Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 6. Naeman, Ben-Hadads Freund.
V. 1. Naeman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn, und hoch gehalten; denn durch ihn gab der HErr Heil in Syrien.
Naeman war des Königes Freund, er war sein Feldhauptmann; dazu eine Art erster Minister, oder höchster Diener des Königes. - Hast wohl von ersten Ministern bei Königen gehört? Ich habe selber nie Einen gesehen; doch fällt mir ein, vor vielen Jahren einen Solchen gesehen zu haben. Dieser hochgestellte Mann hat von jeher und bis auf den heutigen Tag, mit großer Weisheit und mit einer seltenen Staatsklugheit unter guten Kaisern, was seines Amtes ist, gethan; und wahrlich, das Amt ist schwer, so schwer, daß bei allem Wissen, aller Kraft, aller Kunst, bei den höchsten Geistesgaben und der schönsten Dienstes-Tüchtigkeit, der Besten und Tüchtigsten Manche schon der Last erlagen. Eine gute Hülfe, wie sonst auch in anderen Sachen, so bei diesem Amte besonders, bestehet darin, daß diese höchsten Diener irdischer Könige, zugleich die treuesten Diener des Königes aller Könige seien (1. Tim. 6, 15.); Der Alles traget und regieret und erhält, hilft ihnen dann auch, daß sie Alles tragen, regieren und erhalten, als die es nicht menschlich allein, sondern göttlich meinen und thun. Da hat's Kaiser Friedrich, der Dritte, sein verstanden, der auf die Frage: Welche aus seinen Räthen ihm die liebsten wären, antwortete: „Die Gott den HErrn mehr fürchten als mich.“
Naeman kannte wohl jene höchste Hülfe nicht; er war ein Heide; doch, wer weiß? Was er sich in der Hitze des Tages demüthig und redlich von seinen Göttern erbat, das hat der unbekannte Gott ihm wohl dann und wann als Weisheit, als Trost und Stärkung in Gnaden werden lassen, denn Naeman war ein lieber Mann, dessen redlich Herz für die Wahrheit und für Gott geschaffen, nach diesem Gott verlangte, dem Unbekannten; er war nicht von den Vielen, die nach Gott nicht fragen, deren Herz für Alles in der Welt warm und rührig schlägt, nur für einen Gott nicht; - er war vielmehr eine jener schönen Seelen, welche in Athen ehesonders, im schönen Griechenland, von 100 und 1000 Götzen und ihren schönen Tempeln, Altären und Bildsäulen umgeben, bei keinem Götzen Frieden und Genüge fanden, sondern auf allen diesen Wegen getäuscht und leer gelassen, einen verborgenen Gott ahnten, den Mächtigen und Wahren, der hier und dort das stille Verlangen suchender Seelen stillt. Sie hatten auch diesem unbekannten Gott Altäre errichtet, wie wir es in der Geschichte der Apostel lesen: C. 17. Vielleicht hat ihrer Manche Seine göttliche Spur hie oder da gefunden, denn Er kennet diese Seelen, und sie sind Ihm werth; in allerlei Volk, wer Ihn fürchtet und recht thut, der ist Ihm angenehm (Apgesch. 10,35.); darum stehet auch hier geschrieben: Durch ihn, durch Naeman, gab Jehovah Heil in Syrien. Daher auch das Zeugniß vom großen Herzenskündiger dem theuern Mann gegeben: Und viele Aussätzige waren in Israel zu des Propheten Elisahs Zeiten, und deren Keiner ward gereiniget, denn allein Naeman aus Syrien. Luc. 4,27.
Naeman konnte Ihn brauchen, seinen unbekannten Gott, oder Seine göttliche Hülfe, denn ein Leichtes und Liebliches war es wohl nicht, einem Ben-Hadad dienen. Ist der König gut, dann hat es sein erster Minister auch gut; der Herr und der Knecht sind Eins in Allem, was zum Gedeihen in der großen, weitläufigen Haushaltung dienet; Einer unterstützt den Anderen mit gegenseitiger Handreichung, in Erkenntniß, in Erfahrung, in Arbeit der Liebe, der Treue; du siehest Beide in ernster und fröhlicher Gemeinschaft am gleichen erhabenen Werk arbeiten; siehest bald den Einen, bald den Anderen die Zügel halten; und Einer arbeitet so treulich dem Anderen in die Hände, daß du den Herrn für den Knecht, oder diesen für seinen Herrn oft halten möchtest. Weiß manches edle Paar solcher Art, das ich dir nennen könnt'. So gut hat es Naeman nicht gehabt.
Ben-Hadad wollte wohl selten das Beste seines Volks; das Beste, das Gute war seinem Herzen nicht bekannt; er wollte gerne herrschen, aber ohne Güte; regieren, doch ohne Weisheit; richten, doch ohne Gerechtigkeit; sein höchster Diener fand da Manches, das er nicht ändern konnte; er fand Vieles abzulenken, zu verhüten, zu bessern, zu retten. Wo des Königes Auge nicht hinreichte, dorthin mußten seine Blicke reichen; was Jener versäumte, das mußte Naeman nachholen; wo sein König verpraßte, da mußte er wieder sammeln; wo sein König schlief, da mußte er wachen; die Last, die Jener von sich warf, mußte er heben, und auf seine eigene Schulter sie nehmen; seines Meisters Thorheiten mußte er durch Weisheit in der Stille bedecken. Wie manches Unheil gab es wohl da zu beschwören, welche Sorgen zu tragen, welche Thränen abzuwischen, welche Wunden zu heilen, vielleicht auch dazu manche königliche Laune zu dulden, manches harte, unfreundliche Wort zu hören; aber Naeman war seines Königes Freund, und dazu auch der Freund seines Volks; und die Liebe suchet nicht das Ihre (1. Cor. 13.), sondern nur, was dem Anderen frommt; sie träget die schwersten der Lasten, sie gibt gerne, sie vergibt auch gerne, sie dienet, sie leidet, sie duldet, sie gibt sich her, sie vergißt ihrer selbst bis in den Tod hinein.
Denke dir Etwas von dem, was jene ewige Liebe droben, Alles von uns, sündigen Menschen, von Königen und Völkern, von Großen und Kleinen, von Alten und Jungen in dieser stolzen Welt getragen hat von Anfang, und alle Tage trägt. - Ewige Majestät, allein mächtig, allein heilig, allein groß, wie hat Sie dir und mir gedienet, wie dienet Sie uns immer noch! Mein Freund! das gehet über alles Denken und alles Verstehen: Laß uns niederknieen, und schweigen.
Bürger unzählbarer Kreise!
Betet den Jehovah an,
Beuget in den weitsten Ferne
Eure Knie von Stern' zu Sternen,
Himmels-Völker! betet an;
Söhne jener heil'gen Höhen,
Betet diese Liebe an!
Die am Thron der Throne stehen.
Betet an der Himmel Gott!
Jesus heißt Er. Himmels-Brüder.
Sinkt aufs Antlitz vor Ihm nieder,
Lichtheer Gottes! Zebaoth!
Singt, erzählt in Engel-Sprachen
Jedem Himmel Seinen Sieg.
Und du, Welt der Adamiten,
Stäubchen in der Welten Ball!
Rühme laut, von Welt zu Welten
Jede That des Liebes-Helden.
Kleines Pünktchen, in dem All,
Unser Wohnungs-Platz hienieden,
Stäubchen in dem Welten-Ball!