Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 3. Predigt

Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 3. Predigt

4. Mose 6, 24
Und behüte dich.

Dies ist ein zweites Gut, das von Gott dem Vater ausgehet, nämlich die Bewahrung. Wir betrachten denn

  1. das Gut der Bewahrung,
  2. dessen Ursprung.

I.

Das Gut der Bewahrung wird durch das Wörtlein „und“ mit dem Segen verbunden. Bezieht sich das Segnen auf den Anfang, so sieht das Behüten auf die Erhaltung des Segens, auf dessen Fortgang und Vollendung. Dies Letztere ist nicht weniger wichtig, nützlich und nötig. Denn was wäre doch aller Segen, wenn es ihm an Bestand und Dauer fehlte? Eher ein Unglück als ein Segen. Je größer und glänzender ein Glück ist, desto bitterer ist dessen Umsturz. Wenn Jehovah wohl segnete, aber nicht behütete, so wäre dies kaum ein halbes Werk und eine ängstliche Sache. Wie köstlich beschließt deswegen der Apostel seinen Wunsch an die Thessalonicher, wenn er sagt: Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, samt Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi und nun hinzusetzt: Getreu ist er, der euch rufet, welcher wird es auch thun.

Die einzelnen Punkte, die wir betrachten, sind folgende. Die Bewahrung, die Gegenstände und Personen, die Gefahr und Anlässe, die Nothwendigkeit, der Zweck, der Nutzen, unsere Bedürftigkeit dafür und die Gewißheit derselben.

Die Bewahrung selbst ist die Erhaltung in einem guten Stande durch Abwendung von Schaden und Übeln und Herbeiführung des Nötigen und Nützlichen. Geschieht das, so beharrt jemand in einem glücklichen Zustande. Es ist also ein vortreffliches Gut. Die Gegenstände und Personen der Bewahrung sind verschieden und mannigfaltig. sie betrifft z.B. das Allgemeine. Es hört nicht auf Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht; und damit wir nicht allzu sicher werden, tritt bisweilen eine ungünstige Witterung ein, versengende Hitze und Dürre, oder unmäßiger Regen und unfruchtbare Zeit. Selbst die Tiere weiß die göttliche Vorsehung zu erhalten, und wir bemerken ihre oft wunderbaren Naturtriebe, wodurch sie ihre Nahrungs- und Arzneimittel zu finden wissen, im Winter versorgt werden oder für ihre Brut sorgen. Bewunderungswürdig ist namentlich die Erhaltung der heiligen Schrift, da die Schriften Mosis doch über 3000, die Psalmen über 2000 Jahre alt sind. Wie bewunderungswürdig ist die Erhaltung des Judenvolks bis auf den heutigen Tag, aller ungeheuren Drangsale ungeachtet, und wie nahe liegt der Schluß, daß Gott noch etwas Großes mit diesem Volk vorhabe! Wie merkwürdig ist die Erhaltung und Ausbreitung der christlichen Kirche, allen Verfolgungen zum Trotz! Wer sollte es glauben, so ruft Hieronymus ist 5. Jahrhunderte von unsern deutschen Vorfahren aus, wer sollte es glauben, daß sogar Deutschland nach den Aussprüchen des Heiligen Geistes horcht! Das Behüten betrifft ferner das Natürliche und Menschliche nach Leib und Seele. Wie wichtig ist die Erhaltung der gehörigen Seelenkräfte, und welch ein betrübter Zustand ist der Schwachsinn, wovor doch die klügsten Leute nicht gesichert sind. Ja, es ist ein wertes Gut, wenn jemandes Leibeskräfte und Gesundheit erhalten werden, die doch so vielen Anstößen bloß gestellt sind; wenn seine Vermögensumstände blühen; wenn es seiner Familie wohlgeht; wenn harte Fälle an ihm vorübergehen. Diese Bewahrung betrifft auch namentlich das Sittliche, wenn die Vorsehung die Jugend und das Alter vor Verführung schirmt und mit Versuchungen verschont, wie Jesus uns auch beten heißt. Welch ein Jammer, wenn Menschen so in den Unflat der Welt verflochten werden, wenn sie verstricket werden in Schwelgerei, Trunkenheit, Unzucht, Spielsucht, Hader und Zank; und welche Güte, davor sicher gestellt und durch die Güte Gottes mit einem ehrbaren Leben gesegnet zu sein, wenn gleich die wenigsten seine Güte darin anerkennen, sondern es sich selbst zuschreiben, und selbst eine eigene Gerechtigkeit daraus errichten. Insbesondere sind die Gesegneten des Herrn der Gegenstand seiner Behütung, die er bewahrt wie seinen Augapfel, denn er ist ein Heiland aller Menschen, sonderlich aber der Gläubigen. Was das Leibliche anbetrifft, so genießen sie darin freilich keine Vorzüge, desto mehr aber im Geistlichen, was ihren Gnadenstand anbetrifft. Diese Bewahrung betrifft die wichtige Erhaltung des großen Gutes des geistlichen Lebens, das der Anfang des ewigen Lebens ist und in der Wiedergeburt anfängt, in der Herrlichkeit sich vollendet, die Erhaltung im Glauben, der durch so viele Proben muß, der Vereinigung mit Christo, welche die Wurzel des Lebens ist. Der Herr behüte dich, heißt es, dich, den er gesegnet hat, behüte dich so, daß sich der Segen wie ein Strom durch dein ganzes Lebens zieht! O, Glückselige!

Das Behüten setzt Gefahren und bedenkliche Verhältnisse voraus, als so viel Anlässe zum Behüten. Wo jene nicht sind, ist auch dieses nicht nötig. Aber diese Gefahren, diese Anlässe zum Bewahren sind dringend, sind groß an Zahl und Gewicht im Leiblichen wie auch im Geistlichen. Wie leicht mag es doch, daß uns im Leiblichen und Zeitlichen ein Unfall zustößt, der hier unsere Person, dort wohl noch empfindlicher unsere angehörigen trifft und oft in kurzem ein Haus der Freude in ein Trauerhaus umwandelt; doch, mag's denn, alles, was sichtbar ist, ist doch nur zeitlich. Ein Augenblick drängt den andern, und unsere ganze Lebenszeit besteht nur aus einer Reihe von Augenblicken, die unablässig sich vermindert. Ist unsere Zeit böse, so ist sie doch auch wenig, wie lang sich auch dünken möchte. Haben wir nur die Hauptsache in Sicherheit, nämlich unser Seelenheil, so können wir uns nicht nur manches, auch Schwere gefallen lassen, sondern sollen es um so mehr, weil uns, die wir Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, welches doch mehr wert ist, als eine halbe, ja, als die ganze Welt ohne dies Privilegium. Die zeitlichen Schläge der Schickungen treffen doch nur irdische Annehmlichkeiten oder unsern hiesigen Stand. Aber von welch' unendlich wichtigerer Bedeutung sind die Gefahren, welche unser wahres, eigentliches Gut und Glück bedrohen! Und deren sind nicht wenige. Bei den Christen sind vornehmlich drei Quellen dieser Gefahren. Wir sagen: Bei den Christen, denn die Andern sind tot in Sünden, und das ist ihr Element, was der Christen Kampfplatz ist. Was Paulus von Wissen sagt, es sei Stückwerk, das gilt von der gesamten Gottseligkeit in allen ihren Teilen. Das Gute ist in uns sehr unvollkommen und gebrechlich; und müßten wir darauf vertrauen, insofern es in uns ist, so sähe es sehr bedenklich aus. Die herrlichste Gnadenstunde, die wir heute verleben, leistet uns keine Gewähr für morgen, und man ist oft von keinem mehr verschieden, als von sich selbst. Petrus beteuert, er wolle mit Jesu sterben, und seine Äußerung war ihm ernstlich bedacht; und wenige Stunden nachher hören wir ihn fluchen und Jesum abschwören, da er doch meinte, seine Liebe gebe ihm genugsame Sicherheit. Soll unser eigner Fleiß, sollen unsere Vorsicht und unser entschlossener Wille unsere Festung sein, so sind sie eher eine Vergrößerung unserer Gefahr. Unleugbar können, ehe wir's uns versehen, und weit entfernt, sie zu hegen, allerlei böse Neigungen uns beschleichen und zu einer gefährlichen Kraft gedeihen. Sie können eine gewisse Bezauberung ausüben, so daß der Apostel wohl Grund hat, zu ermahnen: Sehet zu, daß niemand unter euch verstocket werde durch Betrug der Sünde! Was ist lebensgefährlicher, als der Unglaube, weil er es ist, der die Gemeinschaft unserer Seele mit Christo unterbricht, und wenn er herrscht, aufhebt? Und was ist häufiger als die Regungen desselben, und wie weiß er sich zu entschuldigen, so daß er die vernünftigen Reden mehr für sich, als das Evangelium wider sich zu haben scheint. Ein Mensch wie er, soll der glauben? Das sei ferne! Und in welches Unglück würde er sich eben durch solche selbstgerechte Gedanken stürzen, wäre der nicht so treu, der ihn gerufen hat. Laßt uns noch einige andere schlimme Eigenschaften bemerklich machen, die mit dem Unglauben in einer nahen, begünstigenden Verwandtschaft stehen und mit demselben fallen. Da ist die schlimme Neigung, welche wir vom Baume der Erkenntnis her haben, für uns selbst etwas zu sein, zu können, zu wissen und zu haben, also auch nicht in Christo gerecht, weise, stark und heilig zu sein; der schlimme Trieb, dem Werkbunde gemäß zu handeln, der Gnade zu entfallen, Christum zu verlieren und die Vollkommenheit nach und in dem Fleische zu suchen, nicht aber den übernatürlichen und erhabenen Grundsätzen des Evangeliums gemäß zu handeln, nach welchem wir der Sünder tot sind, aber Gott leben in Christo Jesu. Da ist die böse Neigung, sicher zu werden und die stete Glaubens-Gemeinschaft mit dem Haupte einschlafen zu lassen, um sich an dessen Statt mit frühern Versicherungen zu behelfen, da doch das Manna täglich gesammelt und genossen werden muß, weil es sich nur am Sabbath hält. Da ist die schlimme Eigenschaft, die in einem kränkelnden Gewissen besteht, das gleichsam ein stetes Kränkeln und Marterleben ist, statt sich seine Wunden durch das Blut Christi alle heilen zu lassen und darin zu beharren. Kurz, dies seien nur einige Andeutungen, die aber ins Leben gehen. Aber was verstehen wir aus und durch uns selbst von dem Christentume und dem Evangelio? Wir sind stets entgegengesetzter Meinung. Die Gefahr wächst durch die unleugbaren Einflüsse böser Geister, vor denen wahre Christen so oft gewarnt werden. Den Römern wünscht der Apostel, daß der Gott des Friedens den Satan unter ihre Füße trete in kurzem. Den Korinthern äußert er seine Besorgnis, daß, wie die Schlange Eva betrog, also auch ihre Sinnen verrücket würden von der Einfältigkeit in Christo. Welche Ermahnungen er den Ephesern gab, ist bekannt. Er redet von listigen Anläufen des Bösewichts. Dieser große und kluge Geist ist uns unzweifelhaft weit überlegen, so daß wir ihm in einem Zweikampfe sicher erliegen, noch ehe wir denselben begonnen haben, wofern das Behüten des Herrn uns nicht sicher stellt. Wie würde es anders einem Petrus gegangen sein, als der Satan sein begehrte, ihn zu sichten, wie den Weizen! Seine beängstigenden Anfälle sind wohl die am wenigsten gefährlichen. Es giebt Versuchungen, die gar nicht wie solche aussehen, wo er sich in einen Engel des Lichts und in einen Prediger der Gerechtigkeit verstellen kann. Und wer will da aus sich selbst das Feld behalten und alles wohl ausrichten, als nur durch den Herrn? Die Welt verlieret bei denen, die wahrhaft Christen geworden sind, bald viel von ihrer Kraft. Aber wenn auch ihre Güter nicht mehr ihr Ziel, und ihre Vergnügungen nicht mehr ihre Glückseligkeit ausmachen, weil sie bessere Güter und höhere Freuden kennen und die Zucht des Geistes genießen: So haben sie doch auf manche Weise ihre Angst in der Welt und ihre Not, denn sie liegt im Argen. Die bösen Geister unter dem Himmel herrschen in der Finsternis dieser Welt in Schriften, Philosophien, Kirchen und Schulen. Hier ist mancherlei, was der Entwickelung des neuen Menschen hemmend entgegentritt, uns beschwert und seufzen macht. Es taugt hier für uns nicht; das fühlten die lieben Jünger nie lebhafter, als da sie auf jenem Berge waren und ausriefen: Hier ist's gut sein! Es ist kein gutes Zeichen, wenn ein Christ es hier gut aushalten kann, denn unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten auf unseres Leibes Erlösung. Bedarf's also noch wohl eines Beweises von der Notwendigkeit des Gutes, was uns der Hohepriester in dem Worte anwünscht: Jehovah behüte dich? Sind keine Gefahren vorhanden, sind die Güter, die im Segen begriffen sind, nicht köstlich, ist ihre Fortdauer nicht wertvoll? Erblicken wir jemand auf dem Gipfel des Glücks, so flößt uns schon seine Höhe ein Grauen ein, weil es uns unsicher erscheint und dadurch seinen Wert verliert. Ein Gut, je köstlicher es ist, desto lieber gar nicht besessen, als in steter Gefahr, es wieder zu verlieren, wo der Gram viel größer würde, als das frühere Vergnügen war. Was fehlte unsern ersten Eltern im Paradiese? An Leib und Seele nichts als die Beständigkeit und eben damit die Hauptsache. Gehört also die Behütung nicht zu den Gütern des Gnadenbundes, so sind wir um so übler beraten, je herrlicher dieser Bund ist. Eine Vergebung der Sünden, die aufhört, eine Heiligung, die sich verliert, ist für so arme Sünder, wie wir sind, für gar kein Gut zu rechnen. Aber der feste Bund Gottes besteht, der ist ewig, und alles wird wohl geordnet und gehalten (2. Sam. 23).

Der Zweck des Behütens ist eben die Fortsetzung des Segens vom kleinen Beginnen bis zur Vollendung aller seiner Staffeln und Teile nach Leib und Seele. Was kann herrlicher, erwünschter sein! Gleich beim ersten Tritt auf dem Wege schon so gut wie ganz gewiß am Ziele zu sein, und an welchem! Wo findet sich das außer dem Reiche Gottes? Der Zweck der Behütung ist ja, wie gesagt, die glückliche Beseitigung aller Gefahren selbst, oder Erhaltung in denselben, und wäre es ein feuriger Ofen oder eine Löwengrube oder der Palast eines Potiphars oder Kaiphas, ist die Beschaffung alles nützlichen und heilsamen. Wie man die Vorsehung eine fortgesetzte Schöpfung, so mag man das Behüten ein fortgesetztes Segnen nennen. Liegt der Grund, warum der Segen sich zu uns wendet, nicht in uns, sondern außer uns in der Gnade, so liegt auch keiner in uns, die wird nichts als Sünder und von Natur geneigt sind, Gott und unsern Nächsten zu hassen, warum er nach Gottes Vorsatz und Gnade aufhören sollte. Das ist der Zweck, daß Christus nichts verlieret von dem, was ihm sein Vater gegeben hat, sondern daß er es auferwecke am jüngsten Tage.

Eben daraus leuchtet auch der große, unschätzbare Nutzen der Behütung hervor. Der Hohepriester redet nicht gesetzlich und fordernd, sondern anwünschend, dienend, wie sich's für einen Hohepriester ziemt, der eben deswegen aus den Menschen genommen wurde, welche schwach sind, damit er auch mit Schwachheit umfangen wäre und Mitleid haben könnte. Unter seinen ausgebreiteten Händen sollten sie sich nicht wirkend, sondern zustimmend, hinnehmend, gläubig und sich hingebend verhalten. O, welch eine Glückseligkeit, sich in einem Stande zu befinden, wo nichts, gar nichts schaden kann, wo alles dienen, ja zur Seligkeit dienen muß! Man sollte ja kaum sagen, daß es wirklich einen solchen Stand gebe, da wir so sehr an Abwechslung aller Art gewöhnt sind. Aber das Wort Gottes predigt einen solchen Stand, und es ist der der Kindschaft und Gnade. Sind wir durch Gnade in diesem herrlichen Stande, so sind wir der Behütung eben so bedürftig als vorher der Errettung aus dem Stande der Natur und des Zornes. Diese Bedürftigkeit für das Behüten des Herrn gründlich zu erkennen, ist sehr nötig und heilsam und dienet zugleich dazu, uns dieses Gut desto kostbarer zu machen. Unser Katechismus bezeichnet uns nicht nur die drei Hauptarmeen, so wider uns heranziehen, sondern schildert uns als schwach und zwar so schwach, daß wir nicht einen Augenblick bestehen können. Was ist aber kürzer als ein Augenblick? Folglich muß es eine ununterbrochene Behütung sein. Wir gleichen Petro auf dem Meere. Jeder seiner Tritte mußte durch das allmächtige Wort Christi: „Komm her“ getragen werden, wenn er gelingen sollte, und sein Glaube nicht weniger, sollte er bis ans Ende beharren. Wo sollte mit uns hinaus, wenn wir allein gehen? Wenn wir fallen, wer will uns aufhelfen? Sind wir nicht einmal tüchtig, ein Haar schwarz oder weiß zu machen, nicht tüchtig, aus uns selbst etwas zu denken: Was wollen wir anfangen, wenn es sich um wichtigere Dinge handelt? Wohl dem deswegen, der sich allewege fürchtet, aber dabei auch allewege auf die Güte des Herrn hofft! Worauf wollen wir sonst hoffen? Auf unser Herz? So sind wir Narren. Auf unsern Verstand? Da zu einem Narren mehr Hoffnung ist, als zu dem, der sich weise dünket. Auf unsere gute Gesinnung? Ist nicht sogar Adam aus dem Stande der Unschuld gefallen? Wo Wölfe, ja wo Löwen sind, bedürfen da die Schafe nicht einer großen Bewahrung? Können sie ohne den Hirten nichts, mit ihm alles, ist ihnen denn nicht der Weg vorgezeichnet? Außer ihm verloren, in ihm sicher. Je weiter wir in dieser Überzeugung gefördert und gegründet worden sind, je mehr wir erkennen, daß unser Friede in den beiden Punkten steht: „So er in uns bleibet, und wir in ihm bleiben,“ desto köstlicher wird uns die Gewißheit jener Behütung. Sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Was bedürfen wir weiter Zeugnis, die Schrift kann doch nicht gebrochen werden. Ist uns der Sohn zu diesem Zwecke noch nicht genug, so versichert er: „Niemand wird sie aus meines Vaters Hand reißen, und der Vater ist größer denn alles, und derselbe giebt den Tröster, den heiligen Geist, der wird bei euch bleiben ewiglich.“

Eine solche dreifache Schnur reißt nicht, und das, was wir dabei wahrzunehmen haben, wird ebenfalls mildiglich dargereicht werden durch den Glauben.

II.

Dies große Gut der Behütung wird aber in unserm hohepriesterlichen Segen besonders Jehovah dem Vater zugeeignet und von ihm durch Christum zugewünschet; dies Gut, das erst allen anderen Gütern ihren eigentlichen Wert und Glanz giebt, da sonst die Furcht des Verlustes auch die größte Glückseligkeit unvollkommen machen würde und müßte. Du sollst wissen, daß der Herr, dein Gott ein Gott ist, ein treuer Gott, ein Gott Amen, der Bund und Barmherzigkeit hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten. Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, daß er dich behüte auf dem Wege und bringe an den Ort, den ich bereitet habe, und will dir geben alle deine Feinde in die Flucht. Er behütet sie wie einen Augapfel, nahm sie und trug sie auf seinen Flügeln.

Der Herr vergleicht sich daher mit einem Schilde, mit einer feurigen Ringmauer, mit einem festen Schluß, mit einem Felsen, Berge und Heerscharen und sagt, er sei so bei den Demütigen, bei denen, die sich fürchten, bei dem Würmlein Jakob. Er schafft ja das Wollen und Vollbringen. Er giebt ja den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden. In den Schwachen ist er mächtig. Wir sollen und brauchen nicht stark zu sein in uns selbst, sondern in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.

Wirst du denn in deinem Herzen sagen: Dieses Volk ist mehr, denn ich bin, wie kann ich sie vertreiben! so fürchte dich nicht, denn der Herr wird sich seiner Knechte erbarmen, wenn er sieht, daß ihr Vermögen dahin ist.

Die Behütung nun ist teils unmittelbar, teils mittelbar. Die unmittelbare ist die Hauptsache und geht durch alles durch. Es ist die Anwendung seiner väterlichen Kraft, sein Wille, daß Jesus nichts von demjenigen verliere, was er ihm gegeben hat. Es ist der zeugende, erhaltende, mehrende Geisteseinfluß auf den armen Menschen, welches Christus selbst in uns ist, wodurch er ist, wirkt und wächst. Dies ist des Vaters wirksame Hand im Reiche der Gnade, wie sich auch im Reiche der Natur die allmächtige, gegenwärtige Kraft Gottes äußert, wodurch er alles als mit seiner Hand erhält und regieret. In ihm leben, weben und sind wir. Von ihm und durch ihn sind alle Dinge.

Wer aber aus Gott geboren ist, der bewahret sich auch, wie Johannes in seiner ersten Epistel Kap. 5,18 sagt. Er ist der göttlichen Natur, der unverderblichen teilhaftig, und die erneuert sich stets im Geiste des Gemüts. Es ist ein Same Gottes in ihm und der bleibet bei ihm, daß er nicht sündigen kann, denn er ist aus Gott geboren. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in ihre Herzen, welche viele Wasser nicht mögen auslöschen. Der Geist, welcher durch die Wiedergeburt in die bisher geistlich Toten kommt, ist an sich nichts Schwaches, Unkräftiges, sondern etwas über die Maßen Kräftiges. Es ist ein Leben, ein Wesen, ein neuer Mensch, etwas göttliches, das niemand vernichten könnte, als Gott, der es aber nicht will und nach seiner Treue nicht kann. Es ist seiner Natur nach ein Quell des Wassers, das in das ewige Leben quillet.

Jedoch bedient sich Gott auch geeigneter Mittel, wie im Natürlichen, so auch in der Gnade. Dies sind teils die gewöhnlichen Mittel des Wortes Gottes, Gesetz und Evangelium, Zucht und Trost, Warnung, Ermahnung, Tadel und Lob. Das Kreuz ist auch ein sehr unentbehrliches Mittel, denn er züchtigt uns zu Nutz, daß wir seine Heiligung erlangen. Umgang mit Gottseligen ist ebenfalls ein köstliches Hülfsmittel, und wie könnten sie für sich allein sein, da sie Glieder eines Leibes sind. Zuweilen werden auch sehr seltsame Mittel angewandt, von denen aber nicht speziell zu reden ist, und nichts bestimmtes gesagt werden kann. Jedoch geht es nach der Regel Christi: Wer sein Leben verlieret, der wird es finden. Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöhet werden. Kehret um, und werdet wie die Kinder! Es war ein sehr seltsames und äußerst schmerzhaftes Mittel, wodurch Gott den Apostel behütete, daß er sich der gehabten, hohen Offenbarungen nicht überhöbe, nämlich ein Satans-Engel, der ihn mit Fäusten schlug. Der Herr hätte tausend andere Mittel gehabt, wählte aber diesen Pfahl, den er ihm in’s Fleisch gab und war nicht zu bewegen, ihn weg zu nehmen, obschon er dreimal darum flehete, aber zur Antwort bekam: Laß die an meiner Gnade genügen!

Schließlich nur noch dies eine Wort: Bist du gesegnet, so wird dir auch das Behüten nicht fehlen. Dies, dies ist das höchste aller Güter. Jehovah segne dich und behüte dich! Dem aber, der euch behüten kann ohne Fehl und stellen vor sein Angesicht mit Freuden, dem Gott, der allein weise ist, unserm Heilande, sei Ehre und Majestät und Gewalt nun und in alle Ewigkeit! Amen.

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