Rutherford, Samuel - Briefe Rutherford's aus verschiedenen Jahren.
102. An seine Gemeinde in Kilmacolm.
Ihr Theuren und in Jesu Christo Geliebten! Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Euch! Eure Briefe fanden mich in einem großen Drange von Geschäften; die Kirche verlangt jetzt die thätige Theilnahme von uns allen, ich kann daher jetzt nur auf die Hauptpunkte Eurer beiden Briefe antworten und ich hätte gewünscht, daß ihr einen Andern, als gerade mich erwählt hättet, Euch Eure Zweifel zu lösen, denn Ihr habt unter Euch Männer, welche mehr dazu geeignet sind. Zwar weiß ich, daß auch die Besten untüchtig sind; doch es gefällt zuweilen dem Geiste Jesu, durch ein dürres und schwaches Rohr zu blasen, damit Ihm allein der Ruhm bleibe. Es gibt Zeiten, wo dieser Wind des heiligen Geistes scharf und durchdringend weht und dieß ist gewöhnlich unter den Leiden für Christum der Fall; denn der HErr Jesus ist voll Zärtlichkeit für die Leidenden, weil Er selbst gelitten hat. - Doch ich lasse dieß, um Eure Briefe zu beantworten.
1) Ihr schreibt, daß Ihr Euch dem HErrn gelobt habt und daß doch die Sicherheit, die unserer Natur so eigen ist, sich in Euch, die Ihr schwach seid, immer einzuschleichen suche. Ich erwidere: 1) Die Natur ist träge und liebt nicht die Arbeit des Lebens im Glauben, daher dürfen wir uns keine Ruhe gönnen, bis der Kampf überstanden ist, wo dann Stille und Friede des Glaubens, als der Sieg über unsere Verdorbenheit, an die Stelle der Sicherheit tritt, so daß, wenn ich schlafe, ich nur den Schlaf des Glaubens an Christi Herzen schlafen möchte. 2) Wisset, daß keiner, der fest schläft, sich ernstlich über Schläfrigkeit beklagt; der Kummer über eine schläfrige Seele ist schon ein Zeichen von einiger Wachsamkeit des Geistes; doch kann dieß leicht zur Sorglosigkeit führen, wie wir denn die Gnade in uns so oft mißbrauchen; deßhalb müssen wir auch über unser Wachen stets wachsam sein, sonst entsteht selbst aus dem Wachen ein Schlaf und es ist eben so nöthig, über die Gnade zu wachen, wie über die Sünde; denn gesättigte Menschen schlafen leicht ein und noch eher als hungrige. 3) In Hinsicht der Schwäche im Widerstande gegen die Sicherheit, welche Euch wie ein Dieb überfällt, habe ich Euch zweierlei zu sagen; erstens ist es nur im Himmel und nur für Engel möglich, ohne Klage über Schwäche zu sein, nicht aber für Christen, die in Christi Dienst noch auf der Erde sind, Und dann, denke ich, ist es gerade unsere Schwäche, die uns zur Gemeine der Erlöseten macht und zum Acker Christi, auf welchem der Erlöser arbeiten will; wenn keine Krankheit auf Erden wäre, so brauchten wir hier auch keinen Arzt. Kein Mensch soll sich über seine Krankheit oder Schwäche freuen und doch, glaube ich, dürfen wir eine Art Freude darüber haben, weil ohne sie Christi heilende Hand uns nicht berührt hätte. O wie süß ist es für einen Sünder, seine Schwäche in Christi stärkende Hand zu legen, seine kranke Seele diesem Arzte zu übergeben, sein ganzes Elend vor Ihm auszubreiten und vor Ihm zu weinen, zu klagen und zu beten. Das Elend kann schreien und klagen, auch wenn wir keine Worte haben: „Ich ging vor dir vorüber und sahe dich in deinem Blute liegen, und sprach zu dir, da du so in deinem Blute lagest: „Du sollst leben.““ So klagte die übergroße Sündenschuld und zwang aus Christi mitleidigem Herzen Worte des Lebens und der Liebe.
2) Ihr schreibt mir, daß Ihr des Raths bedürfet zur Stärkung der jungen Anfänger; dazu kann ich wenig sagen, da ich selbst noch nicht recht angefangen habe; doch ich weiß, daß die Anfänger die es redlich meinen, von dem genährt werden, welcher noch nie das glimmende Docht eines armen Menschen, der sich zwischen Licht und Finsterniß hindurch kämpft, ausgelöscht hat. Ich bin gewiß, wenn neue Anfänger sich zu Christo drängen, ihre Seelen ihm übergeben und ihn immer anlaufen, um Seine Liebe zu schmecken, so werden sie erfahren, daß man zu Ihm nie vergeblich kommt.
3) Wenn Ihr Euch darüber beklagt, daß die Predigt bei Euch so todt ist, so muß ich Euch daran erinnern, daß die Bibel gleichsam der Ehecontract zwischen Euch und Gott ist und daß die Art, wie Christus Seine Liebe Euerm Herzen mittheilt, nicht gerade vom lebendigen Predigen abhängt, so daß keine Bekehrung und kein Leben aus Gott anders als durch Menschen-Lippen entstehen könnte. Nein, die Töchter Jerusalems haben oft das gethan, was die Wächter nicht vermochten. Macht Christum zu Euerm Prediger, Er kann auch auf dem Felde Seelen gewinnen. Er bedarf unsrer nicht, wenn gleich die Herde Ihn immer in den Zelten der Hirten suchen muß. Der Hunger, den Christus in uns erweckt, kann auch bei Hirten gestillt werden, welche nicht recht für die Herde sorgen. O gesegnet ist die Seele, welche über den Menschen und die Kanzel hinweg auf Christum sieht, der daheim in den Herzen predigen kann, wenn auch wir alle stumm und todt sein sollten.
4) Daß Ihr über Euch selbst so klaget, um Gott zu rechtfertigen, ist recht, sofern Ihr wirklich seinen Geist in Euch rechtfertigt; denn die Menschen schieben selten die Schuld auf Satans Werk und auf ihre eigene Sünde, sondern sie geben Gott die Schuld; so schmähen und verkennen oft Kinder Gottes Seine Gnaden-Arbeit an ihren Seelen: „Ich habe nichts, sagen sie, alles ist fort, mein Feld trägt nur Unkraut,“ während ihre keimende und der Erndte entgegenreifende Saat sie der Lüge zeiht. Was aber mich betrifft, ach, so ist dieß meine Sünde gerade nicht, ich habe kaum Verstand genug, um in diese Sünde zu fallen, aber ich rathe Euch, von Christi Verdienst und von Seiner Gnade gegen Euch stets nur Gutes zu reden.
5) Licht, sagt Ihr, bleibt Euch wohl, aber Ihr könnet nicht dazu gelangen, unverdrossen darin zu wandeln; sehet, ob Ihr nicht diese Klage auch im Neuen Testament niedergeschrieben findet und zwar in diesen Worten: „Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht.“ Doch hat nicht ein jeder den Geist Pauli bei dieser Klage; denn oft ist die Klage in uns nur falsche Demuth oder ein Tadel der Arbeit Christi an der Seele. Was den Gegenstand der Klage betrifft, so möchte ich sagen, daß wir das Licht der Herrlichkeit erst dann vollkommen erreichen, wann wir den HErrn, dort, wo wir Ihn sehen und erkennen, wie Er ist, lieben, loben und preisen und in Ihm uns freuen und ruhen; aber dieses Licht ist nicht in uns, so lange wir im Fleisch wandeln, obgleich, so lange wir hier sind, doch das Licht meist noch heller ist, als unser träger Gehorsam. Wenn aber Licht da ist und begleitet wird von einem Heere anklagender Gedanken und von der Betrübniß, hinter dem, was wir thun sollten, weit zurückzubleiben, so wird dieser Kummer über das Nicht-Thun von Gott als Thun angenommen, und dieser unser aufrichtiger Kummer und redliches Streben, verbunden mit Christi Fürsprache bei Gott, daß Er in Gnaden annehmen wolle, was wir haben, und vergeben, was wir nicht haben, muß unser Leben bleiben, bis wir die Grenze überschritten und jenes Leben erreicht haben, in welchem alles Unvollkommene aufhört.
6) Ihr schreibt, daß ihr auch in Christi Abwesenheit noch Willigkeit habt, die Gnadenmittel zu gebrauchen, daß Ihr aber nach dem Gebrauch Euch gedrückt fühlt, weil Ihr sie nur aus Gewohnheit und obenhin gebraucht. In Christi Abwesenheit, das ist richtig, stockt es mit unserem Thun, wenn Ihr aber den Mangel des Trostes und den Mangel des Gefühls Seiner süßen Gegenwart meinet, so glaube ich, daß dieser Mangel oft ein Zug Christi ist und nicht blos Schuld unserer Sünde; daher wenn auch unser Gehorsam nicht mit Freudigkeit versüßt ist, wie junge Christen es lieben, so ist beim Mangel des Gefühls gerade die größere Willigkeit im Gehorchen ein Zeichen, daß unser Gehorsam um so aufrichtiger ist, wenn wir es auch selbst nicht so glauben. Viele halten den Gehorsam für blos förmlich und ohne Leben, wenn ihre Seele nicht mit Gefühl und Freudigkeit erfüllt ist und nicht wie ein mit vollem Winde gehendes Schiff seine Segel weit ausspannen kann, aber ich bin nicht ihrer Meinung. Wenn Ihr aber unter Christi Abwesenheit das Entziehen Seiner wirkenden Gnade verstehet, so sehe ich nicht ein, wie alsdann noch Willigkeit, die Gnadenmittel zu gebrauchen, überhaupt hiebei stattfinden kann, darum demüthigt Euch über dieses Gefühl der Traurigkeit im Gehorsam und seid dankbar für die Willigkeit; denn Euer Gott wirket und schaffet darin mehr, als Ihr sehet.
Traget Leid über ein blos äußerliches und über ein kaltes und todtes Wesen in Eurem Gehorsam; ja demüthigt Euch, so tief Ihr könnet, über dieses kalte Wesen und Kreuziget den faulen und trägen Sündenleib, der sich nicht bequemen will zu einem geistlichen Gehorsam. Wie theuer sind dem HErrn Jesu unsere Klagen über unsere Verdorbenheit und den Leib der Sünde! Hört wie der Apostel ausruft: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ Die Protestation gegen das Gesetz der Sünde in Euch, ist ein Zeichen, daß die Sünde kein Recht über Euch haben soll.
7) Ihr behauptet, man müsse Christo von Herzen dienen oder gar nicht; wenn Ihr meint, daß Er nicht ein halbes Herz, oder einen verstellten Dienst, womit die Heuchler ihm dienen, haben will, so habt Ihr recht. - Christus verlangt Aufrichtigkeit oder Nichts. Wenn Ihr aber meint, daß Er unsern Dienst gar nicht annimmt, sobald das Herz in irgend etwas zurückbleibt, so möchte ich wahrlich um meines Antheils am Himmel nicht, daß das wahr wäre. Jesus kennt unsere Schwäche und unsere Mängel und hat Mitleid mit uns, wenn Trägheit und Kälte in Gehorsam uns eine Last und ein Kreuz sind.
8) Der Feind, welcher ein Lügner ist von Anfang, wirft Euch vor, wie Ihr schreibt, daß Eure Bekehrung nur äußerlich sei; dennoch preiset Ihr Euern Bürgen für den Grund, den Er gelegt hat und Ihr habt, wenn Ihr es auch nicht auszusprechen wagt, doch Zuversicht in gewissem Maße durch Ihn. Hierauf erwidere ich, daß es erstens kein Schade für Euch sein wird, wenn Ihr Satans Anklage Euch zu nute macht und seinen Vorwurf recht prüft, aber nehmt Euch vor ihm in Acht, denn seine Absicht ist, Euch und den HErrn zu scheiden. Zweitens trachtet nach Glauben an Christum, welcher uns rein wäschet, wenn wir unsere Seele beschmutzt haben, und sucht das Blut der Versöhnung für alle Eure Sünden, sie mögen groß oder klein sein; lernet den Weg zur Quelle recht kennen, und bleibt darauf. Drittens lasset Euch nie die Zuversicht rauben, denn sie hält Euern Anker fest.
9) Ausbrüche der Sünde, sprecht Ihr, entmuthigen Euch, so daß ihr nicht wisset, ob Ihr in diesem Leben je wieder zu solchen beseligenden Tröstungen des heiligen Geistes gelangen werdet, wie Ihr sie früher erfahren, und deßhalb fragt Ihr, ob die Kinder Gottes, nachdem sie Sünden-Vergebung erlanget und sich selbst verleugnet haben, gewöhnlich mit ans haltendem Gefühl der Freude erquickt werden? - Ich antworte, mir scheint es genug, wenn bei einem Wettlauf wir nur einmal das Kleinod am Ende der Rennbahn von ferne erblicken und sollten wir es dann auch nicht eher wiedersehen, als bis wir das Ziel erreicht haben. Doch halte ich es auch nicht für unrecht, nach erneuerten Tröstungen zu verlangen, vorausgesetzt:
1) Daß das Herz sich dem HErrn unterwirft und Zeit und Maß ihm überläßt.
2) Daß man nur aus dem Grunde darnach verlangt, damit man dadurch zum Lobe Gottes angetrieben, die Zuversicht gestärkt und die Sehnsucht nach Ihm vermehrt werde.
3) Darum mag man immerhin nach Tröstungen verlangen, nicht wegen unserer Verdienste, sondern als nach einem Angeld auf den Himmel und ich glaube, Viele gelangen zu größerem Troste nach solchen Demüthigungen, als sie je vorher hatten.
Was das Volk Gottes unter Euch betrifft, so bin ich nicht recht tüchtig dazu, um zu denen zu reden. Es freut mich unaussprechlich, daß Christus Seelen unter Euch gewinnt; aber ich weiß, daß bei Bekehrungen der ganze Gewinn von der ersten Grundlegung abhängt, Viele aber legen einen falschen Grund, halten sich zu rasch für bekehrt und haben doch nie eine schlaflose Nacht über ihre Sünde gehabt; und das gibt nur schlechte Arbeit, ich bitte Euch, grabet Ihr tiefer. Es wäre gut, wenn junge Christen nicht den jungen Erben glichen, die zum Besitz ihres großen Vermögens gelangen, ehe sie zu rechtem Verstande kommen; denn so kommt die Welt und stiehlt ihnen ihre Reichthümer, noch ehe sie recht wissen, was. sie thun. Ich empfehle Euch die Gemeinschaft und das Gebet in Euern Privat-Versammlungen; als Zeugniß dafür leset: Jesaias 2,3. Jeremias 1,4.5. Hosea 2,1.2. Hesekiel 8,20-23. Maleachi 3,16. Lucas 24,13-17. Joh. 20,19. Apost.-Gesch. 12,12. 1 Petri 4,10. 1 Thess. 5,14. Hebr. 3,13. und 10,25. und bedenket, wie sie ein Theil von der Gemeinschaft der Heiligen ist.
Schließlich ersuche ich Euch, daß Ihr und Eure christlichen Freunde meiner Herde und meines Amtes in Euern Gebeten vor Gott gedenken möget. Aus Mangel an Zeit habe ich an Euch Alle in diesem Einen Briefe geschrieben. Die reiche Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit Euch Allen. Der Eurige in dem HErrn.
Anwoth, 15. August 1627.
S. R.
103. An John Kennedy.
Mein geliebter Bruder in dem HErrn!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede von Gott unserm Vater und von dem HErrn Jesu Christo zum Gruß. Mit herzlicher Theilnahme habe ich gehört, in welcher Gefahr Sie gewesen sind, auf dem Meere umzukommen und Ihre gnädige Errettung hat mich mit Freuden erfüllt. Ich bin überzeugt, Satan will alles in Bewegung setzen, um Sie von Ihrem Felsen herunterzustoßen, oder wenigstens Sie darauf zu erschüttern und wankend zu machen; denn zu der nämlichen Zeit, wo auf dem Lande der Mund gottloser Leute sich zu scharfen Reden gegen Sie aufthat, da widersetzte der Fürst, der in der Luft herrscht, sich Ihnen auf dem Meere; aber, Gott sei gepriesen, sein Arm ist kurz; wenn See und Wind ihm gehorcht hätten, so wären Sie nie an das Land gekommen. Danken Sie Ihrem Gott, der da sagt: Ich habe die Schlüssel der Hölle und des Todes, - ich tödte und mache lebendig; - der HErr führt in die Hölle und wieder heraus. Sie klopften an die schwarzen Thüren des Todes und des Grabes an, aber Sie fanden sie verschlossen und wir alle bewillkommnen Sie hier mit Freuden. Sie erkennen es gewiß, wie der HErr Sie nicht ohne Grund wieder zu uns zurückgeschickt hat; Er wußte, daß Ihre Rüstung noch nicht stark genug für den Todesstreich war. Nun, in der Kraft des HErrn Jesu, machen Sie Ihr Geschäft fertig; die Schuld ist nicht erlassen, nur gestundet; der Tod hat Ihnen nicht auf immer Lebewohl gesagt, sondern Sie nur auf eine kurze Zeit verlassen. Beenden Sie Ihre Reise, ehe die Nacht Sie übereilt; halten Sie alles zu der Zeit in Ordnung, wenn Sie durch den dunkeln und stürmischen Jordan hindurchgehn müssen und Jesus wird Ihr Fährmann sein; die letzte Stunde wird nicht einen Augenblick auf Sie warten. Die Zahl Ihrer Tage ist in Gottes Büchern eingeschrieben und Sie müssen, als im Dienste des HErrn, arbeiten, bis der Schatten des Abends Sie erreicht. Vollenden Sie Ihren Lauf mit Freuden, denn wir nehmen in das Grab nichts mit uns als ein gutes oder böses Gewissen, und wenn der Himmel sich auch nach dem Sturme aufklärt, so folgen doch bald wieder Wolken auf Wolken, Sie sind mit Christo als Sie zuerst begannen, Ihm nachzufolgen, einig geworden, daß Sie das Kreuz tragen wollten; erfüllen Sie nun, was Sie versprochen, mit Geduld; seien Sie getreu in Ihrem Bunde mit Christo, lieber Bruder; denn wer versteht besser, Kinder aufzuziehen, als unser Gott? Er macht keine Ausnahme mit irgend einem Seiner Kinder: Offenb. 3,19. Heb. 12,7.8. Nein, Sein ältester Sohn und Sein Erbe, Jesus Christus ist nicht ausgenommen. Hebr. 2,10. Leiden müssen wir, so war es beschlossen von Gott, noch ehe wir geboren waren; und es ist leichter über Seinen Rathschluß klagen, als ihn ändern. Es ist wahr, die Schrecken des Gewissens werfen uns nieder, und doch ohne diese Schrecken des Gewissens können wir nicht aufgerichtet werden; Furcht und Zweifel erschüttern uns und doch ohne Furcht und Zweifel würden wir bald einschlafen und Christum verlieren; Anfechtungen und Versuchungen wollen uns fast mit der Wurzel ausreißen und doch ohne Anfechtungen und Versuchungen können wir ebensowenig wachsen, wie die Blumen und das Getreide ohne Regen. Die Sünde, der Satan und die Welt wollen uns in's Ohr raunen, daß wir eine schwere Rechenschaft im Gericht zu bestehen haben und doch vermag keiner von diesen ohne Unwahrheit zu behaupten, daß unsere Sünde den Inhalt des neuen Bundes ändern kann. Vorwärts denn, mein theurer Bruder und verlieren Sie nicht Ihren festen Grund und Boden. Ich wünsche, daß ich und Sie, und alle, die unsern Heiland lieben, so mit Ihm, dem Sohne Gottes, vereint sein mögen, daß wir sagen können: „Ja, wenn wir uns auch den Händen Christi entwinden wollten, so hat Er uns doch mit den Banden Seiner Liebe so gefesselt, daß weder Grab noch Tod diese Bande zu sprengen vermögen.“
Ich hoffe zuversichtlich, daß Sie mich, meine Gemeine und meinen Eintritt in den Weinberg des HErrn Ihm befehlen, der mich an Seine Arbeit gesetzt hat; der HErr weiß, daß seit ich Sie zuerst gesehen, ich Ihrer immer eingedenk geblieben bin. Theurer Bruder! gedenken Sie Ihres würdigen Vaters, der nun in Christo ruhet, und wie es seine Gewohnheit war, so beten auch Sie unablässig für das Wohl der Kirche. Nun, ich befehle Sie, samt Leib, Seele und Geist dem HErrn Jesu Christo und Seiner Obhut und hoffe, daß Sie mit der Sache unsers HErrn Jesu leben und sterben, stehen und fallen werden. Der HErr selbst sei mit Ihrem Sie liebender Bruder in unserm HErrn.
Anwoth, 2. Februar 1632.
S. R.
104. An Henry Stewart, dessen Frau und zwei Töchter, während ihrer Gefangenschaft in Dublin.
„Fürchtet euch vor der keinem, das ihr leiden werdet. Siehe der Teufel wird etliche von euch in's Gefängniß werfen, auf daß ihr versuchet werdet rc.“ (Off. 2,10.)
Aufrichtig geehrte und herzlich geliebte Freunde! Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Euch von Gott, unserm Vater und unserm HErrn Jesu Christo. lasset es Euch nicht befremden, daß Satan Macht hat, Euch in das Gefängniß zu werfen; dieß ist ein Theil der Herrschaft, die er über diese Welt hat. Verstehet und erkennet hierin den HErrn recht; setzet keinen Zweifel in Seine Liebe, wenn er auch Teufel und Menschen zu Seinen Werkzeugen gebraucht, Euch von Euern Schlacken zu reinigen. Ich beschwöre Euch, die Ihr auf Hoffnung gefangen liegt, blicket im Glauben hin, nach jener schnellen Errettung, welche Gott bald über Euch kommen lassen wird. Das müßte ein breiter Strom sein, über den der Glaube nicht hinweg sehen, und das ein gewaltig großes Meer, dessen fernste Ufer und Küsten auch eine lebendige Hoffnung nicht erreichen kann. Sehet über das vor Euch liegende Wasser hinweg; Euer Anker ist in dem Inwendigen des Vorhangs befestigt, wohin der Vorläufer, Christus, für Euch eingegangen ist. Aber ach! wir haben nur so enge und schwache Vorstellungen von Christo und machen uns in unserem Kopfe immer ein Bild von Ihm nach der Art eines geschaffenen Wesens! Kommt uns deßhalb zu Hülfe, o ihr verherrlichten Bewohner der Erde und des Himmels, der Luft und des Meeres, daß wir das Lob unseres HErrn laut anstimmen können; alle Schönheit der Kreaturen erröthe vor dieser unerschaffnen Schönheit; alle Kraft der Geschöpfe werde zu nichte vor der Macht des HErrn der Heerscharen und alle Liebe der Kreaturen werde beschämt beim Anblick dieser unvergleichlichen Liebe des Himmels! O, Engel der Weisheit, verbirg dich vor unserm HErrn, dessen Erkenntniß ganz unerforschlich und unbegreiflich ist. Sonne, in deiner glänzendsten Schönheit, verhülle dich in Finsterniß vor dem Glanze deines Meisters und Schöpfers! Wer kann der Herrlichkeit unseres nie genug bewunderten und gepriesenen HErrn noch etwas hinzufügen, sei es durch Thun oder durch Leiden? Erhaltet Christo Eure Liebe und leget Euren Glauben in Gottes Hände; folget dem Haupte der Märtyrer, welcher ein gutes Bekenntniß vor Pontio Pilato abgelegt hat; lasset den Glauben sich fest halten an den sichern Verheißungen Gottes, wenn Wolken und Finsterniß um Euch sind. Hütet Euch vor einem ungläubigen Herzen und sprechet nicht: „Wird denn die Verheißung ganz ausbleiben?“ Denn es war ein Mensch und nicht Gott, der so sprach und der träumte, daß eine Verheißung Gottes ausbleiben könnte. O süßes und starkes Wort des Glaubens: „Wenn Er mich auch erwürget, so will ich doch auf Ihn vertrauen.“1) Die Augen des Glaubens können auch durch finstre Wolken hindurch sehen und Gottes Gedanken der Liebe und des Friedens lesen. Haltet Euch in der Dunkelheit fest an Christum, und wahrlich Ihr werdet noch das Heil Gottes sehen. Es hätte sich wohl geziemt, daß Männer von größerem Gewichte, als ich, an Euch schreiben, aber ich liebe Eure Sache und hoffe, Ihr werdet mich deßhalb entschuldigen. Ich bitte Euch um den Beistand Eurer Gebete in meinem wichtigen Amte, daß der HErr mein Wirken an der Universität, wie in der Gemeine hier segne. Gnade sei mit Euch Allen. Amen.
St. Andrews, 1640.
S. R.
105. An James Wilson.
Theurer Bruder!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede werde reichlich über Sie ausgegossen. Ich bin kein so geschickter Arzt, als Ihr Fall es erfordert und ich habe nicht viel Zeit, allein der HErr hat mir Sie so auf das Herz gebunden, daß ich nicht ganz schweigen kann.
Sie sind im Zweifel: ob Sie in Christo sind, oder nicht und ebenso: ob Sie erwählt sind, oder zur Verdammniß bestimmt?
Ich habe auf Ihre Zweifel dreierlei zu antworten:
1) Sie sind allen Menschen Liebe schuldig und einige auch sich selbst, zumal Ihrem erneuten Ich, da Ihr neues Ich nicht das Ihre, sondern des HErrn ist, nehmlich das Werk Seines eigenen Geistes; wenn Sie also Sein Werk gering achten, so versündigen Sie sich an ihm. Wenn Sie Gnade lieben, so denken Sie nicht gering von der Gnade, die in Ihnen ist; Sie thun dieß aber, sobald Sie die Gnade in Ihnen zu einem Werk der Natur herabwürdigen. Eine heilige Furcht; daß Sie nicht Christi seien, und die Sorge und das Verlangen, Sein und nicht Ihr eigen zu sein, ist wahrlich nicht das Werk der Natur. Der große Fürsprecher (Advocate) vertritt Sie; stellen Sie sich auf Seine Seite, Sie armer und furchtsamer Client Christi! Daß Er Sie vertritt, das beweist Ihr Brief, wenn gleich er noch zu sehr mit argwöhnischer Sorge angefüllt ist; denn wenn Sie nicht Sein wären, so könnten nicht solche ernste Fragen, die doch nur der heilige Geist wirken kann, in Ihnen entstehen; als: bin ich Sein oder wem gehöre ich an?
2) Wollen Sie es wagen, Ihren HErrn, dessen Eigenthum Sie sind, zu verleugnen und mit Vorbedacht zu sagen: ich bin nicht Sein? Was Natur und Sünde zu Zeiten in Ihnen sprechen, kümmert mich nicht; die Gedanken, die Sie über sich selbst haben, wenn Sünde und Schuld sich hören lassen und wenn Ihnen Ihre Schuldenlast vor die Augen tritt, gehören, wie ich hoffe, zu den Apokryphen und nicht zur Schrift. Hören Sie, was der HErr Ihnen sagt: „Meinen Frieden gebe ich Euch.“ Wenn Ihr HErr sagen würde: ich gebe dich auf; dann wollte ich Ihnen auch rathen, Asche für Brod zu essen und Galle und Wermuth zu trinken. Allein wenn auch Christus mit Seinem eigenen Munde zu sagen scheint: „Ich bin nicht für dich gekommen,“ wie Er es Matth. 15, 24. that; so müssen Sie diese Worte nicht anders verstehen, als Er sie verstanden wissen will; denn Seine Absicht dabei ist zu stärken und nicht zu verstoßen und deßhalb darf hier der Glaube dem widersprechen, was Christus zu sagen scheint und so thun Sie es auch.
3) Sie sagen, daß Sie nicht wissen, was Sie thun sollen. Ihr Meister sagte einst dasselbe oder doch ein ähnliches Wort: „Nun ist meine Seele betrübt; was soll ich sagen?“ und der Glaube antwortete dem versuchten Heiland: sprich - „Vater ich bitte, daß diese Stunde vorübergehe.“ Was anders können Sie thun, als daß auch Sie beten und harren, bis Christus selber Sie tröste? Ach, sprechen Sie, ich kann nicht beten. Antwort: aufrichtiges Seufzen ist das Athmen des Glaubens. Das Leben ist nicht ohne Glauben, in dem ein Seufzen ist, ein Aufblicken nach oben und ein Schreien zu Gott, wie es in den Klagliedern 3,56. heißt: „Verbirg deine Ohren nicht vor meinem Seufzen und Schreien.“ Sie sagen: was für geistliche Uebungen soll ich vornehmen? Ich antworte: 1) Wenn Sie genau wüßten, was Sie thun sollten, so wäre es nicht eine geistliche Uebung. 2) Nach meinem schwachen Urtheil müssen Sie zuerst sagen: ich will Gott preisen, indem ich an das Heil Davids und die Hochzeit der Braut mit dem Lamme glaube, wenn ich auch für den Augenblick meine eigene Seligkeit noch nicht glauben kann. 3) Sie müssen sagen: ich will von meinem Gnadenrechte (claim) nicht lassen; wenn auch meine Liebe zu Christo nichts werth ist, so soll Er sie doch, so wie sie ist, haben. 4) Sprechen Sie, meine Stoßseufzer sollen zum Himmel aufsteigen und wenn sie in das goldene Rauchfaß des Engels kommen, so wird der mitleidige Fürsprecher sie sammeln, dem HErrn zum süßen Geruch. Worte sind nur Accente des Gebets. - Aber Sie sagen, Sie sind mit Herzenshärtigkeit geschlagen und werden durch melancholische, beschämende Gedanken in Verwirrung gesetzt. Was, mein lieber Bruder, wollen Sie hieraus folgern? Etwa, daß Sie nun nicht wissen, wessen Eigenthum Sie sind? Dieß wäre eine richtige Folgerung im Himmel, bei den Engeln und Seligen; aber hier, wo kranke und sieche Seelen unter der Pflege sind, hier ist dieser Schluß nichts werth. Lassen Sie Christo Zeit, Sein Werk in Ihrem Herzen zu Ende zu bringen; und bleiben Sie dabei, daß Sie Ihre Härte fühlen und beklagen, denn Seine Härte fühlen ist schon ein Beweis von Weichheit. Ich ermahne Sie, Christi Ruhm zu besingen für Sein in Ihnen begonnenes Gnadenwerk. Machen Sie Christum zu Ihrem Gesang und Ihrer Musik, denn klagen und unsern Mangel fühlen erhöht oft unsern Lobgesang. Geben Sie Christo Ihre Traurigkeit, denn Satan hat kein Recht, sich in Ihrer Schwermuth eine Wohnung zu machen; borgen Sie Trost und Freude von dem Tröster; lassen Sie den heiligen Geist sein Amt in Ihnen verrichten; und bedenken Sie, daß Glaube eins und das Gefühl und Bewußtsein des Glaubens etwas anders ist. Gott bewahre uns vor dem Schluß: kein Gefühl, also auch keine Gnade. Doch, ach, mein theurer Bruder, es ist mir etwas Leichtes, Worte vom Frieden zu machen, aber Jesajas sagt Ihnen, „ich schaffe den Frieden,“ und Sie wissen, daß es nur Einer ist, der ihn schaffen kann. Ach, daß Sie doch eine Botschaft des Friedens vom Himmel gesandt erhielten! Beten Sie für mich um die Gnade, treu zu sein, und um Gaben, Gott mit der Zunge und mit der Feder verherrlichen zu können. Ich vergesse Sie nicht. Der Ihrige in dem HErrn Jesu.
St. Andrews, 8. Januar 1630.
S. R.
106. An seinen theuern Freund John Lennick.
Sehr geehrter und theurer Freund!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Die dringenden Geschäfte in meinem Amte haben mich bisher daran gehindert, Ihren Brief zu erwidern und ich will jetzt die Hauptpunkte desselben mit wenigen Worten beantworten. Zunächst freue ich mich, daß Sie zur Quelle selbst gehen, da Ihre eigene Cisterne trocken ist und es ist Ihnen nöthig, daß Ihre Cisterne bisweilen austrocknet, damit Sie den Unterschied zwischen dem Brunnen des Heils Christi, und allen erborgten Wassern kennen lernen. Aber was beklagen Sie sich, daß das Wasser über Ihre Seele geht, und daß die Schrecken eines zürnenden HErrn Sie fast bis an den Rand des Todes bringen? Wenn Sie Ihr Gefühl und Ihre Furcht zu Richtern über Seine Liebe machen, dann steht gleich ein starres Bild vor Ihnen und der erscheint Ihnen als Ihr Feind, den Sie doch, „da Sie Ihre Tritte wuschen in Butter, und die Felsen Ihnen Oelbäche gossen,“2) als Ihren Freund erfahren haben.
Lassen Sie den HErrn nur machen, Sie hatten noch nie, seit Sie ein Mann sind, eine so gute Gelegenheit, Ihren Glauben zu zeigen, als jetzt; denn wenn die Furcht vor dem Zorne Gottes unser Herz ergreift, dann gilt es: glauben; nun so sehen Sie zu, ob Sie in Wahrheit Glauben haben, ob Sie sagen können: Wenn er mich auch erwürget, so will ich doch auf Ihn vertrauen. Sehen Sie nun zu, ob Sie Gott überwinden können, wie jener, der aus allen Kräften mit Gott gerungen; „der kämpfte mit dem Engel und siegte.“ Hos. 12,5. Das wird ein großer Sieg sein, wenn Sie das Heil des HErrn auch glauben, wenn es dunkel um Sie ist.
Ich gestehe, daß vieles Beunruhigende zugleich auf Sie einstürmt, und daß die Pfeile von allen Seiten her, vom Vaterlande, von Ihren Freunden, von Weib und Kindern, von Ihren Feinden, Ihren Gütern und auch unmittelbar von der Hand des HErrn, der die Hoffnung und der Halt Ihrer Seele ist, auf Sie eindringen. Allein alle diese Trübsale sind zwar viel und schwer, aber doch übersteigen sie nicht das Maß der unendlichen Weisheit, noch der Gnade, die Er Ihnen, wie ich hoffe, gewähren wird; denn unser HErr hat noch nie an Seinem eigenen Werke etwas verdorben; das Werk der Natur bricht Er oft in Stücke, allein Sein eigenes Rohr zerknickt Er nicht, sondern geht vorsichtig damit um. Werken Sie Ihr zerbrochenes Herz an Seinen Busen und legen Sie Ihre Last auf Den, der Ihre Sorge und Furcht von Ihnen nehmen, und Ihnen Neues für Altes und Gold für Eisen, ja der Ihnen „Schmuck für Asche und Freudenöl für Traurigkeit und schöne Kleider für einen betrübten Geist“ geben will. Mit Betrübniß habe ich in Ihrem Briefe gelesen, daß Sie über Gottes Zorn und über das Gefühl Seiner Ungnade klagen. Wahrlich, die Furcht vor dem Zorne flammt aus derselben Asche mit der Furcht vor der Sünde. Doch vergessen Sie nicht, daß Sie nur ein Mensch sind und die Schuld unseres Geschlechtes und die Sünde derer mittragen, die den Geliebten vor Ihrem Herzen haben vorübergehen lassen, ja, die Ihm den Eingang verwehrt haben, als Er anklopfte. Allein fassen Sie eine bessere Vorstellung von Christo und sehen Sie nicht durch den Schleier Ihres Unglaubens nach ihm und messen Sie nicht Seine Liebe nach Ihrer Schuld und Sünde. Ach nein! Christus hat Liebe eines Menschen in dem Himmel, aber sie ist durchstrahlt mit Gottesliebe und es ist wirklich Gottes Liebe, womit Sie es zu thun haben. Harren Sie, bis Er wieder zu Ihnen kommt mit Seinem Heile und Sie zuletzt mit Freuden erfüllt. Es ist leicht, sich zu beklagen, allein glauben Sie lieber, statt zu klagen und setzen Sie sich in den Staub und schließen Sie Ihren Mund, bis Er Ihr Licht wieder aufgehen läßt; denn Ihre Trübsale dauern nicht ewig, die Zeit wird sie beenden und so werden Sie zulegt das Heil unsers Gottes sehen. Seine Liebe schläfet nicht, sondern ist immer geschäftig für Sie. Sein Heil wird nicht zögern noch ausbleiben. Ihres HErrn Weisheit und Liebe wählte dieses Kreuz für Sie; nehmen Sie es willig auf sich und lassen Sie es sich zum Besten dienen. Die Blüthe und Frucht desselben sei, daß Sie der Erde, der Zeit, dem Golde, dem Vaterlande, den Freunden, Weib und Kindern und allen geschaffenen Dingen, die ja doch nichts sind, absterben, denn in ihnen allen ist für die Liebe Ihrer Seele kein Raum. Gott that viel für Ihre Seele und gesegnet sind Sie, wenn Sie eine Liebe zu Ihm haben und wenn Sie die Liebe Ihrer Seele von allen Ihren Abgöttern zurückrufen, und Gott und Christus wahrhaft Ihren Gott sein lassen. Wenn Ihre bekümmerte Seele mehr in Gottes Wegen Ruhe findet, als in der Erfüllung Ihrer eigenen Wünsche, so ist jenes gewiß das Beste und der Trost, der daraus fließt, der kräftigste und süßeste.
Ueberlassen Sie dem HErrn die unumschränkte Leitung Ihres Lebens, welche Leiden und Trübsale Er Ihnen auch zusenden will; befehlen Sie Ihm Ihr Kreuz und Ihr Läuterungsfeuer, Ihm, der es wohl versteht, Sein eigenes Metall zu schmelzen und der weiß, was Er mit Seinem Ofen anfangen muß. Ergeben Sie Ihr Herz darein, daß Sein Feuer all' Ihr Zinn, Kupfer und Schlacken verzehrt; es ist eine größere Gnade, als manche Christen meinen, wenn man willig ist, sich von seinem Verderben reinigen zu lassen und es gehört schon viel Glauben dazu, die Art, wie Gott uns führt und heilt, Seiner Weisheit zuzuschreiben. Der Genuß der Herrlichkeit wird die Erinnerung aller Leiden wegwischen und sie als Nichts erscheinen lassen; lassen Sie jetzt nur die Geduld ausharren, denn diese Eile ist nur Ihre Schwachheit.
Meine Geschäfte hindern mich, Ihnen mehr zu schreiben; entschuldigen Sie deshalb, daß ich schließe und seien Sie meiner eingedenk. Unterstützen Sie mich durch Ihre Gebete, ja beten Sie für diese Gemeine, für diese Universität und für meine eigene Seele. Gnade sei mit Ihnen. Der Ihrige in Christo Jesu.
St. Andrews, 13. Februar 1640.
S. R.
107. An Lady Fingask.
Gnädige Frau! Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Obwohl der Person nach unbekannt, wage ich es doch, auf den Wunsch eines christlichen Freundes, Ihnen einige Worte zu schreiben. Ich höre, daß Ihr Geist sich zu Gott gewandt hat und daß Ihr Herz himmelwärts blickt; ich preise hiefür den Vater des Lichts, denn es ist das Werk unsers Mittlers Jesu Christi. Erkennen Sie es, wie Sie nun durch ein neues Band zum Gehorsam verpflichtet sind, auf daß Sie alles thun mögen nicht sowohl aus Zwang des Gesetzes als aus dem Gebote Seiner Liebe, so daß die Erlösung, die durch Christum bewirkt ist, der Hauptgrund all Ihres Gehorsams sei, wenn Sie sehen, daß Sie nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stehen. Erkennen Sie zugleich, daß Unglaube eine geistige Sünde ist, und als solche auch durch das Licht der Natur erkannt werden kann, und daß Alles, was das Gewissen sagt, deßhalb noch nicht in der Schrift steht. Ihr Herz zeugt wider Sie wegen längst begangener Sünden, allein Viele haben Vergebung ihrer Sünden vor Gott, wenn gleich sie in ihrem Herzen darüber noch nicht Frieden haben; Sie sollen aber nach dem, was Christus über Sie urtheilt, stehen und fallen, und nicht nach dem, was Ihr Herz sagt.
Gnädige Frau! halten Sie sich daran, daß die Liebe Ihres himmlischen Bräutigams fest und sicher steht, und lassen Sie den Glauben darauf ruhen, daß Er Sie vor Grundlegung der Welt geliebt hat und daß Er Seine Gesinnung nicht ändern kann, denn Er ist Gott und bleibt unveränderlich in Seiner Liebe. Die Sünde in Ihnen ist kein Grund, daß. Sie an ihm verzweifeln dürfen, auch müssen Sie nicht glauben, daß, weil sie durch Sünde Seiner Gerechtigkeit anheim gefallen sind, Er deßhalb auf Sie zürnt; und ebensowenig halten Sie es für eine Anmaßung, wenn Sie die Sorge für Ihre Seligkeit auf den wälzen, der Macht hat, Sie selig zu machen; denn dadurch werfen Sie all Ihr Vertrauen auf sich selbst, auf Ihr Verdienst und Ihre Gerechtigkeit weg. Unser Glaube ist demüthig und kennt keine andere Zuflucht, als allein zu Christo. Ich glaube, Sie schätzen Christum hoch und die, welche ihn lieben und denen Er köstlich ist, können nicht anders als glauben und so selig werden; ja, Er ist Ihnen hiebei zuvorgekommen; denn Sie haben nicht Ihn erwählt, sondern Er hat Sie erwählt. O bedenken Sie, wie es nichts gibt, was uns den Himmel, die Erde oder irgend eine Kreatur angenehm und lieb machen kann, was nicht in Ihm in unendlicher Vollkommenheit ist; und je mehr Sie von Seiner Liebe trinken, desto mehr können Sie davon fassen und desto größer wird das Verlangen darnach und die Freude daran. Aber ach, was thue ich? Ich verliere nur Worte, wenn ich von Dem in hohen Worten rede, der über alle Gesänge des Himmels erhaben ist und der nie genug von uns Allen gepriesen werden kann. Seiner grenzenlosen Liebe befehle ich Sie und bin der Ihrige in Jesu Christo.
St. Andrews, 27. März 1640,
S. R.
108. An den Prediger David Dickson.
Mein theurer Bruder!
Sie gleichen dem Hause, von dem Sie ein Pfeiler sind; das Kreuz ist ein Theil der Leibrente, welche allen Söhnen des Hauses auferlegt ist. Ich möchte mit Ihnen leiden, wenn ich Ihnen dadurch die Last Ihrer Trübsale erleichtern könnte, aber Sie haben ja, ehe ich noch von Gott etwas wußte, selbst gepredigt, daß Er der HErr der Erndte ist und daß Er in Seine Scheunen einerndten kann, zu welcher Zeit es Ihm wohlgefällt. Sie haben es gelernt, Seine Herrschaft zu erkennen und anzubeten, die Er über Sie ausübt und welche von Gnade leuchtet. Ihr Kind ist nur aus einem Garten in den andern versetzt; es ist in einen höheren verpflanzt, wo es der Sonne näher ist und besser gedeihen wird, als hier auf diesem wüsten Felde. Ich sehe in dieser Beraubung nur eine Erhebung und ein reiches Maß der Gnade, als die süße Frucht Ihres Kreuzes; und ich behaupte dreist, daß in der Schule, in welche Ihr HErr und Meister Sie jetzt gesetzt hat, Sie dieß selbst erkennen werden. Dieß Kreuz ist mehr werth, als irgend ein alter oder neuer Commentar des Textes, über den Sie in Glasgow predigten; buchstabieren und lesen Sie es recht, denn der HErr weiß, was Er thut. Er beschneidet und putzt nur den Fruchtbaum, damit er noch mehr Früchte bringe.
Theurer Bruder! gehen Sie vorwärts und lassen Sie den Muth nicht sinken. Etwas von dem, was Ihnen angehört, ist nun in dem Himmel, und Sie werden leben und triumphieren und herrschen und mehr als überwinden; denn Ihr Herzog, der Sie führet, ist mehr als Ueberwinder und Er macht Sie zu Seinem Genossen der Eroberung und des Sieges. Triebe mich nicht meine Liebe zu Ihnen dazu an, wahrlich ich würde nicht so zu Jemand sprechen, der besser als ich weiß, was Gott mit ihm vornimmt.
Versichern Sie Ihre Frau, Ihren Sohn und alle dortigen Freunde meiner Liebe. Unterstützet mich durch Eure Gebete, denn ich höre nicht auf, Euch dem HErrn zu befehlen. Gnade sei mit Ihnen.
St. Andrews, 28. Mai 1640.
S. R.
109. An Lady Boyd.
Gnädige Frau! Wenn ich bis jetzt geschwiegen habe, so glauben Sie nicht, daß ich Ihrer, die Sie sich meiner in meinen Banden so treulich angenommen, vergessen habe. Ach könnte ich Ihnen doch sagen oder schreiben, was Ihnen wohlthäte, zumal jetzt, wo Ihre Gedanken gewiß auf die unergründlichen Wege unseres HErrn gerichtet sind, der durch einen so plötzlichen und wunderbaren Schlag Ihre Brüder und Freunde hinwegnahm. Sie müssen wissen, daß alle, welche für die Sünde sterben, nicht in der Sünde sterben und daß Niemand den Allmächtigen unterweisen kann; Niemand darf zu Ihm sagen: „Was thust du?“ Es ist wahr, Ihre Brüder sahen nicht viele Sommer, aber beten Sie voll Ehrfurcht die Regierung dessen an, der wie ein Töpfer mit Seinen Gefässen thut, was ihm immer gefällt. Diese Welt und alles, was sie enthält, ist Seiner unumschränkten Herrschaft unterworfen. O, welche Weisheit ist es, zu glauben und nicht zu widersprechen, die Gedanken Seinem Willen zu unterwerfen und nicht über irgend einen Akt Seiner Gerechtigkeit zu murren! Er hat es gethan - alles Fleisch verstumme! Unmöglich können Sie recht unterwürfig und geduldig in Gottes Willen ergeben sein, wenn Sie Ihre Gedanken von dem verwirrten Getreibe und dem Räderwerke der letzten Ursachen fortreißen lassen und ausrufen: O, dieser Ort! O, diese Zeit! Ja, wenn dies nicht gewesen wäre, so hätte jenes nicht stattfinden können! Ach, die Verkettung dieses Zufalls mit dieser Zeit und diesem Ort! - Sehen Sie auf zu dem Lenker aller Dinge und zu dem Haupturheber! Sehen Sie und lesen Sie den Beschluß des Schöpfers. der Menschen, welcher Seinen Kindern den Tod und die Art desselben bestimmt. Wer Seine Wege versteht, sieht weit: „wie unerforschlich sind Seine Gerichte und wie unbegreiflich Seine Wege!“ Doch die waren nicht die größesten Sünder, auf welche der Thurm von Siloah fiel. Aber ich kann es nicht leugnen, daß „der König der Schrecken in der Hütte des Gottlosen wohnt und daß Schwefel wird über seine Hütte gestreuet werden“;3) doch gnädige Frau, es ist sicher für Sie, im Glauben an Seine Liebe zu leben; Seine Pfeile sind in Barmherzigkeit für die Seinen getaucht und Er weiß Sie und die Ihrigen aus dem Buche der Todten zu streichen. Sie sehen, daß Sie „nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stehen,“ deßhalb ist der Zorn Gottes nicht das Gericht, vor welches Sie werden vorgefordert werden. Gewiß Sie verachten Ihn nicht, so wenig, wie Sie davor erschrecken; und ich hoffe, Sie haben den festen Entschluß gefaßt, daß, wenn der HErr Sie auch zu Staub zermalmen sollte, dann auch Ihr Staub noch Sein Heil glauben soll. Und wer kann es ausreden, welche Gedanken der Liebe und des Friedens unser HErr über Ihre Kinder hat? Was Andern Zorn ist, das ist Ihnen und Ihrem Hause Gnade. Es ist die Sache des Glaubens, auch in den härtesten Schlägen Gottes Seine herzliche Liebe zu finden und sich anzueignen. Die Liebe, welche Sie für die Freunde hatten, die nun todt sind, die geben Sie ganz dem HErrn. Es wird unserer schon halb ertödteten Liebe doch immer noch schwer, sich von irgend etwas zu trennen, worauf sie ein Recht zu haben glaubt; aber unser Wille soll der eines Dieners sein, und der ist der beste Diener, der am wenigsten von seinem eigenen Willen behält und am meisten von dem seines Herrn hat. Unser HErr weiß die Seinigen durch die Prüfungen der Zeit hindurchzuführen und wenn Sie sehen, wie den Felsen gleich die Rathschlüsse der freien Gnade in Christo unerschütterlich sind, so stehen Sie fest. Der Bund Gottes bestehet und wenn Gott auch züchtigt, so dienet Sein Züchtigen uns auch nur zum Heil; denn die Schläge auf Seine Auserwählten kommen von der sanften Hand des himmlischen Mittlers und Seine Ruthen sind in den Strom der Liebe getaucht, der aus dem Herzen unseres erlösenden Jesus fließt. Seien Sie zufrieden, zugleich aber auch voller Begierde und Verlangen nach Gnade, dem Pfande und Vorschmack der Herrlichkeit. Ihr Lebensfaden ist nur noch kurz und schon sind Sie am Eingange in die Himmels-Erndtescheuer, und so sind die Verluste, von denen ich Ihnen geschrieben, nur Regenschauer, welche die Sonne des neuen Jerusalems bald auftrocknen wird; und die Regentropfen der Trübsal können das Bild Gottes auf Ihrer Seele nicht beflecken, noch die Farbe Seiner Gnade verändern; und da Sie Ihn nicht verlassen wollen, der Sie gewiß nicht verlassen wird, so kann ich es Ihnen voraussagen, daß das Licht des Tages Ihnen nahe ist, wenn ein solches Morgendunkel Sie umfängt, und daß diese Prüfung Ihres Herzens, wenn Sie nur Ihn nicht verlassen, mit doppelter Gnade sich enden wird. Es ist nun Zeit für den Glauben, fester an Christum anzuhalten und sich dichter an ihn heranzudrängen, als bisher; denn Christus will, daß man Ihm glaube und sich auf Ihn verlasse. Die Herrlichkeit, seine Zuversicht auf den Einen zu setzen, der Macht hat zu helfen und zu erretten, ist größer, als wir uns vorstellen. Der Gottesdienst, auch an einen strafenden Erlöser zu glauben, ist ein köstlicher Theil des Gehorsams; Er wird dadurch verherrlicht, wenn wir unsere Lasten auf Ihn werfen, der uns ein ewiges Königreich erworben hat. Wohl der Seele, welche Seine freie Gnade zu schätzen und anzubeten weiß. Die reiche Gnade Christi sei mit Ihrem Geiste. In aller Unterwürfigkeit der Ihrige in Jesu Christo. St. Andrews, 15. October 1640.
S. R.
110. An Barbara Hamilton.
Theure Freundin!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! - Mit Schmerzen gedenke ich dessen, was der HErr über Ihren Schwiegersohn verhängt hat; doch ich bin überzeugt, Sie richten Ihre Blicke nirgend anders hin, als auf Christum und auf Gottes ewige, allmächtige Vorsehung, die alle Räder lenkt. Wir erkennen zwar Gottes Beschlüsse aus den Folgen, sie seien gut oder böse, süß oder sauer; aber wir sehen nicht sogleich die Absicht des göttlichen Beschlusses, nehmlich das gesegnete Ende und das Gute, welches aus Seinem heiligen und makellosen Rathschluß hervorgehen soll. Wir sehen Sorgen und Kummer; aber das Ende Seines Rathes und Seines Thuns liegt unter dem Schleier verborgen und deshalb können wir es noch nicht glauben. Auch bei den Menschen sehen wir gehauene Steine, Bauholz und hundert zerstreute Balken und Theile eines Hauses, alles mitten unter Werkzeugen, Hämmern, Aexten, und Sägen; aber das Haus, die Schönheit und Bequemlichkeit so vieler Wohnungen und Räume können wir für den Augenblick nicht sehen, das ist jetzt alles gleichsam nur noch im Kopfe. und in den Gedanken des Baumeisters. Wir sehen rothe Erde, unzerbrochene Schollen, Furchen und Steine, aber wir sehen nicht Sommerlilien, Rosen and die Schönheit eines Gartens. Lassen Sie nur dem HErrn Zeit, Sein Werk zu Ende zu bringen - wer glaubt, harrt in Geduld; Sein Ende ist noch verborgen. Sie werden es erkennen, daß es zu Ihrem Besten war, daß ihr Sohn seinen Wohnort gewechselt hat, aber nicht seinen HErrn. Christus verlangte hier nicht mehr von Seinem Dienste; dennoch heißt es (Offenb. 22,3): „Seine Knechte werden Ihm dienen.“ Er bedarf nicht unseres Dienstes, weder auf Erden noch im Himmel; allein Sie sollen auf Ihn sehen, der Seine Taglöhner verabschiedet und ihnen den Lohn gibt und zwar für ihren bloßen Vorsatz, Christo zu dienen, eben so, wie für ihre Arbeiten. Es steht auf Christi Rechnung, dieser Arbeiter schwitzte 40 Jahre in Christi Weinberg, wenn gleich ihm nicht vergönnt wurde, so lange zu arbeiten; denn der den Willen für die That ansieht, rechnet auf diese Weise. Niemand kann den HErrn unterweisen, wie Er die Rechnung anlegen soll; Er zählt die Regentropfen und kennt die Sterne bei ihrem Namen. Es würde uns viel Mühe machen, einem jeden Sterne, groß und klein, an dem Firnamente seinen Namen zu geben. Lesen Sie 3. Mos. 10,3. „und Aaron schwieg still;“ Sie wissen, wie seine beiden Söhne erschlagen wurden, als sie fremdes Feuer vor den HErrn brachten. Gebieten auch Sie Ihren Gedanken zu schweigen, „Hören Sie die Ruthe, und wer sie dräuet,“ Micha 6,9. und erkennen Sie die Hand Gottes, und erfahren Sie, daß etwas von Gott und dem Himmel in der Ruthe ist. In der Ruthe sehen wir nicht die Majestät der unerforschlichen und unergründlichen Wege und Gerichte Gottes; um sie sehen zu können, bedarf es der Augen dessen, der die Wahrheit ist. Aber Er kann nicht unrecht thun, er kann nicht fehlen; Seine Führungen sind immer gleich und recht. Ich weiß, unser HErr verlangt noch mehr Abtödtung, lassen Sie Ihn nicht vergeblich in Ihr Haus kommen und nicht die Mühe eines Gnadenbesuches verloren sein. Gott verrichtet das Werk eines Schmelzers nicht vergeblich, wenn es uns auch oft so vorkommen will, als wenn beides, Feuer und Metall, verloren ginge. Aber ich weiß, Sie haben mehr Erfahrung darin, als ich. Es ist kein Grund, die Hoffnung aufzugeben, oder zu ermüden. Gnade sei mit Ihnen, und die reichen Tröstungen Jesu Christi mögen Ihr Kreuz Ihnen versüßen und Sie unter demselben stärken. Ich bleibe in unserem HErrn und Meister
London, 15. Oktober 1645.
S. R.
111. An Frau Taylor.
Geehrte Frau!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Obwohl ich Ihnen nicht von Person bekannt bin und in keiner äußern Beziehung zu Ihnen stehe, so wage ich es doch, auf das Verlangen Ihres ältesten Sohnes und vornehmlich, weil mir Jesus Christus in Ihnen mehr als alle Verwandtschaft gilt, Ihnen um des HErrn willen meine armen Gedanken über Ihren in dem HErrn entschlafenen Sohn zu schreiben, der lange unter der Pflege des würdigen Dieners Christi und meines Mitarbeiters, Herrn Blair, gestanden und daraus, wie ich hoffe, keinen geringen Nutzen gezogen hat. Ich weiß, die Gnade reißt die Liebe einer Mutter nicht mit der Wurzel aus, sondern legt sie in die Hand dessen, der alle Dinge neu macht, um sie zu reinigen und zu läutern; darum ist der Schmerz über ein gestorbenes Kind Ihnen wohl erlaubt, allein er darf nicht Maß und Ziel überschreiten. Die Erlöseten Jesu sind nicht Herren und Gebieter über ihren Nummer und ihre Neigungen, denn auch diese sind des HErrn und wir dürfen nicht nach unserm Belieben darüber schalten, denn es heißt, „Ihr seid nicht Euer eigen, sondern theuer erkauft.“ So ist auch Ihr Nummer nicht Ihr eigen, da Christus Sie nicht halb erlöset hat; deßhalb dürfen Sie auch nicht das Kreuz Christi von sich abwenden wollen. Es ist der HErr, der Sie weinen heißt und Er, der Schöpfer aller Dinge, der eines Menschen Herz mit in den Himmel genommen hat, um ein mitleidiger Hohepriester zu sein, ist selbst Ihr Genosse und Bruder auf Erden geworden, indem auch Er über Verstorbene geweint hat (Joh. 11,35.). Wenn Ihr Leiden Sie nicht als ein Glied Christi träfe, nicht aus der Verwandtschaft, die Sie mit Ihm haben, herrührte, damit Sie Ihm in Seinen Leiden und in Seinem Tode ähnlich werden, so würde ich mehr Mitleiden mit Ihrer Lage haben; aber der freundliche und mitleidige Jesus ruft bei jedem Ihrer Seufzer um den Verlust Ihres nun verherrlichten Kindes, mit eines Menschen Herzen: „Halb mein, halb mein.“ Ich war nicht Zeuge seines Todes, da ich außerhalb Landes gerufen war, allein wie mich glaubwürdige Zeugen versichert haben, denen auch Sie Glauben schenken können, so starb er in Frieden.
Freilich nahm ihn der Tod hinweg, ehe er Christo auf Erden so dienen konnte, als es Ihr mir in Jesu theurer Sohn Hugh, wie ich wenigstens hoffe, thun wird. Allein nur dann könnten Sie sich mit Recht hierüber betrüben, wenn Ihnen nicht gesagt wäre, daß er nur sein Diensthaus verändert, aber nicht seinen Dienst oder seinen HErrn gewechselt hat. Offenb. 22,3. „Dort wird kein Verbannter mehr sein und der Stuhl Gottes und des Lammes wird darinnen sein und seine Knechte werden ihm dienen.“ Wie er in diesem unteren Hause ihm hätte dienen können, denselben Dienst kann er ihm nun in dem obern Hause leisten; es ist alles Eins, es ist derselbe Dienst und derselbe HErr; und es ist nur ein Wechsel in der äußern Lage. Und Sie werden es gewiß nicht für einen schlechten Tausch Ihres geliebten Sohnes halten, daß er „Gold für Kupfer und Erz, und die Ewigkeit für die Zeit erhalten hat.“ Gewiß hat Christus Sie gelehrt (denn ich glaube dem Zeugniß Ihres Sohnes Hugh über Sie), sich nicht darüber abzugrämen, weil Er gestorben. Der Grund Ihres Kummers ist: Er starb zu bald, er starb zu früh, er starb am Morgen seines Lebens; darüber grämen Sie sich; allein Gottes unumschränkte Herrschaft muß alle diese Gedanken zum Schweigen bringen. Ich bin in einer gleichen Lage gewesen; ich habe nur zwei Kinder gehabt und beide sind gestorben, seit ich hieher gekommen bin. Der höchste und unumschränkte Schöpfer aller Dinge gibt keine Rechenschaft von dem, was Er thut. Er kann als Herr des Gartens in der Mitte des Sommers seine Rosen pflücken und die Lilien brechen; aber ohne daß wir etwas einwenden dürfen, kann Er es auch schon thun, wenn kaum der Frühling angebrochen. Er darf die jungen Bäume aus dem niederen Garten in den höhern verpflanzen, wo sie zu jeder Zeit des Jahres mehr Sonne und frischere Luft genießen als in jenem. Was geht das Sie oder mich an? Alles ist ja nur Sein Eigenthum. Der Herr über Zeit und Wind that der Natur (wenn ich so sagen darf) ein gnadenvolles Unrecht an, indem er den Wanderer so früh anlanden ließ. Diejenigen lieben die Seefahrt zu sehr, welche sich über günstigen Wind und gutes Wetter beklagen und über eine schnelle Landung, zumal über die Landung an den Ort, an dem alle Einwohner ewige Freude auf ihren Häuptern haben. Er kann nicht zu früh im Himmel sein; seine zwölf Stunden waren keine kurzen Stunden. Und wahrlich, hätten Sie an seinem Bette gestanden und Christum zu ihm kommen sehen, Sie hätten die freie Liebe Christi, die ihn nicht länger entbehren wollte, gewiß nicht aufhalten wollen und können. Daß er in einem fremden Lande gestorben, wo seine Mutter ihm nicht die Augen hat schließen können, ist ja nicht etwas so Schweres. Die ganze Erde ist seines Vaters Eigenthum; jeder Winkel von seines Vaters Hause ist gut genug, um darin zu sterben. Es kann sein, daß das noch lebende Kind (ich spreche nicht von Ihrem Sohne Hugh) Ihnen mehr Kummer macht, als das verstorbene. Sie müssen warten, ob ihm Gott nicht zu seiner Zeit Reue geben wird. Christus wartete. so lange als möglich auf Sie, und gewiß wohl noch länger auf mich und sollte Er ihm keine Buße vergönnen, so könnte ich auch darüber etwas sagen, doch ich hoffe Besseres von ihm. Es scheint, diese Welt sollte, nach Christi Willen, nur Ihre Stiefmutter sein; ich beklage Sie deßhalb nicht; es sei Ihnen vielmehr ein Beweis, daß Sie nicht ein Kind aus diesem untern Hause, sondern daß Sie hier nur fremde sind. Christus hielt es nicht allein für gut, sondern auch für allein und einzig gut, Sie gerade so zum Himmel zu führen; und halten Sie dieß für eine Vergünstigung, daß Er Ihnen Seine freie, freie Gnade und zwar umsonst geschenkt hat. Sie haben nichts dafür gegeben und wer kann auch einen Preis für irgend etwas von dem Herrn aller Herren, Jesu Christo, geben? Und daß Gott es Ihnen vergönnt hat, für Ihn den Raub Ihrer Güter mit Freuden zu erdulden, halten Sie auch für ein Zeichen Seiner freien Gnade. Sie haben nichts verloren, wenn Sie Ihn selbst haben; und ich bin überzeugt, daß wenn Sie Christum recht zu schätzen wissen, Ihnen nichts schwer werden kann. Gnade, Gnade sei mit Ihnen. Ihr Bruder in dem HErrn.
London, 1645.
S. R.
112. An Frau Hume.
Geliebte Schwester!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Wenn Sie es in irgend etwas besser haben, als der Gemahl Ihrer Jugend, so sind Sie dafür Jesu Christo Ihren Dank schuldig; bezahlen Sie Ihm nun Ihre Schuld nicht mit Murren. Kummer und Sorge verringern leicht die süße Frucht der Gerechtigkeit; aber Stille, Schweigen, Ergebung und Glauben schmücken Ihren traurigen Verlust mit einer Krone. Sie wissen, wessen Stimme es ist, die aus der Ruthe spricht (Micha 6,9.), der Name und die Majestät des HErrn ist auf der Ruthe geschrieben; lesen Sie und lernen Sie. Räumen Sie Christo die Stelle Ihres Gemahles ein, der jetzt weder Ihrer, noch Ihrer Liebe bedarf; denn Er genießt nun so viel der Liebe Christi, als sein Herz nur zu fassen vermag. Ich bekenne es frei, daß es eine theuer erkaufte Erfahrung ist, welche Sie gelehrt hat, die Kreatur nicht zu überschätzen, aber sie ist nicht zu theuer erkauft, wenn es so Christo wohlgefallen hat. Gewiß werden Sie dadurch, daß Sie Ihren Gedanken nachhängen über seine Reise dorthin, über die Art und Weise seines Todes, über die Werkzeuge, den Ort und die Zeit, Ihrem Gemüthe keine Erleichterung verschaffen, bis Sie sich über die mittelbaren Ursachen mit Ihren Blicken erheben und schweigen - weil der HErr es gethan hat. Wenn wir die Führungen des Allmächtigen und Seine Wege meistern wollen, denen wir doch nicht bis auf den Grund sehen können, dann werden wir Gott nimmer verstehen. O wie wenig ist es, was wir von Gott sehen! Er ist weit erhaben über unsre engen Gedanken; Er regierte die Welt in Weisheit, noch ehe wir Geschöpfe von gestern geboren wurden; und Er wird sie regieren, wenn wir bei den Würmern und bei der Verwesung ruhen werden. Lernen Sie nur durch diesen schmerzlichen Verlust himmlische Weisheit, Selbstverleugnung und Abtödtung. Gewiß, es ist nicht umsonst (Sie müßten denn bestreiten, daß Gott weise ist in allem was Er thut), daß Sie jemanden auf der Erde verloren haben. Es war zu wenig von Ihrer Liebe und Ihrem Herzen in dem Himmel; deßhalb hat die Eifersucht Christi dieses gethan. Es ist eine Gnade, daß Er mit Ihnen streitet und Ihnen alles, woran Ihr Herz sich hängt, entreißt; ich möchte für mich selbst keine größere Gnade verlangen, als daß Christus mich so zwingen und sich so fest mit mir verbinden möchte, daß Er sagte: ihn muß ich haben, und ohne diese Seele kann ich im Himmel nicht sein (Joh. 17,24). Wenn Sie mit den Augen der Weisheit, als deren Kind, Ihre Mutter, die Weisheit Gottes rechtfertigen, dann werden Sie diesen Verlust küssen und umarmen und Sie werden die Hand Christi darin erkennen. - Glauben Sie und unterwerfen Sie sich und danken Sie für den Gewinn der Tröstungen Jesu und für die gesegnete Frucht der Prüfung Ihrem himmlischen Vater, welcher alle Ihre Haare auf dem Haupte zählt. Geben Sie Christo die ihm gebührende Stelle in Ihrem Herzen; vielleicht war Er von seinem Platze verstoßen oder Sie hatten Ihm in Ihrer Liebe einen Platz angewiesen, der Seiner Würdigkeit nicht entsprach. Erstatten Sie Christo nun alles wieder, was Sie Ihm unrecht gethan haben; lieben Sie Ihn wie einen Gemahl und Er, der „der Wittwe ein Mann“ sein will, wird Ihnen den ersetzen, den Er von Ihrer Seite genommen hat. Gnade sei mit Ihnen. Ihr theilnehmender Bruder.
London, 15. Oktober 1645.
S. R.
113. An Barbara Hamilton.
Geliebte Schwester!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Mit großem Schmerze habe ich erfahren, daß Newcastle noch einen mehr auf seine blutige Rechnung geladen hat, - Ihren Schwiegersohn, meinen Freund! Doch ich hoffe, Sie haben so viel von Christo gelernt, daß Sie nicht auf die über die Erde rollenden Räder blicken, sondern nur auf Den, der den Wagen leitet. Die Geschöpfe dürfen nicht mit ihrem Schöpfer rechten; wenn Stücke sündigen Thons mit dem Töpfer streiten, so verderben sie nur das Werk Dessen, der „Sein Feuer zu Zion und Seinen Schmelzofen zu Jerusalem hat“; sie gleichen den jungen Ochsen, welche, wenn sie bei der Arbeit schnauben und widerstreben, ihr Joch nur noch drückender machen. Durch Stillesein und Gehorsam wird Ihnen geholfen werden! Kam dieser Schlag, der Sie getroffen, von Gott (wie denn kein Unglück in der Stadt ist, das Er nicht thut, Amos 3,6.), so sei dieß Ihnen genug; der schönste Theil seines makellosen Weges kommt nach und Sie müssen Seinen Werken so gut glauben, wie Seinen Worten. Es macht nicht viel aus, welchen Weg wir zum Himmel gehen, die selige Heimath ist alles, worauf es ankommt, dort wird die Rauhheit des Weges vergessen. Auch er ist in seine Heimath, in das Haus eines Freundes gegangen und dort herzlich bewillkommt; sein Lauf ist geendet und die Zeit wird belohnt durch die Ewigkeit! Gottes Ordnung ist voller Weisheit. Der Ehemann geht vor seinem Weibe heim und das Gedränge des großen Jahrmarkt: wird vorüber sein, ehe wir es ahnden, - ein anderes Geschlecht wird kommen nach uns und zuletzt wird das Haus leer stehen und kein Menschenkind wird auf Erden zu finden sein. Ich fürchte immer mehr, Christus wird sich uns bald entziehen, da Er so viele von Seinen Geliebten vorher heimbringt. Wir können den Allmächtigen nicht unterweisen; als Er die Kugel gegen Seinen Knecht richten ließ, um seine Seele heimzuholen, da durfte Niemand Gott zurufen: „Halt ein, HErr, er ist Dein eigen.“ Es ist kein Uebel vor den Augen Dessen, der „wunderbar von Rath ist;“ soll Zion mit Ihres Schwiegersohnes Blut gebauet werden, so kann Gott, dessen Rath unerforschlich ist, die Steine Zions mit Blut zusammenkitten und selbst mit solchem Blut, welches kostbar in Seinen Augen ist. Christus hat wohl weniger Arbeiter in Seinem Weinberge als früher, aber einige Zeugnisse mehr in Seiner Sache und der Bund des HErrn erstreckt sich über alle drei Nationen! - Was für Christum Gewinn ist, kann für Sie kein Schaden sein; darum machen Sie sich durch Unglauben keinen Kummer über das, was Sein heiliger und weiser Wille verhängt hat. Ich weiß, der Vollendete preiset nun die Gnade, welche er früher predigte; und wenn er etwas Besseres auf seinem Haupte im Himmel als eine Krone trüge, oder wenn es etwas Köstlicheres als den Himmel gäbe, so würde er es niederlegen zu den Füßen Dessen, der auf dem Throne sitzt. Drum geben Sie Gott die Ehre, wie er es auch thut und sprechen Sie: Dein Wille geschehe! Die Gnade und der Trost Jesu Christi sei mit Ihnen. In des süßen HErrn Jesu Namen der Ihrige.
London, 15. November 1645.
S. R.
114. An einen christlichen Freund nach dem Tode seiner Frau.
Werther Freund! Ich wünschte mit Ihnen den Schmerz zu theilen über den Verlust eines so guten, geliebten Weibes, die nach dem Willen Gottes, dessen Rathschläge, unerforschlich sind, vor Ihnen dort hinging, wohin Sie ihr folgen werden. Er, der den gestrigen Tag vor dem heutigen kommen hieß, und ein früheres Geschlecht vor dem jetzigen, der Blumen aufblühen und verwelken läßt, einige früher, andere später, Er läßt sich nichts einreden in den Gesetzen, nach welchen Er die leblosen Dinge regiert; und Er hält auch hier diese Ordnung fest, daß Einer den Andern begraben muß; darum hoffe ich, sind Sie still und schweigen, denn Gott hat es gethan. Was Geschöpfe oder andere Unterursachen in sündigem Versehen hervorbringen, das wird in Weisheit von Ihrem Vater geordnet, zu dessen Füßen Ihre eigene Seele und Ihr Himmel liegen und so auch die Tage Ihrer Frau. Wenn der Ort, den sie verließ, nicht ein Gefängniß der Sünde wäre und das Land, in welches sie einging, nicht Ihren HErrn und Erlöser zum Könige hätte, dann würde ich Ihren Schmerz gerecht finden; nun aber hoffe ich, daß Ihr Glaube an die Auferstehung der Todten in Christo zur Herrlichkeit und Unsterblichkeit, Sie bewegen wird, Ihre Sehnsucht nach ihr bis zu der Morgenröthe jenes Tages zu stillen, an dem der Erzengel mit der Posaune herniederfahren wird, um seine Gefangenen alle aus dem Grabe dem HErrn entgegenzuführen. Dieß zu glauben ist das Beste für Sie und stille zu sein, weil der HErr es that, sei Ihre Weisheit. Es ist eine wichtige Sache, daß wir aus Gottes Trübsalsschule weiser in Seinen Wegen und erfahrener heraus kommen. Wir können nicht aus eigener Kraft die Schlacken, das Blei und den Schaum, der in uns bleibt, wegnehmen; und wenn der Ofen allein brennt und Christus, der HErr des Werkes, nicht beim Schmelzen Seines eigenen Gefässes dabei steht, so geht das Werk verloren und der Gießer schmilzt umsonst. Gott weiß es, Einige von uns haben unserem HErrn Jesu viel Feuer und Mühe gekostet, und das Gefäß ist dennoch fast verdorben, der Ofen und Gottes Ruthe zerbrochen und die Schlacken doch nicht herausgebrannt; so werden sich Viele über den Mißbrauch so manchen guten Kreuzes und so vieler vergeblichen Trübsale, die keine süße Frucht der Gerechtigkeit geschafft, vor der Majestät Gottes zu verantworten haben. Es ist ein schlimmes Ding, wenn der Baum so verflucht wird, daß hinfort keine Frucht mehr auf ihm wachsen soll; und es sei denn, daß der Thau des HErrn auf's Neue auf ihn fällt, seine warme Sonne ihn bescheint und seine Gnade auf die Trübsale folgt, damit er Frucht bringe zur Ehre Gottes, so werden alle Trübsale uns so wenig nützen, daß unser böser Grund, der üppig und fett genug ist, um Dornsträucher zu tragen, doch nichts als unnützes Unkraut hervorbringen wird. Darum spricht der Prophet Hesekiel 7,10.11.: „Die Ruthe blühet und der Stolze grünet. Der Tyrann hat sich aufgemacht zur Ruthe über die Gottlosen.“ - Auch dies ist unter manchen Zuchtruthen mein Fall gewesen, seit ich Sie nicht sahe. Gnade mit Ihnen. Der Ihrige in unserem süßen HErrn Jesu.
London 1645.
S. R.
115. An einen christlichen Bruder.
Verehrter und in dem HErrn geliebter Freund! Es mag sein, daß ich zu lange geschwiegen habe, aber glauben Sie nicht, daß ich Ihrer vergessen habe. Mit inniger Theilnahme an Ihrem Schmerze habe ich den Tod Ihrer Tochter vernommen; jedoch hat mich das freudige Bekenntniß ihres Glaubens an die Auferstehung der Todten, welches sie gegen Sie und Andere abgelegt hat, sehr getröstet. Das ausgesäete Samenkorn ist nicht verloren und so ist es auch mit der Auferstehung der Todten. Der Körper „wird gesäet verweslich und wird auferstehen unverweslich, er wird gesäet in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit.“ Ich hoffe, Sie harren der Erndte, „denn so wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch die da entschlafen sind, durch Jesum mit Ihm führen.“ Nicht verloren sind ja die, welche in die Gemeine der Erstgebornen, in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen sind. Obgleich wir die Vorangegangenen nicht einholen, noch ihnen voreilen können, so sollen wir ihnen doch eilend folgen; der Unterschied ist nur der, daß Ihre Tochter einige Jahre früher die Krone empfängt, als ihre Eltern. Wir nehmen es nicht übel, wenn unsere Kinder uns in dem Leben der Gnade zuvorkommen; wie sollten wir denn traurig sein, wenn sie früher als wir zum Genuß der ewigen Seligkeit gelangen? Es möchte fast scheinen, als sei mehr Grund zur Sorge vorhanden, wenn man Kinder zurücklassen muß, als wenn sie vor uns sterben und in die Herrlichkeit uns vorangehen. Der ganze Unterschied besteht ja nur in einer geringen Spanne Zeit, etwas mehr oder weniger, früher oder später, bald sind auch wir dort. So starb das fromme Kind, obgleich jung an Jahren, doch reif genug und Sie hätten es nicht besser versorgen können, obgleich diese Wahl nicht von Ihnen, sondern von Christo kam. Der HErr Himmels und der Erden kann Ihre Tochter besser bewahren, als Sie es vermögen. So lange sie lebte, konnten Sie sie zu Christo hinführen und sie Seiner Obhut empfehlen, nun ist sie Dem übergeben, an dessen Herzen alle ruhn, die im HErrn entschlafen sind. Sie wollten Sie geliehen haben, damit sie den HErrn auf Erden verherrlichen möchte; Er hat sie Ihnen geborgt, jedoch unter der Bedingung, sie Ihm wiederzugeben, damit sie Ihn im Himmel unmittelbarer verherrliche. Gott zu verherrlichen ohne Sünde ist besser, als ihn verherrlichen in unserm Leben von Sünde. Und gewißlich sind Ihre Gebete für sie erhört. Ich wünsche, daß, wenn der HErr auf dieselbe Art über die Mutter verfügen wird, Er Ihnen denselben Sinn und Glauben schenken möge. Christus wird kein Unrecht auf Sie häufen, wenn aber die Quelle, daraus alles fließt, Gottes Liebe ist, wie ich es hoffe, so werden Sie durch alle diese Verluste nur bereichert. Doch wissen Sie alles besser, als ich es ausdrücken kann. Gottes Gnade mit Ihnen. Der Ihrige im HErrn.
London, 6. Januar 1646.
S. R.
116. An eine christliche Edelfrau.
Gnädige Frau!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Wäre der Tod, der Ihnen, wie uns allen, bevorsteht, etwas anderes als eine sanfte Auflösung, oder ein Wechsel des Lebens, wäre er wirklich Vernichtung unseres Lebens, so dürften wir es freilich als eine schwere Reise betrachten, durch einen so dunkeln Eingang und ein so dorniges Thal, wie dieser Sold der Sünde ist, hindurchzugehen. Doch ich bin voll Zuversicht, Sie kennen den Weg, obgleich Ihr Fuß noch nie dieß finstere Schattenthal betrat, und der Verlust des Lebens ist für Sie Gewinn. Ist Jesus Christus das Ziel und das Ende der Reise, so braucht man nichts zu fürchten; Sie gehen zu einem Freunde; und da Sie mit Ihm schon in diesem Leben Gemeinschaft gehabt haben und Er den größten Theil Ihres Herzens und Ihrer Liebe besitzt; so dürfen Sie dem Tode mit Freuden in's Angesicht schauen. Ist das Herz im Himmel, so können Sie nicht von dem zweiten Tode gehalten werden. Obgleich Christus derselbe im ewigen Leben ist, wie Sie Ihn hier gefunden haben, so übertrifft Er doch, wenn man ihn sieht, wie Er ist, in Seiner Vortrefflichkeit, Schönheit, Süßigkeit, Klarheit und in dem Glanze Seiner Majestät bei weitem Alles, was wir auf Erden von Ihm gesehen haben. In Ihnen aber wird eine große Veränderung stattfinden, wenn Sie neue Sinne empfangen und Ihre Seele erweitert werden wird, um Christum völlig in sich aufzunehmen. Wahrlich jetzt können Sie nicht sagen, daß Sie Ihn schauen von Angesicht zu Angesicht, noch daß Sie den himmlischen Wein aus der Quelle trinken, wie Sie es in wenigen Tagen, wenn Sie bei Christo sind, thun werden. Dann werden Sie meinen, daß Prediger und sündige Boten auf Erden Sein Lob nur beschmutzen, wenn sie von Ihm predigten und von Seiner Schönheit redeten. Ach, wir sind selbst Schuld, wenn Christus weniger liebenswerth erscheint, indem wir in solchen nichtssagenden, kalten, trockenen Worten von Seiner hellstrahlenden Unübertrefflichkeit zu den Töchtern Jerusalems reden. Ach gewiß, ich für mein Theil habe oft hierin gesündigt.
Ja, unser Lob Gottes ist voll Sünde, wir loben Ihn viel zu wenig und mit unreinen Lippen. Aber ich muß hievon aufhören; es ist zu tief für mich. „Komm und siehe,“ ruft der HErr Ihnen zu. Wir möchten gerne mit Ihnen gehen, aber wir dürfen noch nicht, denn wir sind nicht Herren unseres Tages. Wenn Sie auf Ihrer letzten Reise auf eine Schlange treten, die Ihnen in die Ferse sticht, wie sie Christo vor Ihnen gethan, so wird doch bei der Auferstehung von den Todten die Narbe dieser Wunde nicht mehr gesehen werden. Der Tod ist nur der Steg über Zeit und Sünde zu Christo hin, der das Schwerste vom Tode geschmeckt und empfunden hat. Lob und Preis sei Ihm, dem Todesüberwinder! Das Traurigste ist wohl, daß Sie Ihren Mann, Ihre Kinder und die Kirche Gottes in der Trübsal zurücklassen; aber Sie können sie für jetzt noch nicht mit in den Himmel nehmen. Sie werden sie nicht vermissen, und Christus kann sich nicht um eins Seiner Lämmer, und wäre es auch das elendeste verrechnen. Auch nicht eins wird fehlen und Sie werden es wieder sehen an dem Tage, wo der Sohn Seinem Vater das Reich übergibt. Nicht eine Seele der streitenden Kirche wird in wenig Generationen mehr hier sein. Sie mögen sich freuen, daß Sie nicht eher in den Himmel kommen, als Sie wissen, daß Jesus vor Ihnen dort ist. Und Seine erste Begrüßung wird Ihnen zeigen, daß es kein Unglück ist, zu sterben. Gehen Sie und freuen Sie sich Ihres Gewinnes. Leben Sie in der Liebe Christi, so lange Sie noch hier auf dem Wege sind. „Die Weissagung wird ja noch erfüllet werden zu seiner Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht außen bleiben. Ob sie aber verziehet, so harre ihrer; sie wird gewißlich kommen und nicht verziehen.“ Ach, möchte ich es nur nicht an dem, was mir obliegt, fehlen lassen; Christus, mein Haupt, wird in Seinem Regimente nichts versehen, Er wird es nicht versäumen, das Gericht zum Siege hinauszuführen. O, daß wir doch warten könnten auf die Offenbarung unseres verborgenen Lebens! Daß Christus doch die Decke lüftete, die Vorhänge bei Seite schöbe, den Himmel zerrisse und herniederführe! Oh! daß doch Schatten und Nacht vergangen wären, daß der Tag nun anbräche, und Er, der unter den Lilien weidet, Seinen Engeln mit den Posaunen zuriefe: „Machet euch bereit!“ Seine Gnade sei mit Ihnen.
Nun ist noch meine letzte Bitte an Sie, daß Sie meiner bis zuletzt in Ihren Gebeten gedenken wollen. Ihr Bruder in Seines HErrn Jesu Namen.
London, 9. Januar 1646.
S. R.
117. An Lady Adroß.
Gnädige Frau!
Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Wie ich höre, hat es ihm, der der Zahl unserer Monate bestimmte Grenzen gesetzt hat, gefallen, eine Garbe reifen Korns in Seine Scheune zu sammeln, indem Er Ihre fromme Mutter heimgeholt hat. Wenn Aepfel ohne die Gewalt des Windes durch ihre eigene Schwere vom Baume fallen, so ist es augenscheinlich, daß der Winter sich nahet. Sie ist nun des Winters überhoben, indem sie ihre Stelle nur ein wenig, nicht aber ihren Heiland gewechselt hat; nun erfreut sie sich Christi ohne Vermittlung, denn sie ist in der unmittelbaren Gegenwart Dessen, von dem sie früher nur durch Boten und Briefe hörte. Freilich mag ihr der Tod etwas ganz Neues gewesen sein; aber der Himmel war ihr von Alters her bereitet; und Christus auf Seinem Throne sitzend, mit Herrlichkeit geschmückt, unvergleichlich erhaben über Menschen und Engel, und von einem himmlischen Kreise seliger Geister umgeben, welche den Thron mit Gesang umringen, ist ihr wohl ein neuer Anblick, doch so, wie die erste Rose des Sommers oder die ersten Früchte jenes himmlischen Feldes, oder wie ein Paradies dem ermatteten Wanderer ist nach einer langen, beschwerlichen Reise.
Sie können leicht denken, wie reichlich alle ihre treuen Dienste, ihr Wandel mit Gott und ihre Sorgen durch den ersten Blick ihres Seelenauges auf das Angesicht des Lammes, in der Mitte jener schönen, weißen Schar, und durch den ersten Trunk des Wassers des Lebens, welches dort an der Quelle immer frisch und klar sprudelt, werden vergolten sein; nicht zu erwähnen der Freude, Gott ohne Ende zu schauen. Und ihr kostete es, dorthin zu kommen, weiter nichts, als sich von dem Tode diesen geringen Dienst leisten zu lassen; denn durch Den, welcher todt war und nun lebet, ist sie vom zweiten Tode befreiet; und was ist der erste im Vergleich mit dem zweiten? Alles dieß, hoffe ich, mildert und lindert nicht allein Ihren Schmerz (wozu es mir vollgenügend scheint), sondern erweckt vielmehr bei Ihnen die gewisse Erwartung des nahen Anbruchs auch Ihres Tages und die Hoffnung auf den Genuß desselben Königs und Königreiches für Ihre eigene Seele. Wahrlich diese Hoffnung muß, da alles in unserm Vaterlande so dunkel aussieht, eine besonders große Aufmunterung für schmachtende Seelen sein, welche während Ihres Laufes hienieden so fern von der Heimath sind. Mehr kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, aber ich bete, daß der Gott des Friedens Ihr Herz fest behalte bis an's Ende. Ich verbleibe, gnädige Frau, im schuldigen Gehorsam in Christo Jesu der Ihrige.
London, 24. Februar 1646.
S. R.
118. An Earlstoun den Aeltern.
Mein Herr!
Ich weiß wohl, daß längst, ehe ich noch Christum kannte, Sie schon gelernt haben, wie, wenn das Kreuz unserer eigenen Wahl überlassen wäre, wir entweder ganz davon befreit blieben, oder es so mit Tröstungen versüßt erhielten, daß die Süßigkeit alles Bittere und allen Wermuth überwöge. Christus aber weiß die Kinder Seines Hauses zu erziehen und Sie müssen es Ihm erlauben, daß Er Seinen eigenen Weg der Erziehung mit Ihnen gehet; ist der Weg gleich rauh, so vergeben Sie es ihm; der HErr fordert Sie heraus, so viel Geduld mit Ihm zu haben, als Er mit Ihnen gehabt hat. Ich bin gewiß, es dürfte keine Drachme Wermuth weniger in Ihrem Becher sein, oder wollten Sie, daß Er Ihre Seele versäumte und Sie Schaden nehmen ließe? Da die Seinen nicht darauf rechnen dürfen, auf Rosen und Seide zu gehen, so müssen sie mit dem Weg zufrieden sein, den Er für sie bereitet. Sie wollen doch auch nicht anders als in der Gemeinschaft der Gläubigen in den Himmel gehen. Sie wissen aber, daß Alle, die vor Ihnen gegangen sind, durch Leiden, Blut und viel Trübsal hindurchgehen mußten. Ich bin überzeugt, daß Sie es gelernt haben, sich zu beugen (mögen Sie auch, wie Andere, von Natur hart sein), besonders, wenn Sie bedenken, daß Christus das ganze Kreuz getragen, während Seine Heiligen, wie der Apostel sagt, nur, das, was noch mangelt an Trübsalen, erstatten.„
Wenn Sie dem Wasser, welches Sie von der ewigen Heimath trennt, nahe gekommen sind, wie ich denn weiß, daß Sie ihm nahe sind, so ist alles, was ich Ihnen davon sagen kann, daß ich das Land, welches vor Ihnen liegt, wohl kenne, und daß es ein gutes Land ist, und daß Der vor Ihnen steht, der Sie von Herzen bewillkommnen wird. Der Gott aber des Friedens, der von den Todten ausgeführet hat den großen Hirten der Schafe, durch das Blut des ewigen Testamentes, der wolle Sie festbehalten bis an das Ende. Ihr Freund und Diener in Jesu Christo.
London, 15. Mai 1645.
S. R.
119. An seinen Bruder in Christo, den Prediger Gillespie.
Verehrter, theurer Bruder! Sie kennen den Weg, der vor Ihnen liegt; die Bahn steht Ihnen frei und offen, und die Spuren der Fußstapfen unsers Vorläufers sind sichtbar und deutlich; Viele sind den Weg schon vor Ihnen gegangen. Sie werden nicht lange in der Erde schlafen, bis der Tag anbricht. Ich wage nichts gegen des HErrn Fügungen zu sagen und hoffe, Ihnen bald zu folgen; die Erben, welche nicht vor Ihnen dort sind, beeilen sich Ihnen schnell nachzukommen. Seien Sie nicht traurig; jetzt wird nach dem Leben des Glaubens bei Ihnen gefragt; Ihr Thun stand niemals auf Ihrer eigenen Rechnung geschrieben, obwohl Christus in Ihnen und durch Sie mehr gethan hat, als durch zwanzig, ja hundert grau gewordene, fromme Prediger; glauben ist nun Ihr Letztes. Halten Sie sich an das Wort: „Ich lebe, aber doch nicht ich, Christus lebet in mir.“ Sie kennen das Ich, welches lebet, und das Ich, welches nicht lebet; nicht Sie sind es, der da lebet, sondern Christus lebet in dem Herzen des durch das Gesetz zerbrochenen Schuldners; es ist nicht das Thun und der heilige Wandel Ihr Leben, sondern das Leben Christi in Ihnen.
Wenn Sie sich von Christo getrennt sehen, müssen Sie mehr als traurig sein. Alles aber, theurer Bruder, was Sie drückt, werfen Sie auf Ihn. Ich fürchte, das Haus von Erde ist untergraben und dem Fallen nahe, aber der Tagesanbruch ist nicht mehr fern; schauen Sie nach Osten, schon bricht die Morgenröthe Seiner Herrlichkeit an. Auf der Reise sieht man bisweilen die Stadt viele Meilen weit in der Ferne, und wenn man ihr bis auf eine Viertelmeile nahe gekommen ist, so sieht man sie nicht mehr. Alles, was Sie jetzt haben möchten, wird Ihnen im Himmel aufbewahrt, bis Sie es bedürfen, und wenn Sie es dann zugleich sehen und schmecken werden, so ist die frühere Entbehrung kein Verlust für Sie; Lassen Sie Christum Ihren Vormund fein, daß Er über Sie schalte, wie Er es gut findet; Sie können unter Seinen Händen nicht verunglücken, noch verderben.
Nichts haben ist eine große Empfehlung, und kein Geld, kein Verdienst haben, gibt Ihnen (der, wie ich weiß, sich nicht in eigener Gerechtigkeit brüstet) ein Recht, sich auf den zu werfen, der die Sünder gerecht macht. Manche sehen das Kleinod nur einmal und dann nicht wieder, bis sie das Ende des Weltlaufs erreicht haben, und es wird ihnen erst zu Theil, wenn sie fähiger als jetzt sind, seinen Werth zu fassen. „Sie sind dann nicht gekommen zu dem Berge, der mit Feuer brennet, noch zu dem Dunkel und Finsterniß und Ungewitter, sondern Sie sind gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem und zu der Menge vieler tausend Engel, und zu der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten, und zu dem Mittler des neuen Testaments Jesu, und zu dem Blute der Besprengung u. s. w.“ Ihr Weib müssen Sie einem bessern Manne, und Ihre Kinder einem bessern Vater überlassen. Ihr Sie liebender, aber betrübter Bruder.
St. Andrews, 27. September 1648.
S. R.
120. An Frau Gillespie.
Theure Schwester! Mit herzlicher Theilnahme habe ich gehört, wie Gott Sie durch die Wegnahme Ihres Kindes Archibald heimgesucht hat; doch hoffe ich, Sie sehen ein, wie betrüglich es ist, das ganze Gewicht Ihrer Liebe und Ihres Vertrauens auf irgend ein erschaffenes Wesen, sei es Mann oder sind, zu setzen; denn das Geschöpf ist nicht im Stande dieses Gewicht zu tragen, sondern sinkt unter demselben in nichts zusammen und darum sind Sie Christo Dank schuldig für alle Fügungen dieser Art, gerade dafür, daß Er eine Dornhecke auf Ihrem Wege bauet.
Denn so müssen Sie ja einsehen, daß Er die gnädige Absicht hat, Sie zu erretten, Sie mögen (wenn ich so sagen darf) wollen oder nicht. Es ist eine große Gnade des HErrn Jesu, das Er der HErr Ihres Willens und Ihrer Freuden sein will, und es ist Sein Liebesrath, daß Er Ihren Gemahl und Ihr Kind in die Heimath, wohin auch Sie reisen, vor Ihnen hat gelangen lassen. Sie werden jetzt gewiß wenig mehr mit der Welt sich einlassen, seit Sie solche Kreuzes-Erfahrungen in ihr gemacht haben; wären Sie ein Kind der Welt, so würde die Welt zärtlicher mit Ihrem Eigenthum verfahren sein. Es ist jetzt nur noch wenig von Ihnen außer dem Himmel, seit Ihr Mann und Ihr Kind dort sind, aber es ist doch noch wichtiger, daß Ihr Haupt-Blutsfreund und Erlöser diejenigen nach Hause führt, welche in Gefahr sind verloren zu gehen, darum vorwärts! Schöpfen Sie Ihren Trost nicht aus löcherichten Brunnen und versiegten Quellen, und sollte Gott das Uebrige verlangen, so müssen Sie nichts zurückhalten wollen, was Er ziehet. Wahrlich, mir ist Ihre Lage tröstlicher, als wenn Ihr Tisch mit zehn Kindern besetzt wäre. Gott sahe, daß Sie fähig waren, durch Seine Gnade den Verlust von Mann und Kind zu ertragen, und er wußte, daß Sie doch zu schwach und zart, und daher nicht im Stande gewesen wären, den Besitz eines so liebenswürdigen und gottseligen Gemahles, der in so allgemeinem Ansehen stand, zu ertragen. Ja, Er wußte, daß das Gewicht dieser Güter Sie erdrücken würde, und da Sein Verstand unausforschlich ist, so erwählte Er den Weg mit Ihnen, welcher Ihnen Christum am theuersten machen konnte, darum sprechen Sie nicht in Ihrem Herzen: „Es ist eine harte Wahl, ein schweres Schicksal!“ Jetzt, da Er Seinen Beschluß Ihnen kundgethan hat, sprechen Sie vielmehr: „Christus hat gnädig und weise für mich gewählt und ich habe kein Wort dawider zu sagen. Lassen Sie in Ihrem Herzen ja nichts gegen Christum aufkommen. Er wird Sie nicht allein lassen, aber auch nicht zugeben, daß Sie Abgötterei mit Andern treiben, die nicht ein gleiches Recht auf Ihre Liebe haben, als Christus. Ich wünschte, daß, wenn Sie vieles lesen, Sie niederfielen und die Heimgegangenen wie die noch lebenden Gott übergäben; und was Sie selbst betrifft, so überlassen Sie sich Ihm zum völligen Eigenthum und harren Sie Seiner, denn Er wird kommen und nicht verziehen. Leben Sie im Glauben, und der Friede Gottes bewahre Ihr Herz; Er kann nicht sterben, dessen Eigenthum Sie sind. Meine Frau leidet mit Ihnen und versichert Sie Ihrer Liebe. Ihr Bruder in Christo.
St. Andrews, August 1649..
S. R.
121. An Frau Marion M'Naught.
In dem HErrn geliebte Schwester!
Wenn Sie mir jemals Liebe erweisen wollten, so beten Sie jetzt für mich zu dem HErrn, da ich so trostlos bin und so von Schwermuth niedergedrückt, daß ich die Last nicht länger zu tragen vermag. Der Allmächtige hat Seine Schläge gegen mich verdoppelt; denn meine Frau ist Tag und Nacht so von Schmerzen gequält, daß ich mich wundere, wie Gott so lange zögert! Mein Leben ist mir verbittert, und ich fürchte, der HErr zürnet mir. Es ist (wie ich jetzt aus Erfahrung weiß), sehr schwer, Gott während eines Sturms im Auge zu behalten, besonders wenn Er sich zur Prüfung Seiner Kinder verbirgt. Wollte Er so gnädig sein, die Last zu mildern, so ist mein Vorsatz, ihn noch mehr als bisher zu suchen. Glückselig sind die, deren Seelen nicht gebunden sind; ich fürchte mich vor Seinem Gerichte! Ich preise meinen Gott, daß es einen Tod und einen Himmel gibt. Ich möchte fast ermatten, immer wieder meinen Christenlauf von vorne anzufangen, so bitter ist es, aus dem Kelche zu trinken, aus dem Christus getrunken hat; doch ich weiß, daß kein Gift in demselben ist; beten Sie, daß Gott mein Weib nicht in Versuchung führe. Mein Herz ist tief betrübt, daß ich in meinem Amte so wenig gegen Satan's Reich gewirkt habe; er möchte wohl wünschen, daß ich Gott in's Angesicht lästerte, aber ich glaube, durch die Kraft dessen, der mich in Seine Arbeit gesetzt hat, daß der Versucher dieß nicht bei mir erreichen wird. Ich finde Trost darin, daß Christus, mein Feldherr, gesagt hat, Joh. 14,30.: „Es kommt der Fürst dieser Welt und hat nichts an mir.“ Ich muß kämpfen und die Welt überwinden. Bitten Sie Herrn Robert, wenn er mich liebt, meiner vor dem HErrn zu gedenken. Gnade, Gnade mit Ihnen und allen Ihrigen. Gedenken Sie, Zions. Halten Sie, was Sie haben, daß Niemand Ihnen die Krone raube. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste. In Ihm Ihr
Anwoth, 17. November 1629.
S. R.
122. An dieselbe.
Sehr geliebte, theure Schwester!
Seien Sie meiner Liebe in Christo versichert. Ich höre, daß Sie noch fortwährend unter der Heimsuchung Gottes stehen, in dem früheren Kampfe mit Ihren Feinden; dieß ist Gottes Fügung; denn es kommt nicht eher die Befreiung, als bis Er, der weiß, wie lange die Prüfung dauern soll, Seine Kinder aus dem Schmelzofen herausnimmt. Wenn aber die Wogen der Trübsale über die Seelen Seiner Kinder zusammengeschlagen sind, dann kommt die gewünschte Ebbe und das Auftrocknen des Wassers. Liebe Schwester, werden Sie nicht matt; die Gottlosen mögen Ihnen immerhin den bittern Kelch darreichen, Gott ist es, der ihn mischte und es ist kein Gift darin; sie schlagen, aber Gott führt die Ruthe, Simei flucht, aber nur weil Gott es ihn heißt. Ich sage Ihnen, und ich habe es von dem HErrn, vor dem ich für Gottes Volk stehe, daß Ihre jetzigen Trübsale wie die Morgenwolken verschwinden, und Gott Ihre Gerechtigkeit wie das Licht am Mittage hervorbringen wird. Ich beschwöre Sie im Namen Christi, trachten Sie darnach, ein gutes Gewissen beim Fortgang der Sache zu bewahren, und hüten Sie sich vor sich selber; Sie sind sich selber ein gefährlicherer Feind, als sonst irgend Jemand. Unschuld und eine gerechte Sache sind gute Fürsprecher bei Gott, die werden für Sie sprechen und Ihre Sache gewinnen. Gott ist jetzt, wie der König, der in ein fremdes Land gezogen; Gott scheint, wenn ich so sagen darf, über Land gezogen zu sein, aber Er sieht die bösen Knechte, die da sagen: „Unser HErr kommt noch lange nicht,“ und die da ihre Mitknechte zu schlagen anfangen. Aber Geduld, liebe Schwester, Christus der König wird gleich nach Hause kommen, der Abend bricht schon herein; dann wird Er Rechenschaft fordern von Seinen Dienern; sorgen Sie nur für eine gute, reine Rechnung. Treiben Sie sich selbst an, daß Sie, wenn die Nacht hereinbricht, sprechen können: „HErr, ich habe Niemand Unrecht gethan, siehe, da hast Du das Deine mit Vortheil.“ Oh, welch einen Werth wird dann Ihre Seele auf das Zeugniß eines guten Gewissens legen, und dreimal selig sind Sie, wenn Gott Sie mit nichts anderm angethan findet, als mit dem weißen Rock der Unschuld der Heiligen, der Gerechtigkeit Jesu Christi. Darum ziehen Sie an: Liebe und herzliches Erbarmen, Geduld und Langmuth; warten Sie auf die Umwandlung der Herzen Ihrer Feinde, so lange als Christus auf Sie gewartet, und vor der Thüre Ihres Herzens gestanden hat. „Zürnet Ihr, so sündiget nicht!“ Ich bin überzeugt, daß der heilige Geist, der Sie alle Dinge lehret, auch zu Ihnen sagt: „Ueberwindet das Böse durch Gutes.“ Es ist mein Gebet für Sie, daß Sie durch Ihren Wandel das Evangelium des HErrn, der Sie begnadigte, zieren mögen. Ich hörte, Ihr Gemahl sei auch krank gewesen; doch ich bitte Sie bei den Wunden Jesu, heißen Sie jede Zuchtruthe Gottes willkommen, denn ich finde in der ganzen heiligen Schrift kein größeres Zeichen eines Kindes Gottes, als niederzufallen und die Füße selbst des zürnenden Gottes zu küssen, und auch dann, wenn Er scheint, Sie hinwegzustoßen, dennoch im Glauben zu Ihm aufzuschauen und zu sagen: Ich will und kann nicht fort von Dir. Ich will beten, daß Ihr Gemahl in Frieden heimkehren möge. Erinnern Sie John Gordon, dem ich schreiben werde, sobald ich kräftiger bin, meiner in Liebe zu gedenken. Der HErr Jesus sei mit Ihnen. Ihr Bruder in Christo.
Anwoth, 21. Juli 1630.
S. R.
123. An dieselbe.
Seit meiner Abreise von Ihnen habe ich viel an den Stolz und die Bosheit Ihrer Gegner denken müssen, allein Sie werden (da Sie ja die Psalmen so oft gehört) sich nicht dadurch beunruhigen lassen, denn die Feinde Davids sprachen auch in dein Stolz ihrer Herzen (Psalm 10,13.): „Gott fragt nicht darnach!“ Ich aber beschwöre Sie bei den Wunden Jesu, halten Sie sich vor Augen die Geduld ihres Vorläufers, Christi, welcher nicht wieder schalt; da Er gescholten ward, nicht drohete, da Er litt, sondern stellte es Dem heim, der da recht richtet. (1 Petri 2,23.) Und da unser HErr und Erlöser manchen Streich an Seinem heiligen Leibe und manchen Schlag von der ungläubigen Welt mit Geduld erlitt und von sich selber gesagt hat (Jes. 50,6.): „Ich hielt meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften; mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel;“ so folgen Sie Ihm nach und achten Sie es nicht schwer, mit Jesu an Seinen Leiden Theil zu nehmen und sich Seiner Maalzeichen zu rühmen.
Wenn dieser Sturm vorüber ist, dann müssen Sie sich auf einen neuen Kampf gefaßt machen; denn schon vor fünftausend Jahren setzte unser HErr eine ewige Feindschaft zwischen dem Weibessamen und dem Schlangensamen. Verwundern Sie sich daher nicht, daß eine Stadt nicht zugleich die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels beherbergen will, denn ein Haus konnte ja nicht zugleich Isaak, den Sohn der Verheißung und Ismael, den Sohn der Magd, in Frieden erhalten. Bleiben Sie nur auf der Seite Christi und kümmern Sie sich nicht darum, was Menschen Ihnen thun können, sondern halten Sie sich fest an Ihren Heiland, wenn Sie auch, wie Ale, die Ihm folgen, darüber Schläge erleiden; es wird nicht lange dauern, so wird der Gottlose nicht mehr sein. Lesen Sie 2 Korinth. 4,8.9.: „Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängsten uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.“ Könnten Sie doch Ihre Seele nur in Geduld fassen, denn auch von Ihren Feinden gilt es, ihr Tag wird kommen. Theure Schwester! lernen Sie, wie Sie sich in äußerer Unruhe verhalten sollen; und wenn man Sie auch haßt, und Sie eine Schmach und ein Spott werden, so zeigt Ihnen der HErr Psalm 44,18.: „Dieß alles ist über uns gekommen, und haben doch Deiner nicht vergessen, noch untreulich in Deinem Bunde gehandelt.“ Psalm 119,93.: „Wo Dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elende. Halten Sie den Bund mit Gott in Ihren Prüfungen fest; bleiben Sie bei Seinem gesegneten Worte und sündigen Sie nicht; hüten Sie sich vor Zorn, Rache, Murren, vor Neid und Streit; erlassen Sie Ihrem Mitknechte die schuldigen hundert Groschen, weil Ihr Herr Ihnen zehntausend Pfund erlassen hat; denn ich versichere Sie bei dein HErrn, Ihre Feinde werden nichts über Sie vermögen, es sei denn, daß Sie sündigen und Ihren HErrn in Ihren Leiden erzürnen; aber der Weg, auf dem Sie zum Siege gelangen werden, ist Geduld, Vergebung und Gebet für Ihre Feinde; dadurch werden Sie feurige Kohlen auf ihre Häupter sammeln, und Ihr HErr wird Ihnen eine Thüre in Ihrer Trübsal öffnen; warten Sie auf ihn, wie der Wächter auf die Morgenröthe; Er wird nicht verziehen, steigen Sie nur hinauf auf Ihren Wachthurm und kommen Sie nicht herab, als in Gebet, Glaube und Hoffnung und harren Sie aus. Wenn die Fluth hoch geht, dann ist die Ebbe nahe; und sobald die Gottlosen auf den Gipfel ihres Hochmuthes gekommen, und hoch und mächtig geworden sind, so steht ihr Sturz nahe bevor; wer da glaubt, fleucht nicht. Nun, ich traue auf unsern HErrn, daß Sie im Glauben werden fest bleiben und sich in Ihrem HErrn trösten und in Seiner Macht stark werden. Denn Sie gehen auf dem gebahnten, rechten Wege zum Himmel, wenn Sie unter dem Kreuze unseres HErrn sind; Sie haben Ursache, sich hierüber mehr zu freuen, als über eine Krone von Gold; darum freuen Sie sich und schätzen Sie sich glücklich, die Schmach Christi zu tragen. Ich befehle Sie und die Ihrigen auf immerdar der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Der Ihrige in Christo.
Anwoth, im Februar 1631.
S. R.
124. An dieselbe.
Geliebte in dem HErrn!
Ihnen ist der Tag bekannt, an welchem wir das heilige Abendmahl feiern werden; deshalb bitte ich Sie um den Beistand Ihrer Gebete zu diesem großen Werke. Es ist ein wichtiger Festtag für uns, an welchem unser geliebter HErr Jesus sich daran ergötzt, mit uns das Andenken jenes großen Tages zu feiern. Lassen Sie uns Ihn lieben und uns freuen und fröhlich sein in Seinem Heile. Ich bin überzeugt, daß Sie an diesem Tage den Sohn Gottes sehen werden und ich darf Sie in Seinem Namen zu Seinem Gastmahle einladen. Manches Mal sind Sie in Seinem Hause bewirthet worden und Er ist nicht veränderlich gegen Seine Freunde, noch schilt Er sie wegen ihrer zu großen Zudringlichkeit; doch sage ich dieß nicht, um Sie davon abzuhalten, für mich zu beten; denn ich habe nichts von mir selbst, sondern ich habe nur das, was ich täglich von Ihm empfange, welcher von Seinem Vater zu einem Brunnen gemacht ist, zu welchem ich und alle anderen mit durstigen Seelen kommen können, um unsere leeren Gefässe zu füllen. Lange hat dieser Brunnen offen für uns da gestanden; HErr Jesu! schließe ihn nicht wieder vor uns zu. Ich habe mich in der letztvergangenen Zeit oft mit dem Gedanken an das Eingehen der Juden in das Himmelreich beschäftigt, beten Sie auch für sie. Das wird ein froher Tag sein, wenn wir sehen, wie wir und sie uns beide an Eine Tafel setzen werden und Christus obenan.
Theure Schwester! halten Sie, um des HErrn willen, geduldig aus unter dein Unrecht, welches Sie von den Gottlosen erleiden müssen; haben Sie Mitleid mit ihnen und beten Sie für sie, es müssen ja einige von ihnen übrig bleiben, um Sie zu prüfen; Gott hat von ihnen gesagt: „Laßt das Unkraut wachsen bis zur Erndte.“ Matth. 13. Es beweiset Ihnen, daß Sie zu des HErrn Waizen gehören. Seien Sie geduldig; Christus mußte viel Unrecht erleiden, ehe Er in den Himmel ging; „Seine Gestalt war häßlicher, denn anderer Leute, und Sein Ansehen denn der Menschenkinder.“ Sie werden doch nicht über Ihren Meister sein wollen. Gott gebe Ihnen viele Freude an Ihren Kindern; ich bete für Sie alle namentlich. Ich segne Sie, Ihren Gemahl und Ihre Kinder; Gnade und Barmherzigkeit werde reichlich über Sie ausgegossen. Der Ihrige in dem HErrn auf immer.
Anwoth, 7. November 1631.
S. R.
125. An dieselbe.
Theuerste Frau!
Seien Sie meiner herzlichsten Liebe in Christo versichert. Bleiben Sie geduldig in Seinem Garten, so werden Sie wachsen und gedeihen, bis der große HErr des Gartens, unser theurer Obergärtner kommen und Sie aus dem untern Theil in den obern, ja recht in das Herz Seines Gartens hineinverpflanzen wird, wo Sie von Regen, Sonne und Wind nichts mehr zu Leiden haben werden; warten Sie auf das Wehen des Süd- und des Nordwindes Seines Gnaden-Geistes, damit Ihrem Geliebten eine süße Würze von Ihnen zuströme, und bitten Sie Den, den Ihre Seele liebt, daß Er hernieder komme in seinen Garten und von seinen lieblichen Früchten esse; (Hohel. 4,16.) und Er wird kommen. Mehr als dieß werden Sie nicht erlangen, bis Sie zu dem Ursprung der Quelle hinkommen, wo Sie Ihre Hand ausstrecken und die Früchte von dem Baume des Lebens pflücken, und sie unter dem Schatten dieses Baumes essen werden. Diese Früchte werden Ihnen dort bei dem Baume süßer schmecken, als sie hienieden in diesem Gefängnisse sind. Ich habe keine andere Freude als in dem Gedanken an diese Zeit. Zweifeln Sie nicht an der Treue Ihres HErrn, und verzagen Sie nicht für Seine Braut, der HErr wird es ihr wohl gehen lassen. Diese Worte werden feststehen, Hosea 14,6.7.: „Ich will Israel wie ein Thau sein, daß es soll blühen, wie eine Rose; und seine Wurzeln sollen ausschlagen, wie Libanon; und seine Zweige sich ausbreiten, daß er sei so schön als ein Oelbaum; und soll so guten Geruch geben, wie Libanon.“ Jesaj. 11,12. Christus „wird ein Panier unter die Heiden aufwerfen und zusammenbringen die Verjagten Israels.“ Hes. 37, 11.: „Denn der HErr hat zu mir gesagt: Du Menschenkind, diese todten Gebeine sind das Haus Israels; siehe, sie sprechen: Unsere Gebeine sind verdorret, unsere Hoffnung ist verloren, wir sind abgeschnitten. Deshalb weissage und sprich zu ihnen; so sagt der HErr HErr: Siehe, o mein Volk, ich will deine Gräber öffnen, und dich aus deinen Gräbern hervorgehen lassen, und dich wieder in das Land Israel bringen.“ Diese Weissagungen müssen unser Trost sein und unser Vertrauen auf Gott. Wie Sie uns alle durch Ihren Glauben beschämen, so gehen Sie vorwärts in der Kraft des HErrn, und vor meinem HErrn, vor dem ich stehe, sage ich Ihnen, richten Sie Ihr Angesicht auf Niemanden, als auf den HErrn der Heerscharen, und der HErr wird Sie entweder das sehen lassen, was Sie zu sehen begehren, oder Ihre Hoffnung auf eine andere Weise noch weit überschwänglicher erfüllen. Lassen Sie sich durch alles, was geschehen ist, nicht den Muth rauben, Ihr Lohn ist aufbewahrt bei Gott. Ich hoffe, daß ich es noch sehen werde, wie Sie vor Freude lachen und springen werden. Lassen Sie mich bald von Ihnen hören, ob Sie niedergebeugt sind, oder in Hoffnung sich freuen, damit ich an Ihrem Schmerz Theil habe und ihn mit Ihnen trage, oder auch Ihre Freude theile, die mir wie meine eigene Freude ist. Ihre Sorge für das Wohl und das Leben Ihrer geliebten Kinder werfen Sie auf Ihren HErrn; und nimmt Ihr lieber HErr sie Ihnen, so geben Sie sie Ihm mit Glauben in Freuden hin; das ist ein bewährter Glaube, einen HErrn zu küssen, der von uns nimmt. Lassen Sie Ihre Kinder, während der kurzen Zeit, daß Sie hier sind, mit Sorgfalt bemüht sein, dem Ziele nachzujagen, daß sie das Kleinod erringen. Selig sind sie, wenn sie laufen und nicht müde werden, bis ihr HErr mit Seiner eigenen Hand ihnen die Krone auf das Haupt setzt. Es gehören nicht viele lange Tage dazu, um unser Leben herrlich und glücklich zu machen, sondern nur gute Tage, und es ist eine Gnade unsers lieben HErrn, daß Er sie abkürzt, und daß Er den Weg zur Herrlichkeit kürzer gemacht hat, als er gewesen. Zeigen Sie dieses Ihren Kindern, welche meine Seele segnet und ermahnen Sie sie bei der Gnade Gottes und bei den Wunden Jesu, sich mit Jesu Christo zu verbinden, Ihm anzugehören, und den Bund der Freundschaft zwischen ihren Seelen und ihrem Christo fest zu knüpfen, damit sie einen Bekannten im Himmel haben und einen Freund zur Rechten Gottes. Nun will ich Abschied von Ihnen nehmen, indem ich Gott bitte, daß Er Ihre Freude erfülle, und das Er mehr Gnade und Segen von unserm HErrn Jesu Ihnen, Ihrem Gemahle und Ihren Kindern zu Theil werden lasse. Gnade, Gnade sei mit Ihnen. Der Ihrige in dem HErrn Jesu Christo.
Anwoth, 9. März 1632.
S. R.
126. An dieselbe.
Herzlich geliebte Freundin!
Sie erkennen es wohl, was unser HErr in Seiner Liebesheimsuchung an Ihrer Seele hat thun wollen, indem Er Sie einen schwachen Blick auf den dunkeln Pfad hat werfen lassen, auf welchem Sie gehen müssen, ehe Sie zur Herrlichkeit kommen. Ihr Leben ist dem Grabe nahe gewesen, und Sie waren schon an den Pforten der Ewigkeit, aber Sie fanden sie noch verschlossen, da Christus wußte, daß es noch nicht Zeit sei, sie Ihnen zu öffnen, bevor Sie nicht noch länger in Seinem Dienste gekämpft hätten; deßhalb will Er, daß Sie Ihre Waffenrüstung wieder anlegen. Schon ist der Morgen im Anbruch, die Sonne will eben aufgehen und wir sind nicht mehr weit von der Heimath; was kümmern wir uns deßhalb noch um die schlechte Herberge in den rauchigen Wirthshäusern dieses elenden Lebens? Hienieden ist ja nicht unseres Bleibens und es erwartet unserer bei dem, zu welchem wir hingehen, ein herzliches Willkommen; und ich hoffe, wenn ich Sie sehen werde, in weißen Leinen gekleidet, in dem Blute des Lammes gewaschen und eine Krone auf dein Haupte, Ihrem HErrn folgend, daß Sie dann nicht mehr an alle diese Tage denken werden; dann werden Sie sich freuen und Niemand wird Ihre Freude von Ihnen nehmen. Und gewiß, diese Zeit ist nicht mehr fern und bis dahin will Ihr HErr Ihnen in diesem Leben noch schöne Festtage geben. Zwar sehen Sie Ihn jetzt nicht, wie Sie Ihn dann sehen werden: „Ihr Geliebter steht jetzt hinter der Wand und sieht durch's Fenster“ (Hohelied 2,9.), und Sie sehen nur wenig von Seinem Angesicht, dann aber werden Sie Ihren Heiland ganz sehen. Lassen Sie Ihr Herz an jenen schönen langen Sommertag denken und darauf hoffen; denn in dieser Nacht Ihres Lebens, in der Sie getrennt von dem HErrn in diesem Leibe wallen, hat Christi schönes Mondlicht in Seinem Wort und Seinen Sakramenten, im Gebet und in heiliger Gemeinschaft Sie beschienen, um Sie den Weg zu der Stadt erblicken zu lassen. Freilich ist unsere Kost hier nur spärlich, wir bekommen nur wenig zu genießen von den Tröstungen unseres HErrn, allein die Ursache ist nicht, daß Christus engherzig ist, sondern daß wir engherzig sind; aber das große Fest wird bald kommen, wenn unsere Herzen erweitert und gereinigt sein werden, um den HErrn Jesum aufzunehmen. Aber, theure Freundin, erkaufen Sie keine geistliche Ergötzung Christi durch ein Unrecht, oder indem Sie Ihren schwachen Körper durch Fasten noch mehr schwächen. Bedenken Sie, daß Sie in dem Leibe sind, und daß dieser Ihnen nur zur Wohnung gegeben ist; nun dürfen Sie aber nicht, ohne Unrecht gegen den HErrn, die alten Mauern dieses Hauses durch Mangel an der nöthigen Nahrung einfallen lassen. Ihr Leib ist das Wohnhaus des Geistes und deßhalb müssen Sie aus Liebe zu diesem theuern Gaste auch auf sein Haus von Leimen die schuldige Rücksicht nehmen. Wenn aber der HErr die Mauern einbricht: wohl dann, willkommen HErr Jesu! Allein es ist eine große Sünde von unserer Seite, wenn wir dem Leibe durch Fasten schaden und einen Stein oder ein Stück des Gebäudes losbrechen; denn das Haus ist nicht unser eigen; der Bräutigam ist noch bei Ihnen; darum fasten Sie so, daß Sie nur Festtage dadurch haben und sich in Ihm erfreuen. Der Ihrige in Christo auf immer.
Anwoth, 19. September 1632.
S. R.
127. An dieselbe.
Theure Freundin!
Ich begrüße Sie in der Liebe Christi. Ich befinde mich, dem HErrn sei Dank, recht wohl, aber die Krankheit meiner Frau nimmt täglich zu mit anhaltenden Schmerzen und Leiden bei Tag und Nacht. Sie ist seit unserer Communion nicht in Gottes Hause gewesen, ja ist selbst nicht einmal aus dem Bette gekommen. Was der Ausgang sein wird, weiß Der allein, der die Schlüssel des Todes in Händen hat. Seit wir uns nicht gesehen, habe ich oft den HErrn anrufen müssen, sie aus ihrem Leibe zu erlösen und sie zu ihrer Ruhe zu bringen.
Ich glaube, daß auf diese Fluth der Trübsale des HErrn wieder eine Ebbe folgen wird, aber jetzt werde ich darin geübt, mit dem HErrn zu ringen, und ich fürchte mich vor nichts mehr, als daß der HErr den Versucher auf mein Haus los gelassen hat; Gott treibe ihn und seine Werkzeuge zurück. Da der Satan nicht anders als durch Fasten und Beten ausgetrieben wird, so bitte ich Sie, meiner Lage vor dem HErrn zu gedenken und alle Gläubigen, die Sie kennen und besonders Ihren Prediger zu bitten, dasselbe zu thun. Uns geziemt es, ruhig anzuklopfen und vor des HErrn Thüre liegen zu bleiben, wenn wir auch über dem Anklopfen sterben sollten. Wenn Er nicht öffnen wollte, so würde Er nicht halten, was er in Seinem Worte gesagt hat, aber Er ist treu und wahrhaftig. Ich sehe es voraus, daß ich nicht ohne Wunden und ohne Gluth meine Heimath erreichen werde. Aber willkommen, willkommen o Kreuz Christi, wenn nur Christus mit dir kommt!
Ich habe hier keinen freudigen Geist in der Verwaltung meines Amtes, indem ich täglich gestraft und gezüchtigt werde; allein Gott hat mein Licht nicht ausgelöscht, wie Er es bei den Gottlosen thut. Gnade, Gnade sei mit Ihnen und allen Ihrigen. Der Ihrige in dem HErrn.
Anwoth.
S. R.
128. An dieselbe.
In dem HErrn geliebte Schwester!
Ich begrüße Sie in dem Namen Jesu. Mein Bruder hat mir davon geschrieben, wie sehr Sie sich gedrückt fühlen und von Anfechtungen gequält werden. Ich kann mich nicht betrüben, daß es so ist, Sie tragen die Zeichen unseres HErrn Jesu Christi mit sich; ebenso erging es dem Apostel unsers HErrn, als er mit dem Evangelio nach Macedonien kam: 2 Korinth. 7,5. Sein Fleisch hatte keine Ruhe, sondern allenthalben war er in Trübsal, und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte, auswendig Streit, inwendig Furcht. In dem großen Werke unserer Erlösung wurde auch Ihr glorreicher Freund, und vielgeliebter Jesus zu Thränen und starkem Geschrei gebracht, so daß Sein Angesicht triefte von Thränen und Blut, welche eine heilige Furcht und das Gewicht des Fluches ihm auspreßten.
Ich muß mich manchmal wundern, wie ein Kind Gottes je ein betrübtes Herz haben kann, wenn es bedenkt, was sein HErr den Seinen bereitet. Deshalb bitte ich Sie in dem HErrn, beten Sie um einen unterwürfigen Willen; und beten Sie, wie der HErr Jesus Sie beten heißt: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Und lassen Sie dann immerhin Ihren Glauben durch Anfechtungen geprüft werden; oder glauben Sie etwa, daß es einen Baum in Gottes Garten gibt, der nicht oft von dem Winde von allen vier Seiten her geschüttelt ist? Gewiß es gibt keinen. Darum strafen Sie Ihre Seele, wie der Psalmist, mit den Worten: „Was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir?“ In Ihren Anfechtungen laufen Sie zu den Verheißungen. Harren Sie aus, und Sie werden das Heil Gottes sehen; wo nicht, so mögen Sie sagen, daß. Gott nie Sein Wort durch meinen Mund geredet hat; und ich wollte lieber nie geboren sein, als daß es so mit mir wäre, aber mein HErr hat mir das Siegel aufgedrückt. Ich darf es aber nicht leugnen, daß auch ich, seit ich von Ihnen getrennt bin, schweren Druck erfahren habe, indem ich wegen meiner Undankbarkeit fürchtete, der HErr habe mich verlassen; allein der HErr will freundlich gegen mich sein, mag ich es glauben oder nicht. Ich ruhe so gewiß in Seiner reichen Gnade, als Er diese mir nicht entziehen will. Wenn Sie mich lieben, so beten Sie auch für mich. Ich befehle Sie und die Ihrigen der Gnade Gottes. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste. Der Ihrige in dem HErrn.
Edinburgh.
S. R.
Nachschrift.
Ich habe nicht Zeit gehabt, Ihrer Tochter Grissel zu schreiben, deßhalb theilen Sie ihr diese meine Worte an sie mit. Sagen Sie ihr, wie sie bei ihrem zarten Alter gewissermaßen einem weißen Blatte Papier gleicht, bereit, Gutes oder Böses aufzunehmen, und was es für eine schöne und herrliche Sache für sie wäre, wenn sie sich ganz Christo hingäbe, daß Er seines Vaters Namen und ihren eigenen neuen Namen auf sie schriebe. Bitten Sie sie, daß sie sich mit dem Buche Gottes bekannt mache; die Verheißungen, die unser HErr den Seinen gibt, und die Er an Ihnen erfüllt, sind darin niedergeschrieben. Ich versichre Sie, wenn ich daran denke, wie sie unter solchen Verwandten ist und solche Gelegenheit hat, Christum kennen zu lernen, so sehe ich gleichsam, wie Christus um ihre Seele wirbt; und ich bete zu Gott, daß sie einen solchen Bräutigam nicht zurückweise; und ich bitte und beschwöre Sie selbst bei der Barmherzigkeit Gottes, bei den Wunden und dem Blute Dessen, der für sie gestorben, bei dem Worte der Wahrheit, welches sie hört und liest, bei der Zukunft des Sohnes Gottes zum Gericht der Welt, daß sie unsere Freude erfülle und von Christo ferne und mit Ihm wandle. Sorgen Sie dafür, daß sie mit Gebet den Anfang mache, denn „wenn sie an ihren Schöpfer in ihrer Jugend gedenkt,“ so wird Er ihr Gnade verleihen in ihrem Alter. Ich will beten, daß dieses an ihr erfüllt werde, durch Den, der überschwänglich thun kann über unser Bitten und Verstehen. Seiner Gnade empfehle ich Sie beide und alle die Ihrigen.
129. An Frau Craig.
(Nach dem Tode ihres hoffnungsvollen Sohnes, welcher beim Baden in einem Flusse in Frankreich ertrunken war.)
Verehrte Frau!
Sie haben jetzt Christum auch in dem Schmelzofen kennen gelernt; und nun muß es sich zeigen, welche Schlacken und auch welch' ein Glanz des Glaubens hervorkommen werden. Ich habe von dem Heimgang Ihres Sohnes gehört. Obgleich ich mich nicht einer besondern Unterscheidungsgabe rühmen darf, so erkannte ich doch in diesem hoffnungsvollen Jüngling, als er in dieser Stadt krank darniederlag und man seinen Tod befürchtete, die geistlichen Spuren der neuen Geburt und der Hoffnung der Auferstehung. Und da nach dem heiligen und unfehlbaren Rathschlusse Gottes bestimmt und verordnet war, wo und wie er sterben sollte, ob am Fieber, an der Seite der Mutter, oder auf welch andere Weise in einem fernen Lande, (theure Patriarchen, obwohl kostbar vor dem HErrn, starben in Egypten und entbehrten eines Begräbnisses, Psalm 79,2.), so werden Sie am besten thun, wenn Sie den Finger auf den Mund legen, und Ihrem Herzen gebieten, murrenden und nagenden Gedanken über die heilige Fügung Gottes nicht Raum zu geben. Der theure Jüngling ist vollendet und verherrlicht; er ist den Kämpfen und Gefahren des Mannes entgangen. Hätte Ihr Sohn Jahre lang vor Ihren mütterlichen Augen unter Leiden geschmachtet, so wäre der Schmerz und Kummer in die länge gezogen und Sie hätten ihn in vielen Theilen erleiden müssen, und ein jeder einzelne Theil würde Ihnen gleichsam ein neuer Tod gewesen sein; nun hat Gottes heilige Majestät Ihnen die Nachricht mit einem Male zu Ohren kommen lassen und Er hat die Zeit des Schmerzes Ihnen abgekürzt. Es war nicht ein Gedanke von gestern, oder ein Beschluß vom vorigen Jahre, sondern der Rath des HErrn von Ewigkeit, und wer kann den Allmächtigen lehren?“ Es gibt keinen andern Weg, das Gemüth zu beruhigen, und den Schmerz der Mutter zu stillen, als demüthige Unterwürfigkeit unter Gott. Der leichteste Weg zum Frieden und Trost ist für Gefässe von Thon, anzuerkennen, daß es die Hand des Schöpfers aller Dinge gewesen, die Ihnen diesen Schlag zugefügt hat; Sein heiliger Wille hat das Band gelöset, wodurch Sie hier festgehalten wurden, und nun glaube ich gewiß und hoffe, Ihr Herz wird nicht widerstreben. Es ist nicht gut, mit dem HErrn zu streiten, geben Sie Ihm Recht und sprechen Sie: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Wir müssen Seine heilige Weise und Ordnung verehren; bisweilen geht der Mann vor dem Weibe, und bisweilen der Sohn vor seiner Mutter; so hat der alleinweise Gott es angeordnet; und ist Ihr Sohn nur vor Ihnen vorausgesandt und nicht verloren, so müssen Sie dem HErrn alle Wege Dank jagen. Grübeln Sie nicht zu viel über die traurigen Nebenumstände; daß die Mutter nicht bis zum letzten Augenblick bei ihm gewesen, nicht Abschied von ihm genommen, daß sie nicht über seinem Grabe geweint, und daß er in einem fremden Lande gestorben ist. Alles dieß ist nicht von ungefähr gekommen; es ist die Kunst des Glaubens, zu lesen, was der HErr auf unser Kreuz schreibt, und den Sinn herauszubuchstabieren und recht aufzufassen; oft entstellen wir die Worte und die Lehren, welche Er auf das Kreuz geschrieben, und schreiben dagegen wohl Unsinn auf Seine Ruthen, oder beschuldigen gar Seine Majestät des Unrechts oder eines Versehens, während Er nur Gedanken der Liebe und des Friedens für uns hat, um uns noch bis an unser Ende wohlzuthun. Dieß ist nur ein Schlag, welcher eine einzelne Familie betroffen hat, und er ist gering im Vergleich mit den Pfeilen, von welchen die ganze bekümmerte Gemeine getroffen ist; aber ach, du todtes, gefühlloses und schuldiges Volk Gottes, „dieß ist eine Zeit der Angst in Jakob.“ Es ist eine schlechte Weise, sich die Anfechtungen und Prüfungen aus dem Sinne zu schlagen, ohne irgend einen Sieg des Glaubens davonzutragen; der HErr, welcher verbietet, daß wir entfliehen, verbietet auch, daß wir verzweifeln; aber es ist leichter, andern zu rathen, als selbst zu leiden; der alleinweise HErr wolle Geduld verleihen. Ich bin über das schwere Schicksal der Lady Kenmure sehr niedergebeugt. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen herzlichst, und theilt den Schmerz über Ihre Leiden in ihrem Herzen. Der Ihrige in dem HErrn.
St. Andrews, 4. Mai 1660.
S. R.
130. An James Guthrie, Prediger zu Stirling, während seiner Gefangenschaft zu Edinburgh.
Theurer Bruder!
Wir werden oft durch das Wort der Verheißung getröstet, obgleich wir an dem Werke der heiligen Vorsehung uns sehr oft stoßen; die Kinder der Welt wachsen wie grünes Kraut und das Volk Gottes wird geachtet wie Schlachtschafe und wird den ganzen Tag getödtet; und doch kommt beides, das Wort der Verheißung und das Werk der Vorsehung von Ihm, dessen Wege gleich, gerade, heilig und makellos sind. Wenn ich an die Führungen Gottes mit mir denke, so hätte Er mit vollem Rechte meine Sündhaftigkeit offenbar machen können, wodurch ach! Seinem heiligen Namen und der kostbaren Lehre Christi große Schmach zugefügt wäre; aber in Seiner Gnade bedeckt Er meine Sünde und bereitete und bildete ehrenvollere Ursache des Leidens, deren ich nicht werth bin. Und nun, mein theurer Bruder, es hängt viel von der Art und Weise ab, wie wir unser Leiden tragen, besonders, daß wir Seine köstliche Wahrheit frei und unerschrocken bekennen, daß wir Grund geben von unserer Hoffnung in Sanftmuth und Ehrerbietung, und daß wir die königliche Krone und die unbeschränkte Herrschaft unsers HErrn Jesu Christi, des Königs über alle Könige auf Erden so behaupten, wie es sich geziemt, denn es ist gewiß, Christus wird herrschen als der vom Vater eingesetzte König auf dem Berge Zion und Sein Bund, den Er beschworen, wird ewig bestehen. - Verwundern Sie sich nicht, daß die Menschen gegen Sie rathschlagen; und fürchten Sie sich nicht, was Sie auch über Sie verhängen mögen; sei es Verbannung, die Erde ist des HErrn, oder ewige Gefangenschaft, so ist der HErr Ihr Licht und Ihre Freiheit; sei es ein gewaltsamer und öffentlicher Tod, das Königreich des Himmels besteht aus einer schönen Gesellschaft von verherrlichten Märtyrern und Zeugen, von denen Christus das Haupt ist, welcher hiezu geboren und in die Welt gekommen ist. Glücklich sind Sie, wenn Sie vor der Welt ein Zeugniß davon ablegen, daß Sie Christum allen Mächten vorziehen; so wird die Welt selbst die Ursache sein, daß die Unschuld und die christliche Lauterkeit Seiner verschmähten und verachteten Zeugen in diesem Lande noch den folgenden Geschlechtern vorleuchten wird, daß „das Kind des Weibes entrückt wird zu Gott und Seinem Stuhl, daß dem Weibe ein Verbergungsort bereitet werde in der Wüste, und daß die Erde dem Weibe helfe.“ Erschrecken Sie nicht, und erzürnen Sie sich nicht, vergeben Sie Ihren Feinden, segnen Sie und fluchen Sie nicht; denn wenn wir auch beide, Sie und ich, schweigen werden, so ist doch das Gericht und die Strafe vom HErrn schwer und schrecklich, welche die untreuen Wächter der Kirche Schottlands zu erwarten haben. Die Seelen unter dem Altar schreien um Rache und ihnen wird eine Antwort gegeben, daß die Errettung vom HErrn nicht zögern werde. Werfen Sie die Sorge um Weib und Kinder auf den HErrn Christum, er sorget für sie alle, und ihr Blut ist kostbar in Seinen Augen. Der ewige Trost des Herrn erhalte Sie aufrecht und gebe Ihnen Hoffnung, denn Ihre ewige Errettung (wenn auch nicht Ihre zeitliche Befreiung) ist beschlossen. Ihr Bruder.
St. Andrews, 15. Februar 1661.
S. R.
Anmerkung. Wenige Monate nach dem Empfange dieses Briefes, den 1. Juni 1661 besiegelte James Guthrie sein gläubiges Bekenntniß mit dem Tode, welchen er mit getrostem und freudigem Muthe auf dem Blutgerüste zu Edinburgh erlitt. Wodrow's history of the church of Scotland. I. 192.