Krummacher, Gottfried Daniel - Sollen wir in der Sünde beharren?
(gehalten am 24. Oktober 1819)
Wenn der Apostel die hebräischen Christen in dem Briefe an dieselben Kap. 13,9 ermahnt, sich nicht von fremden und mancherlei Lehren umtreiben zu lassen, so sehen wir daraus, daß es schon der Apostel Zeiten mancherlei Lehren gab, wodurch Herzen, welche noch nicht fest geworden waren, hin und her geworfen wurden und eben ungewiß blieben.
Dies ist auch eins derjenigen Stücke, wodurch sich unser gegenwärtiges Zeitalter charakterisiert. In Sachen der Religion, dieser höchsten Angelegenheit des Menschen, herrscht eine solche Ungewißheit, daß es vielleicht den allermeisten eben so schwer werden würde, zu sagen, was sie denn eigentlich glauben, als leicht zu sagen, was sie nicht glauben. Wohl nicht mit Unrecht beantwortet daher ein gewisser witziger Mann die Frage, was es heiße, mit seinem Zeitalter fortschreiten, spottend dahin: Es heiße in der Weltweisheit immer neue Sprachen reden und in der Religion immer weniger glauben.
Davon liegt ein Hauptgrund ohne Zweifel darin, daß die Menschen klüger geworden sein wollen als der alleinweise Gott. Mit schamloser Frechheit fahren sie über die Schrift her, als ob sie derselben Meister, nicht Lehrlinge wären, und wissen so, billig und aus gerechtem Gericht Gottes nicht, was sie sagen und was sie setzen, und da sie die Liebe der Wahrheit nicht angenommen haben, daß sie selig würden, sendet Gott ihnen kräftigen Irrtum, den Lügen zu glauben. Mögen solche auch heuchlerischer Weise die Schrift rühmen und preisen, so hat man sie doch durch unerhörte Auslegungen so ungewiß und seltsam gemacht, daß an ihrer Hand niemand daraus lernen kann, oder man nur das Gegenteil von demjenigen daraus lernen soll, was sonst die Gemeine Jesu Christi darin fand, und ihr Leben dafür aufopferte.
Doch der Apostel gibt auch den unwandelbar festen Grund an, welcher Jesus Christus ist, gestern, heute und derselbe in Ewigkeit. Er gibt den Weg an, wodurch man in den Stand gesetzt wird, sich nicht mit umtreiben zu lassen, die Lehren, die aufgebracht werden, mögen auch noch so mancherlei sein und meinetwegen mit großen Zeichen, Wundern und Kräften bestätigt werden. Vor diesem Mit-umgetrieben-werden ist derjenige gesichert, dessen Herz fest geworden ist. Eine köstliche Sache. Sie geschieht aber durch Gnade.
Jedoch auch diese Gnade, welch' ein geheimnisvolles, welch' ein bei der Welt verdächtiges Werk ist sie! Wie kann man die Lehre von derselben zu seinem eignen Verderben anfeinden oder verkehren und mißbrauchen, von den Zeiten der Apostel herab bis auf die unsrigen! Darüber wollte ich das eine und andere bemerken.
Sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde?
Röm. 6,1
Mit dem Apostel werfen wir diese Frage auf und betrachten ein wenig, daß die rechte Gnade Gottes uns bewahrt, daß wir die Lehre von der Gnade nicht zu unserm Verderben verkehren, wozu sowohl die eigene Weisheit und Gerechtigkeit, als Sündenliebe verleiten kann und verleitet. Dies gedenken wir in etwa zu beleuchten, indem wir einen Blick auf das apostolische, reformierende und jetzige Zeitalter werfen.
Sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde? Mit dieser Frage beschließt der heilige Apostel die im fünften Kapitel enthaltene höchst merkwürdige Lehre von der Gnade, und sie bezieht sich insbesondere auf den zuletzt aufgestellten Satz: Das Gesetz sei neben (der Verheißung) eingekommen, damit die Sünde desto mächtiger werde. Wo aber, setzt er hinzu, die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch mächtiger worden. Und dies leitet ihn auf die Frage.
Diese Frage konnte von Menschen aufgeworfen werden, denen die gesamte Lehre von der Gnade mißfiel, denen sie verdächtig, wo nicht gar gefährlich oder wohl selbst abscheulich vorkam, und die ihm in einer feindseligen Stellung gegenüber standen. Solcher gab's insbesondere unter den Juden, denen das an sich herrliche Evangelium von der Gnade Gottes ein Ärgernis war. Ihnen war Jesus selbst besonders deswegen anstößig und unleidlich, weil er Sünder annahm und mit ihnen aß, wofür man ihn einen Fresser und Weinsäufer schalt, und ihn als der Sünder Gesellen verdächtig zu machen suchte. In der Folge konnte ihnen wirklich das Evangelium von der Gnade Gottes nicht wohl anders als sehr verdächtig, nicht wohl anders als eine neue lehre vorkommen, die nur Böses wirke und Verwirrung anrichte. Denn die Christen, ein ganz neuer Name, beobachteten das zum Teil gar nicht mehr, was zu dem bisherigen von Gott selbst angeordneten Gottesdienst gehörte. Sie beobachteten den Unterschied der Speisen nicht mehr, sie unterließen die Beschneidung samt dem Osterlamm, sie hielten keine Feste und Neumonde, ja selbst den so streng befohlenen Sabbat nicht mehr, und hatten immer einen Jesum im Munde, außer welchem kein Heil sei, diesen Mann, der als ein Aufrührer und Gotteslästerer war gekreuzigt worden, und stellten den Glauben an ihn als das einige Mittel zur Seligkeit dar, denn Christus sei des Gesetzes Ende, und wer an ihn glaube, gerecht. Kein Wunder, wenn den Juden, diesen Eiferern über dem Gesetz, das Evangelium als eine Lehre vorkam, welche nur sorglose und verruchte Leute bilde, als eine Lehre, nach welcher man getrost in der Sünde beharren, wo nicht gar absichtlich allerhand Böses begehen könnte, damit die Gnade desto mehr Gelegenheit habe, sich als eine solche zu erweisen, die weit mächtiger sei als die Sünde. Und ist sündigen immer etwas Schreckliches, so ist's ja vollends etwas Ungeheures, nach Grundsätzen zu sündigen und Böses tun, damit Gutes daraus komme. Und aus Röm. 3,8 erhellet, daß man die Christen wirklich als solche Ungeheuer verlästerte, von deren Verdammnis der Apostel sagt, sie sei ganz recht. Und auch unser Katechismus fand sich veranlaßt, zu fragen, ob die Lehre von der freien Gnade Gottes nicht sorglose und verruchte Leute mache, erklärt's aber ganz recht für eine Unmöglichkeit, daß diejenigen, welche Christo durch wahren Glauben einverleibt sind, nicht Frucht bringen sollten.
Die Lehre von der in Christo geoffenbarten Gnade Gottes fand auch bei den Weisen dieser Welt zu allen Zeiten heftigen Widerstand, weil, wie Paulus Kap. 2,8 sagt, die Menschenlehren wohl nach der Welt Satzungen, nicht aber nach Christo sind. Schon das Wort Gnade ist der Weltweisheit fremd, wie viel mehr die Sache selbst, und es findet sich in ihrem Bereiche eben so wenig, als Adams Fall. Nicht Gottes Gnade, sondern des Menschen eigner Wille ist das Fundament, worauf sie ihr Gebäude aufzurichten gedenkt. Statt des Felsen wählt sie Sand.
Jedoch würde es eine vergebliche Mühe sein, beweisen zu wollen, die Lehre von der Gnade Gottes habe stets und bei allen die vortrefflichsten Wirkungen hervorgebracht, wiewohl die Gnade selbst keine andere, als solche erzeugt. Zugleich aber ist es eine ungeheure Bosheit, das der Lehre selbst zuzuschreiben, was von der Unart der Menschen herrührt. Oder darf man den Wein lästern, weil es Trunkenbolde gibt?
Selbst das apostolische Zeitalter stellt allerhand jämmerliche Mißgeburten auf, wie der Apostel Schriften selber bezeugen. Schon damals gab's Menschen, welche die Gnade Gottes auf Mutwillen zogen, Menschen, welche die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit machten, und jene verhießen, während sie selbst Knechte des Verderbens waren, Menschen, welche die Lehre von der Gnade schändlicher Weise dazu mißbrauchten, ihrem Fleische Raum zu geben und desto frecher zu sündigen, sich die Sünde nicht wehren ließen und dennoch für Christen wollten angesehen sein. War dies zu einer Zeit möglich, wo die heiligen Apostel selber noch lebten und lehrten, zu einer Zeit, wo noch außerordentliche Gaben des Geistes waren, zu einer Zeit, wo die Christen unter so schwerem Drucke lebten, so wird freilich alle Mühe vergeblich sein, welche auf den Beweis verwendet wurde, die Lehre von der Gnade lasse gar keine übeln Wirkungen besorgen, wenn sie nur mit gehöriger Weisheit und Umsicht vorgetragen werde, denn an diesen Eigenschaften hat's doch wohl den Aposteln gar nicht gemangelt. Aber die Sonne selbst, verwandelt sie nicht stehende Sümpfe in stinkende Moräste, während sie den lebendigen Bach vergoldet? Sie macht den wurzellosen Baum vollends dürre, indem sie dem andern Blätter, Blüthen und Früchte entlockt.
Das reformierende Zeitalter stellt ähnliche Ereignisse auf, welche den Reformatoren, sonderlich Luther, die bittersten Vorwürfe zuzogen, als ob sie die ganze Welt mit Unruhe, Aufruhr und Blutvergießen erfüllt hätten, wie man ehedem auch die Apostel als Leute verschrie, die den ganzen Erdkreis verwirrten. Luther selbst führt oft bittere Klagen darüber, daß das Volk, nachdem es von dem päpstlichen Zwange befreit worden, so wild und wüste geworden und gar keine guten Werke mehr tun wolle, nachdem es vernommen, daß der Mensch ohne des Gesetzes Werk allein durch den Glauben gerecht vor Gott werde. Schon zu seinen Lebzeiten gab es zu seiner großen Betrübnis Leute, welche nicht lehrten, Unkeusche, Ehebrecher, Diebe, Geizige, Trunkenbolde u. dgl. könnten nicht ins Reich Gottes kommen, sondern vielmehr sagten, wenn sie solche wären, sollten sie nur glauben, so hätte es nichts zu bedeuten. In der Folge wurde nur davon geredet, wie man aus Gnade selig werde. Hielt jemand das fest, ging er dabei regelmäßig zur Kirche und zum Abendmahl, sagte er seinen Morgen- und Abendsegen her, gab zuweilen etwas für die Armen und zur Kirche und bekannte dabei, man wolle damit nichts verdienen, so hieß er ein guter evangelischer Christ und ward in der Leichenpredigt selig gepriesen. Konnte sich jemand mit diesem toten Schlendrian nicht begnügen, kam er zu der Einsicht, die Gnade bringe niemand in den Himmel, es sei denn, sie bringe auch den Himmel in sein Herz, sie mache niemand selig, als den sie auch erneuert und heiligt, sie sei nicht ein totes Ding, das man mit einer toten Einbildung fasse, sondern ein lebendiges Wesen, das den Menschen wandelt und neu gebiert, das ihn unterweiset, zu verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gottselig und gerecht zu leben in dieser Welt, bewies sich das an ihm in der Frucht, so erhob sich ein großer Lärm, als ob die reine Lehre in Gefahr sei, und man zu dem alten Sauerteig der Werkgerechtigkeit zurückkehre. Ach, mein Gott, wie hat's sich in tausend Wiederholungen erwiesen, daß der natürliche Mensch nichts vernimmt von den Dingen, die des Geistes Gottes sind, die ihm eine Torheit sind, und die er nicht erkennen kann. Sie irren immerdar, sie mögen von Gnade und Glaube oder von Gesetz und Werken reden, und wissen nicht, was Glaube, Gnade, Gesetz und Werke sind, wie klug sie sich auch dünken.
Unser Zeitalter beobachtet von Gnade ein tiefes und bedenkliches Stillschweigen, und selten ertönt des Himmelreichs Ruf: Gnade, Gnade! Auch hat dieser Ruf für viele Ohren etwas fremdes, widerwärtiges oder gar ekelhaftes und beleidigt jedes stolze Gemüt, das sich selbst weise, stark und gut dünkt; die Starken bedürfen auch freilich des Arztes nicht. Der Name Christus ist durchgängig zu einer ziemlichen Unbedeutendheit herabgesunken, und statt daß jedes Knie sich in diesem Namen beugen, daß jegliche Zunge schwören sollte, er sei der Herr, glaubt man ihm Ehre genug erwiesen zu haben, wenn man ihm unter den Wohltätern und Aufklärern des menschlichen Geschlechts einen der ersten Plätze bewilligt und ihn als ein nachahmungswürdiges Muster empfiehlt. Seinen Aussprüchen räumt man kein entscheidendes Ansehen ein und erlaubt sich, sie nach seinem Gutfinden zu deuten, wo denn jeder Kopf auch einen andern Sinn hat. Sein Blut und Opfer gilt höchstens für eine Milchspeise, die man Männern nicht vorsetzt, oder für einen verjährten Aberglauben, dessen man nur noch um einiger Schwachen willen schont. Und die Gnadenwirkungen des Heiligen Geistes sind längst in das Gebiet der Schwärmerei und Einbildung verwiesen. Wie viele möchten wohl, wenn sie davon hörten, mit Johannes Jüngern sagen: Wir haben noch nie gehört, daß ein Heiliger Geist sei, und könnte man nicht im Gegensatz der Worte des Apostels: Der Heilige Geist war noch nicht da, sagen: Der Heilige Geist ist nicht mehr da?
Was sich diese ausgeartete, sogenannte Christenheit dadurch zugezogen, äußert sich mehr und mehr. Die lauten Klagen über Verfall, die unzähligen Vorschläge, ihm abzuhelfen, die Ungewißheit über die wahren Mittel beweisen sein Dasein und seine Gefährlichkeit. Wird's nicht nach dem Spruch gehen: Weil du des Herrn Wort verworfen hast, hat dich der Herr auch verworfen? Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig werden. Hier ist Glaube und Geduld der Heiligen. Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern die da glauben und die Seele retten. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir zu sitzen auf meinem Stuhl, gleichwie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.
Ist von einer Sache selbst die Rede nicht mehr, so fällt freilich samt ihrem rechten Gebrauch auch der Mißbrauch weg, welches aber in der hier vorschwebenden Hinsicht ein schlechtes Glück und ein wesentliches Übel ist. Und in dieser Weise ist bei jenem Wesen die Frage unsers Apostels durchgängig überflüssig geworden. Wo aber kein Anlaß zu derselben mehr ist, da muß auch entweder des Apostels Lehre nicht mehr im Schwange gehen, oder kein Unkraut mehr neben dem Weizen auf dem Acker stehen, oder alles tief entschlafen sein.
Gewiß aber ist derjenige kein Weizen, sondern Unkraut, keine neue Kreatur in Christo Jesu, sondern eine elende Mißgeburt, kein Kind Gottes, sondern des Teufels, der sich einbildet, deswegen zu den Begnadigten zu gehören, weil er die christlichen Wahrheiten so mit den andern über glaubt und sich insbesondere in dem Gedanken festgesetzt hat, Christus habe mit seinem Leiden und Sterben für alle unsere Sünde bezahlt, froh, nun in derselben beharren zu mögen, ohne die Strafe, die das Böse verdient, fürchten zu dürfen, welche Christus längst abgelöst habe, weswegen ihn das eine so wenig angehe als das andere. Ein solches Bestehen wäre offenbar anders nichts, als eine schreckliche Entweihung des allerheiligsten Namens und Opfers Jesu Christi, bewiese nichts anders, als eine satanische Verblendung und hieße die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. Ein solcher verblendeter Auswürfling wäre um so beklagenswürdiger, wenn er sich gar dabei einbildete, seine starre Vorstellung wäre die Frucht einer außerordentlichen, unmittelbaren göttlichen Offenbarung, deren er vor andern sei gewürdigt worden, da er höchstens wie Bileam von Christo redet, aber so wenig wie dieser weder Teil noch Anfall an ihm hat, sondern dem Verderben zueilt.
Nimmt ein solches faules Glied der äußern Kirche auch dasjenige in seinen Mund, was die Schrift von einem alten und neuen Menschen sagt, wobei er Zucht hasset und des Herrn Gebote hinter sich wirft; will er das Böse, was er tut, auf die alte, längst getilgte Rechnung gesetzt wissen, die ihn nicht angehe, während diese armselige Kreatur noch nichts von dem erfahren hat, was die Heilige Schrift von der Geburt aus Gott lehrt, von einem Christus außer ihm träumt, aber nichts weiß von Christus in euch, welcher ist die Hoffnung der Herrlichkeit, nichts davon erfahren hat, daß Gott uns, die wir tot waren in Sünden, samt Christo lebendig gemacht hat, ich also nun lebe, doch eigentlich nicht ich, sondern Christus in mir, welches Leben aller Sünde, welche nichts anders ist, denn ein Tod, kräftig, wirksam und tödlich feind ist, sie ausrottet, besiegt, tötet; meint ein solcher elender Mensch, der doch nichts genießet von den Früchten dessen, was ausgemacht, da er uns in dem Gerichte längst mit Ehren durchgebracht, der doch nicht durch wahren Glauben mit Christo vereinigt ist, er brauche nicht zu kämpfen und zu ringen; meint er des Gebets nicht zu bedürfen, das doch Gott befiehlt, und ohne welches jemand eben so wenig Christ sein, als ohne Atmen leben kann; hält er sich trotz dem allen dennoch für einen Begnadigten, so liefert er nur einen Beweis mehr, wie der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinne zu verblenden vermöge, daß sie das helle Licht das Evangelii nicht sehen. Er wird's auch selbst erfahren, daß seine Einbildung nichts als Einbildung ist, die ihm keinen Frieden gewährt und deren Aufrechterhaltung ihm bei allem Gerede vom Gegenteil Arbeit genug kostet, es wäre denn, daß er schon in verkehrten Sinn dahingegeben wäre, zu tun was nicht taugt, weil er Gott nicht in Ehren hatte. Gottlose haben keinen Frieden, spricht mein Gott, sondern sind wie ein ungestüm Meer, was nicht stille sein kann, und dessen Wellen Kot und Unflat auswerfen.
Wie ganz anders sieht es um einen wirklich Begnadigten aus! Freilich sagt Christus selber von ihm: Der Wind bläst wohin er will. Du hörst sein Sausen wohl, weißt aber nicht von wo er kommt, und wohin er fährt. also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist. Es meine also nur kein Weltkind es zu verstehen, was es eigentlich um einen wahren Christen sei. Das wird man erst in dem Maße inne, als man's selber wird. Ihr stellt euch die Gnade als ein totes Ding vor, keineswegs geeignet, unsere Hoffnung ganz darauf zu setzen; ihr beweiset aber damit nur, daß ihr noch gnadenlos seid, sonst würdet ihr anders urteilen. Ihr haltet es für möglich, daß ein Begnadigter in Sünden lebe, sie liebe und beibehalte, verratet euch dadurch aber nur selber als solche, die das Begnadigtsein für eine Art von Täuschung halten, deren nur sehr wenig Leute fähig sind, als solche, die gar nicht verstehen, was Gnade und was es sei, Christi teilhaftig sein. Werdet aber selbst wahre Christen, dann nur werdet ihr's verstehen, was das sagen wolle, ein wahrer Christ sein. Werdet selber geistliche Menschen, so werdet ihr das einsehen, was des Geistes Gottes ist, welches der natürliche Mensch nicht vernimmt, was er auch nicht vermag, weil es geistlich gerichtet werden muß. Werdet, o werdet wahre Christen, so wird der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, euer Herz und eure Sinnen bewahren in Christo Jesu, so werdet ihr nicht sündigen. Wer aber Sünde tut, ist vom Teufel. Wer recht tut, der ist gerecht, wie er gerecht ist. Wer aus Gott geboren ist, sündiget nicht, denn sein Same bleibt in ihm und kann nicht sündigen, denn er ist aus Gott geboren. So wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Meine Kindlein, sündiget nicht. Ob aber jemand sündigte, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. Wer aus Gott geboren ist, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist, der bewahrt sich selbst, und der Arge wird ihn nicht antasten.
Trauet ja euerm Christentum nicht, die ihr in vorhin gerügtem Irrtum steht, denn so jemand meinet, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. So lange jemand sein tiefes Verderben noch nicht erkannt hat, ist noch nicht einmal ein Anfang des wahren Christentums bei ihm gemacht. Wer das , was er ist oder zu sein meint, durch und aus sich selbst geworden ist, kann nicht für einen Christen gelten, oder Paulus ist keiner gewesen, der durch Gottes Gnade war, was er war, und hat sich geirrt, wenn er im Namen aller Christen sagt: Nicht aus uns, auf daß sich kein Fleisch rühme. Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.
Bilde sich niemand ein, fromm zu sein, denn Christus ist nicht gekommen, die Frommen zur Buße zu rufen, sondern die Sünder! Halte sich niemand selbst für klug, denn gerade den Weisen und Klugen hat der allein weise Gott das Geheimnis seines Reiches verborgen, und je weiser wir unsern eignen Augen sind, für desto größere Narren gelten wir im Gerichte Gottes. Je stärker wir zu sein glauben, desto weniger bedürfen wir des Arztes. Und also verhält's sich in allen Stücken. Was etwas ist, macht er zunichte, damit er alles in allem sei. Und das ist recht.
Ihr also, meine Lieben, weil ihr das zuvor wisset, so verwahret euch, daß ihr nicht durch Irrtum der ruchlosen Leute samt ihnen verführt werdet und aus eurer eigenen Festung entfallet. Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unsers Herrn und Heilandes Jesus Christus, demselbigen sei Ehre nun und zu ewigen Zeiten! Amen.