Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Buch Samuel

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Buch Samuel

1. Sam. 15

Du hast des HErrn Wort verworfen, und der HErr hat dich auch verworfen.
1 Sam. 15,26.

Mit dem Volk Israel hatte es diese besondere Bewandtniß, daß der HErr in einem besondern Verstand der König desselben sein wollte. Er ließ also nicht zu, daß ein Mensch demselben Gesetze vorschreibe, sondern gab selber durch Mosen solche Gesetze, welche nicht nur das allgemeine Verhalten aller rechtschaffenen Menschen, sondern auch die bürgerliche Verfassung Israels einrichten sollten. In besondern Fällen gab Er durch das Licht und Recht, welches in dem Amtsschildlein des Hohenpriesters war, durch Propheten, die Er aufstellte, oder auch durch Seinen Engel, den Er zu ihnen sandte, die nöthigen Befehle, und die Israeliten durften z.B. keinen Krieg anfangen, ehe sie einen solchen göttlichen Befehl bekamen. Weil aber die Israeliten zuletzt auf solche göttliche Befehle nimmer warten wollten, als welche erst alsdann ergingen, wenn sie wegen ihres Ungehorsams genugsam gezüchtiget und gedemüthiget waren, so sagten sie zu Samuel: setze einen König über uns, der uns richte, wie alle Heiden haben, 1 Sam. 8,5., und versündigten sich dadurch sehr. Einen König hätten sie allenfalls begehren dürfen, weil doch Gott schon durch Mosen die Rechte eines Königs bestimmt hatte, 5 Mos. 17,14. u.ff., aber einen König, wie die Heiden hatten, hätten sie nicht verlangen sollen, denn sie verlangten auf diese Weise einen solchen, der nimmer vom Licht und Recht, von den Aussprüchen der Propheten und des göttlichen Engels abhängen, sondern nach menschlicher Willkür handeln dürfte. Der HErr erkannte auch die Argheit ihrer Herzen, und sagte 1 Sam. 8,7. zu Samuel: sie haben nicht dich, sondern Mich verworfen, daß Ich nicht soll König über sie sein. Uebrigens sagte Er eben daselbst auch zu ihm: gehorche der Stimme des Volks in Allem, das sie zu dir gesagt haben, und offenbarte ihm hernach, daß Saul der erste König Israels sein sollte. So gut sich aber dieser Saul zuerst anließ, und so gewiß es ist, daß in seinem ersten Krieg der Geist des HErrn über ihn kam (1 Sam. 11,6.), und er also selber nach einem göttlichen Antrieb, der sonst den Propheten widerfuhr, handelte: so gewiß ist es auch, daß bald auch der Gedanke in seinem Herzen aufstieg (der vielleicht durch das Einraunen roher Israeliten erweckt und gestärkt wurde), er wolle ein König sein, wie die Könige der Heiden. Als ihm deßwegen Samuel bei seinem Krieg wider die Amalekiter einen Befehl Gottes kund that, so befolgte er ihn nicht. Es war ihm zuwider, daß ihm der Prophet und durch denselben der HErr in seine kriegerischen Verrichtungen einrede, und er wünschte auch solcher Einreden durchaus los zu sein. Deßwegen hatte Samuel Grund, ihm zu sagen: du hast des HErrn Wort verworfen, darum hat dich der HErr auch verworfen. Schon vorher hatte Saul in einem Krieg wider die Philister nicht auf den Samuel gewartet, der ihm Gottes Befehl überbringen wollte, sondern vor seiner Ankunft aus Heuchelei opfern lassen, und sodann, was ihm gut däuchte, befohlen, 1 Sam. 13,12.13., aber im Krieg wider die Amalekiter brach sein rebellischer Sinn noch völliger aus. Seitdem nun das Scepter von Juda genommen ist, sind alle Reiche auf Erden Weltreiche, in welchem Gott der menschlichen Willkür mehr Raum läßt. Uebrigens stehen alle Regenten und ihre Unterthanen unter Gott. Wenn sie des HErrn Wort, das sie angeht, verwerfen, so verwirft sie Gott auch, und wehe dem, den Er verwirft!(Magnus Friedrich Roos)

1. Sam. 16

Ein Mensch siehet, was vor Augen ist, der HErr aber siehet das Herz an. 1 Sam. 16,7.

Wenn ein Mensch die Verstellung nicht mit allem Fleiß gelernt hat, so kann man seine herrschende Neigung, oder dasjenige Gute oder Böse, was bei ihm in einem vorzüglichen Grad sich befindet, oder auch einen Affect, worein er gerathen ist, aus seinen Augen, aus seinem ganzen Angesicht, und aus seinen Geberden und Bewegungen erkennen. Von Kain wird gesagt, daß seine Geberde sich verstellt habe, da er einen Grimm wider seinen Bruder gefaßt hatte. Salomo sagt Spr. Sal. 6,12.13.: ein loser Mensch, ein schädlicher Mann gehet mit verkehrtem Munde, winket mit den Augen, deutet mit Füßen, zeiget mit Fingern. Ebendaselbst redet er V. 17. von hohen oder stolzen Augen, deren er auch K. 21,4. 30,13. Meldung thut. Spr. 17,24. sagt er: ein Verständiger geberdet sich weislich: ein Narr wirft die Augen hin und her. Sirach sagt K. 26,12.: ein hurisch Weib kennt man bei ihrem unzüchtigen Gesicht, und an ihren Augen. Bei einem großen Schrecken können die Angesichter bleich (Joel 2,6.), und feuerroth werden (Jes. 13,8.). Wenn eine heitere Freundlichkeit aus dem Angesicht herausleuchtet, so heißt sie das Licht des Angesichts (Hiob 29,24.). Die Scham leuchtet aus dem Angesicht heraus, und alsdann schämt sich das Angesicht, Jes. 29,22., und der Mensch mag seine Augen nicht aufheben, Luk. 18,13. Ein starkes oder festes Angesicht aber hat derjenige, der ohne Rührung seiner Seele, folglich auch ohne Veränderung des Angesichts grausam sein, und andere schändliche Dinge thun kann,5 Mos. 28,50. Dan. 8,23. Salomo sagt Pred. 8,1.: die Weisheit des Menschen macht sein Angesicht heiter, die Festigkeit, oder Schamlosigkeit aber des Angesichts verändert es. Moses und David werden in der heiligen Schrift wegen ihrer Bildung gepriesen, Ap. Gesch. 7,20. 1 Sam. 16,12. An der Gestalt des Eliab, des erstgebornen Bruders Davids, meinte der Prophet Samuel Kennzeichen eines Menschen wahrzunehmen, welcher tüchtig wäre, Israels König zu werden: allein der HErr sagte zu ihm: siehe nicht an seine Gestalt, noch seine große Person: Ich habe ihn verworfen. Denn es gehet nicht, wie ein Mensch siehet: ein Mensch siehet, was vor Augen ist, der HErr aber siehet das Herz an. Das Herz oder das Innerste der Seele ist also verborgener als die Gestalt des Menschen, und faßt noch viel mehr in sich, als aus dieser herausleuchtet. Es ist das (natürliche) Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann’s ergründen: Ich der HErr kann das Herz ergründen, und die Nieren (verborgene Begierden) prüfen, und gebe einem Jeglichen nach seinem Thun, nach den Früchten seiner Werke, Jer. 17,9.10. Daraus folgt aber, daß wir uns auf unser Urtheil von einem Menschen, den wir nach dem Ansehen schätzen, nicht allzusehr verlassen sollen. Es kann etwas jetzt nicht aus seinem Angesicht herausleuchten, doch aber in seinem Herzen auch ohne sein Wissen verborgen liegen, bei der nächsten Gelegenheit aber aufwachen, aufsteigen, und alsdann auch an seiner Gestalt sichtbar werden; da dann unser Urtheil zu Schanden gemacht ist. Weil auch Gott unser Herz ansieht, sollen wir uns nicht auf unsere gute Meinung von uns selbst verlassen, sondern den HErrn bitten, daß Er uns unsere Herzen aufdecke, und sie läutere, damit der Rath derselben immer gut und lauter sei. Auch sollen wir die Wege und Gerichte Gottes nie tadeln, denn sie sind nach der uns verborgenen Beschaffenheit der Herzen eingerichtet.(Magnus Friedrich Roos)

Ein Mensch siehet, was vor Augen ist: aber der HErr siehet das Herz an. 1 Sam. 16,7.

Was es mit dem Herzen des Menschen, das ist mit dem Innersten seiner Seele, für eine sonderbare Bewandtniß habe, kann man am deutlichsten daraus erkennen, daß in der heiligen Schrift keinem Engel und keinem Menschen, sondern allein dem allwissenden Gott das Vermögen zugeschrieben wird, es zu prüfen, zu erforschen oder zu ergründen. Es geschieht dieses in vielen biblischen Sprüchen, am deutlichsten aber Jer. 17,9.10., wo der HErr sagt: es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, und hierauf fragt: wer kann es ergründen? Da Er dann mit Ausschließung aller Geschöpfe antwortet: Ich der HErr kann das Herz ergründen, und gebe einem Jeglichen nach seinem Thun und nach den Früchten seiner Werke. Wenn wir also fragen, warum der HErr den Eliab, der dem Samuel wegen seiner Gestalt und großen Person wohl gefiel, nicht zum König hat über Israel salben lassen, so müssen wir antworten, weil der HErr das Herz Eliabs angesehen, und es so befunden, daß Er ihn hat verwerfen müssen. Warum hat der HErr hingegen den David erwählt? Darum weil Er zwar noch keine Geschicklichkeit zu regieren bei ihm wahrgenommen, doch aber sein Herz so gefunden, daß er ein rechtschaffener König, und ein Mann nach Seinem Herzen werden würde. Gott kann überhaupt einem Jeden nach seinem Thun und nach den Früchten seiner Werke geben, weil Er die Herzen ergründen kann; folglich kann Niemand ein Richter der Menschen sein, als wer ein Herzenskündiger ist. Weil nun dem HErrn Jesu vom Vater alles Gericht übergeben worden ist, so muß auch der HErr Jesus ein Herzenskündiger, folglich Gott sein. Der Werth der Werke des Menschen richtet sich nach dem Rath des Herzens, 1 Kor. 4,5., oder nach der verborgenen Absicht, die der Mensch dabei hat. Auch liegt Vieles in dem Herzen eines jeden Menschen verborgen, dessen er sich selbst nicht bewußt ist; es liegen Samen darin, die noch nicht aufgegangen sind, und Anlagen, die sich noch nicht entwickelt haben, die aber Gott siehet. Weil Er sie aber siehet, so behandelt Er den Menschen nach denselben. Er läßt ihm Glück und Unglück widerfahren, Er führt ihn diesen oder jenen Weg, versagt ihm Vieles und gibt ihm Vieles, läßt ihm Einiges gelingen und Anderes mißlingen. Hier verwundert sich der Menschensinn, gleichwie ich Samuel verwundert haben mag, daß David seinem Bruder Eliab vorgezogen wurde, da doch keiner von Beiden ein Verdienst der Werke für sich hatte. Aber der HErr sagt: Ich sehe das Herz an, darum gehe Ich mit diesem oder jenem Menschen so oder so um: und hinten nach wird’s offenbar, daß Alles, was Er thut, recht sei, oder daß alle Seine Wege lauter Gericht, das ist, der Beschaffenheit der menschlichen Herzen angemessen seien. Auch ich bin Dir, o Gott, völlig offenbar: Du kennst mein Herz besser, als ich es kenne. Reinige es durch den Glauben, und ertödte darin Alles, was die Ursache eines Schmerzenswegs für mich werden könnte. Mein Herz sei Dir übergeben, daß es von Dir bearbeitet werde, und Du allein der Trost desselben seiest. (Magnus Friedrich Roos)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/roos/09_1sam.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain