Moody, Dwight Lyman - Säen und ernten
Irret euch nicht; Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch säet, das wird er ernten.
Galater 6,7
Ich denke, dies ist ein Wort, welches von keinem Ungläubigen oder Zweifler angefochten werden kann. Es gibt Wahrheiten in der Bibel, die sich so sehr im täglichen Leben erfüllen, daß sie niemand zu leugnen vermag. Hier haben wir eine solche Wahrheit. Wenn die Bibel ausgerottet werden könnte, so daß ihr Gedächtnis nicht mehr zu finden wäre auf Erden, so würde doch jeder Tag Zeugnis ablegen von der hier ausgesprochenen Wahrheit. Ein Blick auf die Straße, in die Familien, in die Zeitungen, in die Gefängnisse und Hospitäler kann uns davon überzeugen, wie wahr diese Gottesworte sind.
„Irret euch nicht“ - betrügt euch nicht. Wer hat sich nicht schon geirrt, wer wurde nicht schon betrogen? Ohne Zweifel weiß jeder meiner Leser von einem Irrtum, einer Täuschung, einem Betrug zu sagen. Satan betrog uns, wir wurden irren an diesem oder jenem Freund, unsere Feinde betrogen uns auch und o, wie oft hat uns die Welt und unser eigenes Herz betrogen. Wie mancher hat die Wahrheit des Wortes Gottes an sich selbst erfahren: „Es ist das Herz ein trotziges und verzagtes Ding, wer kann es ergründen?“ Aber wie oft wir einander betrügen, un selbst betrügen oder von anderen betrogen werden, dessen können wir versichert sein, Gott läßt sich nicht täuschen. Er durchschaut alle Dinge bis auf die Wurzel. Vor ihm ist nichts verborgen, sondern es ist alles klar und aufgedeckt vor seinem Angesicht.
Laßt uns darum mit uns selbst wahr sein und uns ehrlich sagen, ob wir einander betrügen oder selbst betrogen worden sind; ob wir irren und andere irre führen oder nicht.
Als ich in Boston arbeitete, kam ein junger Mann in die Versammlung. Er schaute die Besucher an und dachte: Ihr seid doch alle Narren; habt gute Kleider, habt Arbeit und Verdienst und setzt euch nun hier hin, um de Mann anzuhören. Er war ein armer Vagabund, der kein Unterkommen hatte, und er kam Abend für Abend, um für etliche Stunden im Warmen sitzen zu können. Wie aber Leute in guter Lebensstellung sich stundenlang hinsetzen konnten, um Gottes Wort zu hören, konnte er nicht begreifen; dies schien ihm doch nur Torheit zu sein.
Eines Abends, nachdem er schon 14 Tage lang immer gekommen war, sprach ich über den Selbstbetrug. Ich wandte mich nach der Richtung, in welcher er saß und sprach: „Jüngling, ich warne dich vor Selbstbetrug! Laß dich nicht betrügen, weder von deinem eigenen Herzen, noch von dem alten bösen Feind.“ Und siehe, Gott benutzte dieses Wort als einen Pfeil. Der junge Mann dachte über sich selbst nach. Seine Gedanken wandten sich rückwärts und es fiel ihm ein, wie oft er schon betrogen worden war. Einst hatte er eine gute Stellung gehabt in Boston, hatte viel Geld verdient, war angesehen gewesen im Kreise seiner Bekannten und hatte viele Freunde besessen.
Und wie stand es nun heute mit ihm? Seine Freunde hatten sich von ihm gewandt. Sein Geld war weggerollt. Die gute Stellung hatte er verloren, und seine guten Kleider waren verschlissen. Er war ein Ausgestoßener, ein armer Lump, mit welchem niemand gerne zu tun haben mochte. „Ja, ich bin betrogen!“ sagte er zu sich selbst. Gott hatte seine Hand auf ihn gelegt und ihm den Schleier von den Augen gezogen. Er erkannte seinen verlorenen Zustand und wandte sich zum Herrn. Der nahm ihn auf, wie der Vater den verlorenen Sohn, und vergab ihm alle seine Sünden. Und nun ging es ihm wie einst Nebukadnezar. Er fand wieder Freunde, wurde in eine ordentliche Stellung gebracht und kam mehr zu Ehren, als er vordem gewesen war. O, wie viele lassen sich betrügen von dem Gott dieser Welt!
Laßt mich nun auf die Wichtigkeit unseres kurzen Lebens achten und bedenken, daß wir währen desselben unaufhörlich aussäen für die Ewigkeit. Ich wünschte, ich könnte euch diese Wahrheit mit Flammenschrift ins Herz schreiben und sie eurem Gedächtnis unauslöschlich einprägen.
Wenn jemand sät, so erwartet er auch zu ernten. Wenn ein Bauer säen würde, ohne im Herbst eine Ernte zu erwarten, würde ihr ihn reif halten für das Irrenhaus. Nein, der Ackersmann schaut allezeit aus nach dem Tag der Ernte, an welchem er den Lohn seines Fleißes einsammeln kann. - Ein Jüngling mag eine lange Lehrzeit zu bestehen haben, aber nach und nach wird er die Frucht seiner Mühe ernten wollen.
Frage einen Techniker, weshalb er vier, fünf, sechs, ja sieben Jahre lang mit allem Fleiß arbeitet und studiert, um sein Fach gründlich kennen zu lernen, so wird er dir antworten, er tue dies, um einmal eine ordentliche Stellung im Leben einnehmen zu können. Der Jurist studiert auch lange und mit Fleiß, aber auch er hat das Ziel vor Augen, einst reichen Lohn für seine Mühe einernten und durch die Rechtsstreitigkeiten anderer reich werden zu können.
Es ist eine selbstverständliche Tatsache, daß der Mensch nur das ernten kann, was er gesät hat. Wer Weizen sät, wird keine Gerste ernten. Wenn man Hafer sät, wachsen keine Gurken. Nachdem man Zwiebeln gesät hat, ist es Unsinn, Kartoffeln zu erwarten. Wenn ein Mann das Zimmerhandwerk erlernt hat, kann er nicht erwarten, als Uhrmacher seine Lebensstellung zu finden. Wer die Rechte studiert hat, wird sich deshalb nicht sonderlich als Arzt bewähre. Nein, die Ernte eines Menschen muß mit seiner Aussaat im Zusammenhang stehen.
„Lukmann,“ sagte eines Tages ein Herr zu seinem Sklaven, „gehe hin auf den Acker und säe Gerste!“ Lukmann ging hin und säte Hafer. Zur Erntezeit ging der Herr ins Feld, um seine Gerste zu besehen und siehe, es wuchs Hafer auf dem Felde. Er rief seinen Knecht und fragte ihn: „Habe ich dir nicht geboten, Gerste zu säen, warum hast du nun Hafer gesät?“
Der Mann antwortete: „Ich säte Hafer in der Hoffnung, daß Gerste daraus werden würde.“
„Welch ein Narr bist du! Hat doch kein Mensch so etwas je gehört!“
„Doch, mein Herr, du bist auch ein solcher Narr. Täglich tust du Böses und hast doch die Hoffnung, daß am Tage der Auferstehung Gutes daraus geworden sein würde. Darum dachte ich, es könne ebensogut Gerste wachsen, wo Hafer gesät ist.“
Der Herr erschrak über diese Antwort seines Knechtes dermaßen, daß er ihm die Freiheit schenkte.
Wenn ein Mensch sich irgend einer Sünde in besonderer Weise hingibt, dann wird es nicht lange dauern, bis ihm auch die Früchte seiner Sünden reifen. Wer regelmäßig trinkt, wird ein Säufer, ruiniert seinen eigenen Körper und zugleich auch Leib und Seele seiner Nachkommen. Die Stunde der Ernte kommt gewiß, es ist nur eine Frage der Zeit, wann. So wenig jemand den Untergang der Sonne aufzuhalten vermag, so wenig ist er imstande, der Ernte, die seiner Aussaat entspricht, zu entgehen. Eine Zeitlang mag jemand dahingehen und Böses tun ohne die Vergeltung zu fürchten, aber eines Tages wird sie ihn unversehens überfallen. Saul verfolgte David und suchte ihn zu töten, aber er fiel eines Tages in sein eigenes Schwert und nahm sich selbst das Leben. Herodes verfolgte die Heiligen und er mußte sein Leben infolge einer schmählichen Krankheit aushauchen. Wer Tränen sät, muß auch Tränen ernten. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wer auf das Fleisch sät, wird vom Fleisch das Verderben ernten.
Wenn du deine Bibel zur Hand nehmen und einmal durchsehen willst, dann wirst du finden, daß die Wahrheit, welche unser Texteswort enthält, auf allen Blättern, vom Anfang bis zum Schluß zu finden ist. Ja, was der Mensch säet, das muß er ernten. Dies bezeugt uns die Bibel von der Genesis bis zur Offenbarung, davon legt die Geschichte tausendfältig Zeugnis ab. Schaue nur einmal die Geschichte Pharaos an. Der Wüterich gab das grausame Gebot, daß die israelitischen Knäblein ins Wasser geworfen werden sollten und dies Gebot wurde ausgeführt. Das Volk Israel weinte und seufzte, die Ägypter lachten und spotteten und Gott schwieg stille. Wie mancher ist schon durch solches Schweigen an Gott irre geworden. Aber dazu schweigt Gott nicht. Wir müssen es lernen, auf die Stunde Gottes zu warten. Gott eilt, wenn es gilt, den Sünder zu retten, wenn er ihn aber richten muß, dann nimmt er sich viel Zeit. Und Gott hat Zeit genug. Wenn aber seine Stunde geschlagen hat, dann weiß er Mittel und Wege, um die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen und seine Feinde zu richten. Als Pharaos Sündenmaß voll war, da kam das Gericht. Achtzig Jahre, nachdem jenes schreckliche Gebot gegeben und ausgeübt worden war, brach die Stunde Gottes herein. Da gab's kein Entrinnen. Was die Ägypter gesäet hatten, mußten sie ernten. Vom Königspalast bis zur Sklavenhütte gab es kein Haus, in welchem nicht ein Toter inne gewesen wäre.
Nimm den Erzvater Jakob als Beispiel und zwar mußt du ihn verfolgen von Jugend auf bis ins Alter. Du wirst dann finden, daß auch er erntete, was er gesäet hatte. Als es sich um den Segen handelte, hinterging er seinen alten blinden Vater und betrog seinen Bruder Esau um den Segen. Ist das recht? Kann das Gott durchgehen lassen? Warte eine Weile. Jakob ist Vater von zwölf Söhnen. Einer unter ihnen, Josef, ist ihm sehr lieb, und dieser vom Vater Bevorzugte ist seinen Brüdern ein Dorn im Auge. Sie nehmen die erste Gelegenheit war und verkaufen Josef in die Gefangenschaft. Dann schlachten sie einen Ziegenbock, tunken den Rock in das Blut des Bockes und senden ihn ihrem Vater. Wunderbar! Jakob hatte ein Böcklein geschlachtet und seinen Vater mit dem Fleisch und dem Fell des Tieres betrogen und nun wird er selbst mit dem Fleisch und dem Fell des Tiers betrogen und mit dem Blut eines Bockes getäuscht. Zwanzig lange Jahre blieb Jakob im Ungewissen, ob sein Sohn Josef wirklich gestorben sei oder nicht. Freilich hatte Gott eine herrliche Absicht mit Josef; er wußte das Böse vom Guten zu wenden, aber Josef mußte ernten, was er gesät hatte.
Schaue ferner hin auf David.
Kein Gläubiger des alte Bundes stand höher und fiel tiefer als er. Gott nahm ihn von den Schafen und setzte ihn auf den Thron. Er gab ihm Reichtum und Macht und Herrlichkeit, und David war geehrt unter den Leuten. Aber eines Tages kam der König in eine Versuchung, der er nicht gewachsen war. Er sündigte, und wie es so oft geht, er mußte weiter sündigen, um seine Sünde zu verbergen. Dem Ehebruch schloß sich der Mord an, und es schien, als ob der mächtige Fürst ungestört und ungestraft sündigen könnte. Doch es schien nur so.
Monate gingen dahin, aber eines Tages erschien der Prophet Nathan in der Zionsburg. Er hatte dem König eine allerhöchste Botschaft zu überbringen. Er erzählte dem König die Parabel von dem Lamm des Armen und veranlaßte ihn hiermit, daß er sich selbst das Urteil sprach. Als aber dann der Prophet den königlichen Pfeil aufgriff und ihn dem königlichen Verbrecher entgegenschleuderte mit den Worten: „Du bist er Mann! Urias, den Hethiter, hast du getötet mit dem Schwert der Kinder Amons und sein Weib hast du dir zum Weibe genommen!“ da mag dieser wohl empfunden haben, daß er jetzt ernten müsse, was er selbst gesät hatte. Ja, es wurde David heimgezahlt in seiner eigenen Münze. Er mußte nach seinem eigenen Urteil das Geraubte vierfach wiedergeben. Ihm wurde durch Gottes Gnade seine Sünde vergeben, aber weil er die Feinde des Herrn lästern gemacht hatte, mußte er bis an sein Ende an den Folgen tragen. O, mein Freund, es ist eine ernste Sache ums Säen. Wenn du einmal einen Blick auf deine eigene Lebensernte tun könntest, würdest du vielleicht einen heilsamen Schrecken bekommen und nicht anders können als um Gnade schreien, daß Gott dich von der Bosheit deines Herzens erlösen und dir guten Samen für deinen Lebensacker geben möchte. O, bedenke doch, was das bedeutet: Was der Mensch säet, das wird er ernten! Was im Verborgenen geschehen ist, das wird in der Öffentlichkeit gerichtet und was in der Finsternis vor sich ging, muß am Tage geurteilt werden. Wie töricht ist es doch, wenn ein Mensch denkt, er könne seine bösen Geheimnisse für sich behalten. Wahrlich, sie müssen eines Tages offenbar werden, und dazu wird es eine böse Sache sein um den, der seine Missetat zu verbergen gesucht hat. Denn wer seine Missetat verbirgt, dem wird es nicht gelingen, wer sie aber bekennt und läßt, dem sollen sie vergeben werden. Unvergebene Sünden bringen immer weiter böse Aussaat mit sich, und wer einmal dem Bösen im Verborgenen Raum gibt, der wird bald öffentlich sein Sklave sein. O, daß doch keiner mit unvergebener Sünde weiter leben möchte. Heute ist's Zeit, sie los zu werden. Vergebung ist für jedermann bereit. Drum säume ja niemand, zum Heiland zu kommen, damit er von der Sünde erlöst und Gottes Kinde werde, solange es noch Zeit ist.
Was der Mensch sät, das wird er ernten. Aber nicht nur das, sondern er erntet noch viel mehr, als er gesät hat. Wenn ih eine Handvoll Körner ins Feld streue, mag ich wohl eine Scheffel Frucht ernten. Ich habe von einer Bohnenart gelesen, welche sich in einem Jahr tausendfach vermehren soll. Jakob belog seinen alten Vater einmal, aber Laban, sein Schwiegervater, täuschte ihn wiederholt und veränderte zehnmal seinen Lohn, und seine eigenen zehn Söhne traten alle zehn vor ihn und jeder belog ihn. Jakob hatte nicht viel Zeit nötig, um seinen Vater zu täuschen und seinen Bruder zu betrügen, aber er selbst mußte 21 Jahre in der Fremde weilen und später zwanzig lange Jahre Leid tragen über seinen Sohn Josef. David mußte in seinem ganzen Leben, nachdem der Prophet Nathan zu ihm gekommen war, am Ernten bleiben von seiner bösen Saat. Nur wenige Augenblicke Zeit hatte es bedurft, den mächtigen König von seiner Höhe hinunter zu stürzen in das Laster des Ehebruchs; nur einige Tage waren nötig, um den Mordplan gegen Uriah, den Hethiter, zu schmieden und zur Ausführung zu bringen, aber bis an sein Lebensende erntete er an den Früchten, welche aus dieser Aussaat hervorwuchsen. Es hat jemand den Ausspruch getan: „Es ist ein unumstößliches Naturgesetz, daß jedermann mehr erntet, als er gesät hat. Säe eine Tat, so erntest du eine Gewohnheit; säe eine Gewohnheit, so erntest du einen Charakter; säe einen Charakter, so erntest du einen Zustand. Diese Steigerung ist natürlich und göttlich begründet. E wird dir ein volles und überflüssiges Maß in deinen Schoß gegeben.“
Wenn ich einem Menschen begegne, der lächelnd und tänzelnd bösen Samen sät, so zittere ich für ihn. Es dauert nur kurze Zeit, bis er gezwungen ist, zu ernten, was er gesät ha. Da hat's dann ein Ende mit den Scherzen Tändeln und Spotten. Da ist's bitter, sehr bitter ernst. Während ich hier rede, werden manche in dieser Stadt Verbrechen begehen, deren Früchte sie in ihrem ganzen Leben, ja bis in Ewigkeit essen müssen. Wie mancher Mörder hat es verstanden, der Hand der irdischen Gerechtigkeit zu entrinnen; wie mancher Geizige versündigte sich an seinen Mitmenschen, ohne daß irgend ein Richter ihn fassen konnte, und wie mancher Lüstling hat das Leben Unschuldiger vergiftet, ohne daß ihm der gerechte Lohn seiner Taten ausgezahlt worden wäre. Aber denkst du, daß schon das letzte Wort über solche ungestrafte Sünden geredet worden sei? Weit gefehlt. - „Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich fein; was durch Langmut er versäumt, bringt durch Schärf' er wieder ein.“ Als Kain seinen Bruder Abel erschlug, gab es niemand, der ihn seiner Missetat hätte überführen können. Da gab es keinen Zeugen, keinen Ankläger und keinen Richter. Kein menschliches Auge hatte die böse Tat gesehen, aber Gott stellte den Mörder und richtete ihn. Ich bin überzeugt, daß Kain nun schon seit 6000 Jahren die Früchte seiner Tat geerntet hat.
Eines Tages sprach ich in einer amerikanischen Stadt über diesen Text. Ein Mann, der der Versammlung beiwohnte, verbarg sein Angesicht in beide Hände und fing an, laut zu weinen. Als nach der Versammlung ein Bruder zu ihm ging und ihn nach der Ursache seiner Tränen fragte, erwiderte er: „Es ist alles ganz recht und wahr, was Herr Moody geredet hat. Ich befand mich in angesehener Stellung, war glücklich und wohlhabend. Aber ach, in einer Nacht tat ich einen tiefen Sündenfall. Die Folge war, daß mich der Richter zu vier Jahren Zuchthaus verurteilte. Ich komme jetzt eben als ein ruinierter Mann aus dem Zuchthaus. Mein Charakter, mein gutes Gewissen, meine Ruhe, meine Stellung, mein Vermögen, meine Hoffnung, mein Alles ist dahin. Eine Stunde der Sünde hat Jammer und Schande über mein ganzes Leben gebracht.“ Wahrlich, der Mann erntete, was er gesät hatte.
In der französischen Geschichte lesen wir von einem König, der ein neues Züchtigungsmittel für die Verbrecher in seinen Gefängnissen eingeführt wissen wollte. Einer seiner Höflinge schlug ihm vor, eine Zelle bauen zu lassen, die so kurz sei, daß der Verbrecher nicht gerade liegen, und so niedrig, daß er nicht gerade stehen könne. Sein Rat fand Anklang, und es wurde eine solche Zelle gebaut. Aber siehe, nicht lange nachher verlor er des Königs Gunst, und nun wurde er selbst in seine eigene Zelle geworfen und mußte 14 lange Jahre darinnen zubringen. In wenigen Minuten hatte er seinen gottlosen Plan vollendet, aber 14 Jahre lang mußte er nun selbst die Frucht desselben essen.
An einem Sonntag abend predigte ich in Chicago. Am Schluß der Versammlung kam ein Mann zu mir mit dem Wunsch, mich allein zu sprechen. Wir gingen miteinander in ein Zimmer. Als ich die Tür verschlossen hatte, legte er den Kopf gegen meine Schulter, während er am ganzen Leib zitterte, als ob er das Wechselfieber hätte. Die Tränen flossen über seine Wangen, und er schluchzte wie ein Kind. Ich ließ ihn eine Zeitlang ruhig weinen und forschte dann so nach und nach nach der Ursache seines Kummers. Endlich erfuhr ich denn seine Geschichte, ein Stück nach dem andern. Ach, und was für eine Geschichte! Er war ein höherer Staatsbeamter, der von Jugend auf in Üppigkeit und Überfluß gelebt hatte. Er hatte eine sehr schöne und gebildete Frau geheiratet, welche drei lieblichen Kindern das Leben schenkte. Da er das Sparen nicht gelernt hatte, überstiegen bald seine Ausgaben seine Einnahmen. Da betrat er den unsicheren Weg des Börsenspiels. Anfangs hatte er Glück und er gewann größere Summen. Um sich in den Besitz größerer Mittel zu setzen, fälschte er für 160.000 Mark Schatzanweisungen und verkaufte dieselben in acht Teilen, hoffend, sie gelegentlich zurückkaufen zu können. Es war die alte Geschichte. Er spekulierte weiter, hatte Verlust über Verlust, und als er dann einsah, daß er sich nicht mehr zu halten vermochte, ergriff er die Flucht. „Vier Monate,“ so fuhr er fort, „habe ich mich nun hier verborgen gehalten. Meine Frau weiß nicht, wo ich mich aufhalte, und ich habe ihr noch nicht geschrieben aus Furcht, mich zu verraten. Der Gouverneur hat einen Preis auf meine Gefangennahme gesetzt. Es ist schrecklich, ein solches Leben zu führen, wie ich jetzt tue, und ich würde mich selbst schon lange freiwillig gestellt haben, wenn es nicht um meiner Frau und Kinder willen wäre. Es ist mir schrecklich, daß die Unschuldigen nun meine Schande tragen müssen.“
Wenn ein Mensch allein ernten müßte, was er gesät hat, so wäre das schon schwer, aber ist ist schrecklich, daß Vater und Mutter, Weib und Kind, Bruder und Schwester mit hineingezogen werden in die Leiden, die der Sünde folgen. Müssen nicht die Angehörigen des Spielers die Früchte seiner Leidenschaft mit ihm teilen? Zieht nicht ein verlorener Sohn oder eine verlorene Tochter die Angehörigen mit hinein in Schmach und Schande? O, welch ein bitterer Feind ist doch die Sünde! Helfe Gott einem jeden von uns, der Sünde den Rücken zu kehren für immer!
Der Mann wollte nun meinen Rat hören. Mir hatte der Herr auch Frau und drei Kinder gegeben; und es ist sehr schwer, jemand einen Rat zu geben, den man nicht bereit wäre, nötigenfalls selbst zu befolgen. Ich versuchte, mich in seine Lage zu versetzen und fragte mich, was ich an seiner Stelle tun würde. Es war gewiß nicht leicht, ihm den Rat zu geben, sich selbst dem Richter zu stellen, denn im günstigsten Falle hatte er auf lebenslängliche Zuchthausstrafe zu rechnen. Ich sagte ihm, ich würde die Angelegenheit dem Herrn im Gebet darlegen, und wenn er mich am folgenden Mittag um 12 Uhr noch einmal besuchen wolle, würde ich ihm sagen können, was ich für recht erkannte in seinem Falle.
Als er am anderen Tage zu mir kam, sagte er, noch ehe ich ihm ein Wort sagen konnte: „Ich will sie nicht länger mehr bemühen; die Sache ist mir klar. Ich kann nicht auf Gnade und Vergebung rechnen, wenn ich nicht hingehe, um die gerechte Strafe für meine Sünden zu empfangen. Mein Entschluß ist gefaßt, ich reise noch heute ab, um mich selbst anzuklagen.“ Ich betete noch mit ihm, während heiße Tränen seine Wangen feuchteten. Dann nahm er bewegt Abschied und ging gleich zum Zuge, um in seine Heimat zurückzukehren. Als er nach Hause kam, schlich er sich bei Nacht in sein Haus, um seine Kinder noch einmal zu sehen. Er hielt sich noch einige Tage verborgen, bekannte seinem Weibe alle seine Sünden und kniete kurze Zeit an dem Bette seiner lieben Kinder. Ach, er wagte nicht, ihnen einen Abschiedskuß zu geben, aus Furcht sie zu wecken. O! Die Erntezeit war für den armen Mann gekommen! - In der letzten Nacht, die er zu Hause weilte, schrieb er mir den ergreifendsten Brief, den ich in meinem Leben gelesen habe.
Am anderen Morgen ging der Mann zum Gericht und klagte sich selbst seiner bösen Taten an. Er wurde wegen Betrug in acht Fällen zu neunzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Nicht wahr, mein Freund, der Mann erntete viel mehr, als er gesät hatte?! Laß dich warnen. Wer Unkraut sät, der soll wissen, daß seiner eine furchtbare Ernte wartet.
Weh' aber denen, die Unkraut sä'n,
Wenn vor dem Richter sie jämmerlich steh'n.
Mensch, was du sä'st, bringt die Ernte ein,
Sei's ew'ges Leben, sei's ew'ge Pein.
Endlich müssen wir uns noch daran erinnern lassen, daß es an der Ernte gar nichts ändert, ob der Mensch ein klares Bewußtsein hat, ob der Same, den er sät, gut oder böse ist. Es mag sich jemand einbilden, er säe guten Weizen, wenn er aber in Wirklichkeit Unkraut sät, dann muß er auch Unkraut ernten. O mein Freund, laß dich durch diese Zeilen warnen! Sei nicht gleichgültig mit deiner Aussaat. Bedenke, daß jedes Wort, jede Tat eine Folge nach sich zieht. Wie behandelst du deinen alten Vater, deine schwache Mutter? Vielleicht hast du sie gut behandelt. Und wenn du dies nicht hast, dann wisse, daß dir eine Erntezeit bevorsteht; vielleicht schon in Kürze in diesem Leben, aber ganz gewiß in der Ewigkeit. Wie oft müssen Männer und Frauen von ihren eigenen Söhnen und Töchtern erleben, was sie an ihren eigenen Eltern verfehlt haben. Wie kehrt, o so oft, die eigene Unart in verstärktem Maße an den Kindern wieder!
Gottes Mühlen mahlen langsam,
Mahlen aber trefflich fein;
Was durch Langmut er versäumet
Bringt durch Schärf' er wieder ein!
Jesus spricht: „Mit dem Maß, da ihr mit messet, wird man euch wieder messen.“ Und zwar wird es ein volles, überflüssiges Maß sein, das uns in den Schoß gemessen wird. Wenn du denkst, du könntest Unkraut säen und Weizen ernten, dann täuschest du dich sehr. Wenn du denkst, du könntest in deinen Lüsten leben, der Sünde dienen und zugleich das ewige Leben erwerben, dann bist du ein Selbstbetrüger. Denn Gott spricht: „Wer auf das Fleisch sät, der wird vom Fleisch Verderben ernten, wer aber auf den Geist sät, der wird vom Geist das ewige Leben ernten.“
Aber vielleicht wird jemand fragen: „Wenn der Mensch ernten muß, was er sät, wo bleibt dann die Lehre von der Gnade und der Vergebung der Sünden? Starb dann nicht Jesus für die Sünden der Welt?“
Freilich ist Christus für die Sünden der Welt gestorben, und wer an ihn glaubt, der wird errettet werden vom ewigen Verderben. Aber das hebt doch die Wahrheit nicht auf, von der wir jetzt reden. Jakob hatte Vergebung gefunden, als er zum Israel wurde, aber er mußte doch in seinem Leben die Früchte ernten, die er gesät hatte. Davids Sünden waren gewiß vergeben, und doch mußte er um dieser seiner Sünden willen Wege des Leidens gehen. Jener Mann, von dem ich redete, hatte Vergebung seiner Sünden bei Gott gefunden, aber er mußte 19 Jahre lang die Folgen seiner Missetaten tragen, denn eine so lange Zuchthausstrafe war ihm durch das Gesetz auferlegt worden. Gottes Gnade hebt seine Gerechtigkeit nicht auf. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat, wenn wir bei ihm Vergebung suchen, aber er läßt uns sehr oft zu einem lebenslänglichen Angedenken etwas fühlen von dem, das unsere Sünde ausgewirkt hat.
Ein Mann, den ich sehr gut kenne und liebe, verließ vor mehr als 20 Jahren seine Frau und sein Kind und ging dem verlorenen Sohn gleich hinaus in die Welt, um der Sünde zu dienen. Nach jahrelangem Umherirren begab es sich, daß er durch das Wort Gottes ergriffen wurde. Er sah seinen verlorenen Zustand ein, wandte sich reuevoll dem Heiland zu und fand bei ihm Vergebung seiner Sünden. Nun hatte er natürlich auch ein großes Verlangen, sein Weib und sein Kind wieder aufzusuchen, um auch von ihnen Vergebung zu erlangen. Er sparte soviel zusammen, daß er die Heimreise antreten konnte, und ging dann hin, um die Seinen aufzusuchen. Aber wer beschreibt seinen Schmerz und sein Leid, als er in seine Vaterstadt kam, fand er, daß er als ein Verschollener aus der Liste der Lebendigen gestrichen und seinem Weibe von Rechtswegen die Genehmigung zur Wiederverheiratung gegeben worden war. Er fand also seine Frau mit einem ehrenhaften Mann verheiratet, und es war ihm nicht möglich, sich ihr oder ihrem Kinde zu nähern. Wie oft habe ich heiße Tränen über seine Wangen fließen sehen. Es sind jetzt 12 Jahre verflossen seit seiner Bekehrung, und er hat sich als ein treuer und inniger Christ bewährt, aber noch heute trägt er schwer an den Folgen seiner Sünden, und er wird bis an sein seliges Ende daran zu tragen haben. - O mein Freund, was ich dir heut verkündige von der Wiedervergeltung, von dem Säen und Ernten, das ist gewiß keine Einbildung, sondern lautere und wahrhaftige Gotteswahrheit. Darum wende dich noch heute entschlossen von der Sünde ab und suche Vergebung bei Jesu, dem Sündentilger. Dann soll dein ferneres Leben ein Säen sei, von dem dir einst eine gute Ernte zu teil werden kann. Dann wirst du nicht zu Schanden werden am großen Erntetag. Und wenn du dann auch je und dann mit Tränen säen mußt, so hast du doch gewiß eine Freudenernte zu erwarten.
Quelle: Moody, Dwight Lyman - Lebensbrot