Rochat, Auguste - 1. Sam. 16, 7.
Der Herr Sprach zu Samuel: „Siehe nicht an seine Gestalt, noch wie groß und hoch er ist; denn ich habe ihn verworfen. Denn es gehet nicht, wie ein Mensch siehet. Ein Mensch siehet nach dem, was vor Augen ist; der Herr aber siehet das Herz an.
(1. Sam. 16, 7.)
„Der Herr sieht nicht an, was der Mensch ansieht.“ Er sieht nicht auf die Vorzüge des Körpers oder des Geistes, noch auf den Rang oder Stand, den man in der Welt einnimmt; Er schätzt die Menschen nicht nach ihrer Schönheit oder ihrer Herkunft, nicht nach ihren Reichthümern oder Talenten. Alles dieses ohne ein erneuertes Herz ist in Seinen Augen nichts; dagegen aber können wir Ihm wohl ohne dies Alles gefallen. Der Herr holte David von den Schafhürden, um ihn auf den Thron Israels zu erheben; weil Er ihn erfunden hatte als einen Mann nach Seinem Herzen, der allen Seinen Willen gerne thun würde. Jesus, der eingeborne Sohn Gottes, verachtete das, worauf die Menschen sehen: er ward geboren in einem Stalle, von armen Eltern; er lag in einer Krippe; er schämte sich nicht, des Zimmermann's Sohn genannt zu werden, ja selber ein Zimmermann zu sein. (Marc. 6, 3.) Auch sah er bei der Wahl seiner Apostel nicht auf das, worauf die Menschen sehen. Er nahm sie aus den Fischern, den Zöllnern, den Galiläern, aus Leuten, deren Name schon beinahe eine Schmach war. Er selber war in den Tagen seines Fleisches öfters umringt von Menschen mit verrufenen Sitten, deren Gesellschaft ihm den Vorwurf zuzog: „Du bist der Zöllner und Sünder Freund.“ JEsus, der als Gott und nicht als Mensch urtheilte, sah in diesen, von den Gerechten dieser Welt verachteten Menschen, wirklich gedemüthigte Seelen, Seelen, die da hungerte und dürstete nach der Gerechtigkeit, und darum nahm er sie auf mit Liebe. Zu allen Zeiten berief Gott seine Auserwählten weit öfter aus den Kleinen, als aus den Großen dieser Welt. Er verachtet also das, worauf der Mensch sieht, und vernichtet dadurch den Stolz auf äußere Vorzüge. „Hat nicht Gott“, spricht Jakobus (2, 5.), „erwählet die Armen dieser Welt, die am Glauben reich sind?“
Quelle: Rochat, Auguste - Kurze Betrachtungen für alle Tage des Jahres