Krummacher, Carl - Ich bin der Herr, dein Arzt.
Predigt über 2. Mos. 15,26. gehalten an dem Missionsfest zu Nümbrecht, den 17. Juli 1859, von
Carl Krummacher, Pastor an der ev.-reform. Gemeinde zu Radevormwald.
Beilage zum „Deutschen Volksboten an der Sieg und Agger.”
Olpe, 1859. Verlag und Druck von Th. Mietens.
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heil. Geistes sei mit uns Allen! Amen.
Zu einem Missionsfeste haben wir uns hier vereinigt. Unsere Missionsfeste feiern wir, um dem Herrn zu danken für die Wunder der Gnade, die er an den Herzen der Heiden gewirket hat; und dazu haben wir ja vielen Grund. Der Herr thut Großes in der Heidenwelt. Unsere Zeit erweis’t sich auch darin als die letzte Zeit, daß sie vorwiegend Missionszeit ist. Wenn wir bedenken, was seit etwa 50 Jahren an verlornen Seelen in der Heidenwelt geschehen ist, dann haben wir vielen Grund zum Rühmen und zum Preisen, ja es sollte eigentlich die Stimme des Dankes dafür niemals stumm werden in unseren Herzen.
Indessen unsere Missionsfeste haben mit der Zeit noch eine andere Bedeutung bekommen. Weil nämlich die gläubigen Christen vor allen anderen die Missionsfreunde sind, und Niemand ein rechtes Herz für die Heidenbekehrung haben kann, der nicht selbst etwas erfahren hat von dem Geiste des Neuen Testaments, so hat es sich ganz naturgemäß entwickelt, daß die Missionsfeste zugleich Vereinigungsfeste der gläubigen Christen geworden sind, die sich hier mit einander freuen ihres gemeinsamen Herrn und Heilandes und sich gegenseitig stärken in brüderlicher Liebe und Gemeinschaft. Da darf ich ja wohl voraussetzen, daß auch heute zu eurem lieben Nümbrecht eine große Schaar von Kindern Gottes aus nah und fern zusammengeströmt ist, die sich eins an dem andern erbauen und erwärmen möchten. Ich verhehle es euch nicht, lieben Freunde, daß mir diese Seite die lieblichste und segensreichste an unseren Missionsfesten zu sein scheint und von diesem Gesichtspunkte habe ich mich denn auch bei der Wahl meines Textes leiten lassen. Die eigentliche Missionssache braucht übrigens dabei nicht zu kurz zu kommen. Denn wenn wir davon mit einander reden, was wir an unserem Jesu haben, welch eine Fülle von Segnungen und Heilsschätzen in ihm beschlossen liegt, wie wir an ihm Alles haben, was zu unserm zeitlichen und ewigen Wohlergehen vonnöthen ist, da findet sich von selbst der Seufzer:
Wenn doch alle Seelen wüßten, wie es dem so wohl ergeht,
Welcher in der Zahl der Christen wahrer Glieder Jesu steht!
und da begnügt man sich nicht bloß mit dem Seufzer, sondern legt frisch Hand ans Werk. Man treibt Mission zunächst im eigenen Kreise, wo es auch des Heidenthums und der Entfremdung vom göttlichen Worte so entsetzlich viel gibt; hier läßt man das Licht leuchten, das der Herr im Herzen angezündet hat, hier sucht man durch Wort und Wandel ihrer etliche für Christum zu gewinnen; sodann aber erweitert sich der Gesichtskreis: der Christ überschaut im Geiste die Millionen und aber Millionen Heiden, die noch in Finsterniß und Todesschatten dahin gehen und nichts wissen von dem Blute der Versöhnung, das auf Golgatha geflossen ist; ach, wie könnte er sich denen gegenüber gleichgültig verhalten? und wenn es nun Anstalten gibt, welche sich die Bekehrung der Heiden zur Aufgabe gesetzt haben, wie sollte er nicht mit tausend Freuden, so weit in seinen Kräften steht, dieselben mit Gebet und Handreichung unterstützen! Summa, wer den Herrn Jesum recht brünstig lieb hat, der ist auch ein lebendiger Freund der Missionssache, und wenn darum unsere heutige Predigt uns dazu gesegnet werden sollte, uns in der Liebe zum Herrn Jesu zu befestigen, so wird sie mittelbar auch dazu dienen, unsern Missionseifer zu beleben. Das walte Gott!
Die Worte unseres Textes findet ihr aufgezeichnet:
Ich bin der Herr, dein Arzt!
2. Mos. 15,26:
Ein zwar kurzer, aber gar reicher Text, den ich euch soeben aus unserer theuren Bibel vorgelesen habe, ein Text, der uns so recht deutlich zeigt, wessen wir uns zu dem Herrn Jesu zu versehen haben. Das Verhältniß des Herrn zu seinen Gläubigen wird uns in der heiligen Schrift unter sehr verschiedenen Bildern dargestellt. Bald erscheint uns der Herr als der König, der die Seinigen regiert nach seinem Rath und Willen, bald als der Bräutigam, der seine auserwählte Braut zu sich heimholt, bald als die Thüre, durch welche wir in den Schafstall des ewigen Lebens eindringen, bald als der Weinstock, aus dem die Reben Kraft und Saft empfangen, bald unter diesem, bald unter jenem Bilde. Unter allen diesen Bildern ist aber unstreitig eins der lieblichsten und tröstlichsten das in unserm heutigen Texte, wo uns der Herr Jesus als ein Arzt abgebildet wird. „Ich bin der Herr, dein Arzt“, das zeigt uns unser natürliches Verderben, das zeigt uns aber auch die Herrlichkeit, zu der wir in Christo Jesu berufen sind. Laßt uns denn beides nach einander etwas näher erwägen, indem wir
- die Kranken und ihre Krankheit, und
- den Arzt und seine Heilmethode
in’s Auge fassen.
I.
Wenn der Herr Jesus sich in unserm Texte einen Arzt nennt, so ist wol die erste Frage, wer denn eigentlich die Kranken sind, welche er gesund macht. Da meint ihr nun vielleicht, das seien die armen Heiden, und ich will euch darin auch nicht völlig Unrecht geben. Allerdings, die Heiden sind krank, todtkrank, so krank und elend, daß sie unser innigstes Mitleid in Anspruch nehmen. Aus tausend Wunden blutet der Körper der Heidenwelt, und was uns von ihrem scheußlichen Götzendienst, von ihrer wilden Mordlust, von ihrer satanischen Grausamkeit berichtet wird, es ist so schauerlich und entsetzlich, daß sich einem das Herz dabei im Leibe umwenden möchte. Indessen nicht bloß in der Heidenwelt sind die Kranken zu finden, sondern auch in der Christenheit. Wir wollen nicht gering anschlagen, was wir schon durch unsere Geburt vor den Heiden voraushaben. Es ist etwas Großes, daß wir die lautere Predigt des göttlichen Wortes haben; es ist dankenswerth, daß wir schon unsere zarten Kindlein dem Herrn weihen und in seinen Opfertod einsenken dürfen. Zudem hat das Evangelium in den mannichfachsten Beziehungen als ein Sauerteig unsere Verhältnisse durchdrungen, so daß auch solche, die noch nicht durch den Geist Gottes wiedergeboren sind, von den heiligenden Einflüssen der christlichen Kirche und ihrer Gnadenschätze nicht unberührt bleiben können; aber bei alledem und alledem ist doch im Grunde das natürliche Menschenherz dasselbe in der Heidenwelt wie in der Christenheit, und wenn darum die armen Heiden krank sind, wir sind’s nicht minder; der unbekehrte Mensch ist’s ganz besonders; aber auch diejenigen, die da angefangen haben, dem Herrn Jesu ihr Herz zu ergeben, laboriren noch an dieser Krankheit, so lange sie den Leib der Sünde mit sich herumtragen. O, Geliebte, diese Krankheit des natürlichen Menschen ist etwas über die Maaßen Trauriges. Leider geht es uns hier vielfach wie den Schwindsüchtigen und Fieberkranken, die gar nicht wissen, wie krank sie sind, und selbst dann noch mit der Hoffnung des Wiederbesserwerdens sich trösten, wenn sie schon mit einem Fuße im Grabe stehen. Aber wenn uns der Heilige Geist über unsern wahren Zustand die Augen öffnet, da erkennen wir erst, wie verzweifelt böse unser Schade ist, und klagen mit dem Psalmisten: Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe. Meine Wunden stinken und eitern vor Thorheit, meine Lenden verdorren ganz und ist nichts Gesundes an meinem Leibe.
Krank sind wir, todtkrank, es gibt kaum eine Krankheit im natürlichen Leben, die nicht auf geistigem Gebiete ihr Abbild fände, und alle die Kranken, die zu dem Herrn Jesu kamen, um von ihm geheilt zu werden, sie sind unser getreues Conterfei. Da treffen wir z.B. in der Bibel Blinde. Ach wie ist der natürliche Mensch so blind. Dicke Finsterniß hat sich um ihn gelagert, so daß er keine Hand vor Augen sehen kann. Blind ist er gegen Gott, aus dem er sich einen gutmüthigen Allvater macht, der seinen Kindern durch die Finger sieht; blind gegen das Gesetz, von dessen furchtbarem Ernste er kaum eine Ahnung hat; blind gegen sich selbst, wenn er über den eitlen Dingen dieser Welt die Sorge für seine unsterbliche Seele ganz dahintenläßt; blind gegen das Evangelium, das er als eine Anstalt für trübselige Kopfhänger betrachtet, während es sich in Wirklich gerade umgekehrt verhält. Und da hilft auch alle Bildung und Aufklärung nicht, von der man heutzutage so viel Aufhebens macht, der Herr muß uns den geistlichen Staar stechen, sonst sind wir blind und bleiben blind, auch wenn wir noch so viele gelehrte Bücher durchstudiret hätten.
Wir finden ferner Taube unter den Kranken, die zu dem Herrn Jesu kommen. Auch das findet auf den unbekehrten Menschen seine Anwendung. Er ist taub. Die gewaltigsten und erschütterndsten Predigten hört er mit völlig kaltem Blute, es geht, wie man zu sagen pflegt, zum einen Ohr herein und zum andern heraus. Ja häufig hört er im buchstäblichen Sinne des Wortes gar nichts, wollte man ihn nach geschlossenem Gottesdienste fragen, was er denn eigentlich von der Predigt behalten habe, so würde sich herausstellen, daß er nur mit seinem Leibe in der Kirche gewesen war, und seinen Geist unterdessen auf dem Acker, auf der Wiese, bei den Kühen und Schweinen und wo sonst noch hatte herumschweifen lassen. Freilich nicht gegen Alles ist der natürliche Mensch taub. Unterhält man ihn von Tagesneuigkeiten und Weltbegebenheiten, erzählt man ihm allerlei Schnurren und Narrentheidinge, da ist er ganz Ohr und weiß nicht, wie eifrig er aufmerken soll. Aber der Herr Jesus kann zu ihm sagen, was er will, er kann ihm die ernstesten Wahrheiten vorhalten, oder in der liebreichsten Weise zu ihm reden, das genirt ihn nicht, und ist fast gerade so gut, als ob es nicht gesagt wäre.
Auch Stumme hat der Herr Jesus geheilt, wie z.B. jenen Taubstummen, von dem Marc. 7. die Rede ist. Daß der natürliche Mensch auch stumm ist, scheint weniger nahe zu liegen, denn bekanntlich weiß er seine Zunge sehr rasch in Bewegung zu setzen, wenn es gilt, den Nächsten zu verlästern und zu verläumden, oder wo irgend Gegenstände des äußerlichen Lebens zu verhandeln sind. Auch kann man nicht einmal unbedingt sagen, daß unbekehrte Leute von geistlichen Dingen nicht zu reden verständen. Denn wenn alle Diejenigen, welche die Sprache Canaans reden, wirklich Einwohner des himmlischen Canaans wären, dann würde das Häuflein der Gläubigen bedeutend größer sein, als es wirklich ist. Aber in einem Stücke ist der natürliche Mensch sicherlich stumm, seinem Gotte gegenüber da ist er stumm, das „Abba, lieber Vater“ will ihm nicht über die Lippen gleiten, und sollte er auch den Schein des Gebetes annehmen wollen, so könnt ihr euch doch fest darauf verlassen, daß wenn er sich in seinem einsamen Kämmerlein befindet, wo die Thüre zugeschlossen ist, er zu dem Vater im Verborgenen nichts zu reden weiß.
Eine der schrecklichsten Krankheiten, deren die Heilige Schrift Erwähnung thut, ist der Aussatz. Diese Krankheit, welche im Innern des Körpers ihren Entstehungsgrund hat, äußert sich zunächst auf der Oberhaut in der Gestalt eines nadelspitz großen weißen Fleckens oder Grinds. Der Flecken wird immer größer und größer, und verbreitet sich allmählich über den ganzen Körper, die Haare werden weiß, die Glieder faulen ab, die Stimme wird heiser und krächzend, die Nerven empfindungslos, die Sinne stumpf, das Auge matt und triefend, ängstliche Träume treten hinzu, kurz der ganze körperliche Organismus so wie auch das seelische Leben werden in die Krankheit hineingezogen, bis endlich der Tod dem unsäglichen Jammer ein Ende macht. O wie klar wird uns doch durch dies Alles das Wesen der Sünde gekennzeichnet! Im Innern des menschlichen Herzens hat die Sünde ihren Entstehungsgrund, wie der Aussatz im Innern des Leibes. Dem fehlt es noch ganz an der richtigen Selbsterkenntniß, der da meint, er habe nur einzelne äußere Fehler und Gebrechen, während sein Herz gut und rein sei. Nein, lieber Freund, aus dem Herzen, und auch aus deinem und meinem Herzen kommen allerlei arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei und wie die bösen Schlangen weiter heißen, die sich in unserm Herzen eingenistet haben. Wie aber der innere Krankheitsstoff nicht im Innern stecken bleibt, sondern auch äußerlich hervortritt, so wird auch die Sünde offenbar in bösen Worten und Werken, und da geht’s denn gerade wieder wie beim Aussatz. Es werden mit der Zeit alle Kräfte der Seele und alle Glieder des Leibes in den fürchterlichen Zerstörungsprozeß mit hineingezogen; der Verstand wird verfinstert und macht sich grundfalsche Begriffe von Gott und göttlichen Dingen, das Gewissen stumpft ab und hört auf, den Menschen zu warnen; die Einbildungskraft wird durch unzählige sündliche Bilder verunreinigt, der Wille ist, anstatt auf das Gute gerichtet, vielmehr voller Haß und Feindschaft gegen den Herrn und sein heil. Gesetz. Ebenso verhält es sich aber auch mit den Gliedern des Leibes. Da kann die Stirne des Königs Usia nicht so voller Aussatz gewesen sein, als sich auf der Stirne manches Menschen ein freches und unverschämtes Wesen kundgibt. Da sind die Augen manches Sünders so vom geistlichen Aussatz erfüllt, daß er kein Weib ansehen kann, ohne ihrer zu begehren, ja selbst im Gotteshaus seine geilen Blicke nicht zurückzuhalten vermag. Die Hände sind so aussätzig, daß sie nach unrechtem Gute sich ausstrecken oder sonst im Dienste der Sünde und Ungerechtigkeit gebraucht werden; und auch die Zunge manches unbekehrten Menschen starrt dermaßen vom Aussatze, daß man nichts als Fluch- und Scheltwort, Lüge und Verleumdung von ihm vernimmt.
Erkenne denn in dem Aussätzigen deine eigene Gestalt, geliebter Mitsünder; denn was uns auch sonst von dem Aussatz berichtet wird, es paßt so auf’s Haar auf unsere Sündenkrankheit, daß ich in der That kein treffenderes Bild der Sünde wüßte, als eben den Aussatz. Wenn da den Aussätzigen außerhalb der Stadt ihre Wohnsitze angewiesen wurden, so sie einem jeden Vorübergehenden zurufen mußten: unrein, unrein! so sind auch wir von Haus aus außer der Bürgerschaft, und fremde von den Testamenten der Verheißung. „Eure Untugenden scheiden euch und euren Gott“, so lautet das furchtbare Urtheil, welches uns die Schrift ertheilt, so lange wir noch in unsern Sünden dahingehen. Es ist eine große Kluft befestigt zwischen uns und unserm Gott, die jede innere Gemeinschaft zwischen ihm und uns völlig unmöglich macht. wenn dann ferner der Aussatz eine erbliche Krankheit ist, die sich von Vater auf Sohn fortpflanzt bis in’s 3te und 4te Glied; ach die Sünde vererbt sich nicht bloß bis in’s 3te und 4te Glied, sondern bis in’s hundertste und tausendste Glied. Adams Sünde hat sich schon über sechs Jahrtausende fortgepflanzt, und wird sich auch fernerhin fortpflanzen, so lange es dem Herrn gefällt, dieser armen Erde das Dasein zu fristen. Ist ferner der Aussatz eine ansteckende Krankheit, so daß schon der Athem eines solchen Menschen vergiften kann: siehe der Umgang des Sünders ist nicht minder gefährlich. Nicht umsonst preis’t die Schrift diejenigen selig, die nicht wandeln im Rathe der Gottlosen, nicht treten auf den Weg der Sünder, noch sitzen, da die Spötter sitzen. Wer bei den Sündern und Spöttern seinen Umgang such, der ist auf dem besten Wege, selbst ein Sünder und ein Spötter zu werden.
Endlich aber ist der Aussatz eine tödtliche Krankheit, gegen die kein Arzt mit seinen Arzneimitteln etwas ausrichten kann. Aehnlich verhält es sich wiederum mit der Sündenkrankheit; hier hilft weder Kraut noch Pflaster, weder das Kraut eines äußerlich ehrbaren Wandels, mit dem so Viele ihr inneres Verderben zudecken wollen, noch auch das Pflaster des Kirchengehens und Abendmahlsbesuchs, von dem Andere sich die größten Wirkungen versprechen; tödtlich ist unsere Krankheit, sie führt sogar einen 3fachen Tod mit sich, den leiblichen, geistlichen und ewigen Tod. Ewig, ewig müssen wir verloren gehen, falls uns nicht gründlich geholfen wird.
II.
Ach, Geliebte, wenn es also um uns steht, was könnte da wol wichtiger sein, als daß wir uns nach einem Arzte umsehen, der alle Krankheit von uns nimmt. Ein solcher Arzt tritt uns nun in unserm heutigen Texte entgegen, das ist der, der da spricht: „Ich bin der Herr, dein Arzt!“ Ja, lieben Freunde, einen besseren Arzt kann es gar nicht geben, als den Herrn Jesum. Er vereinigt alle Eigenschaften in sich, die man von einem tüchtigen Arzte verlangt. Zunächst ist er nämlich ein gar freundlicher und liebreicher Arzt. Er geht nicht rauh mit den Leuten um, ist auch nicht mürrisch und grämlich, sondern hat ein gar liebliches und holdseliges Wesen. Das zerstoßene Rohr will er nicht zerbrechen und den glimmenden Tocht nicht auslöschen. Die Traurigen in Zion tröstet er und weiß mit den Müden zu reden zur rechten Zeit. So oft eine kranke Seele zu dem Herrn Jesu hinkam, da ist sie jedesmal bis zu Thränen gerührt worden über die Freundlichkeit dieses Arztes. Sie hatte sich vielleicht darauf gefaßt gemacht, daß er sie hart anfahren werde, daß es etwa zu ihr heißen werde: Weg mit dir, du hast zu lange gewartet, du hast dich zu tief in die Sünde verstricken lassen, als daß es mit dir noch einmal eine bessere Wendung nehmen könnte, - und statt dessen überschüttete er sie mit Beweisen seiner Huld und Freundlichkeit und wußte nicht, was er ihr Alles zu Liebe anthun sollte. – Damit hängt noch ein Weiteres zusammen. Der Herr Jesus ist zweitens auch ein sehr billiger Arzt. Ich weiß wohl, reiche Leute fragen da wenig nach, denen ist’s egal, was der Arzt ihnen anrechnet, wenn sie nur wieder gesund werden. Aber geringe Leutchen, die von ihrer Hände Arbeit leben, müssen sich vor den zu hohen Doktor- und Apothekerrechnungen hüten und sind oft gezwungen, auf die Hülfe eines (etwa entfernt wohnenden) Arztes zu verzichten, wenn er zu viel von ihnen fordert. Aber siehe! der Herr Jesus das ist ein billiger Arzt. Er will gar keine Bezahlung von uns haben. „Ohne Geld und umsonst“ nimmt er uns in seine Kur und Pflege und besucht uns noch dazu so oft, als wir’s nur wünschen und begehren. Willst du ihm aber durchaus etwas dafür geben, nun dann gib ihm das Schlechteste, was du hast, gib ihm deine Sünde, die will er als Geschenk von dir annehmen, um sie in die Tiefe des Meeres zu senken.
Die wichtigste Eigenschaft an einem Arzte ist aber die Geschicklichkeit. Was hilft mich ein noch so freundlicher und billiger Arzt, wenn er seine Kunst nicht versteht. Nun der Herr Jesus ist der geschickteste Arzt von der Welt. Er kann alle Kranken gesund machen, es gibt keine noch so gefährliche Krankheit, die er nicht vollständig curiren könnte, und tausend und aber tausend begnadigte Seelen preisen die Geschicklichkeit dieses Arztes, der sie aus dem tiefsten Verderben herausgerissen und zu Kindern und Erben der Seligkeit angenommen hat. Verlangt ihr Beispiele, so brauche ich nicht lange in Verlegenheit zu sein. Ich erinnere euch etwa an die große Sünderin. Das war ein liederliches Weib, welches in dem schlechtesten Rufe stand und durch ihren schändlichen Lebenswandel alle Achtung ihrer Nebenmenschen eingebüßt hatte. Wo sie sich blicken ließ, wies man mit Fingern auf sie, und die meisten Menschen glaubten sich schon zu verunreinigen, wenn sie nur mit ihr zusammenkamen. Da wandte sich diese Todtkranke an den Herrn Jesum. Aufgelös’t von Sündenschmerz warf sie sich vor ihm nieder, benetzte seine Füße mit ihren Thränen und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes; und siehe, der Herr stieß sie nicht von sich, wie die Pharisäer; er machte sie völlig gesund und sprach zu ihr: Sei getrost, meine Tochter, dir sind deine Sünden vergeben; gehe hin in Frieden. Ein 2tes Beispiel ist der Oberzöllner Zachäus. Auch er weiß nicht genug die Geschicklichkeit dieses Jesusarztes zu rühmen. Ach, erzählt er uns, ich war ein verworfener und gottloser Mensch. Lug und Trug war mein tägliches Handwerk und so hatte ich es durch meine Bubenstücke mit der Zeit dahin gebracht, daß ich zum reichen Manne geworden war. Indessen ich mußte es erfahren, daß das kalte Geld den Menschen noch nicht glücklich macht; mein Herz dürstete nach Frieden, den ich in den Dingen dieser Welt nicht finden konnte. Da bin ich zu dem Jesusarzte gegangen und der hat mir geholfen. Seitdem der Herr Jesus unter meinem Dache geweilt und mir das Friedenswort: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren! zugerufen hat, ist meine Seele voll Jauchzens und Frohlockens und ich kann gar nicht aufhören zu rühmen das Große und Herrliche, was der Herr nach seiner freien Gnade an mir Sündenwurm gethan hat.
Wollt ihr einen dritten Patienten, den der Herr gesund gemacht hat, so seht euch dort den Petrus an, der uns schon mit seinen verweinten Augen entgegentritt. Ach, hebt er seine Erzählung an, tiefer kann kein Mensch in die Sünde fallen, als ich. Was die Andern erzählt haben, das ist noch nichts, denn sie kannten ja den Herrn nicht, während sie ihr ruchloses Leben führten. Ich aber habe, nachdem ich 3 Jahre hindurch in der unmittelbaren Nähe des Herrn geweilt hatte, ihn auf die schimpflichste Weise verleugnet, habe sogar schreckliche Flüche und Verwünschungen über meine Lippen gebracht, und mich überhaupt in einer Weise benommen, daß ich gar nichts Anderes erwarten durfte, als daß er mich völlig von seinem Angesichte verstoßen werde; und dennoch, dennoch hat der treue Herr mich wieder angenommen. O er blickte mich so ernst und feierlich und doch dabei so mild und freundlich an, daß es mir durch Mark und Bein ging und ich meine Thränen nicht mehr zurückhalten konnte, und als ich dann auf seine 3malige Frage: Hast du mich lieb? die Antwort ertheilen durfte: Ja, Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe! (wobei mir freilich das Wasser auf’s Neue in die Augen trat,) da war Alles wieder gut und er hat mich hinfort so angesehen, als ob inzwischen nichts unter uns Beiden vorgefallen wäre. – Nein, ruft da ein Vierter, nicht Petrus, ich bin der vornehmste unter den Sündern! und ihr merkt wohl schon, daß es der Mann von Tarsen ist, der hier vor uns steht. Ich war ein Lästerer, Schmäher und Verfolger, ich ging systematisch darauf aus, die Gemeinde des Herrn zu unterdrücken, und hätte es in meiner Macht gestanden, ich würde den Namen des Herrn Jesu vom Erdboden vertilgt haben. Aber mir ist überschwengliche Barmherzigkeit zu Theil geworden. Der Herr Jesus hat an mir als einem lebendigen Exempel gezeigt, was er aus einem verlorenen Sünder machen kann, und so weiß ich denn nun keinen süßeren Trost und keinen seligeren Frieden, als das theuerwerthe Wort, daß Jesus Christus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.
Seht, lieben Freunde, das sind so einige Seelen, die der Herr Jesus geheilt hat. Es sind aber keineswegs die einzigen, nein, durch alle Jahrhunderte hindurch zieht sich der Dankespsalm:
Das zähl’ ich zu dem Wunderbaren, Mein stolzes Herz hat’s nie begehrt:
Mir ist Erbarmen wiederfahren, Erbarmen, dessen ich nicht werth;
Nun weiß ich das, und bin erfreut, Und rühme die Barmherzigkeit.
Auch hier in unserm Kreise sind unstreitig solche, die diesen Vers aus eigenster und persönlicher Erfahrung mitbeten dürfen. O ihr lieben begnadigten Seelen, wie vielen Grund habt ihr zum Danken. Wenn ihr in euer vergangenes Leben zurückblickt, wie traurig sah es mit euch aus. Ihr waret auch weiland Unweise, Ungehorsame, Irrige, dientet den Lüsten und mancherlei Wollüsten, ihr thatet den Willen des Fleisches und der Vernunft gleichwie die Andern und standet unter der Botmäßigkeit des Fürsten dieser Welt, der sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens. Und wenn es nun anders bei euch geworden ist, wenn ihr nicht bloß von Sünde, sondern auch von Gnade zu reden wißt: wem anders habt ihr das zu danken, als dem treuen Jesusarzte, der euch in seine Kur und Pflege genommen hat? Ja es sollte mich Wunder nehmen, wenn nicht auch solche in unserer Mitte wären, die der Herr ganz besonders wie einen Brand aus dem Feuer gerissen hat, wiewohl wir ja alle bekennen müssen, daß wir ihm viel Mühe gemacht haben mit unseren Sünden und viel Arbeit mit unserer Missethat. Aber da ist vielleicht ein Mensch unter uns, der früher recht dick in der Welt saß. „Lasset uns Wein holen und voll saufen und soll morgen sein wie heute“ das war seine Loosung, darin fühlte er sich wohl. Wo irgend der Teufel sein verwegenes Spiel trieb, da war er einer der Ersten und unterließ es auch nicht, bei solchen Gelegenheiten recht tüchtig über die Pfaffen und die Feinen loszuziehen, - und nun sitzt er mitten unter uns und feiert mir uns Missionsfest. Der Herr hat ihn hassen gelehrt, was er früher liebte, und liebgewinnen, was er früher haßte, und der Grundton seiner Seele ist:
Einer ist es, dem ich lebe, den ich liebe früh und spat;
Jesus ist es, dem ich gebe, was er mir gegeben hat.
O Seele, wenn ich dir hierin deine innere Geschichte gekennzeichnet habe, wie vielen Grund hast du zum Danken, und wir alle, die wir etwas von Gnade wissen, wie vielen Grund haben wir zum Danken! Wahrlich, eine größere Wohlthat kann uns hienieden nicht zu Theil werden, als eben diese, und wer darum unter euch noch nicht zu dem Herrn Jesu seine Zuflucht genommen hat, der eile und errette seine Seele; er gehe lieber heute als morgen zu ihm, damit er es in der Ewigkeit nicht zu bereuen finde, die Gnade Gottes vergeblich empfangen zu haben. Denn wenn das Wort, das durch die Engel geredet ist, fest geworden ist und eine jegliche Uebertretung hat empfangen ihren rechten Lohn, wie sollen wir entfliehen, wenn wir eine solche Seligkeit nicht achten?
Ich wollte schließlich noch von der Heilmethode des himmlischen Arztes reden, muß mich hier aber kurz fassen, damit es nicht zu lang wird. Wie macht es ein Arzt, wenn er zu dem Kranken kommt? Das Erste ist offenbar dies, daß er sich nach dem Zustande des Kranken erkundigt. Der Kranke muß ihm ganz genau erzählen, wo es ihm fehlt, welcher Theil des Körpers der leidende ist, welche Erscheinungen bei der Krankheit hervortreten, und dergleichen mehr. Nun, gerade so macht’s auch der himmlische Arzt. Wollen wir von ihm geheilt werden, so müssen wir ihm zunächst sagen, was uns drückt und fehlt, wir müssen unser Herz vor ihm ausschütten und unsere Sündennoth ihm klagen und aufdecken. Mit dem oberflächlichen Bekenntniß „wir sind Alle Sünder“, welches auch der selbstgerechteste Mensch über seine Lippen bringen kann, ist’s nicht genug, nein, wir müssen auch unsere besondern Sünden dem Herrn bekennen, müssen es ihm sagen: siehe, hier habe ich dich beleidigt, dort habe ich deine Gebote übertreten, hier ist ein besonders schwarzer Punkt in meinem Leben, dort kann mich der Teufel leicht in die Versucherschlingen hineinziehen, - und das Alles offen und ehrlich, ohne irgend ein Feigenblatt der Entschuldigung drum und dran zu hängen. Wollen wir das nicht, meinen wir wohl gar, unsere Sünde sei gar nicht so groß, unser Nachbar habe noch weit mehr Sünde gethan, als wir: dann haben wir vorläufig mit dem Jesusarzte nichts zu schaffen, denn er ist nicht ein Arzt für die Gesunden, sondern für die Kranken.
Wenn nun aber der Arzt von dem Zustande des Kranken hinlänglich unterrichtet ist, dann setzt er sich hin und verschreibt etwas aus der Apotheke, was entweder die Krankheit völlig brechen, oder doch wenigstens dem Patienten einige Linderung verschaffen soll. Die irdischen Aerzte müssen hier freilich oft gewahr werden, daß ihr Wissen Stückwerk ist, sie sind gar bald an dem Punkte angelangt, wo sie trostlos mit dem Kopfe schütteln und sprechen: „wir können nicht mehr helfen, unsere Mittel sind erschöpft.“ Es sind zwar die gelehrten Leute vielfach darüber aus gewesen, ein Universalmittel ausfindig zu machen, was gegen alle Krankheiten helfen soll, (so daß dann am Ende Niemand mehr zu sterben braucht,) aber bis jetzt ist es ihnen nicht gelungen, und ich glaube auch schwerlich, daß es ihnen jemals gelingen wird. Der Herr Jesus aber hat wirklich ein solches Universalmittel. Wer dies Mittel gebraucht, der wird wieder gesund, er mag so krank sein, wie er will. Was das für ein Mittel ist? es ist die Gnade. Auf dem Recepte unseres himmlischen Doktors steht nur das eine Wörtlein: Gnade. Das hilft in allen Fällen. Ob Einer ein Wollüstling ist, oder ein Spötter, oder ein Selbstgerechter, oder ein Fleischesmensch, das kommt hier so ziemlich auf Eins heraus; Gnade hat er nöthig, wenn er selig werden will, Gnade kann ihm aber auch zu Theil werden, und zwar volle Gnade, volle Vergebung seiner Sünden, wenn er sich nur bereit zeigt, dieselbe anzunehmen.
Uebrigens geht es mit dieser Gnadenarzenei, wie es mit der gewöhnlichen Arzenei auch zu gehen pflegt. Ihr wißt, daß die Medizin selten gut schmeckt, sondern meistens einen widrigen Geschmack hat, so daß es eine kleine Ueberwindung kostet, bevor man sich dazu entschließen kann, sie herunterzuschlucken. Nun so verhält es sich mit der Gnadenmedicin auch. Das „aus Gnaden“ will dem Menschen schwer ein; es stößt ihn hinunter von den stolzen Höhen seiner eigenen Vortrefflichkeit und Heiligkeit, es nimmt ihm allen Ruhm und alle Würdigkeit und macht ihn den Verbrechern in den Zuchthäusern und Gefängnissen gleich, über die er sich seither so hoch erhaben dünkte. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, daß der natürliche Mensch sich so krampfhaft gegen dieses Mittel wehrt und vorher alles Mögliche versucht, bevor er sich zu der Gnadenmedizin willig finden läßt. Aber wenn er dann erst das Mittel gebraucht hat, da wird er gewahr, wie probat dasselbe ist; er macht dann ähnliche Erfahrungen, wie der Prophet Ezechiel, dem das Büchlein, welches er auf Gottes Befehl herunterschlucken mußte, anfangs Bauchgrimmen verursachte, dann aber in seinem Munde so süß wurde, wie Honig und Honigseim. So gibt’s auch für den gläubigen Christen mit der Zeit nichts Süßeres und Seligeres, als die Gnade. Mit der Gnade steht er auf, mit der Gnade begibt er sich zur Ruhe, die Gnade begleitet ihn auf allen seinen Wegen, und wenn dermaleinst seine Pilgerfahrt zu Ende geht, dann ist die Gnade das Sterbekissen, auf dem er sein müdes Haupt niederlegt. Er singt mit Rambach:
Ach, was hör’ ich? Gnade! Gnade, - Gnade schallet in mein Ohr,
Ach, mich Sündenwurm, mich Made hebt ein sanfter Zug empor.
Gott spricht: Sünder, du sollst leben, deine Schuld ist dir vergeben;
Sei getrost, mein lieber Sohn, komm zu meinem Gnadenthron!
Endlich pflegt ein Arzt noch Verhaltungsmaßregeln für die Geheilten zu ertheilen. Nun gibt es zwar Niemanden hier auf Erden, der schon völlig geistlich gesund geworden wäre. So lange wir den befleckten Rock des Fleisches mit uns herumtragen, sind wir krank und bedürfen darum auch täglich der Gnade des Herrn. Sollten wir dieselbe nicht mehr nöthig haben, so wäre das kein gutes, sondern ein schlimmes Zeichen; es ginge daraus unwiderleglich hervor, daß wir vielleicht selbst darum wissen. Dennoch findet hier ein großer Unterschied Statt zwischen solchen, die noch ganz krank sind, und zwischen solchen, die sich schon auf der Besserung befinden, oder ohne Bild zwischen unbekehrten und bekehrten Menschen. Die letzteren können wir im weiteren Sinne als Geheilte ansehen, und diese empfangen nun von dem treuen Jesusarzte wichtige Verhaltungsmaßregeln für ihr ferneres Leben, damit sie nicht in ihre frühere Krankheit zurückfallen. Von diesen Verhaltungsmaßregeln will ich für diesmal nur eine anführen, ich meine das Wort des Herrn an den Kranken am Teich Bethesda: Sündige hinfort nicht mehr. Wenn der Herr uns unsere Sünden vergeben hat, so haben wir damit nicht einen Freibrief auf die Sünde empfangen, so daß wir nun frisch drauf los sündigen könnten, etwa mit dem Gedanken, wo die Sünde mächtig sei, da werde die Gnade noch mächtiger sein; sondern der Herr ruft uns zu: sündige hinfort nicht mehr! und wo wir gehen und stehen, da erklingt sein Wort an uns: sündige hinfort nicht mehr. Wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, sollen die Ostern halten nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern im Süßteig der Lauterkeit und Wahrheit. Alle Sünde muß als ein Greuel von uns ausgestoßen werden; so lange wir noch eine einzige Sünde haben, die wir der Gnade nicht kreuzigen wollen, haben wir keinen Theil noch Anfall an dem Reiche Gottes. O mögen wir denn das: „Sündige hinfort nicht mehr“, recht zu Herzen fassen. Wir haben’s hochnöthig, daß auch dies uns gepredigt wird. Woher kommt’s, meine Lieben, daß unser inneres Leben vielfach so arm und träge ist? Kommt’s nicht zum Theil daher, (andere Gründe jetzt bei Seite gelassen,) daß wir das: Sündige hinfort nicht mehr! nicht genugsam berücksichtigen? Wir wollen das Herz theilen zwischen Christo und der Welt; wir wollen wohl dem Herrn Jesu angehören, möchten aber zugleich noch diese und jene Schooßsünde in unsern Gnadenstand mit hinübernehmen; da kann’s denn gar nicht anders sein, als daß unser inneres Leben verkrüppelt und nicht zur gedeihlichen Entfaltung kommt.
Indessen auch von dieser Unart des Herzens kann uns nur der Herr Jesus kuriren. Darum: zu ihm, zu ihm! das sei der Schluß meiner Predigt. Zu Jesu, als der einigen Freistatt, wo das geängstete Gewissen vor dem Zorne Gottes sicher ist, zu Jesu, als dem rechten Arzte, der alle Krankheit von uns nimmt. Amen.