zu Deinen Kindern macht, sehen wir ohne Hüllen Deine Herrlichkeit. Amen.
7. Dezember
Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit.
Matthäus 6,33
Gründlich reinigt Jesus unsere Seele dadurch, dass er das begehrliche Verlangen nach Speise und Kleidung aus ihr vertreibt. Entsteht nun daraus in ihr eine Leere, etwa ein zielloses Brüten, wie es ein buddhistischer Mönch betreibt? Das volle Gegenteil hat statt. Jetzt ist Patz geschaffen für ein Trachten und Wirken von unvergleichlicher Größe. Ist das die Meinung Jesu; statt für deinen Leib zu sorgen, sorgst du nun für deine Seele und strebst nicht mehr nach dem irdischen, sondern nach dem himmlischen Glück? Nein. Er vergleicht nicht zweierlei Glück und zweierlei Eigensucht miteinander, irdisches und himmlisches Glück, sinnliche und fromme Eigensucht, sondern er stellt neben das, was ich bedarf, das, was Gottes Ziel ist, neben das, was ich für mich erstrebe, das, was ich für Gott begehre. Dass Gottes Reich zu uns komme und sich Gottes Gerechtigkeit an uns offenbare, das ist nun das Ziel meines Trachtens. Ist dieses Ziel für uns nicht zu hoch, so dass die doch recht haben, die auch jetzt bei sich selbst stehen bleiben und an ihre himmlische Seligkeit und ihr ewiges Leben denken? Habe ich denn etwas bei Gottes Reich und Gerechtigkeit zu tun? Bin ich nicht nur ihr Empfänger? Gewiss kommt das, was Gottes ist, nicht in meine Hände, so dass ich es zu verwalten hätte wie einen Besitz, der mir gehört. Gottes Reich besteht aber aus Menschen, die Gott lebendig macht, und seine Gerechtigkeit offenbart sich an denen, die die Gerechtigkeit tun.
Dabei kann keiner für sich allein in Gottes Reich leben, keiner für sich allein nach Gottes Gerechtigkeit handeln. Sein Reich führt uns zusammen und seine Gerechtigkeit einigt uns. Nun hat das, was Jesus zum Inhalt meines Trachtens und meiner Arbeit macht, die unerschöpfliche Fülle und den leuchtenden Glanz bekommen. Alles Wirken nach Gottes Willen hat seine Wurzel in unserem Gebet. Nach Gottes Reich trachten heißt um sein Reich bitten, nach Gottes Gerechtigkeit verlangen bedeutet zuerst um sie bitten. Das gibt dem Gebet die nie zu erschöpfende Weite. Ist die Schuld des Menschen um mich her nicht groß? Habe ich nicht Anlass, für sie um Vergebung zu bitten? Geschieht nicht viel Unrecht? Habe ich nicht Anlass, um die Gerechtigkeit zu bitten? Ist der Mensch nicht voll von sich selbst und in seiner Größe ertrunken? Will er nicht regieren und sein eigenes Reich wirken? Habe ich nicht Grund, um Gottes Reich zu bitten? Aber das Gebet des Trägen ist nichtig; ich empfange im Gebet den Willen und das Vermögen zur Tat. Nun sei darauf bedacht, dass wirklich Gottes Reich an dir auch für die anderen sichtbar werde und Gottes Gerechtigkeit, die dem Bösen sieghaft das Ende bereitet, an dir offenbar sei. So wird mein Leben gefüllt, während es unser Sorgen nur mit leerem Tand vollstopft.
Wenn ich auf meine Sorgen lausche, so werden meine Tage leer und mein Leben wird zu Dunst und Rauch. Weil Du Dich aber als den Herrn offenbarst, der uns regiert, und uns Deine Gerechtigkeit zeigst, jubelt meine Seele, singt Dir ein neues Lied und spricht mit dem Psalmisten: Bei Dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen in Deiner Rechten ewiglich. Amen.
8. Dezember
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
Psalm 42,12
Weil du warten musst, Seele, wirst du ungeduldig, nennst das Warten ein peinliches, schweres Geschäft und kannst es doch nicht lassen. Denn was gegenwärtig ist, erfüllt dein Verlangen nicht. In dem, was du bist und hast, kannst du nicht ruhen, nicht in dem, wozu die Natur dich macht, und wenn sie dich noch so gütig beschenkt, und auch nicht in dem, was dir Gottes Gnade gewährt, auch wenn du dich täglich an der seligen Freude nährst, die aus der Nähe Jesu in dich strömt. Du musst warten; denn du bist für die Zukunft geboren und stehst im Werden und nicht am Ziel. Warten ohne Schwanken und Ungewissheit, ruhig warten, wie kann ich dies? Sieh auf Gott! Wenn ich den Blick nicht zu ihm erhebe, wird mein Warten ungeduldig. Ob es kommt, ob es nicht kommt, das, wonach ich mich sehne, darüber gibt es im menschlichen Bereich keine Gewissheit, und wenn die Seele von der Erwartung zum Verzicht und von der Hoffnung zur Furcht hinüberschwankt, dann stöhnt sie und findet ihren Zustand hart. Darum bedarf sie der Mahnung: harre auf Gott! Von dem, was kommt, weißt du eines ganz gewiss: es kommt von Gott und zeigt dir ihn und zeigt dir, wie Er hilft. Darum entsteht das heftigste Schwanken und peinliches Bangen dann, wenn das, was gegenwärtig ist, uns Gott verbirgt und den Blick auf ihn uns verwehrt. Aber auch im tiefsten Dunkel, Seele, ist dies dein Amt und Werk, auf deinen Gott zu warten. Er ist der deine, weil er dich schuf und weil er dich rief. Darum weißt du, was Er ist, Anfänger und Vollender, der Gegenwärtige und der Kommende, das A und das O. Etwas anderes brauchst du nicht als die eine Gewissheit: du wirst sehen, was Er tun wird, und empfangen, was Er dir geben wird. Dann wirst du danken; dann gibt es kein dunkles Schicksal mehr und du hast nicht mehr dich quälende Wünsche in dir und bist nicht mehr eine unruhige Seele. Zeigt dir Gott, was Er tun wird, dann, Seele, bist du satt.
Ich werde Dir danken, Herr, heiliger Gott, und will Dir auch heute schon danken, aus all meiner Unruhe heraus unter allem Druck, der auf mir liegt. Dir, meinem Gott, danke ich. Deinem teueren Wort gehorsam heiße ich Dich meinen Gott, unseren Gott, meinen Vater, unseren Vater. Dass ich so sprechen darf, das ist der erste und letzte, der allermächtigste Grund zum Dank, der mich in Ewigkeit dazu bringen wird, dass ich Dir danken darf. Amen.
9. Dezember
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Johannes 3,30
Dass wir abnehmen, wenn Christus wächst, ist kein Schaden, sondern ganz und vollständig Gewinn. Was wäre aus der Arbeit des Täufers geworden, wenn nicht Jesus nach ihm gekommen und über ihn emporgewachsen wäre? Weil Jesus kam, spricht der Täufer auch noch zu uns und er wirkt in dem Maß auf uns heilsam ein, als Jesus sein Werk an uns tut. Johannes spricht zu uns von der Buße; heilsam wird uns aber die Buße durch Christus. Denn sie hilft mir dadurch, dass sie mir die Vergebung bringt und mich in den Gehorsam des Glaubens stellt. Dies ist aber Jesu Gabe. Vom Himmelreich spricht der Täufer zu uns; doch bliebe dies eine dunkle Hoffnung und nicht viel mehr als ein schöner Traum, wenn wir nicht Jesus kennten. Durch ihn erhält das Wort vom königlichen Wirken Gottes, durch das er uns die Fülle seiner Gnade gibt, den verständlichen Sinn und die erfassbare Wirklichkeit. Wie von seinem Werk gilt das Wort des Täufers auch von unserem Werk und es ist immer falsch, wenn wir es mit einem schmerzhaften lang wiederholen: leider muss ich abnehmen, obwohl ich so gern groß geblieben wäre. Es muss so sein, sagt der Täufer; das ist eine göttliche Notwendigkeit und gegen diese murrt man nicht und sträubt man sich nicht. Was sein muss, soll ich nicht mit halbem Herzen, sondern mit ganzem Willen wollen. Es kann freilich im Lebenslauf eines Menschen begründet sein, dass ich für ihn große Bedeutung erhalten habe, weil mein Wort das war, wodurch Gott ihn begnadete, mein Glaube ihn zum Glauben und meine Buße ihn zur Buße bewog. Daraus kann große Dankbarkeit erwachsen; aber immer behält es die göttlich begründete Notwendigkeit, dass ich abnehme und Christus wachse und ich immer weniger für den anderen bedeute, weil er immer freier von mir wird und immer selbstständiger und reifer mit eigenem Glauben an Gott hängt. Bliebe ich für ihn groß, das wäre niemals Gewinn, im Gegenteil, schwerste Schädigung; denn das wäre Schuld. Es ist eine göttliche Notwendigkeit, dass wir alle mit unserem Dienst verschwinden, auch Augustin und Luther und Calvin, und niemand groß bleibe als der, der von oben kam und darum der Herr über alle ist.
Dich, Herr Christus, dessen Wort nicht verwelkt, dessen Gnade nicht ermattet, dessen Leben nicht veraltet, preise ich mit froher Danksagung. Immer heller machst Du uns Dein Wort, immer größer Deine Gemeinde, immer mehr gerüstet zu Deinem Dienst. Widersteh in Deiner Heilandsmacht all unserer Eigenheit, die selber wachsen und groß bleiben will. Zerbrich Du sie, so sei Dir Lob und Dank gesagt; so wirst Du groß. Amen.
10. Dezember
Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitest, was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?
Psalm 8,4+5
Wir staunen über den Himmel. Was umfassen diese Unendlichkeiten? Was sind alle diese leuchtenden Welten? Was ist das Ziel dieser gewaltigen Bewegung, die sie hindurch durch den Weltenraum trägt? Auch der Psalmist staunt über die Himmel und den Mond und die Sterne, und wir staunen umso mehr, je mehr wir vom Himmel wissen. Aber der Psalmist sieht mit staunender Bewunderung auch auf den Menschen und auch dieser Grund zum Erstaunen wird niemals entkräftet. Was dünkt ihn am Menschen wunderbar? Gott denkt an ihn, Gott kümmert sich um ihn, Gott sucht ihn mit seiner Gnade heim. Wenden wir vom weiten Weltenraum den Blick zum Menschen hinüber, so sieht es aus, als sei er nichts. Seine Maße verschwinden neben dem, was uns die Himmel zeigen, auch das Maß seiner Lebenszeit. Neben der langgedehnten Zeit der Himmelskörper ist er ein kurzlebiges Wesen, das nur für einen Augenblick besteht, und auch sein geistiger Besitz reicht bei weitem nicht aus, um das Weltall zu erfassen. Allein nicht das bringt den Psalmisten ins Staunen, dass der Mensch so klein ist. Er erdichtet sich nicht ein anderes Menschenwesen, als er hat. Nun aber geschieht das Erstaunliche: Gott sieht auf ihn, ist für ihn gegenwärtig und hat ihn lieb. Dass sich der Schöpfer des Himmels mit dem Menschen beschäftigt, das ist das erstaunliche Wunder. Soll ich aus dem Staunen den Zweifel machen und sagen: ich mag nicht staunen, sondern will begreifen und lösche, was ich nicht begreifen kann, aus meinem Sehfeld aus? Wer sich dem widersetzt, was sich ihm wirklich zeigt, zerbricht die Grundlagen seines Lebens. Ich weiß, dass Gott an mich denkt; denn ich denke an ihn. Ich könnte nicht an ihn denken, dächte er nicht an mich. Man kann Gott nicht kennen, wenn man nicht von ihm gekannt ist. Ich weiß auch, dass mich Gott mit seiner Gnade heimsucht. Nähme ich es nicht in meinem eigenen Leben wahr, so sehe ich es an Jesus. Daraus entsteht freilich das tiefe Staunen und die Frage: was ist der Mensch? Bekommt einen mächtigen Klang, aber auch die deutliche, voll zureichende Antwort. Was ist der Mensch? Das, was Gottes Gnade aus ihm macht.
Vor Dich trete, Vater, alles, was Fleisch ist, und bete Dich an, Dich allein und keine andere Macht im Himmel und auf Erden. Dich soll jeder, der Mensch ist, anbeten, weil Du an ihm das Wunder tust, das Gott mit dem Menschen vereint. Dich soll jeder anbeten, dem Jesus begegnet ist, der das Wunder vollbrachte, das Gott mit dem Menschen versöhnt. Amen.
11. Dezember
Johannes antwortete und sprach: „Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel.“
Johannes 3,27
Nehmen und empfangen darf ich unbeschreiblich viel, darf aus seiner Fülle Gnade um Gnade nehmen und dies so, wie ich es für jeden Tag bedarf. Ich brauche nicht zu verdursten, sondern darf kommen und trinken, muss mich nicht dem Tod überlassen, sondern darf kommen und trinken, muss mich nicht dem Tod überlassen, sondern darf das Brot des Lebens holen, brauche nicht töricht zu verfahren, sondern darf um Weisheit bitten. Aber nehmen kann ich nur, was mir gegeben wird. Ohne göttliches Geben gibt es kein menschliches Nehmen. Wir Menschen meinen es anders und bilden uns ein, unsere gierigen Griffe reichten aus, um uns reich zu machen. So greifen wir mit raffenden Händen in die Natur hinein in der Meinung, es brauche nur unser Nehmen, so müsse sie uns ihre Ernten spenden. Aber mit diesem wilden Greifen füllen wir unsere Hände nur mit Sand. „Eine Hand voller Sand“, das gewinne ich, wenn ich nehme, was mir nicht gegeben ist. Im inwendigen Leben bereiten wir uns dieselbe Not. „Ich brauche, ich will, ich beanspruche, ich nehme mir“, wie oft gerät unsere Seele in diese Bahn, und doch führt sie hier ebenso wenig zum Ziel wie im Bereich der Natur. Kein Grübeln hilft mir; die Erkenntnis kommt als Geschenk. Kein Klagen wendet die Not; die Hilfe wird geschenkt. Keine Angst vor dem Sterben scheucht es weg; das Leben kommt, weil es mir gegeben ist. Nun aber, wenn die göttliche Gabe dich besucht, und nimm, nun gib deiner Hand Kraft, dass sie greife, und Festigkeit, dass sie bewahre. Wenn Gott spricht, nun höre. Wenn Gott dir dein Werk zeigt, dann steh. Wenn Gott dir seine Gnade gibt, dann handle. Dazu gibt Gott, dass du nimmst. Er gab aber nicht deshalb, weil du nimmst oder nehmen möchtest. Darin, dass wir das haben, was wir empfingen, und nichts anderes bekommen, als was uns gegeben wird, ist Gott offenbar.
Bessere, Herr, Gott, alle meine Sinne, dass sie achthaben auf Deine uns begabende Hand. Mach wach mein Ohr, dass es Dein Wort höre, mach mein Inwendiges offen, dass es die Gaben Deiner Gnade empfange, mach meinen Willen beweglich, dass er der Weisung Deines Geistes gehorche. So führst Du mich in den seligen Stand, in dem ich nehmen darf, was Du mir gibst. Amen.
12. Dezember
Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht dessen, das man hofft, und nicht zweifeln an dem, das man nicht sieht.
Hebräer 11,1
Das Glauben und das Hoffen sind untrennbar verbunden und doch ist es noch ein großer Schritt, der uns vom Hoffen hinüber in den Glauben führt. Was mir Gottes Gnade gibt, hat im Maß des Lebens, das uns die Natur gewährt, noch nicht Raum. Die Gerechtigkeit, die mir die Gnade gibt, ist die eines Sünders, der unter dem Zwang steht, mit dem die Natur das falsche Begehren in mir erweckt, und das Leben, das mir die Gnade gibt, ist das Leben eines Sterbenden. Jeder Blick auf Jesus wendet mein Antlitz nach vorn der Zukunft zu. Ich nenne ihn den Christus, den Herrn über alles; das ist die große Hoffnung, die alles überragt, was die Gegenwart mir zeigt. Ich nenne ihn den Auferstandenen, der uns zur Auferstehung führt, und damit hat er mir die Hoffnung geschenkt. Es ist ein köstliches Ding, hoffen zu dürfen, und ich will die göttliche Gnade nicht geringschätzen, die mir die Hoffnung schenkt, und nicht murren, weil ich auf sie warten muss. Indem Jesus mich zum Hoffenden macht, erfahre ich bereits, dass er mein Versöhner ist und mich in Gottes Vergebung gestellt hat. Ich kann aber nicht nur in der Zukunft leben. Mit drängendem Anspruch packt mich, was gegenwärtig ist, und lässt mich nicht nur auf das warten, was noch nicht gesehen wird. Das Sichtbare ist mir dazu gezeigt, damit ich es sehe, und es fordert mit heiliger Verpflichtung von mir die Tat. Nun muss ich den Schritt tun, der mich vom Hoffen zum Glauben hinüberführt, und ich tue diesen Schritt dann, wenn ich die Hoffnung auch im Verkehr mit dem, was gegenwärtig ist, bewahre und mir das, was nicht sichtbar ist, gewiss bleibt, auch wenn ich mich im Sichtbaren bewege. Ich glaube nicht, wenn meine Hoffnung über der Gegenwart schwebt und mir nicht jetzt mein Wollen und Handeln gibt. Dann mache ich aus ihr ein müßiges Spiel, einen erquickenden und tröstenden Traum. Das ist der Unglaube, der die Seele zerreißt und den Willen spaltet. Stehen beim Gehofften, gewiss sein dessen, was nicht sichtbar ist, das ist der Glaube. Dass ich innerhalb dieser Welt in Gottes Reich lebe, in meinem natürlichen Zustand der Sünde gestorben bin, und als der zum Leben Berufene krank bin und sterbe, das heißt gläubig sein. Ich bin es nicht, wenn ich zwar hoffe, einst werde die Welt Gott untertan, jetzt aber mich so verhalte, als sei sie die Beute meiner Eigensucht, wenn ich auf Gottes kommendes Gericht warte, jetzt aber so handle, wie es meine Lust mir rät, wenn ich auf das kommende Leben mich freue, jetzt aber im Leiden und im Glück mich so benehme wie die, die sagen, sie müssten die Rosen pflücken, weil sie blühen. Dieser Riss ist tödlich; denn er ist Sünde, weil er die göttliche Gabe missachtet. Gott ist nicht nur der Kommende, sondern auch der Gegenwärtige. Darum gibt mir seine Verheißung, wenn ich sie mit redlichem Willen fasse, die Hoffnung so, dass sie mich gläubig macht.
Es ist, Herr, Gott, meine selige Hoffnung, dass ich Dich einst anbeten darf; so will ich Dich auch jetzt ehren. Ich hoffe, dass ich Dich einst von Angesicht zu Angesicht erkennen darf; so will ich auch jetzt vor Dir wandeln. Ich hoffe, dass ich einst von allem Bösen frei in reiner Gerechtigkeit Dir dienen darf; so will ich auch jetzt das hassen, was Dein Gebot verwirft. Dies ist meine Bitte. Erhöre sie nach Deiner Barmherzigkeit. Amen.
13. Dezember
Dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dieneten ohne Furcht unser Leben lang.
Lukas 1,74
Feinde haben ist ein bitteres Los und Feinde hatte Israel, als Jesus geboren wurde, in Menge. Es war nicht unverschuldete Feindschaft; nun aber war sie mit allen ihren bitteren Folgen da. Durch die Völker flutete ein Strom von Hass, der auf die Judenschaft Verachtung türmte. In Jerusalem hatte der König eine Zwingburg mit hochragenden Türmen gebaut, sein Schutz vor dem im Volk gegen ihn tobenden Hass. Die Priesterschaft war in wild gegeneinander kämpfende Parteien zerrissen und die Spaltung entzweite das ganze Volk. So hatte jedermann Feinde in Menge. Was wendet die Not und befreit von den Feinden? „Wir sind erlöst aus der Hand unserer Feinde“, jubelt Zacharias. Denn nun ist Christus bei uns. Die Schmach ist vergangen; Christus ist unsere Ehre. Der Hass ist ausgelöscht; wo Christus ist, stirbt der Hass. Das Rauben und Verderben hat ein Ende; wo Christus ist, verkriecht sich das in uns hausende Raubtier, das gierige und unersättliche, das plündern und morden will. Nun können wir Gott dienen ohne Furcht. Mit bebendem Herzen Gott dienen ist noch kein würdiger Gottesdienst. Die Furcht zwingt unseren Blick, dass er nach dem Fein spähe und auf die bedrohenden Gefahren achte. Wie sollen wir in solcher Lage Gott mit ganzem Herzen dienen, wie es fertig bringen, dass sein Dienst unseren Blick zu ihm emporhebt? Nun ist aber Christus da. Das macht unseren Blick von jedem Zwang los und das Herz von jeder Teilung frei. Nun beten wir Gott mit ganzem Herzen an. Dir Furcht treibt in die Heimlichkeit; sie darf nicht laut reden; sonst erweckt sie den Widerspruch. Nun aber ist Christus da. Jetzt schallen unsere Lieder und wir preisen Gottes Namen laut.
Die gefährlichen Feinde, o Jesus, sind in mir selbst daheim. Dein Werk ist es, dass ich dennoch ohne Furcht Gott dienen darf mein Leben lang, ohne Furcht vor meinem Fall; denn Du heilst; ohne Furcht vor meiner Schuld; denn Du versöhnst; ohne Furcht vor meinen schwankenden Gedanken; denn Du schaffst Glauben; ohne Furcht vor meiner lieblosen Eigensucht; denn Du erweckst die Liebe. Ohne Furcht Gott dienen dürfen, Herr, das ist Dein Heilandswerk. Amen.
14. Dezember
Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet. Denn ich achte es alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet und achte es für Spreu, damit ich Christus gewinne und in Ihm erfunden werde, zu erkennen Ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, dass ich seinem Tod ähnlich werde, damit ich entgegenkomme zur Auferstehung der Toten.
Philipper 3,7–11
Nicht Wertloses hielt Paulus für Spreu, sondern das, was ihn früher als höchsten Wert kräftig bewegte und ihn zum Eiferer machte, weil seine ganze Seele daran hing. Nicht Gottlosigkeit vergleicht er mit seinem Christenstand, sondern seine Frömmigkeit stellt er neben das, was er an Jesus sah. Er hatte in seinem früheren Leben Sünde, aber auch aufrichtigen, willensstarken Gottesdienst und beides war untrennbar miteinander verwachsen. Darum verzichtet er jetzt auf alles, was er einst war, und richtet nicht nur reuig seine damalige Feindschaft gegen Jesus, sondern vergräbt seinen ganzen früheren Gottesdienst. So groß wurde für ihn Jesus, so neu und herrlich Gottes Offenbarung in ihm. Durch seinen neuen Weg bekam er nicht viele Ziele, sondern nur eines, das, dass er Christus kennen lerne. Neben diesem Verlangen erstarb in ihm jedes andere Begehren. Man kennt ihn an dem, was er tut. Wenn Paulus von der Erkenntnis Jesu sprach, so dachte er nicht an Theorien über Christus. Er hat seine Frömmigkeit, die ihn zum Täter des Gesetzes machte, nicht deshalb weggeworfen, um ein theologischer Spekulant zu werden. Sein Christus war kein Gegenstand für unsere Theoriebildung, sondern der regierende Herr, der dadurch erkannt wird, dass er seine Herrschaft über und zur Vollendung bringt. Aber auch nicht einzig daran hat Paulus bei seinem Verlangen gedacht, dass Christus die Herrlichkeit des ewigen Lebens hat und gibt, sondern er sah auch in seinem Kreuz einen noch nicht ausgeschöpften Segensquell. Auch dieses hat eine Tiefe in sich, in die Paulus noch nicht eingedrungen ist, weil er noch nicht die ganze Macht des Kreuzes Christi Jesu an sich selber und am Weltbestand vor Augen hat. Der Sünde abgestorben sein, die Unterstellung des Fleisches unter das es beseitigende Urteil Gottes, für die Welt gekreuzigt sein, das waren Worte, die höher waren als der heutige Tag und größer als unsere Erfahrung. Sie sprachen von dem, was die Fülle der göttlichen Gnade zum Ziele Gottes macht. Über dem Sterben erscheint aber an Jesus der Glanz des Lebens; und was es bedeutet, dass er auferstanden ist, und wie er uns die Auferstehung bereitet, das enthüllt erst der kommende Tag. Daher hatte Paulus kein anderes Anliegen als das, dass Christus sich ihm so zeige, wie er in der Macht seines Kreuzes und in der Herrlichkeit seines Lebens Gottes Willen vollbringt.
Was Du, Herr Jesus Christus, uns gabst, ist das Himmelreich mit allen seinen Gütern und Gaben. Wir haben aber das Ganze und Ewige noch nicht in unserer Erfahrung vor unseren Augen. Wir spüren die richtende Macht Deines Todes und danken Dir dafür, tragen aber noch das Bild des irdenen Menschen. Wir spüren die Leben schaffende Kraft Deiner Auferstehung; denn sie gibt uns die lebendige Hoffnung und wir danken Dir dafür. Aber wir stehen noch in der Knechtschaft der Vergänglichkeit. Führe uns, o Jesus, ein in Dein vollendetes Reich. Amen.
15. Dezember
Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christus Jesus ergriffen bin.
Philipper 3,12
Als Jesus seinen Verfolger rief, begann Paulus einen Lauf, für den er seine ganze Kraft verwendete. Sein Lauf hat ihn weit bis nach Rom geführt, aber auch dort noch nicht an das Ziel gebracht. Er dachte bei diesem Urteil nicht nur an seine Arbeit, dass sie weit hinter dem zurückblieb, was seine Liebe begehrte, sondern auch an seinen eigenen Christenstand. Sein eigener Anteil an der Gnade Jesu war auch jetzt noch am Ende seines Lebens das Ziel, nach dem er sich mit allem, was er ist und kann, verlangend streckt. Denn er hing seine Arbeit nicht nur von außen an sein Christenleben an, als bliebe sie innerlich seinem eigensten Wollen fremd. Sein Werk war ganz eins mit Ihm. Unvollendete Arbeit ist unvollendetes Leben. Ist sein Dienst noch nicht ans Ziel gelangt, so heißt das, er selbst ist noch nicht am Ziel. Es gab für Paulus keinen vollendeten Besitz des Heils, ohne dass der Dienst vollendet wird. Damit gab er die Haltung des Glaubenden nicht auf, im Gegenteil, weil er der Glaubende ist, denkt er so, strebt er so, läuft er so, als der, der noch nicht fertig ist. Denn als Glaubender hat er sein Leben in die Hand seines Herrn gelegt und nicht in sich selbst gesucht. Darum bedarf er zum Eingang in sein Reich das Urteil des Herrn über seinen Dienst und dieses steht noch vor ihm und hängt von der Vollendung seines Werkes ab. Es reicht nicht aus, dass er einst den Glauben gehabt hat. Jetzt muss er ihn haben und morgen und er kann ihn nicht haben, wenn er seinen Lauf einstellt und seinen Dienst preisgibt. Er rechnete darauf, dass sein Verhalten der Christenheit seltsam scheine und unverständlich bleibe. Die entgegengesetzte Betrachtung des Lebens liegt uns so nah. Indem wir zum Glauben gelangten, ist unser Verhältnis zu Gott geklärt und befestigt. Was fehlt uns noch? Es gibt darum für viele nur einen hellen Tag in ihrem Leben, den, an dem sie bekehrt wurden; davon zehren sie ihr Leben lang. Deshalb vermuten sie, Paulus rede hier von seiner Sündhaftigkeit. Wie könnte er noch unfertig sein, wenn ihn nicht seine Sünden demütigten? Wäre er sündlos geworden, so verweilte er statt und ruhig bei sich selbst. So sprechen aber nur die, die nicht wissen, was Glaube ist. Sie bewegen sich freilich nur dann, wenn die Pein und der Fluch der Sünde sie aufscheucht. Paulus aber sah auf den Reichtum Jesu, der alles überragt, was Paulus erlebt und erreicht hat, sah auf Gottes Ziel, das hoch über dem steht, was er im Gehorsam seines treuen Dienstes vollbracht hat. Darum blieb er der, der nicht ruhte, sondern lief, und nicht in sich, sondern vor sich den Grund seines Heils und Lebens sah.
O Vater, Du kannst uns bewegen, dass wir vergessen, was hinter uns liegt, und uns dorthin wenden, wohin Dein Ruf uns leitet und Deine Verheißung uns zieht, weil dort Deine Herrlichkeit leuchtet und Dein Wille herrscht. Amen.
16. Dezember
Singet ihm ein neues Lied.
Psalm 33,3
Der Psalmist muss seine Genossen nicht dazu mahnen, dass sie singen; wohl aber ruft er ihnen zu: in neues Lied singt. Sie sangen ihre alten Lieder, die der Schatz der Gemeinde waren und das aussprachen, was die Väter als göttliche Hilfe erlebt hatten. Ihre alten Lieder waren ihnen unentbehrlich. „Unsere Väter trauten auf dich und du halfst ihnen“; dass es so war, das wussten sie aus dem alten Lied und deshalb trauten auch die Kinder jener Väter auf ihn. Das Gebet der Väter wurde zum Gebet der Kinder und die Danksagung der Alten erweckte die Seele der Jungen zur Danksagung. So ging ein Strom von Erfahrung von Geschlecht zu Geschlecht und gab der Gemeinde in ihren wechselnden Geschlechtern dasselbe einheitliche Wort. Aber ebenso unentbehrlich wie das alte Lied ist das neue. Gäbe es kein neues Lied, so gäbe es keine Gegenwart Gottes, keine jetzt uns belebende Gnade, keinen jetzt uns geschenkten Sieg. Kann ich nur von Erinnerung leben? Kann ich Gott nur in dem suchen, was einst vor Zeiten bei den Vätern geschah? Das Lied der Alten hat auch das an sich, was die Eigenart der Alten war und ihrem Leben die Schranken setzte. Ihre Lage ist nicht die meinige, ihr Glaube nicht der meine und das Werk, das sie zu vollbringen hatten, habe nicht auch ich zu tun. Unser Lied kann nicht zeitlos sein; denn es ist die Frucht unseres Lebens, begleitet mit Bitte und Dank unser Handeln und wandelt sich darum mit dem Wechsel der Geschlechter. Der Psalmist hielt aber seine Mahnung, ein neues Lied zu singen, nicht für ein Gebot ohne Kraft, nicht für einen Wunsch ohne Wurzel. Der Stoff zum neuen Lied ist ihm und seinen Genossen gegeben. Denn er selber schaut in seinem eigenen Leben Gottes Werk und dieses darf nicht in Heimlichkeit verschwinden und durch Undank entkräftet werden. Keiner empfängt Gottes Gabe nur für sich selbst; als Glied der Gemeinde erhält er sie für sich und die anderen. Darum entsteht aus dem alten Lied das neue, aus der Stimme der Vorzeit die des lebenden Geschlechts und sie bereitet das Gebet der kommenden vor, deren selige Pflicht es sein wird, an ihrem Ort mit ihrem Wort Gott für das zu preisen, was er ihnen geben wird.
Unser Lied, Herr, Gott, ist schon lange stumm und wir können nur das Lied der Alten singen. Schenke uns ein neues Lied. Nur unsere Undankbarkeit macht uns stumm. Unser starres Herz will nicht singen. Nimm uns das steinerne Herz und mache uns wach, dass wir Deinen Namen loben. Amen.
17. Dezember
Warum toben die Heiden und die Leute reden so vergeblich? Die Könige im Lande lehnen sich auf und die Herren ratschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten: Lasst uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile. Aber ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.
Psalm 2,1–3,6
Schritt um Schritt wurde Gottes Werk sichtbarer. Zuerst gab es ein heiliges Volk, ein Volk, dessen Schöpfer und Beherrscher Gott war. Damals aber hatte das Volk noch kein Land. Dann gab es ein heiliges Land, ein Stück Erde, das dem heiligen Volk zur Heimat ward als von Gott ihm gegeben. Im heiligen Land gab es aber noch keine heilige Stadt und kein heiliges Haus. Das entstand nun dadurch, dass das Volk ein Haupt bekommt, einen König, durch den die Einheit des Volkes ihren gesicherten Bestand erhält. Daher gibt es nun in der heiligen Stadt auch einen Tempel, der dem Volk Gottes Verbundenheit mit ihm sichtbar macht. Und nun tritt das Letzte in das Sehfeld Israels hinein, der kommende König, dem Gott über sein Volk die Herrschaft gibt, der Gesalbte, der in der Sendung Gottes regiert. Von David aus erhebt sich der Blick zu diesem letzten Ziel. Darum ist der Verheißene der Davidssohn. Damit aber wird gleichzeitig deutlich, dass daraus in der Völkerwelt Aufruhr entsteht. Nun wird Jerusalem zur umstrittenen Stadt. Denn sein König hat alle Machthaber der Menschheit gegen sich. Denn ihr Machtwille bäumt sich gegen den auf, der die Herrschaft aus Gottes Hand empfängt, und weigert sich, ihm zu dienen. Aber über dem kommenden König und seiner Stadt steht die Verheißung, die jede Furcht vertreibt: Du bist mein Sohn. Nun mag der Weltkampf toben; Gottes Stadt bleibt im Frieden. Das waren schaffende Worte, die das Kommende nicht nur beschreiben, sondern hervorbringen. Sie stehen über der Geschichte Jesu und seinem Gang ans Kreuz als ihn führendes Licht und behalten für jede Zeit eine nie endende Wirksamkeit, die sich auch in meinem Leben bewähren soll. Dieses Wort stellt mich in den Kampf, der an jeder Arbeit haftet, die um Gottes willen im Dienst Jesu geschieht, und nimmt jede Furcht von ihm weg, verschließt das Ohr für den Lärm der Welt und bereitet Ruhe über alle aus, die im Gehorsam gegen Jesus handeln.
Es gibt Hemmungen, die ich nicht wegheben kann, Türen, die verschlossen sind, Schatten, die nicht weichen. Aber über all dem, Herr Jesus, strahlt Deine Sohnschaft, Deine Dir vom Vater gegebene Königsmacht, durch die wir Dein eigen und zu Deinem Erbe gemacht sind. Behüte die Deinen, stütze die Strauchelnden, verbinde die Entzweiten, gib uns zur Bauarbeit an Gottes Stadt den klaren Blick, die arbeitssame Hand, den gehorsamen Willen. Amen.
18. Dezember
Josef aber, der Mann der Maria, war fromm und wollte sie nicht rügen, gedachte aber, sie heimlich zu entlassen.
Matthäus 1,19
An allem Herrlichen, was in den Tagen der Weihnacht geschah, geht Matthäus vorbei und erzählt nur das Eine, dass Josef sich weigerte, der Mann der Maria zu bleiben und das Kind, das Gottes Geist in ihr geschaffen hatte, in seine väterliche Obhut zu nehmen. Darf ich das seltsam heißen? O nein. Damit verrät Matthäus seiner Gemeinde eine Wahrheit ein, die für ihr ganzes Verhalten die größte Wichtigkeit hatte. Wie rätselhaft war ihre Lage! Zum Gekreuzigten bekannte sie sich als zum König Israels, während sich ihr die Priester- und Lehrerschaft in geschlossener Schlachtreihe widersetzte und die große Majorität der Judenschaft von Jesus wegriss. Jedermann fragte sie: wie kommt ihr denn zu eurem wunderlichen Glauben? Und die Glaubenden fragten sich selber mit tiefem Erstaunen: was treibt uns in diese rätselhafte Lage hinein? Sie konnten nur das Eine antworten: wir haben sie uns nicht selbst bereitet, haben das, was wir sagen, nicht selbst erdacht und uns unsern Christenstand nicht mit eigenmächtigem Entschluss erwählt; wir müssen so denken und müssen so handeln; uns zwingt der göttliche Befehl. So war es, sagt Matthäus, schon im Anfang, schon bei der ersten Offenbarung Jesu, als Maria Josef sagte, was Gottes Bote ihr verkündigt und seine Gnade in ihr gewirkt hatte. Der Davidsohn, in dessen Haus Gott den Christus stellte, erschrak, weigerte sich und hieß es unmöglich, dass Maria seine Frau werde, nachdem Gott sie zur Mutter seines Sohnes gemacht hatte, und dass er der Vater sei für den, dem Gottes Schaffen das Leben gab, damit er aller Herr und König sei. Das war nicht sein eigener Wunsch, entsprang nicht aus seinem Willen, überraschte ihn ganz und gar und schien ihm völlig unmöglich. Er wollte freilich Gottes Werk nicht hindern und Maria keine Not bereiten. Darum sollte alles heimlich geschehen. In stiller Verborgenheit will er seinen Verzicht vollziehen. Niemand brauchte zu erfahren, dass sie einst ihm gehört hatte. Aber seinen Plan kann er nicht vollenden. Dennoch wurde Maria sein Weib und der Christus wuchs dennoch in seinem Hause auf und war jedermanns Meinung der Sohn des Zimmermanns. Wie kam es dazu? Gottes Gebot zwang ihn und ließ kein Sträuben zu. Josef musste dem gehorchen, was ihm der göttliche Befehl gebot. Das, sagt Matthäus der Christenheit, ist auch euer Weg; ihr geht hin, weil ihr ihn gehen müsst, und gebt Jesus euren Glauben, weil ihr Gott gehorcht.
Auch ich stehe, Vater, staunend vor Deinem Werk. Wie kommt Deine Gnade zu mir? Wie führst Du Dein Werk empor zu Deinem herrlichen Ziel? Aber über meinen schwankenden Gedanken steht die selige Notwendigkeit, jenes Müssen, unter dem ich deshalb stehe, weil Dein Wort zu mir gesprochen hat. Ich preise Deine Gnade, die mir Deinen Willen so zeigt, dass ich gehorchen muss. Amen.
19. Dezember
Der von oben her kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über alle.
Johannes 3,31
Die Jünger des Johannes waren es nicht gewohnt, dass sich Johannes vor jemand beugte. Vor keinem Priester, Lehrer und Fürsten, auch nicht vor der Fürstin, mochte sie in ihrem maßlosen Ehrgeiz noch so anspruchsvoll sein, verneigte er sich. Keinen Frommen bewunderte er, mochte seine Frömmigkeit funkeln und schimmern, und keinen Gefallenen verachtete er, auch wenn er sich entehrt und zerrüttet hatte. Vor Jesus aber beugte sich der Täufer und darum fragten ihn seine Jünger, weshalb Jesus größer sei als er. Die Antwort des Täufers war: Er kommt von oben und ich bin von der Erde und das macht einen Unterschied, der nicht verschwinden kann. Dass das göttliche Wort zu Johannes kam, das trennt ihn nicht von der Menschheit, die auf der Erde ihre Heimat hat und durch den Erbgang, der Geschlecht mit Geschlecht verbindet, das empfängt, was dem aus der Erde hervorgegangenen Menschen eigen ist. Eine neue Schöpfung Gottes, die das vom Geist gewirkte Leben in sich trägt, hat Johannes sich selber nicht genannt. Darum hat er sich vor Jesus gebeugt; denn jetzt kommt zur Gemeinde nicht nur ein Knecht Gottes, den er mit einer Botschaft beauftragt, sondern ihr Herr, dem sie gehört, wie die Braut dem Bräutigam gehört, weil er die Wurzeln seines Lebens droben hat. Gehörte aber nicht auch Jesus zu unserem Geschlecht? War er nicht auch ein Kind gewesen wie der Täufer und nun zum Mann geworden wie der Täufer? Sprach nicht auch er von dem, was uns die Erde zeigt, als der, der unser Leben lebt und unser Sterben stirbt? So war es und deshalb staunten die Jünger des Johannes darüber, dass sich ihr Meister vor Jesus beugte. Der Täufer hatte aber über Jesus den Himmel offen gesehen und den Geist wahrgenommen, der auf Ihn kam, und den Vater gehört, der sich zum Sohn bekannte. Damals erhob nicht der Mensch seine Stimme bittend zu Gott, sondern Gott sprach zum Menschen, und das Wort, das er sprach, gab ihm nicht irgendeinen Befehl oder zeigte ihm eine einzelne Wahrheit, sondern einigte den Menschen mit Gott wie den Sohn mit dem Vater durch das Band seines ganzen Wohlgefallens. Der Täufer sah, dass hier das Wort so von oben herab gekommen war, dass es eins mit dem Menschen wurde und Gottes Wahrheit, Kraft und Gnade ihm zu eigen gab. Daher war Jesus nicht mehr wie Johannes nur ein Hoffender, sondern ein Habender, nicht mehr nur ein Verheißender, sondern ein Gebender, nicht der, der die Braut für einen anderen warb, sondern der, der sich mit ihr verband und die Gemeinde nicht zu einem anderen führte, der noch kommen werde, sondern sie zu sich berief. Darum begann nun für den Blick des Täufers die festliche Freude der neuen Zeit und seine Pflicht war es, sich an dem zu freuen, was Jesus tat.
Ich bin anders als Du, Herr Christus, und von Dir getrennt, wie die Erde vom Himmel getrennt ist. Das irdische Gewächs und der himmlische Spross wachsen nicht aus einer Wurzel und haben nicht dieselbe Art. Darum preisen wir Dich als den Gnädigen, weil Du von oben zu uns kamst und als der, der im Vater lebt, bei uns bist. Dass diese Kluft vor Dir nichts gilt und Du über sie hinweg zu uns sprichst und in uns wirkst, das ist die Gnade, durch die wir leben und für die wir Dir danken. Amen.
20. Dezember
Johannes ließ Jesus sagen: „Bist du, der da kommen soll, oder warten wir auf einen anderen?“
Matthäus 11,3
Ich kenne die Frage des Täufers auch und trage sie beständig in mir. Sie kommt mir, wenn ich die Macht spüre, die mein Leib über mich hat; sie kommt mir, wenn ich auf den Lebenslauf manches Christen sehe, der sich zeitlebens mit der Bürde seines Unverstandes schleppt; sie kommt mir bei der Betrachtung der Geschichte unserer Kirche mit allen Dunkelheiten, die auf ihr liegen, und nicht weniger beim Blick auf die gegenwärtige Christenheit und das, was sie zersplittert und entzweit. Ich halte es dabei wie der Täufer, der nicht imstande war, sein Warten einzustellen, auch wenn Jesus gegen seine Erwartung gesagt hätte: Ich bin nicht der Kommende. Auch dann bliebe er der Wartende. Ohne Hoffnung kann er nicht leben. Wäre er nicht ein Wartender, wie könnte er es in seinem Israel aushalten, dass er, als es zur Taufe kam, in seiner Not gründlich kennen lernte? Jesus lässt sich so fragen. Er hat den Täufer nicht gescholten, weil er ihn fragte, sondern hat ihn eben damals den Größten von allen Menschen genannt. Ihn fragte Johannes, bereit, an sein Wort sich zu halten, und damit erwies er ihm Glauben. Das ist für jede Frage das Merkmal, ob sie aus dem Glauben kommt, dass sie bereit ist, die Antwort Jesu zu hören. Sieh, sagte er dem Täufer, was ich mache. Blinde sehen, Lahme gehen. Ich bringe die gnädige Hilfe denen, die sie bedürfen. Den Herodes lasse ich in Ruhe und ziehe ihn nicht herab von seinem Thron. Gamaliel hole ich nicht aus seinem Lehrsaal und Kaiphas nicht aus dem Tempel heraus; sie sollen weiter ihres Amtes warten. Die Welt neu zu machen, dafür ist die Stunde noch nicht da. Da aber, wo aus einem zerbrochenen Leben die Bitte kommt: erbarme dich, da helfe ich. Ist die Antwort Jesu heute undeutlich geworden? Ist nicht das, was er mir gibt, gerade das, was ich brauche? Wo sehe ich den Vater, wenn nicht bei Ihm? Wo lerne ich glauben, wenn nicht bei Ihm? Was macht aus meinem Wirken, mag es noch so sehr mit Sündlichem vermengt sein, einen Gottesdienst, wenn er das nicht kann? Nun aber fasse es: Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert; selig ist der, dem ich nicht zum Anlass werde, dass er fällt.
Wir schreiten, lieber Herr, nicht über die Wellen, ohne zu schwanken. An das Unsichtbare uns zu halten, das bringen wir nicht fertig ohne die Angst, wir verlieren den Grund. Aber Deine Hand erfasst auch die auf den Wellen Schwankenden. Gelobt seist Du. Amen.
21. Dezember
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16
Wir alle, sagt Johannes, die wir als die Apostel Jesu vor die Welt traten und die Kirche sammelten, die ganze Schar derer, die den Beruf erhalten hatten, die Zeugen Jesu zu sein, wir alle arbeiteten nicht mit dem, was wir uns selbst erwarben, sondern schöpften aus der Fülle Jesu. Sein Eigentum war es, was wir der Menschheit brachten. Darum entstand durch die Apostel Christentum, nicht petrinische oder paulinische oder johanneische Frömmigkeit, sondern die Erkenntnis Jesu und seiner Sendung und der Empfang seiner Gaben. Wir alle, sagt Johannes; es war eine große Schar und jeder wieder anders als die anderen, jeder ein Freier, weil jeder an das gebunden war, was er selbst an Erkenntnis und Kraft besaß. Dennoch waren sie eine geeinte Schar und das, was sie schufen, war die einzige und einige Kirche. Denn was sie besaßen, kam alles von dem Einen her und woraus der Fülle Jesu genommen. Keiner erhielt die ganze Fülle. Jesus bleibt größer als alle seine Boten und alle seine Glaubenden. Aber jeder erhielt aus seiner Fülle seinen Teil, nämlich Gnade. War es eine von ihnen verdiente und errungene Gnade? Nein, es war „Gnade für Gnade“. Er war der Gebende im Verkehr mit allen in einer Güte, die nicht im Jünger ihren Grund hatte, sondern in ihm. Weil Er ihnen seine Gnade gegeben hatte, gab er sie ihnen immer neu. Es gab für sein Geben kein Ende, kein: nun ist es genug. Vorwärts führte sie der Herr, zu neuer Erkenntnis, zu neuem Dienst, zu neuer Erfahrung seiner Regierung. Immer höher stieg ihr Weg und doch führte er sie nicht von ihrem Anfang weg. Denn in der Gnade, die sie einst empfangen hatten, lag der Grund für die, die ihnen jetzt gegeben ward.
Ich habe nichts, was mir Deine Gnade erwürbe, lieber Herr, als Deine Gnade. Sie gibt auch meinem Leben die Bewegung, die nicht ermüdet, den Aufstieg, der nicht ermattet, den Reichtum, der sich nicht erschöpft. Indem Du aus Gnade Gnade werden lässt, machst Du Deine Fülle offenbar und heiligst Deine Schar dir zum Dienst und Dir zum Preis. Amen.
22. Dezember
Jesus sprach zu ihnen: „Wie können die Hochzeitsleute Leid tragen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“
Matthäus 9,15
Ein Bräutigam braucht Festgenossen, die mit ihm feiern, und dazu hat Jesus seine Jünger gemacht. Für ihn war sein Wirken ein festliches Feiern, ein Hochzeitstag. Denn nun kommt zur Tochter Zions ihr König und zur geplagten, zerstreuten Herde der Hirt und zum gottlosen Volk der Sohn Gottes, an dem es endlich den Vater sieht. Er kann aber nicht einsam feiern. Er kommt als der Gebende; so braucht er die Empfangenden. Er kommt mit dem selig machenden Wort; so braucht er die, die es hören. Er kommt mit der Vergebung der Sünden; darum sucht er die Sünder, die sie empfangen. Er kommt im Dienst des göttlichen Reichs; so braucht er die, die er regiert und zu seiner Gemeinde macht, und weil er sie brauchte, führte der Vater sie zu ihm. Sie waren da, die Freunde des Bräutigams, seine Hochzeitsleute. Was haben sie zu tun? Mit ihm zu feiern, sich daran zu freuen, dass das Fest des Bräutigams begonnen hat, seine Tischgenossen zu sein, denen er seine Gaben reicht, und ihm treu und verbunden zu sein, wie es die ihnen gewährte Freundschaft von ihnen verlangt. Dies ist ihre Pflicht und darum können sie nicht Leid tragen, obwohl es ihnen an Anlass zum Kummer nicht fehlt. Die Welt ist dunkel und in Israel geschieht viel Böses und die Jünger haben auch selber teil an dem, was die Welt aus uns macht und die Not des Volkes ihnen antut. Dennoch können sie nicht fasten, wie es die Betrübten tun. So dächten sie nur an sich, nur an das, was sie bekümmert und sie bedürfen. Ihre Zeit gehört aber dem Bräutigam und dieser feiert und sie mit ihm. Das ist die Christenregel, die für alle Zeiten gültig ist. Das Werk Jesu in der Menschheit ist ein freudenreicher Dienst und ein selig machendes Werk; denn es verherrlicht ihn und in ihm Gott. An uns verherrlicht er sich und macht an uns Gottes Gnade groß. Das macht aus dem Christenleben die Feier und gib der Christenheit das Loblied, das nicht verstummt. Zum betrübten Kummer haben wir Grund, wenn wir auf uns und unsere Zustände sehen. Dort gibt es vieles, was Tränen verdient. Wer aber Jesus kennt, kann nie so auf sich selber sehen, dass er nur sich selber sieht, und darum gilt es in jeder Lage, auch wenn wir tief gebeugt sind: die, die Christus kennen, sind eine feiernde Schar.
Sende auch jetzt einen Strahl aus Deiner Freude in meine Seele. Die anderen sprechen vom grauen Alltag. Mache ihn mir zum Festtag, weil Du lebst und regierst in der Vaters Gnade und Macht. Amen.
23. Dezember
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben und die Herrschaft ist auf seiner Schulter.
Jesaja 9,5
Der Prophet spricht wie ein Bote, der vom Bett einer Mutter, die eben geboren hat, zum Vater des neugeborenen Kindes eilt und mit dem freudigen Bericht: „Das Kind ist geboren und es ist ein Sohn!“ Seine Botschaft unterscheidet sich aber von dem, was im natürlichen Verlauf des Lebens geschieht. Uns ist das Kind geboren, uns der Sohn gegeben, sagt der Prophet; geboren ist ein Kind nicht dem König, damit er für seinen Thron einen Erben habe, nicht dem Priester, damit er ihm einst sein Amt übergeben könne; nicht diesem oder jenem in Jerusalem, damit sein Geschlecht in Israel nicht erlösche, nein, uns ist er geboren. Durch dieses „uns“ wird die Anzeige seiner Geburt zur frohen Botschaft für alle und dem entspricht die zeitlose Höhe, in der die Weissagung schwebt. Wann ist er geboren? Der Prophet weiß es nicht und sagt es nicht. Dennoch bekommt seine Botschaft nicht die Form einer Hoffnung, die von Zukünftigem spricht, sondern mit der Gewissheit gefüllt, als spräche der Prophet von Geschehenem: das Kind ist für uns geboren. Ebenso stellt er das Kind, wenn er von seinem Amt spricht, bereits in die Gegenwart hinein und verkündigt nicht, dass es einst herrschen werde, sondern sagt, es sei der Herr. Auf seine Schultern ist die Herrschaft gelegt; denn die Schultern dieses Kindes sind stark genug, um die wuchtige Last der Herrschaft zu tragen. Woher kam Jesaja diese Gewissheit? Sie entstand aus der Erfassung des göttlichen Willens, aus der Wahrnehmung der von Gott gesetzten Notwendigkeit. Ein führerloses Volk sündigt und die königslose Stadt fällt. Den Führer schuf aber nicht die Wahl des Volks, auch nicht der natürliche Erbgang von David her. Der Prophet hörte den Herrn reden: „Ich gebe ihn euch“, und nun springt in der Seele des Propheten die Gewissheit auf in vollendeter Pracht und er lässt seinen Jubelruf schallen: das Kind ist geboren, das Kind, welches herrscht.
Heiliger Gott! Du hast schon Jerusalem den Evangelisten gegeben, der das, was uns die Weihnacht brachte, geschaut und verkündet hat. Du hast auch mir Dein Evangelium gesagt und mir meinen Herrn gezeigt. Das ist die Gabe Deiner Gnade. Ich schaue sie und bete an. Amen.
24. Dezember
Kündlich groß ist das Geheimnis der Frömmigkeit: es ist geoffenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt unter den Heiden, geglaubt in der Welt, hinaufgenommen in Herrlichkeit.
1. Timotheus 3,16
Jedermann, sagt Paulus, muss zugestehen, dass die Weise, wie Gott uns fromm und zu seinem Dienst geschickt macht, ein Geheimnis ist, das uns alle überrascht und unsere Gedanken völlig überragt. Wenn ich mir selber ausdenken wollte, wie ich Gott erkennen und ehren könne, so geriete ich sicher auf eine ganz andere Bahn. Ich würde vermutlich in der Welt eine Stelle suchen, an der Gottes Herrlichkeit hervorstrahlt und seien Macht Wunder wirkt, damit aus meinem Gottesdienst ein erhabener Beruf werde, den ich in feierlichen Handlungen ausübe. Nun ist die Weise, wie Gott mir die Frömmigkeit bereitet, die, dass er uns Jesus gab, den, der im Fleisch für uns sichtbar geworden ist, nicht in Gottes Gestalt, sondern so, dass er das war, was die Natur aus uns macht. Darum bedarf er einer Rechtfertigung, die seine Sendung von oben beweist und sein königliches Recht sicherstellt, und diese Rechtfertigung geschah und geschieht dadurch, dass er sein Werk im Geist vollbringt, nicht in offenkundiger, sichtbarer Machtwirkung, sondern so, dass er Gottes Gnade in unser inwendiges Leben hineinlegt. Sichtbar wurde er darum nicht uns Menschen, wohl aber den Engeln, und dennoch geht das ihm verkündende Wort durch die Menschheit durch und macht ihn den Völkern bekannt, und sein Wort ist so mächtig, dass es in uns, die wir in der Welt drin stehen, Glauben schafft, und doch ist seine Herrlichkeit uns nicht sichtbar, sondern er hat sie dadurch empfangen, dass er von der Erde schied und hinaufgenommen ward. Dass ich an dieser Geschichte Gott erkenne, seine Gnade schaue und seine Gabe empfange, das ist meine Frömmigkeit und die Weise, wie ich Gott zu ehren habe und ihm dienen kann. Das ist freilich ein Geheimnis nicht nur für mich, sondern für jedermann. Gott ist anders, als ich mir ihn denke, und größer, als ich meine. Dieses Geheimnis ist aber in der Tat geeignet, mich vor Gottes Willen zu beugen und mir seine herrliche Gnade zu zeigen. Dass ich mich vor Jesus beuge, das ist Anbetung; dass ich an ihn glaube, das ist Gottesdienst.
Behüte mich, lieber Herr, vor aller eigenen Frömmigkeit, vor allem Gottesdienst, der mir gefällt, weil ich ihn erfinde. Deinen Weg will ich gehen, auf Dein Werk bauen. Vor den, der Fleisch war und durch Geist mich bewegt, vor den, den nicht ich, sondern die Engel schauen und Der Sein Wort zu mir schickt, stellst Du mich, damit ich in der Welt im Glauben mit Ihm verbunden sei. So gibst Du uns Menschen Dein Wohlgefallen. Amen.
25. Dezember
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
Lukas 2,14
Nicht das sagen die Himmlischen, dass Gott in der Höhe sei, sondern das, dass droben in der Höhe von den Himmlischen Gottes Ruhm erkannt und seine Herrlichkeit gepriesen wird. Sie rufen auch nicht anderen, die in der Höhe sind, zu, dass sie Gott ehren sollen, sondern tun der Erde kund, was im Himmel geschieht, dass droben Gottes Gnadentat von allen Himmlischen verherrlicht wird. Ebenso wünschen sie nicht der Erde den Frieden, sondern sprechen aus, was ihr jetzt als Gottes Werk gegeben ist, dass sie jetzt den Frieden empfangen hat, weil es Menschen gibt, die Gottes Wohlgefallen haben. Die Himmlischen wissen, was Gottes Sinn und Wille ist, und wissen, weshalb dieses Kindlein geboren ist und was es uns bringt. Gottes Größe sollen wir sehen, damit wir sie ehren. Die Himmlischen sahen sie, als wir sie noch nicht sahen. Sie wussten, dieses Kindlein verklärt Gott, und was es auf der Erde schafft, das macht Gottes Herrlichkeit sichtbar. Das war das Ziel Jesu, sein einziger Wille, den der Geist in ihm wirkte und von der Geburt bis zum Kreuz in ihm erhielt. Dazu begegnet Jesus jedem von uns, damit uns Gottes Größe sichtbar sei. Sowie sich uns aber Gottes Größe zeigt, verstummt der wilde Lärm unseres Streits. Er entsteht nur da, wo der Mensch nichts als den Menschen neben sich sieht, den er als seinen Nebenbuhler hasst. Steht Gott über uns, so ist uns der Friede gegeben. Deshalb kommt keiner von uns mit Jesus in Berührung, ohne dass er den Frieden nicht nur für sich selbst empfängt, sondern ihn auch den anderen gibt. Damit ist freilich ein unausdenkbares Wunder geschehen. Denn es gibt jetzt Menschen, die das göttliche Wohlgefallen haben. Ohne das gäbe es bei uns keinen Frieden. Wenn mir Gottes Wohlgefallen fehlt, wie soll ich im Frieden leben, während Gott wider mich ist? Das Fundament für jeden Frieden, den wir zwischen uns aufrichten, ist, dass Gott uns den Frieden mit Ihm gewährt. Dieses Wunder ist aber geschehen. Es gab ein Kindlein, an dem Gott Wohlgefallen hatte, und mit ihm kommt Gottes Wohlgefallen auch zu uns herab.
Was Dir wohlgefällig ist, Herr, heiliger Gott, das suche ich nicht bei mir. Was ich von Dir als die Gabe Deines Sohnes empfangen habe, das bringt mir Dein Wohlgefallen. Mit Seiner Geburt brachte Er uns Deinen Frieden. Darum kann auch ich Deine Herrlichkeit rühmen mit allen Himmlischen. Amen.
26. Dezember
Da nahm ihn Simeon in seine Arme und lobte Gott und sprach: „Herr, nun lässest du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast. Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“
Lukas 2,28–30
Wenn unser Dienst zu Ende geht, geht unser Blick rückwärts und vorwärts. Wir beschauen, was geschehen ist, und prüfen, ob es bleiben werde, ob der Wille des Herrn getan sei. Zugleich sieht das Auge nach vorn; wie wird es weiter gehen? Sind die da, die den Dienst aufnehmen und, was gebaut ist, nicht zerstören, sondern weiter bauen? Im Unfrieden endet unser Dienst, wenn das befohlene Werk unvollendet ist und der, dem wir dienen, zürnt und schilt, und auch dann endet es in friedloser Sorge und banger Ungewissheit, wenn die Zukunft dunkel ist und sich keiner zeigt, der der Arbeit die Vollendung gibt. Simeon trat im Frieden von seinem Dienst zurück; denn er hat Christus gesehen. Das war sein Dienst, dass er auf ihn wartete und ihn, als er in den Tempel gebracht wurde, erkannte und anbetete. Es war ein harter Dienst, in Jerusalem, über das Herodes herrschte, auf den Christus zu warten. Nun hat er aber, was der Geist ihm aufgetragen hat, erfüllt und sein Hoffen bewahrt bis zum Tag, da das Kindlein in seinen Armen lag. Darum ist er auch, wenn er an das Kommende denkt, ohne Sorgen. Mag es jetzt in Jerusalem noch so finster sein und eine Flut von Sünden das Volk bedecken, der Christus ist geboren. Umsonst hat Simeon nicht gewartet und gelitten und gehofft; jetzt ist die Hilfe für alle Nöte da. Wer möchte nicht gern im Frieden seinen Dienst beenden, im Frieden vom Herrn entlassen werden? Das wird uns allen dann geschenkt, wenn wir Christus kennen. Wenn mein Wort den anderen Jesus zeigt, war es nicht umsonst gesprochen, und Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit haben mich nicht überwältigt, wenn ich bei Jesus bleibe und die anderen zu ihm führe. Ich habe die Gemeinde nicht verwirrt, sondern gebaut, wenn ich sie zu Jesus stellte. Nun gibt es auch keine Sorge für die Zukunft, weder für die meine, wer Christus gesehen hat, dem ist nicht bang von dem, was kommt, noch für die der anderen. Die Ernte wird nicht verderben. Der Herr der Ernte ruft die, die zur Arbeit willig sind, und rüstet sie mit seinen Gaben für sein Werk.
Zu Dir sehe ich auf. Du bist unser Friede. Den Dienst erhalten wir aus Deiner Hand und Du ordnest sein Maß und seine Zeit. Weil Du den Dienst gibst, ist keine Unruhe und keine Angst darin. Wir dienen Dir im Frieden und werden im Frieden unseres Dienstes enthoben. Denn Du, Herr, Gott, bist gnädig und barmherzig und hast uns Deine Güte offenbar gemacht in Deinem Sohn. Amen.
27. Dezember
Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der andere Mensch ist vom Himmel. Welcherlei der irdische ist, solcherlei sind auch die irdischen, und welcherlei der himmlische ist, solcherlei sind auch die himmlischen, und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.
1. Korinther 15,47–49
Es war ein wunderbarer Vorgang, als der erste Mensch aus der vor ihm vorhandenen Natur heraus entstand. Mögen wir uns den Vorgang noch so unscheinbar denken, so dass er eng mit dem verbunden bleibt, was schon vorher geschaffen war, ein Wunder bleibt er, das mit der Unbegreiflichkeit eines neuen Anfangs ausgestattet ist. Nun geschieht noch ein zweiter Vorgang, der mit dem Erwachen des ersten Menschen vergleichbar ist, aber Gottes gnädigen Willen noch herrlicher vollzieht. Das ist jenes Wirken Gottes, das in der Menschheit den Sohn Gottes schuf. Beide, der Anfänger der natürlichen Menschheit und der Christus, sind Gottes Werk und haben, was sie sind, durch Gottes Willen empfangen. Aber für den natürlichen Menschen nahm Gottes schaffende Hand den Stoff aus der Erde, für die er geschaffen ward. Jesus dagegen bekam, was ihn zum Anfänger eines neuen Lebens macht, aus dem Himmel durch den Geist, der ihn macht, ihm das, was er inwendig ist, darreicht und ihn aus dem Tod erweckt und verklärt. Darum nennt ihn Paulus den himmlischen Menschen nicht erst, als er in den Himmel fuhr, sondern auch, als er unsere Art an sich trug, weil er im Besitz des Geistes war und darum das besaß, was den Himmlischen das Leben gibt. Darum wird uns erst an Jesus unser Ziel sichtbar, nicht schon am Reichtum der Kräfte, die uns durch unsere Geburt gegeben sind, nicht schon an dem, was die Natur aus uns macht. Weil wir nicht nur an einem irdischen Ahnherrn hängen, sondern mit dem himmlischen Menschen im Glauben verbunden sind, fährt unsere Hoffnung über alles empor, was die Natur uns zeigt, löst sich vor unserem ganzen natürlichen Eigentum und begehrt nicht für unseren gegenwärtigen Zustand die Fortsetzung und Verstärkung, sondern unser Hoffen hebt sich empor und begehrt nach jenem Bild, das uns unser durch den Geist vollendeter Herr an sich selber zeigt.
Heiliger Gott, Geber des Lebens, der Du zeitliches und ewiges Leben schaffst und uns Irdisches und Himmlisches bereitest, durch Deinen Schöpferwillen bin ich geworden und durch Deine allmächtig schaffende Gnade werde ich verklärt werden. Gib mir die lebendige Hoffnung, dass mich nicht fange und fessle, was irdisch ist, damit ich nach dem Kleinod laufe, das mir die himmlische Berufung von oben zeigt. Amen.
28. Dezember
Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt es nicht und mein Volk vernimmt es nicht.
Jesaja 1,3
Wie lernt ein Tier seinen Herrn kennen? Wenn er es misshandelt, flieht es vor ihm. Sorgt er dagegen für sein Tier, so folgt es ihm willig. Am Wohltun erkennt das Tier seinen Herrn. Auf dieselbe Weise kam Israel zur Erkenntnis Gottes; Er hat ihm wohlgetan. Was hast du, dass du nicht empfangen hast? Warum kennt Israel Gott dennoch nicht? Wir Menschen können Wohltaten empfangen und undankbar sein. Das kann das Tier nicht, weil es in der Regel der Natur bleibt. Der Mensch kann dagegen die Natur in sich zerstören und er zerstört sie, indem er die Gabe empfängt und den Dank verweigert. Wie kann nun das undankbare Volk aus seiner Unnatur und Undankbarkeit herausgezogen werden? Neue Wohltat wirbt mit verstärkter Kraft um den Dank und herrlichere Gabe pocht an die verschlossene Tür des Herzens und versucht sie zu öffnen. Weil Israel das nicht konnte, was der Ochse und der Esel können, gab Gott ihm seinen Sohn. Wir sind aber alle eines Geblüts und tragen dieselbe Art an uns. Israel ging nicht eigene Wege in dem Sinn, dass es in sich eine Not erzeugte, die niemand als ein Jude fertig bringt. Sie quält uns alle. Auch mir zeigt dieses Wort mein Bild. Wir nehmen die natürlichen Gaben hin als unser selbstverständliches Recht, danken nicht und kennen den Geber nicht. Die eigensüchtige Begehrung bäumt sich auf und verfährt mit dem natürlichen Gut, als wäre es ihrer Macht unterworfen, und verleugnet den, der sie uns gab. Darum bedarf ich noch einer größeren Gabe und sie ist uns geschenkt. Gottes Sohn kommt zu mir, bringt mir sein Vergeben, bringt mir seine Gemeinschaft, bringt mir seinen Geist. Nun aber, Herz, sei dankbar. Wenn du auch jetzt nicht kannst, was der Ochse und der Esel können, dann bist du tot.
Gottes größte Gabe, Jesus, das bist Du. Gottes hellstes Wort, Jesus, das bist Du. Schaffende Wundermacht der Gnade, Jesus, das bist Du. Deinen Namen nenne ich, damit meine Seele erwache zu Gottes Preis. Amen.
29. Dezember
Wir wissen, wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, dass wir einen Bau haben von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel.
2. Korinther 5,1
Der Tod ist verschlungen in den Sieg, sagte Paulus. Wer an ihn glaubt, stirbt nicht, sagte Johannes. Für die Glaubenden der ersten Zeit besaßen solche Worte einen streng buchstäblichen Sinn. Gottes Tag, sagten sie, ist nahe und führt uns in das ewige Leben hinüber. Aber bei der wilden Heftigkeit, mit der der Jude und der Grieche Paulus bekämpfte, bekam die Erwägung für ihn ernsteste Notwendigkeit, wie es mit ihm stehe, falls er sterbe. Er sah, wenn der Tod in seine Nähe kam, auf Jesus. Mit ihm ist er verbunden und diese Verbindung erfährt keine Unterbrechung und kommt nie ins Schwanken. Er wird immer bei Christus sein. Jetzt ist er in ihm, umfasst, getragen und regiert von ihm, und dann, wenn sein Zelt abgebrochen wird, wird er da sein, wo Christus ist. Wo ist denn er? Das weiß Paulus. Er weiß, wo der ist, der in der Sendung Gottes herrscht. Er ist in den Himmeln, da, wo es ewige Wohnungen gibt, wo die himmlische Gottesstadt steht und sich der himmlische Zion befindet, der königliche Sitz dessen, der im Namen Gottes regiert. Gelangt er dorthin, so ist das für ihn ein Gewinn von wunderbarer Größe. Jetzt wohnt er in einem Zelt; es ist abbrechbar; denn es ist ihm von der Natur bereitet. Dann erhält er ein Haus, ein ewiges, das Gott bereitet hat. Gibt es wirklich für Paulus einen Raum in der Gottesstadt? Ich bin des Christus, antwortet er. Das genügt. Darum verweilt seine Hoffnung nicht im Himmel, sondern fährt noch höher hinauf. Die Gottesstadt kommt zur Erde hernieder und wird der Menschheit sichtbar und für sie offen. Christus kommt zur Menschheit und bringt ihr Gottes Reich in sichtbarer Macht. Die dann um Jesus gesammelte Gemeinde ist die der Auferstandenen. In ihr werden aber die, die jetzt sterben und in den Himmeln ihr Haus erhalten, nicht fehlen. Darum sind sie Auferstehende. Soll ich Paulus fragen: Warum bist du mit dem Himmel noch nicht zufrieden? Fürchtest du, das sei noch ein unvollendeter Zustand, eine Art von Zwischenzustand, der noch die Sehnsucht nach dem vollendeten Leben in sich habe? Das würde die Meinung des Paulus entstellen. Er sah in dem, was ihm Christus gab, immer die vollkommene Gnade, die ihn völlig dankbar macht. Aber seine Hoffnung sah nie nur auf sein eigenes Ziel, als begehrte er nur für sich das verklärte Leben, sondern sie sah auf Gottes Ziel und darum auf das, was Christus schaffen wird. Das gab seiner Hoffnung die Füllung, dass er mit Christus in seinem ganzen Gang und Werk verbunden sein wird. Jetzt hängt er am Gekreuzigten als der, der in seinen Tod mit eingeschlossen ist. Dann wird er beim himmlischen Christus sein, solange er von oben seine Gemeinde regiert, und dann wird er auch in seiner neuen Offenbarung bei ihm sein.
Was ich jetzt sehe und denke, Herr Christus, das reicht nicht aus, um Deine letzten und großen Werke zu beschreiben. Ich kenne jetzt nur mein Zelt, in dem ich hause, das bewegliche und leicht zerstörte. Aber Dein Name gibt mir die Hoffnung, die kein Ende kennt. Denn Dein Name verkündet mir Gottes ganze Hilfe und unbegrenzte Gnade. Erhalte mich in Dir; dann bleibe ich im Leben. Amen.
30. Dezember
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir. Der Herr hebe sein Angesicht auf dich.
4. Mose 6,25+26
Segnen heißt verkünden, was Gott tut. Wird uns sein Werk gezeigt, so wird uns unser Heil
gezeigt; denn was Gott gut, ist Heil. Das innerste, gewaltigste Anliegen bleibt, wenn wir zu Gott aufschauen, für uns alle dies: wie steht es mit unserem persönlichen Verhältnis zu Gott? Ist sein Angesicht für uns hell? Leuchtet es uns an im Glanz seiner freundlichen, herrlichen Güte? Oder liegt für uns auf Gottes Antlitz Dunkles, das uns anzeigt, dass Gott gegen uns ist und uns widersteht? Erhebt er sein Angesicht zu uns dadurch, dass er seinen Blick auf uns richtet? Gibt er auf uns Acht oder sind wir vor ihm nichts geachtet? Gilt der Psalmspruch von uns: der Herr kennt den Weg der Gerechten, oder müssen wir uns sagen, von Gott aus gesehen sei unser Weg in Nacht versenkt und unser Ort Finsternis? Kann man auf diese Frage antworten? Gibt es darüber Gewissheit, wie Gott zu uns steht? Weiß ich, dass sein Angesicht über mir leuchtet und er sein Angesicht zu mir hin wendet, so ist das Heilsgewissheit. Gibt es solche? Erfinden und erarbeiten kann man sie nicht. Hier können wir nur hören, was uns im Auftrag Gottes verkündigt ist. Nun hat schon der alttestamentliche Priester die Pflicht und Vollmacht erhalten, seinem Volk zu sagen: das Angesicht des Herrn leuchtet über euch. Warum? Ich bin der Herr dein Gott, sprach der Herr, ich habe dich zu meinem Volk gemacht. Darauf hat das Evangelium des alten Bundes das des neuen erzeugt und der Segen, der Israel zugeteilt ward, wird von Jesus zur Menschheit gebracht. Nun höre, zagendes Herz, von Jesus, wie Gott zu dir steht. Du kannst es auch nicht bloß hören, sondern kannst es auch sehen. Sieh auf sein Kreuz. Dort erhebt er sein Angesicht zu dir und dies so, dass es leuchtet.
Du machst, Herr, Gott, alle, die Du mit Deinem Dienst beschenkst, zu Verwaltern Deines Segens. Hilf uns, dass wir in Wahrheit segnen können. Wie können wir Gewissheit hervorbringen, wenn wir sie selbst nicht haben, wie Deine Gnade verkünden, wenn sie uns selbst verhüllt ist? Öffne unsere Augen und stärke unsere bebende Seele, damit wir segnen können, gleichwie wir gesegnet sind. Amen.
31. Dezember
Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und säte auf seinen Acker, welches das kleinste ist unter allen Samen; wenn es aber erwächst, so ist es das größte unter dem Kohl und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen unter seinen Zweigen.
Matthäus 13,31+32
Kleine Vorgänge, lauter kleine, füllen meine Jahre. Der größte Teil meiner Zeit gehört der natürlichen Arbeit und dazu kommen die Begegnungen mit den Menschen, die mit mir leben. Das sind lauter kleine Dinge. Will ich aber in der Wahrheit bleiben, muss ich zu diesem Satz den anderen fügen: Großes füllt meine Jahre, nichts als Großes. Jesus zeigt mir, wie das Große klein wird und das Kleine groß. Da, wo Gott seine Gnade hinlegt, geht es zu, wie wenn ein Mann ein Senfkörnchen in seinen Garten legt. Wie klein sah Jesus aus! Du bist viel zu klein, sagten sie, als dass du die Welt neu machen könntest. Und was er erreichte, wie klein sah das aus! Sein Erfolg bestand in einem Häuflein unmündiger Jünger, „dieser Kleinen“, wie er sagte. Sie hatten nichts, was in die Augen fiel. Sein Wort hatten sie im Herzen und sie hatten das Unser Vater beten gelernt. War das etwas Großes? Ja. Denn das Senfkorn ist ein lebendiger Same und bringt aus sich das große Gewächs hervor. Denn hier handelt Gott königlich und schüttet den Reichtum seiner Gnade aus und baut sein Reich. Ich erwerbe mir die Lebensmittel. Soll ich sagen: bloß das, das ist wenig? Leben wir, so leben wir dem Herrn. Darum ist mein irdisches Leben ein Senfkörnlein, freilich ein kleines, dem man nicht ansieht, was es werden wird. Weil ich aber in Gottes Reich lebe, so wird daraus das unbeschreiblich Große, das ewige Leben. Jeder Tag gibt mir Anteil am göttlichen Wort. Das ist nichts Großartiges; man kann es leicht verachten. Allein dass ich ihn hören darf, meinen Herrn und Gott, weil er zu uns gesprochen hat, das ist ein unermesslich reicher Segen. Zwischen die Arbeitszeit treten die Sonntage und geben mir Anteil an der Gemeinschaft, die in Jesus ihren Grund hat. Als lebendiger Stein in Gottes Haus zu stehen ist aber ein wunderbar großes Geschenk. Um mich her kommen und gehen die Menschen, und was ich ihnen gebe, lässt sich nicht messen. Eins aber ist gewiss: Wirkung, unbeschreiblich große, liegt in allem, was nach Gottes Willen geschieht.
Herr, ewiger Gott! In unser kleines Leben legst Du Deine großen Gaben. Sie sind klein, wie es für uns Kleine passt, damit unsere kleine Hand sie fassen kann, und zugleich unbeschreiblich groß, weil sie von Dir kommen und Deine Gnade in ihnen wirksam ist. Gern machte ich auch meinen Dank groß. Verzeih, lieber Herr, dass auch mein Dank klein und schwach bleibt. Aber danken will ich Dir für alles, was meine Jahre füllt. Amen.