Lobstein, Friedrich - Gottes Arbeit an den Menschenherzen - Verloren und gerettet.
Matth. 8,1-4.
**Da er aber vom Berge herab ging, folgte ihm viel Volks nach. Und siehe ein Aussätziger kam, und betete ihn an, und sprach: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen. Und Jesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will's tun, sei gereinigt. Und alsbald wurde er von seinem Aussatz rein. Und Jesus sprach zu ihm: Siebe zu, sage es Niemand; sondern gehe hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Moses geboten hat zu einem Zeugnis über sie.
Ein Mensch, der von einem unheilbaren Leiden befallen ist, findet plötzlich einen Arzt und mit diesem ein neues Leben, es ist ein Aussätziger. Oh! ihr, die ihr Gesundheit, Familienglück und eine Stellung in der Welt habt, ihr wisst vielleicht nicht, was es heißt ein Aussätziger zu sein. Es ist gut, dass ihr es erfahrt und wäre es nur, um euch zu sagen: „wer hat dich vorgezogen? was hast du aber, das du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmst du dich denn als hättest du es nicht empfangen.“ (1. Kor. 4,7.) Ein Aussätziger ist kein gewöhnlicher Kranker, gern würde er tauschen mit einem Blinden, einem Lahmen, oder mit einem armen Straßenbettler. Der Unglücklichste unter allen Menschen hat noch Hilfsquellen, die einem Aussätzigen genommen sind. Seht seinen Körper: „Von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm, sondern Wunden und Striemen und Eiterbeulen, die nicht verbunden noch geheftet noch mit Öl gelindert sind.“ (Jes. 1,6.) Dies ist noch nicht Alles, ein Aussätziger ist auch ein Mensch, der ausgestoßen ist aus der Gemeinschaft der Lebenden, er hat nicht mehr das Recht neben Seinesgleichen zu wohnen, mit entblößtem Haupte und mit zerrissenen Kleidern irrt er umher mit seinem Leiden ohne einen festen Wohnort und ohne eine menschliche Zufluchtsstätte. Sieht er von weitem einen Wanderer, muss er ihn benachrichtigen und ihm zurufen: „wende dich weg, ich bin ein Aussätziger.“
Die Sonne geht auf und geht unter die Erde bedeckt sich wieder mit Grün, und die Bäume mit Laub; aber für einen Aussätzigen ändert sich nichts, er allein hat keinen Frühling, hat keine Sonne, welche die Gesundheit in ihren Strahlen trägt. Seine einzige Hoffnung ist der Tod, seine einzige Zuflucht das Grab.
Ein solcher Mensch ist's, dem Christus begegnet, als er vom Ölberg hernieder steigt, und hier beginnt eine neue Geschichte: Es gibt einen Arzt für die Unheilbaren, der nicht von sich hinaus stößt, wer zu ihm kommt. Wenn der Mensch gänzlich verloren ist, dann fängt das Werk Christi an. Jesus sieht diesen Aussätzigen und ist ergriffen von Mitleid. Wir werden Zeuge sein von einer Begegnung, die nie würde in eines Menschen Sinn gekommen sein; der Aussätzige wirft sich nieder vor Christus und spricht: Herr, so du willst, so kannst du mich wohl reinigen. Dieses Wort dringt in Jesu Herz, er tut mehr als bloß stehen bleiben; er streckt die Hand aus, diese Hand sucht den Unglücklichen und fürchtet sich nicht ihn zu berühren. Es findet statt eine Berührung zwischen dem Arzt und dem Kranken und diese Berührung ist es, die eine Wiedergeburt schafft und eine neue Kreatur hervorruft. An einer andern Stelle lesen wir: „und alles Volk begehrte ihn anzurühren, denn es ging Kraft von ihm und heilte sie alle.“ (Luk. 6,19.) Diese wirksame Kraft ist in dem Worte des Herrn. Er sagt zu dem Aussätzigen: „Ich will es tun, sei gereinigt“ und alsbald wurde er von seinem Aussatz rein.
Wir würden schon eine hohe Meinung von Christus haben, wenn wir nur diesen einzigen Zug von ihm kennten. Diese übermenschliche Macht und dieses Mitgefühl göttlicher noch als seine Macht, reicht hin, um unsere Herzen zu gewinnen.
Aber dieser einzelne Zug ist nur das Bild von etwas Höherem und Allgemeinerem. Es gibt einen Aussätzigen, der noch verlorener ist, als der Aussätzige im Evangelium, das ist ein armer Sünder, wenn er sich selbst erkannt. Suchen wir diesen Fall in unserem eigenen Leben, und da wo der Aussätzige ist, werden wir auch den Arzt sich einfinden sehen. „Denn es ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus gekommen ist in die Welt die Sünder selig zu machen.“ (1. Tim. 1,15.)
Verloren und gerettet; das ist die Hauptsumme der Bibel und des christlichen Lebens. Wenn Gott will einen Heiligen schaffen, schafft er zuvor einen armen Sünder. Ich will dir das Bild eines solchen Menschen entwerfen, wir wollen ihn betrachten in drei Abschnitten seines Lebens. EI gibt eine Zeit für ihn, wo ihm Jesus Christus Nichts ist, eine Zeit, wo er ihm Etwas ist und endlich eine Zeit, wo er ihm Alles ist.
Wir begegnen zwar in dieser Welt vielen Gestalten von Menschen, die auf den ersten Anblick sich nicht ähnlicher sehen als etwa ein Neger einem Weißen ähnlich sieht, oder umgekehrt. Aber brich die Schale und es ist immer derselbe Mensch, derselbe den die Bibel bezeichnet als „tot in Sünden und bösen Lüsten.“ Hier ist ein Galeerensklave, der hinter sich hat abscheuliche Verbrechen und dessen Herz hart ist wie ein Felsen. Hier ein Handwerker, der, weil er seiner Familie Brot gibt mit seiner Hände Arbeit, glaubt, er habe von aller. Religionen die beste. Hier ein Weltmann, der von einem Fest zum andern, aus einer Gesellschaft in die andere läuft, und dessen Wahlspruch ist, lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Hier ein Beamter, der sich weit über das Gemeine erhaben dünkt, der sich nur selten zeigt: er selbst ist sein Gott und seine Hoffnung ist der Ruhm, den er einst zurücklassen wird. Hier ist ein Ehrenmann, der einher geht mit erhobenem Haupt ohne Furcht und Tadel. Sein guter Ruf schafft ihm einen unbegrenzten Kredit; braucht er eine Million, man bietet ihm das Doppelte. Hier ein Menschenfreund, der das Elend der Menschen durch Armen-Lotterien, durch Wohltätigkeitsvereine heilen will. Endlich sehen wir hier noch einen Rechtgläubigen, der stets an die Bibel geglaubt hat, er hat nur einen Fehler, er liebt es nicht, dass man von ihm zu ihm selbst redet.
Sind nicht diese Gestalten alle gar sehr verschieden von einander? Und doch, wenn du auf den Grund gehst, bleibt es immer derselbe Mensch, der Eine ein Ungeheuer, der Andere ein Genie. Aber eines fehlt ihnen allen; es ist der Pflug Gottes, es ist einer, der sie wach rufe.
Alle diese Menschen werden vor Jesus Christus vorüber gehen; sie haben so viel Hilfsquellen in sich selbst. Aber Gott kann uns in eine Lage bringen, in der wir etwas Anderes brauchen als uns selbst. Das ist die Zeit der ersten Erweckung. Denselben Menschen hat ein Schlag getroffen; und siehe die Täuschungen schwinden, die Schätze entrinnen, die Selbstanklagen treten hervor. Der Aussatz hat ihn befallen, aber die Wunde ist noch nicht ganz hoffnungslos. Man löckt wider den Stachel, aber es ist ein gar ungleicher Kampf, wenn Gottes Hand auf uns lastet, müssen wir ihm stille halten. Wenn Gott einen züchtigt um der Sünde willen, so wird seine Schöne verzehrt wie von Motten, „ach wie gar Nichts sind doch alle Menschen.“ (Ps. 39, 2.)
Die Leere muss ausgefüllt, die Unruhe beschwichtigt, es muss Frieden gemacht werden mit dem Gewissen, das sich empört.
Der Heiland steht vor der Tür, man hat einen Schritt zu ihm gemacht, aber man kennt ihn noch nicht als den, „der da gekommen ist zu suchen und selig zu machen das verloren ist.“ Wir müssen ihn endlich als Solchen kennen lernen, das Werk der Sünde wird zum allgemeinen Fluch.
Alle diese einzelnen Gewissensbisse begegnen sich in der Tiefe der Seele und lassen merken, dass unsere Lebensquelle vergiftet ist. Wir hängen ab von unseren Neigungen; aber wir lernen sie nur erst dann kennen, wenn sie uns Frieden bringen. Dann erst erkennt man die Leere seines Geistes, sein verzweifelt böses Herz, einen Willen, der sich nicht ergeben will, Lüste, welche wider die Seele streiten. Man will sich selbst heilen, aber je mehr man sich abmüht, je mehr wird die Sünde lebendig. Der Aussatz bricht aus, der arme Sünder ist fertig. Es bedarf eines Wunders zu seiner Heilung.
Dies ist die Stunde, in welcher Christus vom Berge hernieder steigt, dem Werk der Sünde folgt das Werk des Mitleids, eines Mitleides, welches alles Mitgefühl der Menschen weit hinter sich lässt.
Überall gibt es Spitäler, Krankenwärter, barmherzige Schwestern, wir leben in einer Zeit, wo die Kollekten, Armenlotterien, Liebeswerke aller Art an der Tagesordnung sind, aber das, was beinahe immer fehlt, das ist die wahre Liebe. Wie weit dringst du ein in das Elend Anderer? und wie lange wird dein Mitgefühl und deine Barmherzigkeit dauern? Dieses Laufen, dieses Arbeiten, dieses Opfern vom Überfluss, dieses Wachen an den Krankenbetten, was hat es bis jetzt geholfen? welche Kranken hat es geheilt? und in welchem Geiste hast du es fortgesetzt? Gehe mit dir ernstlich zu Gericht und da wirst fühlen, dass Alles wieder von vorn angefangen werden muss. Du, der du einen Kranken pflegen sollst, oder einen Schwachen unterstützen, oder ein Kind erziehen, das schwer zu erziehen ist, der du einen armen Verwandten erhalten sollst: - wenn du die Geschichte deiner Liebe gegen diese Alle erzählen sollst, so gäbe es noch einen neuen Aussatz zu entdecken. Ach das Erbarmen des Herrn ist ein ganz anderes. Es ist alle Morgen neu und seine Güte hat kein Ende. Eine Liebe, die nimmer aufhört, eine immer große Treue. Es ist auch die einzige Liebe, die kein Ansehen der Person kennt, die Niemand ausschließt. Der Herr ist allen gütig und erbarmt sich aller seiner Werke.
Ist dein Erbarmen von dieser Art? Hier sind zehn Unglückliche, welche deine Hilfe erflehen, fühlst du nicht Zuneigung zu dem einen und Abneigung gegen den andern? Wenn du 33 Jahre mit einem Aussätzigen leben müsstest, ihn jeden Augenblick berühren und täglich trösten, wie weit würde dein Erbarmen reichen? Aber hebe deine Augen zu den Bergen, von welchen die Hilfe gekommen ist; von jener Höhe ist die wahre Liebe herniedergestiegen. Ist es nur ein Aussätziger, den Christus angerührt hat und für welchen sein Herz bewegt wurde? Hat er nicht seine Hände gegen ein ganzes Volk ausgebreitet, gegen die, die Er in ihrem Blute liegen sah, und die keiner heilen konnte? Und wenn Er diese Aussätzigen berührte, geschah es nur mit der Hand? „Ist er nicht selbst eingetreten in diesen sterblichen Leib, und ist erschienen als sündiger Mensch, für die Sünde.“ (Röm. 8,3.) Ach! diese ausgebreiteten Hände, diese Berührung mit dem Aussätzigen, das ist der ewige Ratschluss Gottes und unsere Erwählung in Jesu Christo vor der Schöpfung der Welt.
Du siehst was Gott uns aus Gnaden gewährt hat in Seinem lieben Sohne, „an welchem wir haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum Seiner Gnade, welche uns reichlich widerfahren ist, auf dass alle Dinge zusammen unter ein Haupt verfasst würden in Christo, beides, das im Himmel und auf Erden ist.“ (Ephes. 1,7.) - Und gleich wie Christus in unser Fleisch eingetreten ist, so geht Er auch ein in unser fleischliches Wesen. Der von ihm berührte und geheilte Aussätzige ist ein Sünder, den die Gnade berührt hat, und der erneuert ist in seinem Geiste und in seiner innersten Natur.
Eine entscheidende Begegnung mit Jesus Christus ist zugleich der Todesstoß für den alten Menschen. Ein anderes Leben ist in den Menschen hernieder gekommen und hat seinen fleischlichen Willen umgewandelt, indem es ihn bekehrt hat zu Gott. Der Aussätzige will gereinigt sein, und wer's ernstlich will, der kann es auch. Das Werk der Gnade entscheidet sich so bald der Wille sich entscheidet und nicht mehr an die Sünde gekettet ist.
Der Glaube ist es, der dieses Wunder bewirkt. Der Glaube an Jesus ist auch ein neuer Wille im Menschen, und der, der das Wollen gibt, gibt auch das Vollbringen. Die Sünde wird nicht mehr Macht über dich haben, denn du lässt sie nicht herrschen in deinem sterblichen Leibe, um ihr zu gehorchen in ihren Lüsten. „Also auch ihr haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebt Gott in Christo Jesu unserem Herrn.“ (Röm. 6,7.)
Wenn dich die Sünde beunruhigt, so wisse, dass dein alter Mensch geheftet ist an das Kreuz von Golgatha. Hier an diesem Kreuze ist der sündige Leib getötet worden, damit wir hinfort nicht mehr der Sünde dienen sollten. Zage nicht (Röm. 7,24): „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes.“ Dankt Gott, durch Jesum Christum unsern Herrn. Der Aussätzige ist gereinigt, aber Christus spricht zu ihm: „Siehe zu, sag es Niemand, sondern gehe hin, und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Moses befohlen hat zu einem Zeugnis für Viele.“ (Matth. 8,4.) „Sage es Niemand“, wozu dieses Verbot? Es kommt anderwärts wieder vor. Der Herr hat einen Grund für sich und einen für den Aussätzigen. Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerem Glanz: sondern wie der Tau, der schweigend kommt, man erwartet es nicht von den Menschenkindern. Die Welt lässt ihre Posaune ertönen, sie braucht Maueranschläge, Bekanntmachungen und Anpreisungen, Christus schreit nicht und tut seinen Mund nicht auf und lässt sein Geschrei nicht hören auf den Gassen. Er will nicht, dass die Menschen herbei laufen; dass man ihn auf den Schultern trage, dass man ihn vielleicht dränge, sich zum Könige zu machen, nicht durch Heeresmacht, nicht durch Gewalt, sondern es ist durch Seinen Geist, dass diese Dinge geschehen werden.
Nun der andere Grund, der den Aussätzigen angeht: „Siehe zu, sage es Niemand“ das ist ein Rat, den er allen Neubekehrten gibt.
Die Bekehrung ist ein Akt des innern Lebens; der verborgene Mensch ist es, bei dem sie wächst, aber davon reden fördert sie nicht. Nichts macht uns so arm als das viele Reden von unserer Bekehrung. Dem frommen Gemüt die Schamhaftigkeit bewahren, heißt ihm seine Stärke bewahren; zum Sprechen wird die Gelegenheit kommen: „in Geduld wachst in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn Jesu Christi.“ (1. Petr. 3,18.) Das Reich Gottes steht nicht in Werken, sondern in Kraft. (1. Kor. 4,20.)
Der geheilte Aussätzige sollte sich dem Priester zeigen. Nach dem levitischen Gesetz bildet der Rat der Priester auch eine ärztliche Behörde. 3. Mos. 13,3: „Darum soll ihn der Priester besehen und für unrein urteilen;“ desgleichen aber „wenn er dann findet, dass das Mal verschwunden ist, so soll er ihn rein urteilen.“ Also lautete das Gesetz, und in letzterem Falle hatte der Gereinigte nur ein Opfer zu bringen, um wieder einzutreten in die Gemeinschaft seines Volkes. Hierin liegt ein geistlicher Sinn, den wir leicht herausfühlen. Das Gesetz stellt nur die Sünde fest, aber es heilt sie nicht. St. Paulus spricht: „die Sünde erkannte ich nicht, ohne durchs Gesetz. Denn ich wusste nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht hätte gesagt: du sollst nicht gelüsten.“ (Röm. 7,7.) Aber eine Seele, die nicht mehr unter dem Gesetz, sondern längst unter der Gnade ist, kann sich wieder unter das Gesetz stellen, „denn es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind.“ (Röm. 8,1.) Nicht das Gesetz ist abgeschafft, sondern nur das gesetzliche Wesen ist abgeschafft. An die Stelle der Furcht tritt die Liebe. Man tut das Gute nicht mehr aus Zwang, sondern aus freien Stücken. Das Gesetz, das da verdammte, ist zu einem Gesetz geworden, das da erquickt die Seele. (Ps. 19,8.) „Es ist köstlicher denn Gold und viel feines Geld; es ist süßer denn Honig und Honigseim.“ (Ps. 19,11.) Der geheilte Aussätzige wird sein Opfer mit Freuden darbringen und dieses Opfer, sagt unser Text, wird zum Zeugnis dienen. O du, der du schon Gnade erhalten hast, welches Opfer wirst du bringen? und welches war dein Zeugnis, als dir Barmherzigkeit widerfuhr?
Das vornehmste Opfer ist, dass du dich selbst hingibst, und dieses Opfer ist nicht schwer, nachdem wir erkauft worden sind von der Eitelkeit dieses Lebens. Das Erbarmen des Herrn vermag dem Abraham selbst aus Steinen Kinder zu erwecken (Matth. 3,9) und in demselben „überwinden wir weit, um deswillen, der uns geliebt hat“. (Röm. 8,37.) Das Zeugnis aber, das du ablegen sollst vor der Welt, lautet also: „Liebt den, der euch zuerst geliebt hat;“ aber so lieben kann ihn nur ein armer begnadigter Sünder.
Es gibt in der Welt viele anständige Leute, und in der Kirche viele fromme Menschen, aber was der Kirche und der Welt fehlt, das sind die armen Sünder, die sich als Solche anerkennen. Das Wort ist viel gebraucht, und die Sache doch so selten. Bist du ein Aussätziger? Dann wirst du den erkennen, der uns geliebt hat, und gewaschen von unseren Sünden, mit seinem Blut. Und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater. (Offenb. Joh. 1,5.) Die gereinigten Aussätzigen sind es, die die Welt überwinden, und deren Zeugnis unwiderstehlich ist. Ein griechischer Weiser, Plato, sagt: Der schönste Anblick für Jeden, der es sehen kann, ist eine schöne Seele in einem schönen Körper. Aber es gibt noch etwas Schöneres, das ist das schöne Werk Gottes in einer verlorenen Seele.
Was ist der Engel liebster Anblick und was ihre vornehmste Freude? Es ist eine Seele, die sich erhebt aus ihrem Elend. Der verlorene Sohn in seinen Lumpen und mit seinem gebrochenen Herzen ist schöner, als alle jene neun und neunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Ach wenn man selbst gelitten und die Hand des großen Arztes gefühlt hat, dann kann man auch lieben und Zeugnis geben von dieser Liebe; und wenn du keine Worte mehr dazu hast, so hast du noch Tränen und kannst ausrufen: „Kehrt euch zu ihm, aller Welt Enden, und werdet selig.“ (Jes. 45,22.) Das wird ihnen zum Zeugnis sein, und die Augen derer, die noch draußen sind, werden sich auftun; sie werden mit uns gehen, denn sie werden sehen, dass sie bei uns finden auch das ewige Leben, Amen!