Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Harada).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Harada).

Fünf und dreißigste Predigt.

Zwanzigste Lagerstätte: Harada.

4. Buch Mosis 33,24.

Die zwanzigste Lagerstätte heißt Harada, und liegt unter allen Lagerstätten Ägypten wieder am nächsten. Ihr Name hat eine böse Bedeutung, denn er heißt Schrecken. Sonderbar! Die vorige Lagerstätte hieß schöner, lieblicher Berg, und die darauf folgende Harada: Schrecken? Machts sich denn auch wirklich so im Reiche Gottes? Gibt’s noch ähnliche Führungen? –

Sie sind nahe bei Ägypten. David aber sagt: mein Leben ist nahe bei der Hölle! Welch ein Ausdruck! Aber überfiel nicht auch den Erzvater Abraham großer Schrecken? Sagt nicht Heman: ich leide deine Schrecken, dass ich schier verzage; und David: Angst der Hölle hat mich getroffen: und Hiob: die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet. Fürchterliche Ausdrücke! Hanna sagt: Er führt in die Hölle. – So richtet sich der Kompass in dem Schifflein der Auserwählten, wohl einmal ja so sehr der Hölle zu, wie er bei manchen Verworfenen auf den Himmel weist. Harada ist der äußerste Punkt rückwärts. Da siehts am elendesten und verlassensten um das auserwählte, um das heilige und geliebte Volk, um das Volk des Eigentums aus. Es gleicht Christo in seiner allertiefsten Erniedrigung voller Schmerz, ohne Gestalt und Schöne. – Sollen wir denn auch nicht dies Jammerbild, sollen wir denn nicht auch die Kehelatha, die Kirche, die Sapher, die Schöne beschauen, wie sie von dem Gebirge der Lieblichkeit herabzieht, ihrer Schönheit beraubt, und sich zu Harada am Schreckensort lagern, und daselbst eine – mit der Ewigkeit verglichen – kleine Zeit, für sie selbst aber viel zu lange – lagern und aushalten muss. Angenehm ist dieser Anblick freilich nicht.

Eine Erklärung dieser Lagerstätte finden wir in den Worten Christi, Jes. 50,10, wo er sagt: Wer ist unter euch, der den Herrn fürchtet, der der Stimme seines Knechts gehorcht, welcher im Finsteren wandelt, und scheint ihm nicht, der hoffe auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott. –

In diesen Worten wird uns ein wahrer Christ in seinem elendesten Zustande vorgeführt. Seht da einen wahren Gläubigen, die Strahlen der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi, haben sein Gemüt, gleich einer Sonne, beschienen, Gott hat einen hellen Schein in sein Herz gegeben. Seine Freude hierüber war so groß, dass sein Herz sich für ewig von allem Eitlen schied, und sich entschloss, künftig alles dran zu setzen und zu wagen, um alle seine Glückseligkeit allein in dem Licht des göttlichen Antlitzes zu suchen, welches vorsätzlich zu beleidigen, ihm so fürchterlich ist, als die Hölle selbst, weshalb er allen Ernstes sucht, die Stimme des Knechts des Herrn zu gehorchen. Urteilt selber, was einem solchen, außer der ewigen Verdammnis, härteres überkommen kann, als wenn der Ritz, die Spalte, wodurch zuerst das Licht in ihm hinein schien, ganz geschlossen, das erquickliche Leuchten des göttlichen Antlitzes ihm entzogen und ihm das Innewerden der, ihm schon wirklich gewordenen Gnadengaben vorenthalten wird, und alles sich mit einer finsteren Wolke überzieht, so, dass es ihm nicht scheint, weder das Licht der Sonne, noch der Sterne, noch sonst eine Leuchte, und er also im Finsteren wandelt; setzt hinzu, dass seine Seele belagert wird von der erschrecklichen Macht der Finsternis, und überfallen von den Schrecknissen des Allmächtigen, dass er, im Finsteren wandelnd, mit dem beklemmenden Argwohn gequält wird: Gott sei sein Bundesgott nicht, Jesus sei sein Mittler nicht, und werde es auch wohl in Ewigkeit nicht werden; alles, was er bisher gehabt, erkannt, genossen, geglaubt und gehofft, sei wohl nichts, als leere Täuschung, sein vermeintlicher Gnadenstand ein erschrecklicher Selbstbetrug, sein Gebet Sünde, und sein endliches Teil im Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; er sei verstoßen vom Angesichte Gottes – und urteilt selbst, was Harada für eine erschreckliche Lagerstätte sei, wo zwar nicht Alle, aber doch einige, zwar nicht in gleichem Maße, oder gleich lange, doch in etwa gelagert werden, und das, nachdem sie auf dem Gebirge Sapher gewesen, und von dessen Höhen Kanaan gesehen. Wollte man fragen: Können denn wahre Kinder Gottes in einen solchen eben angedeuteten Zustand geraten, der sich nur für Verworfene zu reimen scheint? so ist die bejahende Antwort keinem Zweifel unterworfen. Habt ihr doch Äußerungen der Heiligen, habt ihr doch die Worte Christi aus dem Jesajas vernommen. Ruft nicht der Bräutigam im Hohenlied, wo es doch von den lieblichen Dingen handelt, im 4. Kap. V. 8., seine Braut von der Höhe Senir, d.i. kaltes Schneegebirge, und Hermon, d.i. Verbannung, von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden? Fordert er nicht im 16. Vers den Nordwind, der nach Spr. 25,23. Ungewitter bringt, auf, durch seinen Garten zu wehen? – Ps. 101, V. 20. sagt David: Du machst Finsternis, dass es Nacht werde; da regen sich alle wilde Tiere. Das findet auch seine Anwendung aufs Geistliche. In dem Stande, wovon wir reden, verlassen auch die wilden Tiere die Höhlen und Klüfte, worin sie verborgen lagen und schliefen, so lange es Tag war, und verbreiten durch ihr Gebrülle und Heulen Grauen und Entsetzen, und zerreißen, was sie erhaschen können. Wehe dann den armen wehrlosen Schafen, wenn der Hirte sie nicht schützt, oder gar wehe dem Hirten selbst. – Das Bild wird den Seelen, die zu Harada gewesen, verständlich sein. Da sind allerlei erschreckliche ungeheure lästerliche Gedanken, Vorstellungen, Bilder; Hass, Zorn, Lüste, Zweifel, Bosheiten, kein Glaube, keine Liebe, keine Beugung, kein Verlangen – lauter Tod. Hiob sagt: der ich doch wie ein faul Aas vergehe, und wie ein Kleid, das die Motten fressen. Das ist’s, was in den Worten liegt: Wer im Finsteren wandelt.

Was gibt’s denn nun, das einem Menschen in solchem desolaten und trostlosen Zustande einigen Halt und Stütze gäbe. Nur ein einiges Mittel. Und was für eins? Christus nennt es in den angeführten Worten: er hoffe auf den Namen des Herrn, und verlasse sich auf seinen Gott. Beides, der Name Gottes, wie Er ihn selbst Exod. 34. aussprach, als barmherzig, gnädig und geduldig, von großer Gnade und Treue, und der Name Christi, welcher Jer. 23. Herr, unsere Gerechtigkeit genannt wird, bildet einen Stecken und Stab, den der im Finsteren wandelnde Gottesfürchtige mit der nackten Hand des Glaubens fassen mag und soll, um sich sicherlich darauf zu stemmen und zu verlassen. Dies ist die einzige aber auch genugsame Stütze in diesem Lager zu Harada, bis er endlich Gottes Angesicht schaut in Gerechtigkeit, und der Herr ihm solches nicht mehr verbirgt. –

Was bedeutet denn wohl der Name der, auf diese folgenden Lagerstätte? Das werden wir zu seiner Zeit hören. Lasst uns, uns jetzt noch etwas zu Harada umsehen. Die Worte Christi beim Jesaja, die uns den Aufenthalt daselbst erläutern, bezeugen überhaupt, dass einer, der den Herrn von Herzen fürchtet, und der Stimme seines Knechts gehorcht, in einem Zustande sein, und etliche Stunden, Tage oder Jahre bleiben kann, wo er im Finsteren wandelt, und es ihm nicht scheint, und dass etliche wirklich in einen solchen Stand kommen, doch endlich glücklich daraus erlöst werden.

Im Finsteren wandeln, heißt hier nicht, was es sonst wohl bezeichnet, gottlos sein, und mit Willen in der Sünde leben. Wie möchten solche zum Vertrauen auf den Herrn ermuntert werden! Es heißt ausdrücklich: wer ist, der den Herrn fürchtet. Und unmöglich kann durch das Wandeln im Finsteren ein durchaus entgegengesetzter Sinn bezeichnet werden. Eben so wenig bezeichnet es Unwissenheit in göttlichen und geistlichen Dingen, sondern die Finsternis bezeichnet hier Trostlosigkeit, wie Licht: Friede und Freude, Heiligkeit und Leben. Und obschon hier äußerliches Unglück nicht ausgeschlossen wird, so ist doch vornämlich innere Trostlosigkeit der Seele gemeint, welche entsteht aus dem Mangel der Empfindung der göttlichen Gnade, der Erkenntnis, dass Gott mein Gott, und meine Sünde vergeben sei. Dies meint Heman, wenn er Ps. 88,7. sagt: Du legst mich in Finsternis und in die Tiefe – Klagen, welche für irdische Not viel zu hoch sind. Auch der Zusammenhang unserer aus dem Jesajas angeführten Stelle mit dem Vorhergehenden lehrt dies. Im Vorhergehenden hatte er nämlich von der Rechtfertigung gesprochen, wodurch Gott die Sünde vergibt, und zu Kindern annimmt. Der Prophet, oder lieber Christus, im Namen seiner Auserwählten, spricht seine volle Versicherung darüber aus, wenn er sagt: siehe, der Herr Herr hilft mir. Wer will mich verdammen? Wer will mit mir hadern? Wohlan, lasst uns zusammentreten, wer ist, der Recht zu mir hat, der komme her. Worte, mit welchen auch Paulus Röm. 8. die triumphierende Versicherung der Gläubigen von ihrer Gerechtigkeit, um des Todes und der Auferstehung Christi willen ausspricht. Doch, weil gar leicht einige arme Seelen sein konnten, welche zwar den Herrn aufrichtig fürchteten, aber dieser seligen Versicherung ermangelten, und wenn sie eine solche triumphierende Glaubenssprache hörten, noch bestürzter wurden, weil sie ihnen wenigstens für die Zeit unmöglich war: so fügt er zart und mitleidend die bekannten Worte hinzu: wer ist unter euch usw. Er handelt ganz dem gemäß, was er im 4. Vers sagt: Der Herr hat mir eine gelehrte Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden ein Wort zur rechten Zeit zu reden. Hier sind Müde, müde von dem langen Wandeln im Finsteren. Er spricht ihnen anmutigend zu, und weist ihnen zugleich das Mittel an, aus diesem erschrecklichen, wenigstens mühseligen Zustande, glücklich heraus zu gelangen, wenigstens darin nicht zu erliegen. Als wollte er sagen: ihr fürchtet den Herrn, ihr hört nach der Stimme seines Knechts, ihr habt also das Recht, diese triumphierende Sprache auch zu führen, wiewohl ihr’s für jetzt nicht könnt, und keine Empfindung davon habt. –

Was ist das denn für ein Zustand, worin sich diejenigen Gottesfürchtigen befinden, die im Finsteren wandeln, weil es ihnen nicht scheint, oder weil sie kein Licht haben? Durch Licht wird alles offenbar dem Sinne des Gesichts. Licht, Schauen und Glauben, wird in der Heiligen Schrift unterschieden, und der Glaube beschrieben als ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht. Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Selig sind die nicht sehen und doch glauben. Er hat kein Licht, von Gläubigen gesagt, heißt nicht: er kennt sich selbst und sein Elend nicht, denn eben über diesen Teil seiner inneren Welt ist das erleuchtende Licht sehr helle aufgegangen; sondern es heißt: er ermangelt gegenwärtig aller fühlbaren Zeugnisse, dass Gott ihn lieb hat, und ihm um Christi willen, gnädig ist.

Gott unterstützt häufig und gewöhnlich den Glauben durch ein dreifaches Licht. Erstlich, durch das unmittelbare Licht seines Angesichts. Lass leuchten dein Angesicht, so genesen wir. Herr, sie werden im Licht deines Angesichts wandeln. Dies ist die Versieglung des Geistes, wodurch die Seele kräftig versichert wird, dass sie im Stande der Gnade sei, und ewig drin bleiben werde. Wird dies süße Licht ihr entzogen, so wandelt sie im Finsteren, weil der Herr sein Angesicht verbirgt. Kein Wunder, wenn sie erschrickt. So sagte Jonas 2,5: ich dachte: ich wäre von deinen Augen verstoßen, und so hatte David schon vor ihm geklagt, aber auch gefleht: verstoß mich nicht von deinem Angesicht. Er konnte gleichsam keinen freundlichen Blick bekommen. So handelte Er oft, und manchmal lange, mit dem gottseligen Könige, dass er auch fragte: wie lange, Herr, willst du mein vergessen, wie lange willst du dich so gar verbergen? Psalm 89,47. Und schrie nicht unser Herr selbst am Kreuz: warum hast du mich verlassen? Aber kann eine solche Handlungsweise mit der Liebe Gottes bestehen? Gewiss. Nennt er sich doch in unserem Spruch seinen, dessen Gott, der kein Licht hat. – In einem kleinen Zorn, heißt es Kap. 54., habe ich dich einen Augenblick verlassen, aber mit ewiger Gnade will ich dich sammeln. Gott handelt wie ein Vater, der seinen Sohn wohl derbe züchtigen, und ihm verbieten kann, ihm vor die Augen zu kommen, ohne doch einen Augenblick aufzuhören, Vater zu sein, und wenn andere mit zugreifen, und den Sohn misshandeln wollen: so würde er bald wieder seines Sohnes Partei wider jene unberufene Zuchtmeister ergreifen. Tut meinem Sohn kein Leid, befahl David über seinem Sohn Absalom, obschon er denselben wegen seines Aufruhrs mit einem Kriegsheer verfolgte. Und wenn der himmlische Vater seinen Kindern auch seine süßen Tröstungen vorenthält, so dauern doch seine heiligenden, bewahrenden und stärkenden Einflüsse fort, wodurch sie sich zu einer Gottseligkeit angespornt finden, die umso reiner ist, je weniger sie von einigem Trost begleitet wird, wie Christus seinen höchsten Gehorsam zu einer Zeit vollbrachte, da Er von Gott verlassen war. Die Zeichen der Wiedergeburt treten oft, ohne dass die Seele selbst es sieht, in geistlicher Dürre am klarsten hervor, wie die Sterne in dunkelster Nacht am hellsten leuchten. Wenn Hiob, nachdem er alles verloren, erklärte: von meiner Frömmigkeit will ich nicht lassen, und Assaph mitten in der Not sagt: dennoch bleibe ich stets an dir; so beweist dies die Echtheit und Kraft ihrer Gottseligkeit, weit mehr, als wenn sie in guten Tagen noch weit herrlichere Äußerungen getan, wovon der Satan sagte: meinst du, das Hiob Gott umsonst dient? Du hast ihn ringsum bewahrt, und alle seine Werke gesegnet, recke deine Hand aus, und taste an, was er hat, was gilt’s, ob er dich nicht ins Angesicht lästert. Eine Seele, die in Verlassenheit dennoch ihrem Gott fest anhängt, den sie nicht schmeckt noch sieht, ist etwas ausnehmendes, weit mehr als eine Seele, die das in großem innerlichem Freudengenuss übt. In der Nacht wachsen die Pflanzen am meisten.

Gott unterstützt den Glauben zweitens durch die Gewahrwerdung seiner Gnadengaben in der Seele. Sie fühlt’s, dass sie aufrichtig die Sünde hasst und das Gute liebt, dass sie Lust hat am Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, dass sie den Herrn Jesum lieb hat und alle seine Angehörigen, sie bemerkt mehr Früchte des Geistes in sich, und macht daraus den Schluss, dass sie eine Erbin des Himmels sei. Hat sie denn die Sonne nicht, so hat sie doch den Regenbogen, genießt sie Gott nicht durch eine unmittelbare Mitteilung: so zeigen sich doch seine Gnadengaben, als Beweise seiner Huld. – Auch dies unterstützende Licht, welches diese Gnadengaben zeigt, kann einer Seele mangeln, welche den Herrn fürchtet, und der Stimme seines Knechts gehorcht, so dass sie nur mit ihrem Blick auf das Herz hinstarrt, als ledig von allem Guten. So klagt die Kirche Jes. 63: warum verstockst du uns, dass wir dich nicht fürchten? Sie fürchteten, es sei keine Gottesfurcht in ihrem Herzen, weil sie sie nicht sahen, weil es ihnen nicht schien. Ja, kann sich nicht das Gegenteil zeigen, wie David Ps. 65 sagt: unsere Missetat drückt uns hart, oder hat uns überwältigt! –

Gewöhnlicher Weise unterstützt der Herr den Glauben durch das Licht seines Worts der Verheißung. Genießt der Gläubige auch grade nichts besonders Tröstliches und Erquickendes, so kann er dagegen eine solche Zuversicht erzeugende Einsicht in die göttlichen Verheißungen haben, die in Christo Jesu Ja und Amen sind, dass er jene Empfindung gegen dieses gutwillig entbehrt, da dies weit dauerhafter ist. Dies Licht kann ihm so nahe liegen, dass er auch anderen rät, es so zu machen, wie er, und auf das bloße Wort zu trauen. Der Weg ist ganz richtig. Was der Herr zusagt, hält er gewiss. Man kann sich fest darauf verlassen, mag sich auch ereignen, was da will. Haben wir ein Wort Gottes für uns, so gehe es, wie es will. Was Er verheißen hat, das kann, das will, das wird, das muss Er halten. Aber was fängt man mit den Verheißungen an, wenn man im Dunklen wandelt, und es einem nicht scheint? In der Nacht sieht man wohl die höchsten Bäume und Türme nicht. Wenn Abraham nach empfangener Verheißung doch vor der Geburt eines Sohnes besorgt, ums Leben gebracht zu werden, so leuchtete ihm die Verheißung nicht so ein, dass er gehörig damit wirksam sein konnte. Können sie nicht auch einen gesetzlichen Charakter annehmen, und sich auf solche Bedingungen stützen, die allen Trost rauben, der sonst drin liegt? Überhaupt muss man den Geist aus Gott empfangen, um wissen zu können, was uns von ihm gegeben ist. 1. Kor. 3.

Wir finden in unseren Worten nicht nur den Fall gesetzt, dass es einem Gottfürchtenden und der Stimme seines Knechts gehorchenden, nicht scheine, sondern dass er auch im Finsteren wandle. Dieser Ausdruck bezeichnet vornämlich dreierlei. Im Finsteren wandeln heißt, wie Christus Joh. 12. sagt, nicht wissen, wo man hingeht. Eine gottselige Seele kann mit Bekümmernissen angefallen werden, ob Gott ihr gnädig sein will, oder nicht, ob ihr Weg nach dem Himmel führt oder nicht. Herzverwundender Kummer! Aber kann das einem Kinde Gottes begegnen? Wie sollte es nicht? Fragt nicht Assaph im 77. Psalm sehr zweifelhaft: wird denn der Herr keine Gnade mehr erweisen? Hat er das Tor seiner Barmherzigkeit verschlossen? Dies kränkt mich, setzt er hinzu. Heman befand sich nach dem 88. Ps., obschon ein begnadigter Mann, in dem jammervollsten Seelenzustande, voll Angst und Not, und dabei kam es ihm zweifelhaft vor, ob ihn der Herr daraus erretten werde, wenn er fragt: wirst du unter den Toten Wunder tun, oder werden die Verstorbenen aufstehen? Mögen deine Wunder in der Finsternis erkannt werden? Jeremias sagt in seinem Klagelied schrecklicherweise: meine Hoffnung am Herrn ist samt meinem Vergnügen vergangen. –

Wer im Finsteren wandelt, stößt sich überall. Wir sind im Düsteren und stoßen uns, heißt es Jes. 59. Er stößt sich auf eine schmerzhafte Weise, und wird häufig durch alles kleinmütig, was er hört, und was ihm begegnet. Ach! denkt er wohl, dass eine solche Herrlichkeit vorhanden ist, aber schwerlich für dich. Hier stößt er sich an einer einzelnen schwierigen Schriftstelle, da bleibt er an allerlei Zweifeln und Einwendungen kleben, wie die Vögel an den Leimstangen, dort stößt er sich an Schickungen der göttlichen Vorsehung, und missdeutet wohl den tröstlichsten Teil des göttlichen Worts zu seinem Nachteil, denn seine Seele will sich nicht trösten lassen. Psalm 77,3.

Im Finsteren zu wandeln, bringt leicht Schrecken zu Wege, und gibt der Einbildungskraft Gelegenheit, sich allerlei Schreckbilder zu schaffen, wo auch nichts Wirkliches ist, und das Wirkliche zu vergrößeren. Großer Schrecken und Finsternis wird 1. Mos. 15. als etwas genannt, das Abraham zugleich überfiel. Heman klagt in seiner Finsternis, er leide die Schrecken Gottes, das er schier verzage.

In solch einen trübseligen Zustand können wahre Kinder Gottes geraten, und darin eine Zeitlang, und sogar eine lange Zeit verharren, so dass ihr Leben nahe bei der Hölle, ja in derselben ist, wie Davids Ausdrücke davon lauten. Es ist aber der Mühe wert, ferner zu untersuchen, aus welchen Ursachen solch ein betrübter Zustand entspringt. Dieser Ursachen sind vornämlich drei: der Geist Gottes, des Menschen Herz und körperliche Beschaffenheit, und der Fürst der Finsternis. Freilich aus sehr ungleicher Absicht.

Was den Geist Gottes als einen Urheber der Finsternis seiner Kinder anbetrifft, so sagt der Apostel Röm. 8,15. allerdings: ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern den kindlichen Geist, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater. Dieser Spruch beweist aber nicht, dass jemand von der Zeit an, nie wieder von einer knechtischen Furcht vor Gott, als einem erzürnten Richter angefallen werden könne, da er den kindlichen Geist empfangen hat, und dass ihm dies bloß einmal, nämlich zur Zeit seiner Bekehrung begegnen könne. Wenn dieser Geist mit unserem Geist zeugt, so wissen wir alsdann gewiss, dass wir Gottes Kinder sind. Aber Er kann dies Zeugnis aus weisen Absichten eine Weile einstellen, oder ihm die durchbrechende, überwindende Kraft vorenthalten. Obschon David seinen Sohn Absalom sehr lieb hatte, verbot er ihm doch, ihm unter die Augen zu kommen. Ein Vater kann seinen Sohn wohl vor die Tür setzen, oder ihn gar nachdrücklich züchtigen, ohne doch aufzuhören, ihn zu lieben. Gott kann Jemand sein Begnadigungs-Patent wohl wieder abhängig machen, und es, wie dort das Tuch, das Petro gezeigt wurde, in den Himmel zurückziehen, um es daselbst aufzubewahren, ohne dass es mehr in den Gefächern des Gewissens empfunden wird, wenn es gleich in seiner vollen Gültigkeit bleibt. Was wird der Verkläger der Brüder, der sie sogar des Tags verklagt, nicht des Nachts wagen, und die Seele mit falschen Zeugnissen ängsten, indem unser eigenes Herz uns mit verdammt, zumal, wenn der Heilige Geist dabei schweigt, oder so leise zeugt, dass es in diesem Tumult nicht vernommen wird.

Ja, das nicht nur, sondern er kann auch der Seele, Gott, als mit seinem Kinde zürnend, vorstellen, indem er nicht nur seine Liebe verbirgt, sondern auch seinen Unwillen fühlen lässt, nicht bloß durch äußerliches Kreuz, sondern auch innerlich. Jes. 57. heißt es nicht bloß: ich war zornig und verbarg mich, sondern auch, ich zürnte und schlug sie, obschon gleich vorher gesagt wird: ich will nicht immerdar hadern, und nicht ewiglich zürnen. Der Heilige Geist kann Gottes Kindern einen unmittelbaren Eindruck und eine Empfindung seiner Heiligkeit und seines majestätischen Unwillens geben, und es wie glühende Tropfen auf ihr Gewissen fallen lassen. Die Pfeile des Allmächtigen können, wie Hiob redet, also in einem Begnadigten stecken, dass derselben Grimm ihren Geist auskauft, dass die Schrecknisse Gottes auf sie gerichtet sind. Irdische Väter züchtigen ihre Kinder, indem sie deren Leiber hauen, der Vater der Geister aber geißelt den inwendigen Menschen. Und das gibt Schmerz. Sein Wort ist lebendig und kräftig, und durchdringet, bis das es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Doch indem er also stäupet mit unbarmherziger Staupe, zeiget er dabei keineswegs, dass dies ein ewiger Zorn sei, sondern bloß eine zeitliche Ungnade, ein Verbergen des Angesichts in einem Augenblick des Zorns, wogegen er sich mit ewiger Gnade erbarmen will. Jes. 54,8. Es ist eine väterliche Unminne, nicht ein richterlicher Zorn, es ist aufs Bessern, nicht aufs Verderben abgesehen, wiewohl die Seele, obschon noch die Hoffnung leise glimmt, dies unter solchen bestürztmachenden Umständen nicht wohl zu unterscheiden vermag, und das ungläubige Herz die desparatesten1) Schlüsse daraus folgert, zweifelhaft fragt: will Gott fortan keine Gnade mehr erweisen? –

Jedoch kann der Heilige Geist fortfahren, die Seele sogar mit dem ewigen Zorn zu bedrohen, besonders wenn sie den Herrn mit Sünden und einen leichtsinnigen Wandel beleidigt, und noch wohl gar trotzig und unhandelbar dabei geworden ist, und sich nicht sagen lässt. Damit sie nicht auf diesem Wege fortgehe, sucht der Hirte sie mit dem Stab Wehe heim, und insinuiert ihr Drohungen, wie die sind: so ihr nach dem Fleisch lebt, werdet ihr sterben müssen, so ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben. So wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir forthin kein anderes Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Dahin gehören auch die warnenden Exempel derer, welche um ihrer beharrlichen Sünden willen, von Gott verworfen wurden – das ganze jüdische Volk – Esau – in ihrem Maße sogar Miriam, Moses, Aaron – wie der Apostel die Hebräer und Korinther, obschon sie Gläubige waren, darauf verweist. Wenn aber die Seele in ihrer Angst denkt: also wird dir’s auch gehen, so ist das nicht gründlich geurteilt, und folgt noch nicht daraus.

Seht! so sieht’s in Harada aus, und seht daselbst Israel gelagert in der Nähe von Mizraim, dem Landes des Beängstigers, in der Nähe, und in gerader Richtung auf das Land des verfluchten Hams, als sollte es gar hinein. Doch sehe ich keine Mühe in Jakob und keine Arbeit in Israel. Wohl dir, Israel, du hast es dennoch gut, und bist selig auch mitten in Harada, mitten in der Angst. Bald schwenkt es sich wieder. Endlich wirst du aus der Angst und dem Gericht genommen, und wer will dann deines Lebens Länge ausreden!

Hilf uns, Herr, wie wir’s uns zu dir versehen, damit wir dich loben. Amen.

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verzweifeltsten
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