Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan - Israels Trotz
Neunundvierzigste Predigt.
Text: 5. Buch Mosis 1,40-46.
Es ist merkwürdig, wenn der Apostel 2. Tim. 2,5. sagt: ob auch jemand kämpft, so wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht. Demnach ist das Kämpfen selbst die Hauptsache nicht, sondern die Art und Weise desselben. Das Kämpfen erwirbt sich nur dann die Krone, wenn es recht, das ist, den Regeln des Kampfes gemäß geschieht. Eine von diesen Regeln können wir uns aus der Geschichte Gideons herausziehen, wiewohl dieselbe allem Kampfe zuwider ist von welchem die Vernunft weiß. Die Geschichte ist euch bekannt. Gideon, nach seiner eigenen Äußerung Richt. 6, der Geringste in Manasse und der Kleinste in seiner Familie, sollte in dieser seiner Kraft hingehen und Israel von der Hand Midian erlösen und da er sich wegen seines Unvermögens äußert, antwortet ihm der Herr: ich will mit dir sein, dass du sie schlägst wie einen einzelnen Mann. Gideon tut was sein Verstand ihm rät, fordert Israel zum Kampfe und bringt wirklich 32.000 Mann zusammen, aber dies war gegen die Midianiter doch so wenig hinreichend, als jene 5 Brote und 2 Fische zur Sättigung von 5.000 Menschen. Hört aber was der Herr sagt: es sind ihrer zu viel, dass ich Midian sollte in ihre Hände geben. Gideon fordert alle, die aus irgend einer Ursache nicht gern mitzögen auf, das Heer zu verlassen und es bleiben ihm 10.000. Aber der Herr sagte noch einmal, es ist zu viel, und so blieben nur 300, so dass 31.700 weggingen. Warum ordnete das der Herr also? Er sagt es selbst Vers 2, und Israel möge sich rühmen wider mich und sagen: meine Hand hat mich erlöst, da doch der Herr alle Ehre davon allein haben wollte. Kann man also um recht zu kämpfen, noch zu stark, zu verständig sein?
Die wunderlichste Art zu kämpfen ist wohl diejenige, welche Josaphat nach 2. Chron. 20. befolgte. Er ließ die Levitischen Sänger vor dem Heer herziehen, welche sangen: Dankt dem Herrn, denn seine Barmherzigkeit währt in Ewigkeit, und zogen mit Loben und Danken dem Feinde entgegen, nachdem er vorher erklärt: in uns ist nicht Kraft gegen diesen großen Haufen, der wider uns kommt; wir wissen nicht was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir. Sie bewiesen einen fröhlichen Glauben, der freilich die Überwindung ist, welche die ganze Welt besiegt, und trugen einen vollständigen Sieg davon. Sollen wir sonst noch einige Kampfregeln nennen? Wir müssen gegen alle Sünde streiten und absonderlich gegen die Busensünden, das ist solche, zu denen wir am meisten gereizt werden. Ernstlich müssen wir streiten, so dass es uns um den völligen Sieg zu tun ist; unermüdet, wenn wir diesen völligen Sieg auch sobald nicht erlangen; mit Geduld müssen wir laufen in dem Kampfe, welcher uns verordnet ist; mutig, denn alle Feinde sind unter dem Beistande des Herrn zu besiegen; im Glauben, als die im Herrn Gerechtigkeit und Stärke und schon überwunden haben durch des Lammes Blut. - Lasst uns aber jetzt das Gegenteil hiervon in dem Exempel der Kinder Israel betrachten.
Wir sind auf dem Rückwege nach dem Schilfmeer. Eine Zeitlang wandeln wir noch längs den Grenzen Kanaans, werden aber an einem ganz andern Ende hineinkommen, als an diesem. Es heißt: zurück, und wir müssen gehorchen, wie betrübt es auch ist. Ist's nicht Manchen schon auf ähnliche Weise gegangen. Dieser lag hart krank auf seinem Lager darnieder. Der Herr erquickte ihn auf seinem Siechbette. Seine Tröstungen ergötzten seine Seele. Er ruhte in dem Opfer Christi. Seine Sünde drückte ihn nicht, sie war vergeben. Das Gesetz ängstigte ihn nicht, es war erfüllt. Der Tod schreckte ihn nicht, er war überwunden. Vor Gott fürchtete er sich nicht, es war sein Vater. Das Gericht scheute er nicht, er war einmal darin gewesen und kam nicht zum zweiten mal hinein. Das sündliche Verderben plagte ihn nicht, der Geist hatte es unter dem Fuß. Die Welt ekelte ihn an und er war mehr als los davon. Die Seinigen fesselten sein Herz nicht, die Sehnsucht bei Christo zu sein war groß. Die Kräfte der zukünftigen Welt belebten ihn ganz. Er meinte, nun gehe es nach Kanaan. Aber es hieß: zurück! Die Genesung stellte sich ein, der Wanderstab, den er jetzt bei Seite zu legen dürfen glaubte, musste wieder zur Hand genommen werden, er hat noch einen weiten Weg vor, muss noch eine lange Zeit in Kades bleiben und mancherlei betrübende Erfahrungen machen, manchen Weg gehen, den er sich nicht vorgestellt hatte und wüsste oft nicht wie ihm zu Mut sein würde, wenn es jetzt zum Sterben ginge.
Ein anderer Fall. Nach lang und vielfältig abwechselnden Tröstungen und Kümmernissen, bekommt die Seele aber diesmal einen so kräftigen Trost, sie empfängt solche wichtige Aufschlüsse über die evangelische Wahrheit, über die eigentliche Beschaffenheit der Gottseligkeit, über Christum, seine Person, sein Opfer und sein Verhältnis zu uns; diese Aufschlüsse sind mit solchen tiefen und lebendigen Eindrücken begleitet und alles wird so natürlich, so ganz eins mit der Seele, der Friede Gottes bewahrt so ihr Herz und Sinne, ihr Berg ist durch das Erbarmen Gottes so befestigt, die Übung der Gottseligkeit wird in ihrem ganzen Umfange so leicht, dass das Herz nicht anders denkt, als: hier will ich nun ewig wohnen. Sie hat den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und die Propheten zeugen, und findet in Mose und dem Gesetz nichts als Jesum von Nazareth. Sie hat den gefunden, den ihre Seele liebt. Sie hat ihn und will ihn nicht lassen. Der Vogel hat sein Haus gefunden, die Schwalbe ihr Nest, und in diesem warmen, weichen und bequemen Nest will sie mit Hiob sterben. Aber auch hier heißt es wohl: zurück nach dem roten Meer! zurück in die noch tiefere Erkenntnis, wie groß deine Sünde, dein Elend, deine Armut, deine Ohnmacht sei. Die Trauben, die Granatäpfel, die Feigen weg, wieder mit dem Manna vorlieb genommen, wovon jeder gleichviel bekommt; aus Römer 6. in 7.; von Mara (bitter), gehts nach dem herrlichen Elim, und von da wohl nach Daphka (klopfen) und Allus (kneten).
Nichts als Finsternis und Schmerzen,
Bleibt im Herzen,
Wenn dein Gnadenglanz gebricht.
Da müssen die Meisten wohl einmal wieder an der großen A anheben, diejenigen, welche geläufig lesen konnten, wieder an dem Namen Jesu und den Verheißungen kümmerlich buchstabieren, ohne es recht zusammenbringen zu können; die Prediger fangen an sehr andächtig zu hören, die Väter mengen sich gern unter die jungen Kindlein in Christo, um von ihnen zu lernen, und die Wegweiser erkundigen sich nun selber. Den prächtigen Pfauen entfallen die Federn und sie verkriechen sich in eine Ecke, der himmelanstrebende Adler sitzt trauernd da, und der Herbst raubt den gesangreichsten Kehlen ihre melodischen Töne, dass sie krächzen wie andere Vögel auch. Zurück, heißt es da, zurück noch 40 Jahre. O! weh mein Herr, dazu ist's entlehnt.
Ein dritter Fall. Da gibts ernstliche Seelen, denen ein gewöhnliches Alltags-Christentum nicht genügt. Sie wollen was rechtes leisten. Das Armesünderwesen ekelt ihnen an. Das stete Klagen über sich selbst ist ihnen zuwider. Das Christentum ist eine gar erhabene Sache, und so soll's sich wenigstens an ihnen zeigen. Mögen andere es auf ihre Gefahr hin weniger genau nehmen sie, ihres Orts wollen es besser machen, wollen nichts versäumen. Löblicher Vorsatz! Sie legen auch Hand ans Werk, um ihre Heiligung zu vollenden, wobei ein redlicher Sinn zum Grunde liegt, doch auf gewisse äußerliche Dinge ein ungebührliches Gewicht gelegt, auf den innern Herzensgrund aber zu wenig geachtet wird. Da werden die pünktlichen Besuche aller Gelegenheiten zur Erbauung sehr hoch angeschlagen, so auch das auf seine Zeit festgesetzte Lesen und mündliche Beten, und andere Dinge, die sehr löblich sind, wenn man sie übt und das Schwerste im Gesetz den Glauben, die Barmherzigkeit und das Gericht nicht dahinten lässt. Da stellt man sich gewisse Welt- und Selbstverleugnungen und nimmts andern sehr übel, wenn sie nicht in ihre Fußstapfen treten. Oft gelingt's ihnen eine lange Zeit sowohl, dass sie Gefallen an sich selbst bekommen und sich dem Ziele nahe zu sein dünken, bald auch fragen zu können: was fehlt mir noch? Aber nun heißt es: zurück nach dem Schilfmeer! Nun geht's nach dem Spruch Jesaias 57: ich will dir deine Werke anzeigen, dass sie dir kein nütze sein sollen. Ich war zornig über die Untugend ihres Geizes und schlug sie, verbarg mein Angesicht und zürnte. Da gingen sie hin und her in den Wegen ihres Herzens. Da müssen sie wohl erschreckliche Anfechtungen erleiden. Der Abgrund ihres Herzens öffnet sich ihnen, dass sie nun auch ausrufen müssen: ach, ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Sie müssen zu dem roten Meer der Blutversöhnung Jesu Christi, worin alle Ägypter ersäuft sind, wovon sie aber früher nur wenig wissen mochten, müssen sich entschließen als ganz arme Sünder zu wimmern: das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes mache mich rein von allen Sünden: um Gnade betteln, um lauter Gnade und dürfen von Würdigkeit wovon sie sonst den Mund gern voll nahmen auch kein Wörtlein sprechen, und mögen es nicht nennen hören. Nun geht's denn auch nach dem Spruch: aber da ich ihre Wege ansah, heilte ich sie und gab ihnen wieder Trost. Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnt, des Name heilig ist: der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne und bei denen die zerschlagenes und demütiges Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Wer auf mich traut wird das Land erben.
Ein vierter Fall. Jemand der den Herrn fürchtet und Lust hat in seinen Wegen zu wandeln, seine Rechte zu halten und danach zu tun, wird von einem Fehl übereilt, er strauchelt, er fällt, er sündigt. Da entsteht nun große Not und ein herzdurchbohrender Jammer. Es erweist sich auch jetzt, dass er nicht von der Welt, sondern andern Sinnes ist. Er steht von Ferne und mag auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel. Gewöhnlich ist nun der nächste Weg, den solches verrenktes Glied einschlägt, der, dass mans besser machen, dass man sich selbst reinigen will, von aller Befleckung des Geistes und des Fleisches. Das Zutrauen zu dem Herrn hat große Not gelitten. Man sieht in ihm einen beleidigenden Herrn, und in sich selbst einen schlechten, untreuen Knecht, der Strafe verdient und nicht wert ist seinem Herrn unter die Augen zu treten, und sich vor ihm sehen zu lassen. Da zerarbeitet man sich in der Menge seiner Wege und wird indessen immer ärmer, dürrer, trostloser, ohne doch im Geringsten besser zu werden; ja das Gesetz, zu welchem man sich wendet, erweist sich wohl als die Kraft der Sünde, das allerlei Lust erregt, statt sie zu dämpfen, und bringt die Seele in die Erfahrung, welche im 7. Kapitel des Römerbriefes verzeichnet steht. Endlich erbarmt sich der Herr ihrer wieder. Es heißt, zurück nach dem roten Meer, wo Gott ein so großes Wunder der Erlösung stiftet, zurück zu dem versöhnenden Blutvergießen Christi, zu seinem Opfer in des Willen wir sind geheiligt, zurück zu ihm, der da gerufen hat: her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Wo soll ich hin? ich will zum Bundesgott, ich will zum Arzt der Kranke pflegt. Wie ihr angenommen habt den Herrn Jesum Christ, also wandelt in ihm.
Glaube an den Herrn Jesum, so wirst du selig. Und so klammert sich dann die Seele desto inniger an Christum, je mehr sie überzeugt und durch Schaden klug wird, dass sie ohne ihn nichts tun, und gegen ihre abgesagten Feinde keinen Augenblick bestehen kann.
Aber was für neues und unerwartetes erblicken wir nun? Wohl mag der Herr Jer. 17,9. sagen: arglistig und verzweifelt böse über alles andere oder wie Lutherus übersetzt ein trotzig und verzagtes Ding ist des Menschen Herz, wer mag's ergründen? Antwort. Ich der Herr kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen. Mit Recht spricht der Prophet gleich darauf: Herr, du bist die Hoffnung Israels, heile du mich, so werde ich heil, hilfst du mir, so ist mir geholfen, denn du bist mein Ruhm. So eben noch war das Volk ganz verzagt. Nein, heißt es, wir können das Land nicht einnehmen, dazu sind wir viel zu schwach, die Städte zu fest, die Einwohner zu groß und stark. Jeder Versuch derart wäre Torheit und Unglück. Heißt's nicht auch bei Vielen, so vom Christentum? Nein, das kann man nicht üben, das geht nicht, wie es denn auch gewissermaßen wahr ist, wie Josua sagt: ihr könnt dem Herrn nicht dienen, denn er ist ein heiliger Gott, Kap. 24,19. Froh, das Christentum so von der Hand gewiesen zu haben, mögen sie selbst nicht den geringsten Versuch machen, und eben so wenig wollen sie dem Herrn ein gut Wort drum geben, dass er sie kräftigen und stärken möge, und wollen zu ihm nicht kommen. Aber wie trotzig und vermessen das Volk nun auf einmal wird, als wäre nichts leichter als das Land einzunehmen. Hier sind wir, sprachen sie, und wollen hinauf ziehen an die Stelle, wovon der Herr gesagt hat, denn wir haben gesündigt, sagen sie, dass wir's vorhin nicht wollten. Dies wollten sie nun damit wieder gut machen, dass sie jetzt dazu entschlossen waren. Aber o! es ist so leicht nicht dem Herrn zu dienen und das Rechte zu treffen, wie leichtsinnige Menschen es wohl glauben. Wer mag man wohl fragen wer ist hierzu tüchtig? Wir sind ja nicht tüchtig etwas (tüchtiges) aus uns selbst nur zu denken. Gott aber ist es, der uns tüchtig macht, und solch Vertrauen haben wir zu ihm durch Christum 2. Kor. 3. Wir haben gesündigt, sagen sic. Aber wie sagen sie das? Wie David? worauf es zu ihm hieß: so hat auch der Herr deine Sünde weggenommen. Nein; sondern wie Saul, dem es nicht half. Sie sagten es mit einem trotzigen, ungebrochenen Herzen.
Sie wollen hinaufziehen. Aber worauf vertrauen sie denn? Woher wollen sie denn die Kraft nehmen, welche zu diesem großen. und schwierigen Werke erfordert wird. Gestern glaubten sie noch es sei unmöglich; wie kommen sie dazu es heute für schon tunlich und leicht zu halten? Sie geraten von einem Extrem ins andere, von einem Fehler in den anderen, vom Unglauben und Mutlosigkeit in Vermessenheit, vom Verzagen in Trotz. Wunderliche Verdrehtheit des menschlichen Herzens! Wer sollte es glauben, dass es der Tummelplatz so entgegengesetzter Unarten sein könnte! Fällt einem hierbei nicht Petrus ein? Erst ein vermessenes Vertrauen auf sich selbst, ausgesprochen in den Worten: und wenn sie sich alle ärgern ich nicht, und dieses gegen den Herrn Jesum durchaus behauptet, der ihm das letzte Wort lassen muss; dann Verzagtheit, durch seine unrühmliche Flucht: jetzt wieder Vermessenheit, die ihn verleitet in des Hohenpriesters Palast zu gehen, wo er nichts zu tun hat; gleich darauf wieder Verzagtheit, sobald er die Äußerung hört: und du warst auch mit dem Jesu; und Trotz, in dem hartnäckigsten Ableugnen desselben. Hört den David. Jetzt fürchtet er sich nicht, wenn 100 Millionen Mann sich rings umher wider ihn lagern; nächstens spricht er: ich werde noch eines Tags in die Hände Sauls fallen; jetzt glaubt er nimmermehr darnieder zu liegen, so fest stehe er, und dann fürchtet er nie wieder empor zu kommen und spricht: meine Hoffnung am Herrn ist vergangen, ich bin von seinem Angesicht verstoßen. - Wie häufig fehlt's an der Mäßigkeit, die man doch im Glauben darreichen soll. Das eine Mal sind sie allzu fröhlich, allzu fertig, allzu mutig und singen: ich kann alles tragen, ich darf alles wagen, und wenn des Teufels Heer mir ganz entgegen wär, in allem überwinden wir weit und haben alsdann gar kein Ohr dafür, wenn das Wort Gottes sagt: sei nicht stolz, sondern fürchte dich, freut euch mit zittern, wer meint zu stehen, sehe wohl zu, dass er nicht falle, ich will mich am liebsten meiner Schwachheit rühmen. Sie nehmen den Mund sehr voll, und eingenommen für die Sache wie sie sind, verwerfen sie alles, was von der Art gesagt wird als gesetzlich, als unevangelisch, als eigengerecht, und gehen wohl hart und schnöde dagegen an, also dass sie sich oft sehr übertrieben vernehmen lassen, dass es ordentlich gesetzlos klingt. Auch wollen sie's nicht an sich kommen lassen, dass der Herr auch wohl noch andere demütigende Wege mit ihnen einschlagen könne und dass ihr Gold noch geläutert werden müsse. Kein Wunder, wenn sie das andere Mal ganz zaghaft sind, wenn der Herr sein Angesicht zu verbergen für gut findet. Dann benehmen sie sich, als ob alles, was in ihnen vorgegangen, nichts gewesen, als ob sie nie wieder aus ihrem Gefängnis erledigt werden möchten, und schreien mit den Jüngern: wir verderben, da es doch noch weit von da ist. Besser wäre es mit David sich mit zittern zu freuen, und wenn man sich fürchtet auf den Herrn zu hoffen. Gutes und Barmherzigkeit werden den Gläubigen allerdings folgen ihr Leben lang. Aber Feder, der als Sohn aufgenommen wird, wird auch gezüchtigt und alle werden dem Herrn nicht nur dafür danken: „dass du mich wieder tröstest“, sondern auch, „dass du zornig gewesen bist, dass du mich treulich gedemütigt hast.“
Die Kinder Israel sind entschlossen zu streiten, wie uns der Herr geboten hat, setzen sie hinzu. Das weiß ich aber doch nicht, dass er ihnen das geboten hätte. Wohl aber hatte es geheißen: der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein. Wenn du in den Krieg zeuchst wider deine Feinde und siehst Rosse und Wagen des Volks, das größer ist denn du, so fürchte dich nicht vor ihnen, denn der Herr dein Gott ist mit dir. Euer Herz verzage nicht, fürchte sich nicht und erschrecke nicht, und lasst euch nicht grauen vor ihnen, denn der Herr geht mit euch. Er ist es, der die Kräfte gibt, solche mächtige Taten zu tun. Ihr Entschluss mochte an sich nicht übel sein, aber Teils fassten sie ihn zu spät. So hätten sie sich gestern und vorgestern entscheiden sollen. Nun war's keine Zeit mehr dazu. Schlimmer Umstand! Die den Herrn früh suchen, finden ihn. O! ruft Jesus aus, dass du es bedächtest, was zu dieser deiner Zeit zu deinem Frieden dient. Wirkt dieweil es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Glaubt an das Licht, dieweil ihr's habt, damit ihr des Lichtes Kinder werdet. Versäumt euer Heute nicht und nehmt euer selbst wohl wahr.
Jetzt sagten sie wohl: hier sind wir - aber sie hatten den rechten Zeitpunkt ungenutzt vorbeigehen lassen, und so war's nun vergeblich. Wenn ich denn rufe, und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus, und niemand achtet drauf, und lasst fahren allen meinen Rat und wollt meine Strafe nicht: so will ich auch lachen in eurem Unfall, und euer spotten, wenn da kommt, das ihr fürchtet. Wird ein Mensch gerührt, geweckt, geschreckt, kommt des Herrn Wort ihm nahe, wie sich denn der Herr nicht unbezeugt lässt an einem jeglichen, vernimmt er seine Stimme, die ihm zuruft: wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, schaffe auch du, dass du selig wirst, wird auch ihm sein Seelenheil wichtig gemacht, tut der Herr dies vielleicht zum zweiten oder gar zum dritten Mal, dass er seine Seele herumhole vom Verderben, und ihn erleuchte mit dem Licht der Lebendigen, wie Elihu Hiob 33. sagt: so heißt es dann insbesondere, merke auf Hiob! Es kommt vielleicht nie wieder, da versäume ja nicht in ernstlichem Gebet dich zu dem Herrn zu wenden, dass er durchgreifen möge, es möchte anders auf immer mit dir vorbei sein, und das wirst du wohl nicht dabei wagen wollen. Aber ach! wie viele treten in Jerusalems Fußstapfen, lassen den Tag des Heils unbenutzt vorbeistreichen, und kommen erst an, wenn die Türen schon verschlossen sind und auf alles Pochen nicht mehr geöffnet wird, sondern es heißt: ich kenne euch nicht, und weiß nicht, wo ihr her seid, weicht von mir ihr Übeltäter. Vor diesem schrecklichen Ausgange hüte sich ein jeglicher allen Ernstes, sonderlich diejenigen, die etwas von den Rührungen und Anklopfungen des Geistes bei sich gewahr werden, damit das Letzte nicht ärger bei ihnen werde, als das Erste.
War ihr Vorsatz: wir wollen streiten, teils zu spät, so war er auch andernteils nicht gehörig berechnet. Sie stützten sich dabei allein auf die Kraft, welche sie in sich selbst zu besitzen meinten. Wir eben wir wie wir da sind, wollen streiten, und das gegen ein Volk, das größer und stärker war als sie. Sie rüsteten sich. Aber womit? Ein jeglicher mit seinem eigenen Harnisch. Damit gedachten sie's auszurichten. Moses macht sie darauf aufmerksam, wie so übel berechnet ihr Unternehmen sei, und sagte ihnen: sie sollten nur nicht streiten, denn der Herr sei nicht mit ihnen, damit sie nicht von ihren Feinden geschlagen würden. Er mahnt sie hiermit von ihrem eitlen Vertrauen auf sich selbst ab, und stellte ihnen vor, ihr Weg sei auch nicht von der Art, dass sie auf Gott vertrauen dürften, weil sie nach eigenen Gutdünken handelten, nicht nach göttlicher Vorschrift. Ihr Gehorsam musste jetzt darin bestehen, sich den unangenehmen Weg gefallen zu lassen, den sie wegen ihrer Verkehrtheit gehen mussten, und ihrem eigenen Willen auch in gutscheinenden Dingen - abzusagen. Muss uns nicht alles daran gelegen sein: dass der Herr mit uns sei auf allen unsern Wegen und bei allen Unternehmungen! Was meinen wir, wollen wir ohne ihn ausrichten? Was wird uns ohne seinen Beistand und Segen gelingen? Und gesetzt, eine Unternehmung geht auch von Statten ohne seinen Beifall zu haben wird sie doch unser Verderben. -
Was nun den Harnisch anbetrifft, womit sie sich gerüstet glaubten, so waren sie ganz anders gesinnt als ihr nachmaliger König David, welcher Ps. 44. sagt: durch dich wollen wir unsere Feinde zerstoßen, in deinem Namen wollen wir untertreten die wider uns sind. Ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert kann mir nicht helfen, sondern du hilfst uns. Und Vers 4, sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert und ihr Arm half ihnen nicht, sondern deine Rechte, dein Arm und das Licht deines Angesichtes. Ps. 33, sagt er, einem Könige hilft nicht seine große Macht, und ein Riese wird nicht errettet durch seine große Stärke, Rosse helfen auch nicht. Siehe, des Herrn Auge sieht auf die so ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen. Gott tadelte es an dem heidnischen Sanherib Jes. 10. dass er sich rühmt: „Ich habe es durch meiner Hände Kraft ausgerichtet und durch meine Weisheit, denn ich bin klug;“ sollte er einen solchen ihm verhassten Sinn an seinem auserwählten Volke dulden, den er an Heiden nicht vertragen kann? Das sei ferne. Er wird sie so demütigen, dass sie nicht sagen: durch mein Vermögen und meiner Hände Kraft habe ich dies ausgerichtet, sondern mit der Kirche Jes. 26, bekennen: was wir ausrichten, hast du uns gegeben.
Die Kinder Israel in ihrem Vertrauen zu sich selbst, sind ein Bild derjenigen, welche sich selbst ohne Christum für tüchtig halten, ihrer Seele Heil und Seligkeit auszuwirken, und die überhaupt ihren eigenen Kräften viel, oder alles zuschreiben. Eben dies ist die Wurzel des Unglaubens, und auf diesem Wege wird das Heil nicht gefunden. Es ist ein falscher Grund, der umgerissen werden muss, so dass alles Vertrauen auf unsere eigene Weisheit, Kraft und Gerechtigkeit, aus unserm Herzen genommen werde. Dünkt sich jemand weise, werde ein Narr in seinen Augen damit er weise werde; hält sich jemand für gerecht, er wisse, dass Gott nur Gottlose gerecht spricht; meint jemand, er könne was, der vernehme von Jesu, das wir nicht das Geringste vermögen; meint jemand, er sei etwas, der wisse, dass er nichts ist, oder er verführt sich selbst. Christus ist der Seligmacher, nicht wir selbst. Er ist der Weg und sonst keiner. Nur durch und in ihm werden wir weise, gerecht und stark. Er ist es, der in uns wirkt, beide das Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Er ist's, der uns mächtig macht.
Was richteten die Kinder Israel aus? Ja, was wollten sie ausgerichtet haben. In ihrer Gott verleugnenden Vermessenheit auf sich selbst und ihre armseligen Harnische trauend, zogen sie aufs Gebirge, und freilich erhöhten sie sich selbst. Aber wie ging's ihnen? Wie es endlich allen denen geht, die auf sich selbst vertrauen. Sie wurden zu Schanden. Die Amoriter, obgleich ihr Name nur Schwätzer bedeutet, zogen diesen aufgeblasenen, vermeintlichen Helden entgegen und schlugen sie, umschwärmten sie wie ein Bienenschwarm, dass ihnen nichts übrig blieb, als eiligst die Flucht zu ergreifen, und sie liefen bis gen Harma. Dem Volke Gottes aber muss alles zum besten dienen, diese Demütigung war ihnen nützlicher, als wenn sie den Sieg davon getragen hätten, und die Flucht ersprießlicher, als das Vordringen. Sie lernten vom Vertrauen auf sich selbst abstehen, sie lernten sich in den Willen des Herrn fügen, und ihre Hoffnung allein auf ihn sehen. Und waren dies nicht große Vorteile? Gibt Paulus dies nicht auch als die Absicht an, welche durch die schwere Trübsal an ihm erreicht werden sollte, welche in Asien über sie erging. Wie von Bienen gejagt, sehen wir auch die Jünger vom gebundenen Jesu fliehen. Aber trug dies nicht auch dazu bei, sie zu den Kleinen zu machen, zu welchen der Herr seine Hand kehrt? Sie wurden gejagt bis gen Harma, das heißt, teils verflucht, verbannt, teils ganz und gar dem Herrn geweiht. Diesen Namen bekam dieser Ort später, als sie denselben nach 4. B. Mose 21. eroberten, und zwar nicht so sehr durch Waffen, als durchs Gebet. So wandte sich's doch zu ihrem Vorteil.
Freue dich nicht meine Feindin, dass ich darnieder liege - so hat die Kirche zu allen Zeiten sagen können denn ich werde wieder aufkommen, und so ich im Finstern sitze, ist doch der Herr mein Licht. Simson bekommt seine Haare wieder, und mit ihnen seine Stärke. Wehe dann den triumphierenden Philistern. Sie wurden nun ganz dem Herrn gewidmet und geheiligt, um ihm allein zu vertrauen, und in aller Demut und Geduld von ihm allein alles Gute zu erwarten. Es kostete ihn wohl Tränen. Es waren aber nützliche Tränen. Nun ja denn. Geworfen, in Gnaden geworfen bis gen Harma. In sich selbst vernichtet und zu Schanden geworden, in aller seiner eigenen Weisheit, Kraft und Gerechtigkeit gelähmt. Auf dich geworfen von Mutterleibe an, bist du Herr meine Zuversicht für und für. Siehe, wir kommen zu dir, denn du bist der Herr unser Gott. Wahrlich, es hat Israel keine Hilfe als am Herrn. Lass die Waisen bei dir Gnade finden, denn unsere Hilfe steht im Namen des Herrn. Amen.