Nitzsch, Carl Immanuel - Die heilige Dreieinigkeit.
Sonntag Trinitatis.
Gleichwie der Tag Trinitatis den Schlüssel zum Verständnis des Kirchenjahres hergibt, so erbaut sich aus den Elementen der göttlichen Tatsachen des Heiles in Christus die Wahrheit des dreieinigen Gottes und dient wiederum der ganzen christlichen Glaubenslehre und Gottesverehrung zum Ausgangspunkte. Es widerspricht sich nicht, dass diese festliche namentliche Bezeichnung der Pfingst-Oktave oder des zum Pfingstfeste nach alter Sitte mitgerechneten nächsten Sonntages zu den späteren kirchlichen Bestimmungen (14. Jahrh.) gehört und doch eine Hauptbestimmung für richtige Auffassung des Kirchenjahres abgeben soll, denn der Name könnte fehlen, und es bliebe dabei doch, dass bis zum vollendeten Pfingstfeste die Geschichte des Heils, soweit sie sich in dem Umlaufe zeitlicher Feier darstellt und wiederholt, noch unvollendet ist, und nunmehr eine Entfaltung des vollkommenen Inhalts der Gottesverehrung in Bezug auf Sein und Werden des christlichen Standes und der christlichen Gemeine beginnt, welche sich bis zur Feier der letzten Dinge oder der Heilsvollendung ausdehnt. Schon die frühere Sitte der Kirche und der Kirchengenossen, die Pfingst-Octave zu einem der vorzüglichsten Tauftage für die erwachsenen Täuflinge zu wählen, verursachte, dass sich zu dem Ende das Taufsymbolum an diesem Gemeinde-Tage auf das feierlichste hervorhob. Damit wurde derselbe gewissermaßen zum Fest des christlichen Glaubens, also auch der heiligen Dreieinigkeit.
Indessen haben Jahrhunderte nachapostolischer Zeit dazu gehört, ehe sich das gemeinchristliche Bewusstsein und die kirchliche Erkenntnis über die Dreieinigkeit Gottes recht zu verständigen und zu einigen wusste. Nicht dass der einfache Ausdruck: Ich glaube an den Vater, den Sohn und den heiligen Geist, überhaupt wäre beanstandet oder aufgegeben worden; dergleichen Erscheinungen, wo sie vorgekommen, sind bedeutungslos vorübergegangen. Darüber aber, wie sich die Dreieinigkeit gegenüber den vorausgegangenen Religionsformen und der Philosophie, gegenüber dem Juden- und Heidentume, verstehen, frei von Widerspruch behaupten, und dergestalt fassen ließe, dass weder ein Schein von Götterei, von All- oder Mehr-Götterei, noch ein Verlust am großen, praktischen Inhalt der Dreiheit für die Gottesverehrung sich ergäbe, hat nicht nur in allen Zeiten ein schwerer, peinlicher Widerstreit zwischen Verstand und Glauben, Auslegung und Auslegung entbrennen müssen, sondern auch die ganze Folgezeit der Wissenschaft und Bildung in der Christenheit hat immer wiederholte Spur von Neigung zu den überwundenen Standorten gezeigt. Im Gegenteil hat auch die Glaubenslehre nicht ruhen können, nachdem die Kirche des vierten Jahrhunderts schon den christlichen Glauben an Gott in die Form: Ein Wesen in drei Personen, gefasst hatte, auf dieser Grundlage die Dreieinigkeit nach allen Seiten des Angriffs zu vertreten und nach Anleitung der Schrift immer tiefer und vollständiger zu begründen.
Man glaubt zwar die Eigentümlichkeit des Christentums schon voll zu bestimmen, wenn man dasselbe den Glauben an das Heil der Welt in Christus Jesus, oder den Glauben an Christus nennt, und es gehört heut zu Tage wieder zu den Anfangsgründen des Wissens vom Christentume, zu erkennen, dass es an der Person, an dem Dasein und So-Sein seines Stifters die Religion hat, und nicht bloß durch äußere Beglaubigungen seines Zeugnisses irgend welche gültige Lehren von den göttlichen Dingen. Ist er nun die Religion, die Gemeinschaft zwischen Gott und Menschen selber, und zwar ausschließlich, also auch in vollkommener Weise nach den Voraussetzungen der alttestamentlichen Offenbarungen und zur Erfüllung des Gesetzes und der Propheten, so fragt sich unter welchen Bedingungen er es sein und es zur erlösenden Mitteilung und Zueignung an die gesamte Menschheit werden kann? Die erste Bedingung ist, dass er die Offenbarung, das Ebenbild Gottes in menschlichem Wesen selber sei, der Sohn der Eingeborene vom Vater sei, und die andere, dass er als solcher nicht nur den Geist ohne Maßen vom Vater empfangen, sondern auch mit dem Geist des Vaters und des Sohnes diejenigen taufe, denen er durch sein Zeugnis in Rede und Werk, durch Leiden und Verklärung des Leidens das Herz dazu aufschließt oder den Glauben an seinen Namen erweckt. Bis dahin entwickelt nun sich auch das Zeugnis, welches Jesus als Christus von sich selber zeugt, in welchem eben alle seine Zeugnisse von göttlichen und menschlichen Dingen sich zusammenfassen, also bis dahin, dass indem wir die Gewissheit in ihm, und die Fähigkeit durch ihn erlangen Gott durch Gott zu erkennen und zu verehren, Gott aus Gott inne zu haben, zugleich zu der Erkenntnis gelangen, dass Gott sich selbst Gegenstand wird in dem Sohne, und also durch dessen Gottheit als heiliger und heiligender Geist die Gottesgemeinschaft in den Menschen wirkt. Der Glaube an Christus, in welchem des unsichtbaren Gottes Name, Gegenwart und Offenbarkeit ist, entwickelt sich zum Glauben an den Vater, den Sohn und den heiligen Geist. Und das ist der wörtliche Schluss des Evangeliums nicht nur (nach Matth. 28,19), sondern auch abgesehen davon das Resultat des ganzen Hergangs der evangelischen Offenbarung im geschichtlichen Leben des Erlösers, wie es sich in den drei Hauptfesten der Christenheit darstellt. Jesus zwar hat sich als Evangelist aus dem Himmel also verhalten und gestellt zu denen, die ihn hörten, dass er zu Anfang der Glaubensbildung nicht vorgreifen, sondern kraft seiner Zeugnisse in Wort und Leben sie abwarten, die Jünger und Hörer inne werden lassen wollte, wer er sei. Darum er auch, als endlich die Juden fragen, wer bist du denn? zunächst antwortet, fürs erste der, der ich mit euch rede (Joh. 8,25), als wollte er sagen, nun ich bin ja doch keine Meinung, kein Schein, keine Lehre, sondern etwas Wirkliches und leibhaftigen Daseins, urteilt nach dem, was ihr seht, hört, gleichwie er auch den Jüngern Johannis des Täufers erwidert (Matth. 11). Denn ob er gleich von Anfang in Allem, was er bezeugte, von sich selbst zeugte (Joh. 8,18) in Gewissheit, dass es am Zeugnis des Vaters nicht fehle, und im Bekenntnis der Auserwählten (Matth. 16,16) auch des Abwartens Ziel erreicht; so hat er doch erst dem zunehmenden Unglauben der Juden gegenüber sein Selbstzeugnis im engeren Sinne zunehmend dahin abgelegt, dass er der Sohn des Menschen, weiter dass er der Sohn, dass er der Christus sei. In jedem dieser Namen liegt ein in das einartige menschheitliche gefasstes göttliche. Denn Seth der Sohn Adams, Isaak der erste Sohn der Verheißung, Salomo der erste Sohn des Königtums sind alle in ihrer Art eingeboren, einzig, aber auch alle nur Vorbilder auf den schlechthin Eingeborenen Sohn des Menschen, und dieser kann, nicht wie die anderen, welche zwar mitgeschaffen waren nach dem Bilde Gottes in Adam, aber auch von Adam her an der Sünde und Heilsbedürftigkeit teilhaben, nur durch das Fleischwerden des ewigen Bildes in die Welt als sein Eigentum kommen, in dem sich der Vatergott ein Gegenstand wird. Daher denn Jesus Christus in seinem eigentümlichen Selbst und Weltbewusstsein, in dem Bewusstsein einer vollkommenen Gemeinschaft mit dem Vater zugleich das Bewusstsein eines ewigen Seins mit ihm, in ihm hegt, einer Koexistenz oder Inexistenz mit Gott und einer Präexistenz, eines vorweltlichen Seins in sich trägt und ausspricht (Joh. 3,13. 8,58. 17,5. Matth. 11,27. 22,42).
Die Apostel aber haben ganz unabhängig von seinen Lehren oder einer sonstigen Lehrüberlieferung durch den Geist und Glauben, zunächst durch den Eindruck seines Persönlichen und also in originaler Weise - 1 Joh. 1,1. was da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unseren Augen rc. - eine Erkenntnis gewonnen von der Person Christi, welche sie dann einfach oder weiter entwickelt mit Anschluss an alttestamentliche Vorstellungen aussprechen. Sie wiederholen nicht einmal (mit alleiniger Ausnahme des Stephanus Apg. 7,56) den Namen Sohn des Menschen, mit dem er sich bezeichnet. Aber er war in göttlicher Gestalt und entäußerte sich Phil. 2. Sie legen ihm Namen und Verhältnisse bei, welche von Jehova hergenommen sind Phil. 2,9-11. vergl. Jes. 52,13. Offenb. 22,13. vergl. Jes. 41,4. 44,6, er ist der Herr über Alles; sie leiten seine Ankunft aus dem Himmel ab 1 Kor. 15,47, sie nennen ihn das Wort, das Leben, das vordem bei dem Vater war; sie beschreiben ihn häufig nach dem, was er nach dem Fleisch und nach dem, was er nach dem Geist, was er menschlich und was er gottheitlich sei Röm. 1,3.4. 9,5. Kol. 2,9. und sind soweit entfernt zu glauben, dass der Vater Mensch geworden, dass sie vielmehr in demselben Augenblicke, wo sie der Vielgötterei das Einige Gotteswesen entgegensetzen 1 Kor. 8,6. zugleich bekennen: Wir haben nur Einen Gott - den Vater, von welchem und Einen Herrn, durch welchen alle Dinge sind.
Und wenn nun auch der Apostel Paulus zu Anfang der Episteln im Namen des Vaters und des Herrn mit derselbigen Unterscheidung grüßt und Frieden anwünscht, gleich als ob eine dritte gottheitliche Ursachlichkeit des Heiles nicht wäre, so achtet er doch es bei den Johannes-Jüngern (Apg. 19,2) für einen vollen Gottesglauben nicht, dass sie sagen müssen, wir haben auch nicht gehört, ob ein heiliger Geist sei, und erfährt so, dass sie auch Jesum und die rechte Taufe noch nicht haben, denn niemand kann Jesum einen Herrn heißen, es sei ihm denn gültig durch den heiligen Geist geworden, der auch allein authentisch, was uns in Christo geschenkt sei, lehren könne (1 Kor. 12,3. 2,11-12). Und so lässt sich schon das erwarten, was in der Tat stattfindet, dass aus der Apostel voller ursprünglicher Glaubens- und Heilserfahrung auch in vollständiger Zusammenstellung (1 Kor. 12,4-6. 2 Kor. 13,13. 1 Petr. 1,1.) vollständige, mit dem Schlusszeugnisse Jesu übereinstimmende und doch eigentümliche Zeugnisse vom dreieinigen Gotte hervorgegangen sind.
Schon daraus kann erhellen, dass nicht etwa die Apostel oder die älteste Kirche zum Christentume oder zur Verherrlichung Christi morgenländische Gotteslehren dem Glauben an ihn hinzugetan haben, woraus sich dann von selbst eine Dreieinigkeit ergeben hätte, wie dies etwa altes oder neues Judentum vorgibt, wenn es die christliche Lehre und Jesum selbst als Märtyrer eines reineren vergeistigten mosaischen Glaubens anerkennen will. Vielmehr findet sich eben in den einzig gültigen Voraussetzungen des Neuen Testamentes nämlich im prophetischen Testamente nicht nur die Offenbarung Gottes im Messias sondern auch mit und in ihm die Offenbarung des Dreieinigen angebahnt. Das Alte Testament ist nicht bloß dadurch, dass es den übernatürlichen Gott, den allmächtigen weisen Schöpfer und Erhalter, den heiligen Gesetzgeber und Stifter offenbart und das Heidentum überwindet, wahre Religion zur Begründung des Neuen Testamentes, sondern bahnt auch bewusster und ausdrücklicher Weise den Weg zu weiterer vollkommener Offenbarung, teils dadurch dass es überhaupt von Wirkungen und Offenbarungsweisen Jehovas Zeugnis gibt, die in Bezug auf vollkommenen Umfang und vollkommene Art auf die Zukunft deuten, wie die Begriffe vom Worte Gottes und Geiste Gottes in ihrer Unterscheidung und in ihrer Einheit, teils dadurch, dass es mit einem persönlichen Erlöser Elemente vereinigter Gottheit und Menschheit zusammenschaut. Es weist allerdings auf
der einen Seite auf einen auserwählten Knecht hin, der ganz aufgeht in mittlerische Gottesverehrung (Jes. 53. u. a.), anderwärts aber auf eine vollkommene Theophanie oder Gottes-Erscheinung (Jes. 60. u. a.), Linien der Weissagung, welche in dem Testamente der Erfüllung in Einen Punkt zusammenfallen. Ja, diese Erfüllung selbst, nämlich Gottmenschlichkeit des Messias hat schon hin und wieder Vorandeutung, wie Mich. 5,1. Jes. 9,6. 2 Sam. 7,19. Die ältesten jüdischen Theologen, Verfasser der Lehrbücher unter den Apokryphen (Buch der Weisheit, Sirach, Baruch), sind auch dann, wann sie von ausländischen Lehren angeregt waren, doch ganz erkennbar durch Betrachtung der Offenbarungswege des Alten Testamentes zur Beschreibung jener Weisheit gelangt, in welcher sich Gott Gegenstand wird, die sein Abglanz ist, durch, welche er Schöpfer, Erhalter, Regent, Offenbarer und Erlöser wird.
Allein die weitere Frage ist doch immer gewesen, ob, wenn allerdings der Offenbarung wegen eine gewisse Dreieinigkeit bestehe, nämlich des Gottes, der sich durch sein Wort in der Geschichte durch den Sohn, und für das Bewusstsein durch den Geist offenbare und zum Heile wirksam erweise - ob er denn deshalb auch in seinem Wesen dreieinig sein könne, und dem Herrn, dem menschgewordenen Wort, und dem Geist eine gleiche gottheitliche Persönlichkeit wie dem Vater zukomme. So unterscheidet man denn eine Dreieinigkeit der Offenbarung und des Wesens. Die ganze Kirche aber bekennt: wie er sich offenbart, so ist er. Unverzagt hat sie sich zu einer ewigen Zeugung des Sohnes vom Vater und zu einem ewigen Ausgang des Geistes von beiden bekannt, nur dass die Griechische Kirche allein den Ausgang des Geistes vom Vater lehrt. Die Hauptreformatoren schon vornehmlich Luther und Calvin, haben nicht etwa nur die alten Begriffe müßig angenommen, wie es etwa bei bloßem Einblick in die Bekenntnisschriften der Evangelischen Kirche scheinen könnte, sondern sie mit großer Selbstständigkeit und großem Nachdruck mittels besonderer Schriften als Bibel-Ausleger bestärkt. Die Theologie hat in ihrer Fortschreitung und Nachfolge seither daran manches zu berichtigen gehabt, aber hin und wieder noch breiteren und tieferen Grund der heiligen Schrift dafür aufgebracht.
Ein neuer Blick in die Schrift lehrt uns, dass wir nicht allein in den Tatsachen der Erlösung, sondern auch in den Tatsachen der Schöpfung schon das Verhältnis Gottes zu Gott, Gottes aus Gott zu erkennen und zu verehren haben. Denn dieselbe gottheitliche Mittelursache, das ewige Wort, der Sohn, der Herr, Christus, durch welche die Erlösung (die Reinigung der Sünde Hebr. 1,3.) geschieht, ist die gottheitliche Mittlerin der Schöpfung und Erhaltung (Hebr. 1,3. Joh. 1,3.), und wenn nun auch das dritte, der Geist in dieser Hinsicht nicht gleicherweise namhaft hervortritt, so ist es doch damit nicht anders als wie wenn die Offenbarungs-Dreieinigkeit in Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus noch nicht voll ausgesprochen wird. Dies ergänzt sich teils durch die salomonische Weisheit (Spr. 8.), weil dieser Begriff unmittelbar die weltordnende, werktätige und die Geist und Wissen mitteilende Kraft in sich vereinigt, teils dadurch, dass nach Joh. 1,4. in dem Wort, durch welches alle Dinge gemacht sind, Licht und Leben war. Also auch das geschöpfliche Weltall offenbart göttliche Gedanken, aber dieser der Natur einwohnende Geist, dieses Zweckliche, Wahre, Gute, Schöne, welches ausgegossen ist über Himmel und Erde, vermag nur durch Gott oder nur durch den Geist gewusst und verstanden zu werden und sich dem wissensfähigen Engel oder Menschen aufzuschließen und zuzueignen. Wenn wir aber auch ganz absehen von Schöpfung, Erlösung und Heiligung, allein auf den Gottesglauben, auf Gottes Wesen zurückgehen, so schließt sich die Schrift dem Denken eines Christen zur Lehre von der Dreieinigkeit also auf, dass wir desto fröhlicher uns zu ihr überhaupt bekennen. Der innerste Wesensgedanke drückt sich durch Johannes in 1 Brief 4, 16. Gott ist die Liebe aus. Nun lässt sich aber keine Liebe denken, die nicht den Unterschied des Liebenden und des Geliebten mit sich führte - darum auch Gott in seinem ewigen vorweltlichen Ebenbilde (Kol. 1,18. Hebr. 1,3.) sich erkennt und spiegelt, von dem der Mensch nur geschöpfliches Abbild ist. In demselben Zuge des Gedankens kommt es nun zwar nicht zu dem Schlusse für Satz und Gegensatz, oder zu dem Sich wieder in einfassen - in dem heiligen Geist, der vom Vater und dem Sohne ausgeht, wohl aber lehrt uns ein anderer Ausspruch (1 Kor. 2,10.11.), ein drittes gottheitliches Ich, durch welches und in welchem sich der Vater in dem Sohne, der Sohn in dem Vater weiß, kennt, meint und liebt. Wie allein der Geist des Menschen weiß was in ihm ist, so weiß auch der Geist Gottes allein was in Gott ist, erforscht und kennt der Gottheit Tiefen.
So wenig wir nun auch auf diese Weise die Geheimnisse der Dreieinigkeit oder die Dreipersönlichkeit des einigen göttlichen Wesens zu ergründen vermögen, da uns vielmehr jede Offenbarung nur noch mehr in des Geheimnisses Gebiet einführt - daher man mit Recht gesagt hat, die Dreieinigkeit Gottes sei eben Erkenntnis der Unbegreiflichkeit seines Wesens: so dürfen wir doch diejenigen Ähnlichkeiten und Gleichnisse nicht verschmähen, mittels welcher uns eine verhältnismäßige Erklärung und Denkbarkeit zu Teil wird. Der Mensch selbst, wenn er den Hergang seines zum Wissen gedeihenden Erkennens und Denkens oder den inneren Hergang seines werdenden Selbstbewusstseins beobachtet, nimmt dabei ein Ich wahr, aus dem ein zweites erzeugt wird, in welchem er sich Gegenstand wird, und doch muss aus dem Grunde seines Bewusstseins noch einmal ein Akt hervorgehen, in welchem er sich mit sich bis zum vollen Gins-lein der Persönlichkeit zusammenfasst.
Eine Fülle ewiger Liebesbewegung aus sich heraus und in sich zurück ist der Gott Jesu Christi schon für sich, ehe noch der Vater durch den Sohn zur Verherrlichung seiner und seines Sohnes in der Schöpfung mit Macht und Weisheit seine Gedanken offenbart, seine Güte von Engeln und Menschen erkennen und preisen oder Gnade der sündigen Welt erscheinen lässt. Sein Wesen ist also kein Einerlei, weil er ein Einiger Gott ist, und wenn der deutsche Dichter im Namen des Griechentums sein Lied klagen lässt, „Einen zu bereichern unter allen, musste diese Götterwelt vergeh'n,“ so befindet er sich ebenso sehr im Irrtum als diejenigen, welche in der Weise des Islams oder des Judentums klagen, dass die erhabene Einheit an Dreigötterei, gleichsam an einen anderen fabelhaften Anfang von Mehrheit und Vielheit durch das Christentum verraten worden sei. Die scheinbare Dreigötterei vielmehr Dreieinigkeit Gottes ist es allein, die den christlichen Verehrer und Denker, der sie nicht missdeutet, vor der Vielgötterei nicht nur, von welcher gar nicht mehr die Rede dabei sein kann, sondern allermeist vor der Allgötterei (Pantheismus) bewahrt. Die Geschichte beweist es eben an Muhamedanern und Juden sowie an ihnen ähnlichen Kindern der Aufklärung unter den Christen, dass sie durch den vereinzelten Gott nicht befriedigt in ihrem Durst nach Lebens- und Liebesfülle in ein das At der Natur vergötterndes Heidentum zurückfallen; sie frischen sich den von allem Leben abgezogenen Gott wieder also an, dass er nun nahe empfunden und als reichster Stoff der Einbildungskraft genossen werden kann. Ebenso hoch erhaben darüber, als nahe und gegenwärtig und einwohnend unter uns ist das göttliche Leben der allerheiligsten Liebe, das entwickelte Wesen des dreieinigen Gottes. Der Fehler einer Verehrung ist entweder, dass ihr Gott nicht erhaben genug oder zu natürlich, oder dass er nicht gut und heilig genug, oder nicht nahe, allgegenwärtig, allwirksam genug gedacht wird. Allen diesen Unvollkommenheiten hilft unsere Religion auf Einmal und zugleich ab. Das aber, dass den Naturgesetzen und der menschlichen Vernunft die Dreiheit so mannichfaltig und tief eingeprägt wurde, dass sie überall, zumal in dem asiatischen Heidentume das Zeichen für das Vollkommene hergibt, oder endlich dass die Dichtenden und Denkenden unter den Hindus, den Ägyptern, den Griechen aus ihrer Götterwelt immer drei Namen vornehmlich hervorheben, sind, obgleich Schatten der Wahrheit, doch nur Schatten unseres Glaubens an den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.