Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 14. Wer ist der?
Als nun Abram wieder kam von der Schlacht des Kedorlaomer und der Könige mit ihm, ging ihm entgegen der König von Sodom, in das Thalfeld, das Königsthal heißt, und hier, - wohl nicht weit vom Thale Siddim, - hier tritt nun ein ganz anderer König dem Freunde Gottes entgegen, ein Unbekannter: Aber, heißt es, Melchisedeck, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor; und er war ein Priester Gottes, des Höchsten; und segnete ihn, und sprach: Gesegnest seist du, Abram, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde besitzt; und gelobet sei Gott, der Höchste, der deine Feinde in deine Hand beschlossen hat. Und demselben gab Abraham den Zehnten von Allem. C. 14,17-20.
Hast du den Mann gesehen? Mir ist, ich sehe ihn, so einzig, so ehrwürdig, so groß; und kenne ihn doch nicht, diesen Unbekannten, und es kennet ihn auch heute noch Keiner recht, obwohl er vor Christus und nach Ihm wieder, mit dem Sohne Gottes in der innigsten Verbindung vorkommt; aber die heilige Geschichte verschweiget uns Vieles. Er heißt Melchisedeck, d. i. König der Gerechtigkeit; und ist König von Salem, wie: Ps. 76,3 die Gottes-Stadt, Jerusalem, heißt; auch so noch ein Oertchen am Jordan (Joh. 3,23.); und Salem heißt Friede: also König der Gerechtigkeit, und König des Friedens. Erträgt Brot und Wein auf, Nahrung für Abraham und für seine Schaar, zur Stärkung und Erquickung nach den heißen Streit-Tagen. Und er war ein Priester Gottes, des Höchsten. Es hatten sich noch, und selbst unter den Canaanitern, dem losen Volke, Strahlen der Erkenntniß des wahren Gottes hie und da erhalten; aber hier, in Melchisedeck's Herzen, glänzte mehr denn ein Strahl, - ein Licht, hell und rein, in Erkenntnis, in Gerechtigkeit und Frieden; wenn dieser Melchisedeck Priester des Höchsten war, so kannte er den Namen Gottes und Seine Herrlichkeit, und Seine Gottesdienste, Seinen Altar, Seine Opfer, Seine Gebete, in Seinem Heiligthum.
Er kennt den Hebräer, den Freund Gottes; er weiß seinen Glauben und sein Glaubensleben, und kommt ihm entgegen aus höherem Antrieb; er segnet Abraham; und der, in dem alle Geschlechter der Erde sollen gesegnet werden, läßt sich segnen durch den Unbekannten; - und dieser Segen ist ihm ein Segen von oben, vom höchsten Gott, der Himmel und Erde besitzet; es ist ihm Freude, Friede, Trost, nachdem er, so ganz wider seine innigste Neigung, zum blutigen Kriege in's Feld haue ziehen müssen; seine That wird ihm also geheiliget, und sein Sieg wird ihm von oben versiegelt; er freuet sich, unter diesem Segen, seines stillen Glaubens, und des Höchsten, der seine Feinde in seine Hand beschlossen. Und demselben gab Abram den Zehnten von Allem. Hier hören wir das erste Mal das erste Wort von dieser heiligen Steuer, den Priestern Gottes unter dem alten Bunde dargereicht; Abraham gibt sie, als eine bekannte Sache, aus freiwilligem und frohem Herzen; er weiß, was es bedeutet, was ergibt und thut; und er erkennt dabei und damit für seine Zeiten und für spätere Zeiten, für seine Leute und sein Volk nach ihm, ein Priesterthum des Herrn Herrn, und Opferdienste und Gaben, Denen, die sie darbringen aus dankbar-freiwilligem Herzen, den Anbetern Gottes, zur Heiligung und zum Segen. Indem er den Zehnten der Beute dem Priester des Höchsten gibt, bekennt er sich Gott für die ganze Beute schuldig; es wird auch das Uebrige dadurch geheiliget, und er könnte es auch vor seinem Gott mit Freuden besitzen. Ja, der Mann Gottes, an den täglichen Umgang und an die Weise Seines Gottes gewöhnet, erkennet hier, Erstens: Daß alle Habe, alle Liebe, all unser Vermögen von Gottes Hand gekommen, uns Alles Sein ist, wie ein theurer Sohn Abrahams, der König David, es nach ihm bekannt: 1. Chron. 30. f. Jac. 1,17 - Und Zweitens, und dies, in welcher Klarheit, das wissen wir nicht, - Etwas, das sich so nothwendig jedem gewissenhaften Herzen aufdringt, was der Mensch dennoch so ungern erkennt, oder so spät bekennt: daß, um Gott angenehm und bei Ihm zu Hause zu sein, der Bessere wie der Geringere, jeder Mensch, vom Weibe geboren, einer Entsündigung und Heiligung bedarf; daß auch der Freund Gottes, durch ein Anderes, oder einen Anderen, Höheren, unschuldig, unbefleckt, und von den Sündern abgesondert,(Hebr. 7,26.), - Gott dargestellt und versöhnet werden muß; und dies führet und erhebet uns aus dem alten zum neuen Bunde, aus jenen späteren Zeiten des Gesetzes, da Alles nur Schatten und Bilder und Vorbilder der göttlichen Dinge war, der zukünftigen Güter (Ebr 10,1. f.), zu jenen schöneren Zeiten des Sohnes Gottes, wo Alles erfüllet ward, und Alles mehr und mehr erfüllet wird den Glaubens-Kindern, in Gnade und Wahrheit, in Heiligkeit und Frieden. Wir thun die Bücher des neuen Bundes auf, und sehen und lesen:
Dieser Melchisedeck aber war ein König zu Salem, ein Priester Gottes, des Höchsten, der Abraham entgegen ging, da er von der Könige Schlacht wieder kam, und segnete ihn; welchem auch Abraham den Zehnten von Allem zutheilte. Aufs Erste wird er verdollmetschet: ein König der Gerechtigkeit; darnach aber ist er auch ein König zu Salem, das ist, ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht; und hat weder Anfang der Tage, noch Ende des Lebens: er ist aber verglichen dem Sohne Gottes, und bleibet Priester in Ewigkeit. Schauet aber, wie groß ist der, dem auch Abraham, der Patriarch, den Zehnten gibt von der Beute. Zwar die aus den Kindern Levi, so das Priesterthum empfangen, haben ein Gebot, den Zehnten vom Volk zu nehmen nach dem Gesetz, das ist, von ihren Brüdern, wiewohl diese aus den Lenden Abrahams gekommen sind. Aber der, deß Geschlecht nicht genannt wird unter ihnen, der nahm den Zehnten von Abraham, und segnete den, der die Verheißung hatte. Nun ist's ohne allen Widerspruch also, daß das Geringere von dem Besseren gesegnet wird. Und hier nehmen den Zehnten sterbliche Menschen; aber dort (Einer), von dem bezeuget wird, daß er lebe. Und daß ich also sage: durch Abraham ist auch Levi, der den Zehnten nimmt, verzehntet; denn er war noch in den Lenden des Vaters, da ihm Melchisedeck entgegen ging. - … Daß nun das Priesterthum verändert wird, ist noch klärlicher, so nach der Weise Melchisedecks ein anderer Priester kommt, welcher nicht nach dem Gesetz des fleischlichen Gebots gemacht ist, sondern nach der Kraft des unauflöslichen Lebens. Denn Er bezeuget: Du bist ein Priester ewiglich, nach der Ordnung Melchisedecks.. - Und Jener sind viele, die Priester wurden, darum, daß sie der Tod nicht bleiben ließ; dieser aber (Jesus Christus) darum, daß er bleibet ewiglich, hat ein unvergängliches Priesterthum; daher Er auch selig machen kann aufs Vollkommenste, die durch Ihn zu Gott kommen, als der da immerdar lebet, und bittet für sie… - Ebr. 7.
Als dieser neue, ewige Hohepriester, der Sohn Gottes, jener Unschuldige und Unbefleckte, höher denn die Himmel sind (Hebr. 7,26.), unter Abraham's Volk lebte auf Erden, sprach Er einst zu ihnen: Abraham, euer Vater, ward froh, daß er Meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn, und freute sich.. - Wahrlich, wahrlich Ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin Ich: Joh. 8, 56…
Mein Freund, sage mir nicht: Wie sind diese Dinge zu verstehen? Es sind die Geheimnisse Gottes; denen aber, so da glauben, lauter Licht bei aller Dunkelheit, und Trost, und Friede ins ewige Leben. Abraham sah Melchisedeck, jenen König der Gerechtigkeit und des Friedens; er erkannte an ihm den Priester des Höchsten, Einen, der da von Gotteswegen war, und ihm begegnete, und ihn segnete; und dessen Erscheinen ihm mehr bedeutete und mehr war, denn alle Menschen um sie her gewußt. Was Gott Seinen Vertrauten Alles offenbaret, ist uns nicht bekannt; so wir aber Das haben, was Er einem Jeden von uns nur schon im Ev. Joh. 4,10. allein saget und gibt, so ist's uns genug. - Abraham sah im Glauben, aus dunkler Ferne, sein Volk und seines Volkes Zukunft, jene Zeiten des Heils über alle Völker; er sah aber auch, einmal, in die Ewigkeit entrückt, den Tag des Sohnes Gottes, und freute sich. Hast du diesen Tag gesehen? Ach, im Lichte dieses Tages wandeln, im Lichte des Sohnes Gottes, das ist Freude: Ein Tag in Seinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausend (Ps. 84,11.); und in Seinen Vorhöfen, ja, in Seinem Hause mit uns der große Freund der Seelen, das ist wohl werth der Hitze, welche den Seinigen dann und wann hier widerfährt, s. 1. Pet. 1,5. f. 4,12. f.