Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Juni

Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Juni

Am 1. Juni.

So spricht der Herr, Heer, der Heilige in Israel: wenn ihr stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollet nicht. Er suchet die Herzen seiner Zuhörer auf mancherlei Weise, durch Vermahnen, durch Bedrohen und Verheißen zu bewegen, daß Er sie von der Hoffnung und Vertrauen auf menschliche Hülfe abzöge. Dennoch ist dieses eine treffliche Verheißung, daß wir in Hoffnung der göttlichen Hülfe erwarten und von unfern Anschlagen abstehen; alsdann würden wir gewiß erhalten werden. (Als wollte er sagen: Wenn eine Bestürzung vorhanden ist, die euch könnte beunruhigen, so sehet zu, daß ihr nicht sündiget, entweder durch Verzweiflung, oder durch Vertrauen auf menschliche Hülfe; sondern seid stille und erwartet die Errettung, so werdet ihr gewiß errettet werden. Aber diese Art und Weise zu überwinden und zu erretten verstehet unsere Vernunft nicht, daß wir nämlich durch Stillesein überwinden können. Derowegen ist der heilige Geist vonnöthen, der in uns den Glauben an das Wort der göttlichen Verheißung erwecke, daß wir stille sind und hoffen und die Gottlosen immerhin wüthen und wider uns toben lassen. Ehe aber Gott die, so also stille sind und hoffen, verlassen sollte, eher würde Er sie durch einen Engel herausreißen. Es ist aber diese Erwartung der göttlichen Hülfe für die Vernunft der gewisse Tod. Und eben in dieser Verheißung wird die wahre Tödtung des Fleisches erfordert. Mithin befindet sich der Glaube mitten im Tode des Fleisches und der Vernunft und machet lebendig.

Am 2. Juni.

Der große Haufe ist so schändlich undankbar für die allerhöchste, ewige Wohlthat Gottes, daß nicht Wunder wäre, wenn Gott mit Blitz und Donner, ja mit allen Türken und Teufeln aus der Hölle drein schlüge. So gar gemein ist der undankbare Schalksknecht worden, allein daher, daß er so bald vergißt, in was Aengsten und Nöthen er zuvor gewesen. So bald haben wir auch vergessen, wie wir sind unter dem Papst geplagt und als mit einer Sündfluth überschwemmet gewesen, mit so mancherlei wunderlichen Lehren, da die Gewissen in Aengsten gewest und gerne wären selig worden. Aber nun wir durch Gottes Gnade von dem Allem sind erlöset, danken wir dafür eben nicht, daß wir Gottes Zorn nur schwerer auf uns laden. Ach es wäre kein Wunder, daß Deutschland langst von Türken und Tartaren in Grund verderbt wäre, über solcher höllischen, verdammten Vergessenheit und Verachtung der großen Gnade; ja Wunder ists, daß uns noch die Erde tragt und die Sonne leuchtet, so doch für unsere Undankbarkeit billig der ganze Himmel sollte schwarz und die Erde versalzen werden, wie Sodom und Gomorrha worden sind und nicht ein Laub oder Gräslein mehr tragen und Alles sich umkehren, wo nicht Gott der wenig frommen Christen, die er noch hat und kennet, darin schonete. Wohlan, was soll man hievon viel sagen? Es ist doch bei der Welt verloren, und hilft keine Erwahnung, sie ist und bleibt des Teufels.

Am 3. Juni.

Wo das Wort Gottes nicht da ist, da fliehe, wer nur fliehen kann, wenn auch das Leben äußerlich angesehen wird, als ob es ein englisch Leben wäre, oder, wenn auch dasjenige, so man vornimmt, schon angesehen wird, als sollte es Gott angenehm und ein sehr geistlich und heilig Ding sein, so wirf das äußerliche Ansehen und Gutdünken immer weg, wo du des Wortes nicht gewiß bist. Denn warum willst du dich vergeblich also plagen und die Zeit so jämmerlich und übel zubringen, gleichwie die Mönche im Papstthum? item, wie die Türken und Juden, welche in dem menschlichen Wesen einhergehen, daß sie meinen, alsdann gefiel es Gott nicht, wenn sie sich mit Fasten und Kasteiung zu Tode martern. Und also sind auch alle Werke in diesem Leben der Menschen, so ohne Gottes Wort vorgenommen werden. Derohalben thue ich diese Ermahnung so fleißig und oftmals, und man muß solches den Leuten allezeit einprägen, daß wir uns ja von unserm eigenen Wahn und Gedanken nicht führen und regieren lassen, wenn sie auch schon göttlich, englisch und himmlisch wären, gleichwie Paulus (Coloss. 2, 18) vermahnt, da er sagt: Lasset euch Niemand das Ziel verrücken, der nach eigener Wahl einhergeht rc. Denn solche Gedanken sind ohne Wort. Gott redet darum mit uns und handelt mit uns durch die Diener des Wortes, durch unsere Eltern und durch die Obrigkeit, auf daß wir uns nicht wagen, noch wiegen lassen durch allerlei Wind der Lehre. Die Kinder sollen ihre Eltern, die Bürger und Unterthanen ihre Obrigkeit, ein Christ seinen Pfarrer und die Diener des Wortes, ein Schüler seinen Schulmeister hören. Außerhalb dem Worte ist Alles verdammt, und ist mit allen Secten und Orden verloren; wo aber das Wort ist, alsdann habe ich einen gewissen Trost, ich sei entweder Vater oder Mutter, oder ein Kind im Hause, da höre ich das Wort und weiß, was ich glauben und thun soll. Denn Gott redet mit uns, auch in dem Stande, worin ich lebe.

Am 4. Juni.

So Jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.
(Joh. 8, 51.)

Das soll unser einiger Trost sein, daß wir des Vaters Kraft hier im Leben sollen fühlen, und sonderlich dann, wenn das letzte Stündlein hertritt, daß alsdann der Tod um des Worts willen, dem wir glauben, gleich wie ein Schlaf sein soll. Wenn Einer in einem dicken Nebel herreitet und siehet keinen Mörder, der wird erschossen oder ermordet, ehe ers gewahr wird. Also soll es hier auch sein. Der Teufel ist ein Mörder, hat uns geschworen den Tod; das wissen wir wohl; aber weil wir das Wort haben und fest daran halten, sollen wir solches Würgens nicht inne werden. Denn das Wort macht feine, sanfte Leute, und stille, fröhliche Herzen, die in Aengsten nicht verzagen, noch ungeduldig werden, sondern lassen es Alles überhin gehen, trösten sich deß allein, daß sie einen gnädigen Vater im Himmel durch Christum haben; solches lernen sie im Wort, sonst wüßten sie es nicht. So ist nun dieses eine Hauptlehre, daß wir uns fleißig zum Wort halten, es gerne hören und mit Glauben annehmen sollen. Thun wir das, so sind wir Herren über Sünde, Teufel, Tod und Hölle. Obgleich der Tod uns auch fressen wird, werden wir doch seine scharfen Zahne nicht fühlen; denn das Wort Christi ist unser Harnisch, dadurch wir ein sicher Leben, einen friedlichen Tod und das ewige Leben haben sollen.

Am 5. Juni.

Das ist schrecklich, daß Christus spricht: Ich bitte nicht für die Welt. Da lasset uns ja zusehen, daß wir nicht unter dem Haufen funden werden, für welche Er nicht bitten will. Denn daher kann nichts Anders folgen, ohne daß sie gar verloren seien, als derer sich Christus schlechts äußert und Nichts von ihnen wissen will. Da sollte ja die Welt schrecken, daß sie vorzeiten erstarrete für solchem Urtheil. Aber sie hälts nur für ihren Spott, machet ein Gelachter daraus und bleibet in der gräulichen, verstockten Blindheit, daß sie es so sicher in den Wind schläget und lässet vor den Ohren vorübergehen, als hätte es irgend ein Narr geredet. Wie reimet sichs aber, daß Er nicht will für die Welt bitten, so Er. doch (Matth. 5, 44) gelehret hat, auch für unsere Feinde bitten, so uns verfolgen und lästern beide, unfern Namen und Lehre? Darauf ist kurz die Antwort: Für die Welt bitten und nicht für die Welt bitten, muß beides recht und gut sein. Denn Er spricht bald hernach selbst: Ich bitte nicht für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden; dieselbigen müssen ja noch (ehe sie bekehret werden) von der Welt sein; da muß Er für die Welt bitten um Solcher willen, die noch sollen herzu kommen. St. Paulus war ja auch von der Welt, da er die Christen verfolgete und tödtete. Noch bat St. Stephanus für ihn, daß er bekehret ward. Also betete auch Christus selbst am Kreuze, Luk. 23, 34: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Also ist wahr, daß Er für beide, für die Welt und nicht für die Welt bittet. Das ist aber der Unterschied: Auf die Weise und der Maaßen bittet Er nicht für die Welt, wie Er für seine Christenheit bittet. Für die Christen und Alle, die bekehret sollen werden, bittet Er also, daß sie bei dem rechten Glauben bleiben, zunehmen oder fortfahren und nicht davon fallen, und die noch nicht darinnen sind, aus ihrem Wesen treten und herzu kommen. Das heißt recht und wohl für die Welt gebeten, wie wir Alle bitten sollen: aber wie sie jetzt gehet und stehet, weil sie wider das Evangelium tobet und wüthet, will Er keinen Weg für sie gebeten haben, daß Gott Ihm solch Wesen gefallen, oder durch die Finger sehe und gehen lassen; sondern das Widerspiel soll man bitten, daß Er ihr wehre, ihr Vornehmen hindere und zu Nichte mache.

Am 6. Juni.

Lasset uns unsere Schwachheit vor Gott bekennen und mit dem Propheten sprechen: Herr, du bist unser Vater, wir sind dein Thon, du bist unser Töpfer, und wir Alle sind deiner Hände Werk, Jes. 64, 8. Weil du denn sagest, ich sei ein Sünder, will ich dir Recht lassen und gerne dieß sündlich, verdammte Wesen, so in meinem Fleisch und in der ganzen Natur verborgen, bekennen, auf daß du Recht behaltest in deinen Worten und gepriesen werdest; ich aber zu Schanden werde, auf daß du gerecht und das Leben seiest; ich aber sammt allen Menschen Nichts, denn Sünde und Tod sind, auf daß du das höchste Gut seiest; ich aber sammt allen Menschen das ärgste Unglück und Herzeleid sei. Solches bekenne ich und habe es nicht aus meiner Vernunft, sondern aus deinem Gesetz und Zusagung gelernet. Denn meine Vernunft wollte gern ihre Untugend und gottlos Wesen nicht an Tag kommen lassen, sondern decken und verbergen, ja auch gerne - schmücken. Wer nun auf diese Weise seine Sünde bekennet, der betet diesen Vers mit rechtem Verstande: An dir allein habe ich gesündiget und Uebel vor dir gethan, auf daß du Recht behaltest in deinen Worten.

Am 7. Juni.

Der Vater beut mir durch seine Verheißung Gnade an, und daß Er mein Vater sein wolle um Christi willen. Da gehöret nun drauf, daß ich solche angebotene Gnade und väterlichen Willen in Christo annehme. Dieß aber geschieht dann, wenn der Geist meiner Schwachheit aufhilft und macht, daß ich seufze aus kindlichem Herzen durch Christum, darauf antworte und spreche: Lieber Vater. Da kommen denn Vater und Sohn zusammen und geschieht eine Ehestiftung ohne alle Pracht und herrlich Wesen, das ist, es kommet Nichts dazu, wird weder Gesetz, noch Werk dazu gefordert; (denn was kann ein Mensch thun, so in großem Schrecken und graulicher Finsterniß der Anfechtung ist?) allein sind da bei einander der Vater, der die Verheißung thut und mich Sohn nennet durch Christum, der unter das Gesetz gethan ist u. s. w. und ich, der solche Verheißung annimmt, und antwortet Ihm durch solch Seufzen und saget: Lieber Vater. Darum wird allda Nichts gefordert, sondern geschieht allein das Seufzen vom Kinde, das ein Vertrauen und Zuversicht in der Anfechtung schöpfet und spricht: Du verheißest mir Gnade und nennest mich Sohn um Christi willen; das nehme ich mit Danksagung an, daß ich dich nicht zu einem Lügner mache und nenne dich durch Christum meinen Vater. Daraus ja wohl zu merken, daß wir Gottes Kinder werden allein durch den Glauben ohne alle Werke, wie Joh. 1, 12 auch stehet. Aber solche tröstliche Lehre St. Pauli wird ohne Erfahrung wohl unbekannt und unverstanden bleiben.

Am 8. Juni.

Die Schrift ist ein Buch, welches alle die Weisen und Klugen zu Narren macht und allein den Kleinen und Albernen offen steht, wie Christus saget (Matth. 11, 25.) Darum hüte dich, daß du nicht mit deiner Vernunft in die heilige Schrift fallest und dein selbst eigener Meister werdest; denn da werden Rottengeister aus, die sich lassen dünken, die Schrift sei ihnen unterworfen und leichtlich mit ihrer Vernunft zu erlangen, als wenn es Aesopi Fabeln waren, da sie keines heiligen Geistes zu bedürfen. Darum sollst du an deinem Sinn und Verstand stracks verzagen; denn damit wirst du es nicht erlangen, sondern mit solcher Vermessenheit dich selbst und Andere mit dir stürzen vom Himmel herab, wie dem Lucifer geschahe in den Abgrund der Höllen, sondern kniee nieder in dem Kämmerlein und bitte mit rechter Demuth und Ernst zu Gott, daß Er dir durch seinen lieben Sohn wolle seinen heiligen Geist geben, der dich erleuchte und lehre und dir Verstand gebe.

Am 9. Juni.

Man muß kommen zum Vater durch den Christum, daß man eine feine, liebliche Zuversicht zu Ihm gewinnet. Das erhebet ein blödes, verzagtes Gewissen, und machet es geruhig, sonst hilft Nichts, weder Kappen, noch Platten, weder Pfafferei, noch Möncherei, kein Werk ist, wie heilig es immer genannt mag werden, das Gottes Gericht mag stielen und uns in unserm Herzen befrieden, denn allein Gottes Wort. Gott hat aus Liebe uns seinen Sohn gegeben, durch den wir selig sollen werden; darein laß dir keine andere Bahn machen, denn die, und hüte dich für Zusatz, der verderbet es gar. Denn, der einen Zusatz machet, der führet dich von der rechten Bahn in den Holzweg; darum laß dein Gewissen stellen auf kein Werk, auf keines Heiligen Verdienst, sondern allein auf das Wort Gottes; der wird dir nicht lügen, sondern seiner Zusagung genug thun. Da ergreifest du Gott mit seinen eigenen Worten, darauf du dein Herz und Trost bauen, gründen und stellen kannst.

Am 10. Juni.

Auf daß auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.
(Joh. 17, 19.)

Siehe, wie Er so deutlich redet von der wahrhaftigen Heiligkeit, uns zu warnen, daß man sich vorsehe und der rechten Heiligkeit nicht fehle, und zu wahren, daß man nichts Anderes predige, denn von seiner Heiligung, noch Etwas verderbe und angreife, darinnen man Heiligkeit suche. Denn Er hat wohl gesehen, wie schwer es eingehet und so viel Anfechtung hat, sogar hanget's uns an, auch denen, die Christen sind, daß man etwa bei sich selbst suche, das wir selbst thun und die Heiligkeit erlangen möchten. Da will Niemand an, daß er sich bloß ans Wort hänge, und in Christi Heiligkeit krieche. Darum hat Er (sage ich) so fleißig das Wörtlein: in der Wahrheit, wiederholt und gesetzt wider alle Welt und menschliche Heiligkeit. Meine Heiligkeit, spricht Er, macht sie wahrhaftig heilig.

Am 11. Juni.

Nehmen wir vor uns, den inwendigen, geistlichen Menschen zu sehen, was dazu gehöre, daß er ein frommer, freier Christenmensch sei und heiße; so ists offenbar, daß kein äußerlich Ding mag ihn frei, noch fromm machen, wie es mag immer genannt werden. Denn seine Frömmigkeit und Freiheit, wiederum seine Bosheit und Gefängniß, sind nicht leiblich, noch äußerlich. Was hilfts der Seelen, daß der Leib ungefangen, frisch und gesund ist, isset, trinkt, lebt, wie er will? Wiederum, was schadet das der Seele, daß der Leib gefangen, krank und matt ist, hungert, dürstet und leidet, wie er nicht gerne wollte? Dieser Dinge reichet keines bis an die Seelen, sie zu befreien, fromm oder böse zu machen. Also hilft es der Seele Nichts, ob der Leib heilige Kleider anlege, wie die Priester und Geistlichen thun; auch nicht, ob er in Kirchen und heiligen Stätten sei; auch nicht, ob er mit heiligen Dingen umgehe; auch nicht, ob er leiblich bete, faste, walle, und alle gute Werke thue, die durch und in dem Leibe geschehen möchten ewiglich. Es muß noch Alles etwas Anders sein, das der Seele bringe und gebe Frömmigkeit und Freiheit. Denn alle diese obengenannten Stücke, Werke und Weisen mag auch an sich haben und üben ein böser Mensch, ein Meißner und Heuchler. Auch durch solch Wesen kein ander Volk, denn eitel Gleißner werden. Wiederum schadet es der Seele Nichts, ob der Leib unheilige Kleider tragt, an unheiligen Orten ist, isset, trinket, wallet, betet nicht, und lässet alle die Werke anstehen, die die obgenannten Gleißner thun. Hat doch die Seele kein ander Ding, weder im Himmel, noch auf Erden, darin sie lebe, fromm, frei und Christ sei, denn das heilige Evangelium, das Wort Gottes von Christo geprediget, wie Er selbst sagt, Joh. 11, 25. item Matth. 4, 4: So müssen wir nun gewiß sein, daß die Seele kann alles Dinges entbehren, ohne das Wort Gottes, und ohne das Wort Gottes ist ihr mit keinem Ding geholfen. Wo sie aber das Wort hat, so bedarf sie auch keines andern Dinges mehr; sondern sie hat in dem Wort genug, Speise, Freude, Friede, Licht, Kunst, Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit, und alles Gute überschwänglich.

Am 12. Juni.

Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben.

Sie waren dein, spricht Er, das ist, wie gesagt, wer das Wort höret, Herz und Ohren aufthut, und die Offenbarung hineinschallen und klingen laßt, der gehöret nimmer in die Welt, sondern mir an. Weil nun das gewiß ist, daß sie mein sind, und ich ihr Herr, Meister und Heiland bin; so ists auch gewiß und kein Zweifel, daß- sie dein, ja nicht allein jetzt dein sind, sondern vorhin, von Anfang, dein gewesen und durch dich zu mir kommen. Also ist mit einem Wort hinweggenommen aller Zorn und was man schreckliches denken mag im Himmel und auf Erden, und ein weiter Himmel voll Gnaden und Segen über dich aufgethan. Hangest du an dem Herrn Christo, so bist du gewißlich unter dem Haufen, die Gott von Anfang dazu erwählet hat, daß sie sein eigen sein sollten; sonst würden sie nicht herzu kommen, noch solche Offenbarung hören und annehmen.

Am 13. Juni.

Nöthige sie hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde. Das ist zu verstehen von den verzagten, blöden Gewissen, die gehören auch noch zu diesem Abendmahl, die werden hineingetrieben. Aber es ist nicht ein äußerlich, sondern ein innerlich und geistlich Treiben, und geschieht durch die Weise: Wenn das Gesetz geprediget wird und die Sünde aufgethan oder verklaret, daß der Mensch in sein Selbsterkenntniß kömmt, daß das Compellere und Hineintreiben heiße, frisch die Sünde in das Gewissen treiben, damit der Mensch erkenne, wie er Nichts sei, alle seine Werke sündlich und verdammlich, und also behende ein verzagtes Gewissen und ein blödes, erschrocken Herz überkomme, damit ihm alle Zuversicht und Hülfe entgehe, und er allenthalben nirgend auf sich trösten möge, und also endlich an ihm verzage. Wenn nun das geschehen ist, das da heißet Compellere, dann sollst du ihm mit dem Intrare nicht säumen, sondern ihm aus diesem Verzagen helfen. Das geschieht aber, wenn du ihn mit dem Evangelio tröstest und sagest ihm, wie er von der Sünde erledigt werde, und sprichst: Glaube an Christum, daß Er dich von der Sünde befreiet hat, so bist du der Sünden los! Das heißt hier Compelle intrare, und ist nicht zu verstehen von dem äußerlichen Treiben, wie sie es auslegen, daß man die Buben und Bösen mit Gewalt zu diesem Abendmahl treibe. Denn es thut's nicht, es ist auch die Meinung des Evangelii nicht. Darum treibe man's nur frisch in's Gewissen und lasse es innerlich und geistlich sein.

Am 14. Juni.

So wir Gottes Wort fleißig und treulich anhangen, da soll es nicht Mangel haben; Christus sorget für uns und wird müssen folgen, daß wir zu essen haben. Denn da liegt Nichts an, ob wir Etwas oder Wenig haben, es liegt an seinem Segen. So Er denselben zu dem geringen Vorrath schüttet, den du hast, so wird dir nicht allein Nichts zerrinnen, sondern es muß solches Segens halber auch überschießen und mehr da bleiben, denn im Anfang ist vorhanden gewesen. - Wer nun fleißig diesem Wunderwerke nachdächte, der würde andere Gedanken fassen und sich wegen der Fülle trösten, noch den Mangel schrecken lassen. Denn er würde sein Herz dahin richten und schließen: Wer Christum hat, der hat einen solchen Haushälter, der aus Wenig Viel, ja aus Nichts Alles machen kann; dagegen, wo Christus mit seinem Segen nicht ist, große Haufen zerschleußen, und, von Tag zu Tag abnehmen.

Am 15. Juni.

Wenn du das Evangelium-Buch aufthust, liesest, oder Körest, wie Christus hier oder dahin kommt, oder wie Jemand zu Ihm gebracht wird, so sollst du dadurch vernehmen die Predigt oder das Evangelium, durch welches Er zu dir kommt, oder du zu Ihm gebracht wirst. Denn Evangelium predigen, ist nicht anders, denn daß Christus zu ihm kommt, oder wir zu Ihm gebracht werden. Wenn du aber weiter siehest, wie Er wirket und hilft Jedermann, zu dem Er kommt, so sollst du wissen, daß solches der Glauben in dir wirket und Er deiner Seelen eben dieselbe Güte und Hülfe anbeut durchs Evangelium. Hältst du nun hier still und lässest dir Gutes thun, das ist, so du es glaubest, daß Er dir wohl thue und helfe, so hast du es gewiß und Christus ist dein.

Am 16. Juni.

Ob uns gleich die Welt also Plage und Herzeleid anleget, und einen bittern, sauren Trunk schenket, ohne was sonst täglich Unfall, Krankheit, Pestilenz, theure Zeit, Krieg über uns gehet, das dem Leibe oder äußerlichen Menschen wehe thut, das müssen wir lassen gehen, und als in einen sauren Apfel beißen, und das bittere Trünklein kosten, auf daß uns das süße hernach desto bas schmecke und wir dadurch getrieben werden, dieses Tages desto mehr mit Sehnen zu begehren. Sonst gingen wir wohl immer dahin, kalt und verstarret, daß wir unser Unglück zuletzt nicht fühlten, wie die sichere, unbußfertige Welt, und mit ihr gar ersoffen in Lust und Begierde dieses Lebens, bis wir auch Gottes Wort nicht mehr achteten und sammt den Gottlosen verderben müßten. Nun aber thut Gott uns die Gnade, daß Er uns dieses Lebens müde und satt machet, und eines bessern tröstet, nämlich, daß Er bald kommen werde in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit, und uns zu sich nehme und von allem Unglück erlöse, zu ewigen Freuden, daß uns freilich unserthalben nichts Besseres, noch Lieberes widerfahren kann. Aber den Gottlosen wird's alsdann nicht ein fröhlicher Anblick sein; denn Er wird sie in einem Nu so zerstoßen, daß sie in ewiger Qual liegen müssen, weil sie jetzt beide, Gottes Wort und Zeichen, so sicher und stolziglich verachtet haben.

Am 17. Juni.

Jesus spricht: Niemand kommt zum Vater, denn durch mich
(Joh. 14, 6).

Was ist zum Vater kommen? Nichts Anderes, denn aus dem Tode zum Leben, aus der Sünde und Verdammniß zur Unschuld und Frömmigkeit, aus dem Jammer und Herzeleid zur ewigen Freude und Seligkeit kommen. Solches, sagt Jesus, nehme ihm Niemand vor, auf andere Weise dazu zu kommen, denn durch Mich. Denn ich bin allein der weg, die Wahrheit und das Leben. Das heißt ja klar und deutlich genug geredt, rein ausgeschlossen und gewaltiglich niedergelegt alle Lehre vom Verdienst der Werke und eigner Gerechtigkeit, und geradezu verneint und versagt allen andern Trost und Vertrauen, dadurch man vermeinet gen Himmel zu kommen. Denn es heißt kurz: Niemand kommt zum Vater, denn durch mich; es ist kein ander Schiff, noch Ueberfahrt.

Am 18. Juni.

Das ist zur Lehre und Trost der Christen geschehen und geschrieben, daß Christus auch für leibliche Noth seiner Kirche sorget, daß sie ernähret und erhalten werde, ob sie wohl in die Noth kommt, da sich Alles stellet, als wollte es zu Grunde gehen, und scheinet, als habe sie Alles vergeblich gethan und gelitten. Wie es denn allenthalben und allezeit geschieht, wo das Evangelium angehet, da bringet es seine Armuth mit sich, und will gehungert, geblößet und gearmet sein; aber dennoch zuletzt, wenn der Teufel ein wenig versaufet und der Welt Schlund und Fraß gebüßet, kommt Christus dazu und spricht: Ich bin dennoch auch ein Herr auf Erden; denn es stehet geschrieben, Ps. 24, V. 1: Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, u. s. w.; item Ps. 8, 7: Alles hast du unter seine Füße gethan, Schaafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Wasser; das muß dennoch diesem Herrn gehorsam sein, und auch mit in Christi Reich gehören, daß Ihn dennoch die Welt auch mit den Seinen muß mit ihr davon essen lassen. Aber Er muß zuvor geben, wie ich gesagt habe, Hunger und Mangel, das ist, St. Petri lediger Kahn und Netz, wenn sie lange gearbeitet haben. Doch gibt Er ihnen nach solchem Verzug desto reichlicher; nicht einen Zuber voll (daran sie ihnen wohl genügen ließen); sondern das ganze Netz und zwei ledige Schiffe voll. Solches thut auch Christus dazu, daß dadurch auch der Glaube der geistlichen Hülfe gestärket; wie Er denn darum dieß Zeichen St. Petro und den Andern zeiget, die Er will zum Apostelamt berufen, nicht allein, daß sie glauben sollen, Er wolle auch ihren Bauch versorgen; sondern, daß Er auch zu ihrem Amt seine Kraft und Hülfe wolle erzeigen, daß es nicht soll vergeblich, noch ohne Frucht sein.

Am 19. Juni.

Da am dritten Sonntage nach Trinitatis des Evangelii vom guten Hirten, der das verlorne Schaflein suchte, gedacht ward, sprach Doctor Martinus: O, wie gar ein schön, tröstlich Evangelium ist doch das, in dem sich der Herr Christus selber abmalet, was Er für ein Herz zu uns armen Sündern habe, und wie gar Nichts wir zu unserer Seligkeit selbst zu thun vermögen. Denn gleichwie sich das Schaaf selbst nicht verwahren, noch vorsehen kann, daß es nicht irre weide, wo es der Hirte nicht immerdar weiset und leitet, also auch wir nicht. Ja, wenn es verirret und verloren ist, kann sichs nicht selbst wieder finden, noch zu seinem Hirten kommen; sondern der Hirt selbst muß ihm nachgehen und so lange suchen, bis Ers findet; ohne das müßte es ewig in der Irre gehen und verloren sein. Und wenn Ers funden hat, muß Ers auf seinen Rücken fassen und tragen, daß es nicht wieder von Ihm abgeschreckt, verirrt, oder vom Wolfe erhaschet werde. - Also können wir uns auch weder helfen, noch rathen, daß wir zur Ruhe und Friede des Gewissens kommen möchten und dem Teufel, Tod und Hölle entlaufen, wo uns nicht Christus selber durch sein Wort wieder holet und zu sich rufet. Und wenn wir zu Ihm kommen und im Glauben sind, vermögen wir uns doch nicht selbst H, darin zu erhalten, noch zu bestehen, wo Er uns nicht selbst immer durch dasselbe sein Wort und Kraft hebt und trägt, weil der Teufel allenthalben und ohne Unterlaß auf uns lauert und umherschleicht als ein brüllender Löwe (wie St. Petrus sagt 1 Epist. 5, V. 8), daß er uns fresse. Daß doch hie gar Nichts gilt, Etwas von unserm freien Willen oder Kräften zu rühmen, weder anzufangen, noch fortzufahren und dabei zu bleiben, sondern Christus, unser Hirte, muß allein Alles thun.

Am 20. Juni.

Die wahren Demüthigen sehen nicht auf die Folgen der Demuth, sondern mit einfältigem Herzen sehen sie in die niedrigen Dinge, gehen gern damit um, und werden selbst nimmer gewahr, daß sie demüthig sind. Da quillet das Wasser aus dem Brunnen, da folget von ihm selbst, ungesucht, daß sie geringe Geberde, Wort, Stätte, Person, Kleider führen und tragen, meiden, wo sie können, hoch und groß Ding; davon David sagt, Psalm 131,1: Herr, mein Herz ist nicht erhaben und meine Augen haben nicht empor gesehen! und Hiob am 22sten Kapitel, 29: wer sich erniedriget, der wird zu Ehren kommen, und wer seine Augen niederschlaget, der wird selig werden. Darum so geschiehts auch, daß denenselben allezeit die Ehre unversehns widerfahrt, und ihre Erhöhung kommt ihnen unbedacht. Denn sie haben ihnen begnügen lassen an ihrem geringen Wesen einfältiglich und nach der Höhe nie gedacht. Aber die falschen Demüthigen wundert es, daß ihre Erhöhung und Ehre so lange außen bleibt, und ihr heimlicher, falscher Hochmuth lasset sich nicht begnügen an seinem geringen Wesen, denkt heimlich nur höher und höher. Darum, wie ich gesagt habe, rechte Demuth weiß nimmer, daß sie demüthig ist (denn wo sie es wüßte, so würde sie hochmüthig von dem Ansehen derselben schönen Tugend); sondern sie haftet mit Herz, Muth und allen Sinnen an den geringen Dingen, die hat sie ohne Unterlaß in ihren Augen, das sind ihre Bilder, damit sie umgehet, und dieweil sie die in ihren Augen hat, kann sie sich selbst nicht sehen, noch ihr selbst gewahr werben, viel weniger der hohen Dinge inne werden. Darum muß ihr die Ehre und Höhe unversehns zukommen.

Am 21. Juni.

Wer das Kreuz recht und also tragen will, daß er nicht darunter zu Boden gehe, sondern Trost und Freude unter dem Kreuz habe, der lerne dem Herrn Christo, als dem beßten Schulmeister und Doctor, diese zwei Stücke ab: Das erste, daß er sanftmüthig sei; das andere, daß er von Herzen demüthig sei. Kurze Worte sind es; aber es will sehr lange Weile nehmen, bis wirs lernen, ja nur buchstabieren können. Denn da liegen uns zween schandliche Doctores oder Schulmeister im Wege, die wollen uns zu solcher Kunst nicht kommen lassen. Der erste: unser Fleisch und Vernunft, der andere: die Welt mit ihrem ärgerlichen Exempel. Denn Fleisch und Vernunft ist unleidlich und rachgierig, murret und gedenkt, sie wolle ihr des Leidens selbst abhelfen; wie man an dem Exempel der ganzen Welt stehet. Solchem Schulmeister und ärgerlichem Doctor, spricht Christus, folget nicht, sondern folget mir. Ich bin sanftmüthig; ich begehre mich nicht zu rächen; ich stelle Gott die Rache heim, und lasse über mich gehen, was Gott will; vertraue Ihm aber, Er werde mich nicht lassen, sondern gnädig heraus helfen. Das macht denn, daß ich sanftmüthig werde und Alles in Geduld überwinde.

Am 22. Juni.

Wird einmal ein Concilium werden, so wird eben von dieser Lehre, von dem freien Willen, das der Beschluß und Meinung sein, man solle dem folgen, was der Papst und die Väter geordnet haben. Wenn wir nun die Hälse dagegen abschrieen und sagten, der Mensch wäre von sich selbst, ohne den heiligen Geist, böse^, und was er ohne den heiligen Geist, oder ohne den Glauben thäte, das wäre von Gott verdammt; denn das Menschen-Herz wäre arg, und alle seine Gedanken böse: so würden wir doch Nichts ausrichten. Darum muß man im Herzen steif darauf bestehen und diese Lehre fest halten, die uns unsere Sünden und Verdammniß vorhält. Denn ein solch Erkenntniß unserer Sünden ist der Anfang unseres Heils, daß wir schlecht an uns selbst ganz und gar verzagen und Gott allein geben die Ehre der Gerechtigkeit. Unsere Unart und Schande kann allein durch den Geist Gottes geheilt werden. Wenn nun dieß im Herzen fest gegründet ist, so haben wir den Grund unserer Seelen zum mehreren Theile gelegt. Denn darnach haben wir klare Zeugnisse, daß Gott die Sünder nicht verwerfen will, das ist, die ihre Sünden erkennen, Buße zu thun begehren und dürsten nach der Gerechtigkeit und Vergebung der Sünden durch Christum. - Darum sollen wir mit allem Fleiß zusehen, daß wir uns nicht finden lassen unter diesen Cyclopen, die Gottes Wort widerstreben und ihren freien Willen und eigenen Werke rühmen. Denn ob wir wohl straucheln, fallen und sündigen, so will doch der heilige Geist, wo wir Ihn, wenn Er uns straft, mit demüthigem Bekenntniß unserer Bosheit erweichen, bei uns sein und die erkannten Sünden nicht allein nicht zurechnen, sondern will sie durch Christi Gnade zudecken und uns mit andern Gaben, die beide zu diesem und jenem Leben noth sind, reichlich begnaden.

Am 23. Juni.

Die Hauptgerechtigkeit ist der Glaube; wiederum die Hauptbosheit ist der Unglaube; es ist auch keine Sünde so groß, die einen Menschen möge verdammen, denn der Unglaube allein verdammet alle Menschen, die verdammt werden. Wiederum, auch allein der Glaube seligt alle Menschen, denn der Glaube handelt allein mit Gott, - da können keine Werke hinkommen. Denn die Werke handeln allein mit dem Menschen, und er laßt seiner Werke wiederum genießen, wie er Christi genossen hat; aber sie machen keinen Menschen fromm, sondern zeigen nur einen Menschen, der zuvor durch den Glauben fromm worden ist, welcher allein die Herzen rein machet. Darum kann ich wohl zugeben, daß sie also sagen: Die Werke machen nicht fromm, sondern zeigen an, daß du fromm bist, oder wenn sie also sprechen: Wer da glaubet, der dienet seinen Nächsten; laß ich auch geschehen. Daß sie aber sagen: Der Glaube ist nicht genug zur Seligkeit, sondern man müsse auch Gutes thun; die Glosse kann dieser Text so wenig leiden, als die Kirche, daß ich die Pfeiler wollte umreißen.

Am 24. Juni.

Suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan.
(Matth. 7, 7.)

Derhalben soll man glauben und hoffen, und im Gebet verharren und anklopfen, der Herr wird gewißlich kommen und nicht verziehen. Denn es ist unmöglich, daß ein solches Gebet, damit man immer anhält und beharret darinnen, nicht sollte erhöret werden. Dieweil wir aber nicht glauben, darum erfahren wir auch diese Beharrung nicht, empfinden dazu die große Hülfe und Güte Gottes auch nicht. Darum lasset uns unsere Herzen aufwecken zum Glauben und zum Gebet; und wir sollen wissen, daß Gott darzu Lust hat, wo man also beharret, und da Er die Beharrung geboten hat, da Er saget: Suchet, so werdet ihr finden, u. s. w. Und das Gebet wird immer reichlicher erhöret in solchem Kampf und Seufzen des Glaubens.

Am 25. Juni.

Ich empfinde täglich bei mir, wie gar schwer es ist, langwährige Gewissen und mit menschlichen Satzungen gefangen, abzulegen. O wie mit viel großer Mühe und Arbeit, auch durch gegründete heilige Schrift, habe ich mein eigen Gewissen kaum können rechtfertigen, daß ich Einer allein wider den Papst habe dürfen auftreten, ihn für den Antichrist halten, die Bischöfe für seine Apostel, die Hohenschulen für seine Hurenhäuser. Wie oft hat mein Herz gezappelt, mich gestraft und mir vorgeworfen ^ihr einig stärkest Argument: Du bist allein klug? Sollten die Andern Alle irren und eine so lang Zeit geirrt haben? Wie, wenn du irrest, und so viel Leut in Irrthum verführest, welche Alle ewiglich verdammet würden? Bis so lang, daß mich Christus mit seinem eigenen gewissen Wort befestiget und bestätiget hat, daß mein Herz nicht mehr zappelt, sondern sich wider diese Argumente der Papisten, als ein steinern Ufer, wider die Wellen, auflehnt und ihr Dräuen und Sturmen verlachet.

Am 26. Juni.

Das ebräische Wort Abba, welches heißt (wie Luther deutet) lieber Vater, ist das Rufen, wie ein junges Kindlein, so der Erbe ist, aus einfältiger, kindlicher Zuversicht mit seinem Vater lallet und ihn rufet: Ab! Ab! denn es ist das leichteste Wort, so ein Kind kann reden lernen, oder wie die alte deutsche Sprache auch schier leichter geredet hat: Etha! Etha!-Solch einfältig kindlich Wort redet auch der Glaube zu Gott durch den heiligen Geist, aber aus tiefem Herzen, und, wie er hernach sagt, mit unaussprechlichem Seufzen; sonderlich wenn er im Kampf und Nöthen ist wider Zweifel des Fleisches und des Teufels Schrecken und Plagen, daß er sich dagegen wehren muß und sagen: Ach lieber Vater! du bist ja mein lieber Vater, denn du hast ja deinen eigenen lieben Sohn für mich gegeben, darum wirst du ja nicht mit mir zürnen, noch mich verstoßen; item: Du siehest meine Noth und Schwachheit, darum wollest du mich retten und helfen.

Am 27. Juni.

Ein Christ ist ein Kind Gottes, ein Bruder Christi, ein Tempel des heiligen Geistes, ein Erbe des Reiches, ein Gesellschafter der Engel, ein Herr der Welt und der göttlichen Natur theilhaftig. Eines Christen Ehre ist Christus im Himmel, und Christi Ehre ist ein Christ auf Erden. Er ist ein rechtes Kind Gottes, das mit der Gerechtigkeit Christi angethan, in heiliger Furcht und willigem Gehorsam vor seinem Vater wandelt; er scheint als ein Licht in der Welt und als eine Rose unter den Dornen. Er ist ein wunderschönes Gnadengeschöpf Gottes, über welches sich die heiligen Engel erfreuen und es allenthalben mit Freuden begleiten. Er ist ein Wunder der Welt, des Teufels Schrecken, eine Zierde der Kirche, ein Verlangen des Himmels. Sein Herz ist voll Freude, die Augen voll Wasser, der Mund voll Seufzen, die Hände voll guter Werke.

Am 28. Juni.

Die Verheißungen werden nicht darum gegeben, daß wir dabei schnarchen, faullenzern und schlafen sollen, oder daß wir thun sollen, was stracks wider die Verheißung ist, sondern wir sollen dabei arbeiten, wacker und wachsam sein und Frucht bringen. Also werde ich nicht darum getauft, gebrauche des Herrn Abendmahl nicht darum, daß ich daheim schnarchen und faullenzern soll, sondern wenn du die Verheißung, die Taufe und Absolution hast, so gedenke, daß du berufen bist, daß du wachen und dasjenige, so zum Glauben und zu deinem Berufe gehört, fleißig und mit großer Sorgfalt ausrichten sollst. Wir werden nicht darum von unfern Sünden absolvirt, daß wir hinfort darin leben und denselben dienen sollten, sondern daß wir ihnen widerstreben und fest in der Verheißung beharren sollten, daß ich mit Geduld leiden soll, wenn mir Gott das Kreuz auflegt, auf daß wir gefegt werden und reichere Frucht bringen. Denn wer kein Crucianus ist, der ist auch kein Christianus. Derohalben soll ich nicht sagen: Ich weiß nicht, was werden will; darum will ich auch Nichts thun. Ja, Gott spricht vielmehr also: Thue du, was dir in deinem Amte gebührt zu thun, und lasse mich das Andere machen. Er hat nicht gesagt: Es wird Alles gerathen, sondern: du sollst thun, was dir Amts halber gebührt zu thun; du sollst nicht wissen, wie es gerathen, oder was geschehen werde. Du bist gerechtfertigt; derohalben gehe nur hin und übe deinen Glauben mit den Werken des Haus- und Weltregimentes. Und für dieses Erkenntniß des Willens Gottes und für den Beruf, dazu er berufen ist, er sei ein Knecht, oder eine Magd, ein Regent, oder Unterthan, wenn er nur ein Glied im Welt- und Hausregiment sein mag, so soll er Gott danken und wissen, daß er einen gnädigen Gott hat, der ihm gut und wohlgewogen ist.

Am 29. Juni.

Das ist der rechten Liebe Art, wo sie um des Geliebten willen Alles thut, und ist ihr Nichts zu schwer zu leiden und zu tragen, das sie nicht mit Freuden thue, wie wir auch sehen an der natürlichen Liebe, von Gott eingepflanzt zu einem Bilde seiner göttlichen Liebe gegen uns, in Vater und Mutter gegen ihre Kinder, welche lauter umsonst und gegen Unverdiente brennet und sie treibet, ihnen Gutes zu thun; wie auch Christus solche Liebe gegen uns zum höchsten erzeiget, da Er in seiner göttlichen Majestät war ewiger Gott und Schöpfer, gegen uns arme Creaturen, die wir Ihm doch Nichts verwandt waren und Nichts, denn Zorn und Verdammniß verdient hatten. So nun die Liebe solches thut gegen denen, von welchen sie zuvor nicht geliebet, und die keine Liebe verdient haben, und wir doch ja ohne das schuldig wären, Christum zu lieben, wenn Er es auch nicht so hoch verdient hätte, als unsern Schöpfer und Gott, wie vielmehr sollen wir Ihn lieben, weil Er zuvor uns so hoch geliebet hat. Und so uns solche unaussprechliche Wohlthat recht zu Herzen ginge, würde uns freilich auch Nichts verdrießen, noch zu schwer werden, was wir wieder um seinetwillen leiden und tragen sollten, auf daß wir nur in seiner Liebe sein möchten.

Am 30. Juni

Gleichwie der Glaube nicht ist ein schläfriger Gedanke und menschlicher Wahn, sondern eine lebendige Zuversicht im Herzen auf Gottes Gnade, und eine Quelle, da alles Gute ausfleußt; also ist auch der Unglaube nicht otiosa speculatio, ein müßiger Gedanke, oder Tyrann, sondern eine Eitelquelle im Grunde des Herzens, da andere Sünden auffolgen mit Haufen, daß man entweder sicher und vermessen dahin geht, Gott verachtet, den Nächsten hasset und leidet und allerlei Böses thut, und dennoch kein Gewissen darüber machet, oder gar zu verschrocken ist und in Verzweiflung fallt. Denn die Werke des Unglaubens sind nicht verborgen, sondern offenbar, wie St. Paulus lehret, Gal. 5,19, da er die Werke des Fleisches erzählet. Darum ist der Unglaube nicht ein stilles Ding, das im Herzen liegt, ruht und feiert, sondern das herausquillet und allerlei böse Früchte bringt. Dagegen aber der Glaube ist auch nicht ein todt Ding, sondern ein lebendig, mächtig Ding, da das Herze muthig und fröhlich ist und trotzet wider die Sünde und Tod und spricht: Ich will mich nicht so schrecken lassen, denn ich habe einen Mann, Christum, der hat gesagt: wer da glaubt und getauft wird, der wird selig. Dabei bleibe ich, und wage es getrost auf Ihn.

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