Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Schluß-Predigt über Evang. Matth. 12, V. 40
Von dem einigen und ewigen Grunde unserer Errettung aus Tod, Sünde und Noth, und aller Gewalt der Hölle.
Gehalten am 6. August 1848. Gesungen wurden: Lied 122, Vers 4-6. Lied 142, Vers 5. Lied 81, Vers 13.
Wir haben die Betrachtung der Geschichte Jona beendet. Wir wollen von diesem Propheten nicht scheiden, ohne noch ein Wort gesagt zu haben, welches euch Noth thut. Es würde nicht ohne Manches Seelenschaden abgehen, wenn die Vögel des Himmels, d. i. der Teufel, den mit dieser Geschichte ausgestreuten Samen wegnähmen, oder wenn der Same nur aufschösse, um bald von der Sonnenhitze verdorret zu werden, oder wenn die Augenlust, Fleischeslust und die Ueppigkeit des Lebens, dazu die Begier nach dem Vergänglichen und Eitlen solchen Samen erstickten. Es ist bei euch nicht alles gute Erde, wo der Same des Wortes hinkommt. Es geht um die Anwendung des Wortes Gottes auf sich selbst. Die Worte Gottes sind wie die Meereswogen, jede Woge und Welle schlägt hart heran, um alles Fleisch in die Tiefe hineinzuwerfen, bis daß ein Mensch, überzeugt von eigner Verlorenheit und von der Gerechtigkeit Gottes, des Herrn Stärke ergriffen habe und geborgen sei in der Gerechtigkeit, welche allein Gott gilt.
Ganz demüthigend waren die letzten Worte aus dem Munde des Herrn zu dem Propheten: Und so viele Thiere. Wie lange mögen ihm diese Worte wohl in den Ohren geklungen haben, die bei ihm jede Anmaßung niederschlugen. Die Thiere galten bei dem Herrn mehr als Jona und sein verkehrter Wille. Diese Worte sollen auch uns in den Ohren klingen. Du wirst vor Scham und Schanden deinen Mund nicht aufthun, wenn ich dir alles werde vergeben haben, so lautet des Herrn Bund seinem Volke. Gott ist freimächtig in allem seinem Thun, Er ist Schöpfer der Thiere sowohl als der Menschen. Er hört die jungen Raben, die zu ihm schreien, eben so gewiß als die, jungen Kinder in der Wiege. Für den Menschen in Gnaden wird alles geschaffen sein, die Thiere nicht allein, sondern auch die Engel, die mächtigen Throngeister; hingegen wird Gott, wenn der Mensch in Anmaßung sich erhebt, so wenig Unterschied machen zwischen Menschen und Thieren, daß er vielmehr die Thiere den Menschen vorziehen wird.
Jona hat es gefühlt, was der Herr gemeint; darum läßt er auch von sich keinen Laut mehr vernehmen. Steht einer, vor Gott schuldig, ist er zu diesem Bekenntniß gekommen: An dir allein habe ich gesündiget und übel vor dir gethan, auf daß du Recht behaltest in deinen Worten und rein bleibest, wenn du gerichtet wirst, - so läßt er Gotte das letzte Wort, er schweigt, er schwindet dahin vor dem Worte des Herrn, er glaubt und betet an. Jona stand nun da vor Gott zum dritten Male in dem vollen Bewußtsein: bei mir ist es nicht; du Herr bist allein heilig. - Wo lag nun der Grund, daß er nicht erschlagen wurde auf dem Wege, da er vor Gott floh, wo der Grund, daß der Herr den Fisch verschaffte, daß er betete und glaubte in dem Bauche des Fisches, und der Fisch ihn auf's Trockene werfen mußte, und wo der Grund, daß der Herr ihm nicht zurechnete seinen Lebensüberdruß und Zorn, und daß Jona nicht umkam, da er die letzten Worte des Herrn vernahm? Diesen Grund will ich euch anzeigen; denn es ist nicht genug, daß man sagt: die Heiligen sind Menschen gewesen wie wir, sondern wir sollen wissen, wie wir, obschon Menschen, dennoch gerecht und heilig sein mögen in den Augen Gottes, - und diesen Grund will ich euch anzeigen, nicht allein auf daß ihr denselben kennet, sondern daß ihr auch auf solchem Grunde erfunden und weiter erbauet seid. Gott gebe daß die Geschichte Jona bei euch ihre besondere Anwendung bleibend gefunden habe.
Text: Evang. Matth. 12, Vers 40.
Gleichwie Jonas war drei Tage und drei Nächte in des Wallfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein.
Die Gelegenheit, bei welcher der Herr diese Worte aussprach, war folgende: Etliche unter den Schriftgelehrten und Pharisäern, gerührt durch des Herrn Worte, welche wir lesen von V. 35-37, fühlten es dem Herrn recht gut ab, wer er wäre. Sie beugten sich aber nicht unter des Herrn Worte, deren Kraft und Wahrheit sie fühlten, und wie denn des Menschen Herz schlau ist, sich der Bestrafung zu entziehen und Beweise der Macht zu suchen, wo sich diese nicht anders äußern will als durch's Wort, auf daß man das Wort glaube, - so wollten auch die Pharisäer den Herrn versuchen, kommen darum und sprechen schmeichelnd und als möchten sie die Wahrheit gerne annehmen, wenn sie nur die volle Ueberzeugung davon bekommen könnten: „Meister, wir wollen gerne ein Zeichen von dir sehen“. Hätten sie dieses Zeichen bekommen, so würden sie dennoch nicht geglaubt haben, denn die Pharisäer hatten noch so eben von einem mächtigen Zeichen die Kunde bekommen: Es ward ein Besessener zu dem Herrn gebracht, der war blind und stumm, und er heilete ihn also, daß der Blinde und Stumme beides redete und sähe. 'Als die Pharisäer solches vernahmen, sprachen sie mit Verachtung des Volkes, welches sich darüber entsetzte, und mit Verachtung des Herrn: „Er treibt die Teufel nicht anders aus denn durch Beelzebub, der Teufel Obersten“. Nun waren aber doch etliche Pharisäer, die meinten, ja wenn sie es selbst sehen möchten, so würden sie es beurtheilen können, ob denn seine Zeichen und also auch die Wahrheit, die aus seinem Munde kam, wirklich von Gott wäre, und dann wollten sie es bestimmen, ob sie ihn für den Messias halten würden oder nicht. Worum es ihnen aber ging, das war, sich der Macht des Wortes zu entschlagen; sie übersahen und verachteten das mächtigste aller Zeichen: des Herrn Benehmen, das doch so ganz nach dem prophetischen Worte war: „Er wird nicht zanken noch schreien und man wird sein Geschrei nicht hören auf den Gassen; das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen, bis daß er ausführe das Gericht zum Siege“. Es war kein Hunger noch Kummer der Seele bei den Pharisäern, sie waren gerecht, sie waren bekehrt, sie waren erwählt in ihren eignen Augen, die Seligkeit steht für sie fest, sie waren kein zerstoßenes Rohr, kein glimmende Docht, darum vernahmen sie nichts von dem Worte des Lebens und meinten sie wären herrlicher, auch frömmer denn Jesus, sie seien dem Himmel nahe und er dem Abgrunde, sie sahen nichts Sonderliches an ihm, denn das Wort der Gerechtigkeit wollten sie nicht.
Der Herr durchschaute sie, darum sprach er: „die böse und ehebrecherische Art fordert ein Zeichen, und es wird ihr kein Zeichen gegeben werben denn das Zeichen von Jonas“. Der Herr schilt die Pharisäer „böse“, weil sie mit ihrer Eigengerechtigkeit den Menschen allerlei Last auflegten, allerlei Mühe und Werk, woraus am Ende nichts wurde als Gottlosigkeit, und „ehebrecherisch“, weil sie heuchelten, als ob sie dem Herrn ihrem Gott anhangen und ihm allein dienen wollten und doch ihrem Geiz und Luft und Brunst ergeben waren und sowohl geistlich als leiblich nur Hurerei trieben. Das Zeichen, welches ihnen sollte gegeben werden, würde ein solches sein, welches sie nie würden ableugnen können, und welches ihnen zum Gericht dienen würde, weil darin der Herr selbst nichts wirken werde, sondern alles Gott der Vater, und weil sie darin all ihr Heil haben und es dennoch von sich stoßen würden.
Jona hat es gewiß den Niniviten erzählt, daß er drei Tage und drei Nächte in dem Bauche des Fisches gewesen und von dem Fische auf's Trockene war geworfen worden, oder die Kunde davon ging dem Jona voran und war bereits durch die ganze. Stadt Ninive verbreitet, bevor Jona selbst kam, hat auch gewiß mitgewirkt, daß die Niniviten an Gott geglaubt haben; als sie aus dem Munde eines solchen Menschen vernahmen: Noch vierzig Tage, und Ninive wird untergehen. So war Jona den Niniviten selbst ein Zeichen, und sie bekehrten sich. Von Christo nun würde die Predigt ausgehen, er ist drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde gewesen, aber Israel, aber die Pharisäer würden solcher Kunde nicht glauben. Dieses Zeichen würden sie aber haben, auf daß sie dem Herrn nichts vorzuwerfen hätten, denn es würde das Zeichen dafür sein, daß er dahin gegeben worden, um Verlorne zu erretten, daß sie aber in ihrer Ungerechtigkeit sich nicht zu solchen Verlornen hätten gesellen wollen. Das war des Herrn Meinung mit den Worten: „Gleichwie Jonas war drei Tage und drei Nächte in des Wallfisches Bauch, so wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein“. Der Herr hat also die Geschichte von Jona gelesen mit Anwendung auf sich selbst. Wenn er auch hier nur vergleichender Weise spricht, so führen uns doch seine Worte: „des Menschen Sohn“ und „mitten in der Erde“ auf einen tieferen. Sinn, welcher darin ausgesprochen ist.
Diesen Sinn soll die Gemeine Gottes zu ihrem Troste verstehen, und auch Mancher von euch dadurch belehrt sein, diese Worte des Herrn so wenig als die Geschichte von Jona selbst nur oberflächlich zu betrachten. -
Alles Leiden was der Herr von sich vorhergesagt hat, hat er vorhergesagt auf Grund des prophetischen Wortes. Um das Werk zu vollbringen, wozu der Vater ihn auf Erden gesandt hatte, suchte er Trost und Stärke in dem prophetischen Worte. Er kannte sich als den Sohn Gottes nicht allein, sondern auch als den Sohn des Menschen. Als solcher hat er auch den Propheten Jonam mit Anwendung auf sich selbst gelesen, auch darin Trost und Stärkung für sich selbst gesucht. Er kannte sich als den zweiten Adam, der alle Sünde, Schuld und Strafe des ersten Adam auf sich genommen, um sie als Haupt der erwählten Menschheit zu tragen an dem Leibe seines Fleisches. Obschon ein gerechter Mensch, gerecht dem Geiste nach und ganz gewillt den Willen des Vaters zu thun, fühlte er sich, mehr als jemand von uns solches fühlen kann, einen in Fleische Gekommenen. So fühlte er sich nicht allein der vollen Gegenwirkung des Teufels und des Todes anheimgegeben, sondern auch dem vollen Sich-sträuben des Fleisches gegen das Thun des Willens Gottes. Obschon er nicht selbst in einem Fleische von Sünde war, war er doch für Sünde in der Gleichheit von Fleisch von Sünde, und allein an diesem Fleische mußte der alte Adam, mußte die Sünde ausleben und zunichte gemacht werden; wie der Apostel Paulus bezeugt, Römer am 8ten, daß Gott in diesem Fleische, nämlich Christi, die Sünde hat hingerichtet. Ein solches Sich-sträuben des Fleisches gegen den Willen Gottes hat unserm Herrn namenlose Angst verursacht. Der Tod Adams, das Absein Adams, das Absein des Fleisches von Gott lag mit aller seiner Wucht, mit allen seinen Wirkungen auf ihm; darum hören wir ihn in den Psalmen klagen: „Laß nicht zu Schanden werden an mir, die deiner harren, Herr Herr Zebaoth; laß nicht schamroth werden an mir, die dich suchen, Gott Israels. Angst ist nahe und hier ist kein Helfer“. Darum klagt er Psalm 69: „Gott du weißt meine Thorheit und meine Schulden sind dir nicht verborgen“, und Psalm 40: „Es hat mich umgeben Leiden ohne Zahl, es haben mich meine Sünden ergriffen, daß ich nicht sehen kann; ihrer ist mehr, denn Haare auf meinem Haupte“.
Woraus wir auf ein mächtiges Sich-sträuben des Fleisches worin er war, gegen den Willen Gottes schließen; denn wir können solches nicht verstehen von solcher Thorheit, Schulden und Sünden, welche wir gewöhnlich dafür halten, sondern von dem mächtigen Widerstand, welchen wir in dem Fleische, worin er für uns war, hat wahrgenommen wider das Thun des Willens des Vaters, welchen er so ganz freiwillig that. Welchen Streit er damit gehabt hat, spricht der Apostel Paulus aus zum Troste aller Angefochtenen in dem Ebräerbrief, wenn er schreibt, daß der Herr in allem den Brüdern gleich werden mußte, auf daß er barmherzig wäre, daß er in allem versucht worden ist gleichwie wir, daß er in den Tagen seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der ihm vom Tode konnte aushelfen, und wiewohl er Sohn war, den Gehorsam gelernt von dem was er gelitten. Wir ersehen solches auch ganz besonders aus den Zeugnissen, welche wir bei den Evangelisten haben, daß unser Herr sich fortwährend von den Leuten weg machte, daß er manche kalte Nacht auf den Bergen im Gebet hat zugebracht, vor allem aber daraus, was der Herr gelitten hat in dem Hof Gethsemane und während der drei langen Stunden am Kreuz.
Bei solchem Streit, Schmerzen und Schrecken, höllischer Angst und Pein, welche der Herr, so lange er hier war, in seiner Seele gelitten, bei solchem Sich-sträuben des Fleisches wider den Willen des Vaters, in seinen hohen Anfechtungen, die er um unseretwillen an seinem Fleische auszustehen hatte, wobei er so heftig rang und betete, - war es da Wunder, daß er, das ungeschaffene Wort, der in dem geschriebenen Worte stets Trost und Stärkung gesucht, solchen Trost und Stärkung auch gefunden hat in dem Buche von Jona? Wie schnell mußte er, der vor allen Brüdern gesalbt war mit dem Geist des Herrn, darauf kommen: das Fleisch kann nicht anders als sich sträuben wider den Willen Gottes, das trage ich für meine Brüder, das Fleisch muß in den Tod, es muß von der Erde weg, es muß in's Herz der Erde hinein und mit der Erde gleich gemacht werden. Drei Tage und drei Nächte geht's in die Erde hinein, wie Jena drei Tage und drei Nächte in dem Bauche des Fisches gewesen, aber an dem dritten Tage stehe ich wieder auf. Ich werde getödtet am Fleische, aber lebendig gemacht am Geiste. Aber auch mein Fleisch wird die Verwesung nicht sehen, am dritten Tage kommt es unsterblich und unverderblich wieder aus der Erde hervor, und so werde ich dann in dem getödteten Leibe meines Fleisches der Herrschaft dessen, der die Gewalt des Todes hat, des Teufels, und der Herrschaft der Sünde des Fleisches wie des Fleisches von Sünde ein Ende gemacht haben für alle meine Brüder.
Daß sich die Sache so verhält, meine Geliebten! liegt zu sehr auf der Hand, als daß jemand daran würde zweifeln können, wenn er nur die Wahrheit liebt und mit seinem Fleische und Wandel nach dem Fleische gerne will untergegangen sein, auf daß er am Geist lebe in Christo Jesu.
Und darin liegt auch der Grund, weßhalb Jona dreimal errettet wurde, zweimal vor dem gerechten Zorne Gottes und einmal aus dem Bauche des Fisches.
Daß Fleisch sich sträubt wider den Willen Gottes, kommt bei uns aus angeborner Feindschaft wider Gott, aus Ungehorsam und Unglauben hervor, und wer es erfahren hat, weiß es, daß nichts so sehr den Zorn Gottes wider uns reizen muß, als eben dieses Sich-sträuben wider Gottes allerheiligsten Willen, in welchem allein unsere Seligkeit liegt. Jona hat diesem Fleische nachgegeben, und das thun wir alle, darum würden wir alle auch bereits lange verzehret sein, wäre auch Jona verzehret worden, läge der Grund, daß wir in Gottes großer Langmuth getragen und vor dem Zorne errettet werden, nicht außer uns. Unserm theuren Heilande war die Quelle des Sich-sträubens des Fleisches in der Weise fremd, als er der Heilige Gottes war, aber das Sich-sträuben des Fleisches selbst hat er um unseretwillen tief empfunden. Er allein hat diesem Fleische nicht nachgegeben, er ist dem Willen des Vaters gehorsam geblieben bis in den Tod, ja bis in den Tod des Kreuzes hinein. Das ist es was der Apostel Paulus bezeugt: „Er ist versucht gewesen allenthalben gleich wie wir, ohne Sünde.“ Denn wenn er auch in den Psalmen über das Sich-sträuben des Fleisches als über seine Sünde, Schuld und Thorheit klagt, so war das alles doch ihm nicht eigen, sondern es war unseres Fleisches Sünde, Schuld und Thorheit, welche auf ihn anlief, da er für uns in dem Fleische war. Durch ewigen Geist gab er aber solchem Sich-sträuben in keinem Stücke nach, sondern er trug den Sieg darüber davon und er überließ sein Fleisch dem Tode, dem Fluch und Zorn nicht anders, als um auch das Fleisch selbst davon zu erretten. So hat er alles aus dem Verderben heraus und Gotte alles wiedergebracht, und durch seine Gerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit Genugthuung verschafft und uns mit Gott versöhnt, so daß wir in solcher Gerechtigkeit Gotte angenehm und wohlgefällig gemacht sind.
Da habt ihr den Grund, auf welchem Jona so gewiß stand, als er die Verheißung von Christo gekannt und geglaubt hat, und nach Petri Aussage der Geist Christi in ihm war. Betrachten wir Jona bei dem heiligen Gesetze Gottes, welches kein Mensch bei Verlust seiner Seele übertreten darf, so war er verloren, wie wir alle vor diesem heiligen Gesetz Gottes verloren sind. Denn im Anfange seines Weges, welcher nach Ninive führte, war er ungehorsam, und am Ende dieses Weges zeigte er gegen Gott und seinen Willen lauter Unverstand. Der Teufel hat demnach auch alles Recht gehabt, ihn vor Gott zu verklagen und ihm zu widerstehen, daß er nicht zur Seligkeit Gottes gelangete, denn wie darf ein Ungehorsamer und einer, der herzenshart und unvernünftig gegen Gott ist, bei dem heiligen und allein weisen Gott wohnen, und wie wäre es mit Gottes Heiligkeit in Übereinstimmung zu bringen, daß er sich mit einem solchen noch abgeben sollte.
Es liegt in Gottes Wesen, es liegt in seiner Gerechtigkeit, daß er nichts mehr fordert als da ist, und daß er gibt was nicht da ist: hinwiederum liegt es in seiner Gerechtigkeit, daß er die innere Rebellion, den Aufstand des menschlichen Ichs gegen seinen heiligen und allein guten Willen, gegen seine Wege und Wort mit dem ewigen Tode strafen muß.
Wir Menschen klagen gewöhnlich über Sünden des Leibes, über Sünden, die wir nicht ableugnen können, die uns zu sehr überzeugen, daß wir Sünder sind, und sind nicht eingedenk, daß die Wurzel aller Sünden, die schrecklichste aller Sünden, unsere Schilderhebung wider Gottes Wort und Willen ist. Was aber diese Sünde zu Wege gebracht, hat sich am deutlichsten herausgestellt bei unsern Ersteltern im Paradies.
Wie Gott diese Sünde, welche wir alle in Adam gesündiget haben, strafen muß und wie er sie manchmal gestraft hat, wissen wir aus der Geschichte der Sündfluth, aus der Geschichte Korah's, und ganz schlagend aus der Geschichte der Zerstörung Jerusalem's. Diese Sünde, unser aller Sünde war auch Jona Sünde; warum hat der Herr nicht auch ihn erschlagen, warum uns nicht bis auf den heutigen Tag?
Jona hat einen Bürgen für seine Schuld gehabt, einen barmherzigen Hohenpriester, versucht in allen Dingen gleichwie er, den verheißenen Messiam; dieser hat auch für Jona die Wirkungen des Fleisches von Sünde in dem Leibe seines Fleisches getödtet, zerbrochen, zunichte gemacht, und Jonam bedeckt mit seiner Gerechtigkeit. Eingedenk, daß Jona Staub und Asche war, hat er nicht mit ihm gethan nach seinen Sünden, sondern hat sich seiner erbarmt mit ewiger Erbarmung. Durch ihn wurde Jona dreimal errettet vor dem Zorn.
Und das nicht allein, sondern um des Gesalbten willen ist auch die Salbung auf Jonam gekommen, so daß er bei all seiner Verkehrtheit dennoch geleitet und getrieben worden ist von Gottes Geist, um in Gottes Willen und Wegen einherzugehen.
Dadurch ist es geschehen, daß Jona sich selbst verleugnet hat, und der Liebe des Nächsten voll gewesen ist, da er die Schiffsleute um seinetwillen in Pein, in Angst und Lebensgefahr sah, und hat sich selbst über Bord werfen lassen.
Durch diesen Geist geschah es auch, daß er den Glauben nicht drangab, da er in seinen Sünden von den Schiffsleuten gefunden wurde, sondern vor den Heiden seinen Herrn bekannte und nicht verleugnete, indem er es aussprach: Ich bin ein Ebräer und fürchte den Herrn Gott vom Himmel.
Durch diesen Geist ließ er auch nicht ab von dem Herrn, da er sich in dem Bauche der Hölle befand, und war mächtig im Glauben und sprach in der Finsterniß: dennoch werde ich den Tempel deiner Heiligkeit wiedersehen.
Durch diesen Geist war er dem Worte des Herrn, da es zum andern Male zu ihm kam, gehorsam und schuf durch seine Predigt eine Höllenstadt um in eine Stadt, die vom Herrn begnadet war.
Durch diesen Geist hielt er fest an dem Herrn mitten in seinem Ueberdruß und Zorn, suchte es bei dem Herrn, warf sich dem Herrn, der ihn nicht verstand, zu Füßen ohne Heuchelei, zeigte er sich wie er war, that nicht wie Kain, sondern wie ein Kind im Hause, daß seines Erbtheils gewiß ist; aber durch diesen Geist schwieg er auch und that seinen Mund nicht mehr auf vor dem Herrn, und war sein Schweigen ein lautes Predigen: Ich bin nicht wie du, aber wo ist ein solcher Gott wie du bist, meine Blume ist abgefallen, aber dein Wort bleibt in Ewigkeit.
Meine Geliebten! So schreibt der Apostel Paulus: „Christus in euch ist die Hoffnung der Herrlichkeit. Diesen verkündigen wir und vernahmen einen jeglichen Menschen und lehren einen jeglichen Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“. -
Dieses, einen jeglichen von euch darzustellen vollkommen in Christo Jesu, war mein Ringen und Arbeit, indem ich euch die Geschichte des Propheten Jona vorhielt. Mögen diese Predigten viele gute Erde gefunden haben. Es ist wahrlich in keinem Andern Heil, auch ist kein anderer Name den Menschen gegeben, wodurch wir sollen selig werden, denn der Name Jesus. Und es gibt wahrlich keine andere Vollkommenheit, denn die Vollkommenheit in Christo. Das Elend und der Tod, das schreckliche Sich-sträuben des Fleisches wider die Seligkeit Gottes ist nun ein für alle Mal da. Nun geht es um dieses Eine: - durch dieses Elend, durch diesen Tod, durch diese Rebellion des Fleisches einen an und für sich selbst verkehrten und verdrehten Menschen - lebendig gemacht, umgeschaffen, versöhnt, unversehrt, heilig und ohne Tadel hindurch zu tragen, hindurch zu erretten und zu Gott, dem vollseligen Gott, gebracht zu haben, daß ein armer Sünder seinen Gott wiedersehe, von dem er abgefallen ist, und ewig vor ihm in seiner Herrlichkeit lebe und seine Seligkeit genieße. Solches ist bei dem „Thue das“ nicht zu suchen und bei allen Werken und Wandel nach Fleisch nicht zu finden; denn dabei bleibt die innere Gottlosigkeit und Feindschaft wider Gott und bleibt auch die Heuchelei, welche einen Greuel begeht, eben dann wenn sie ein gutes Werk vollführt, wie wir an den Schiffsleuten es gesehen haben: sie riefen zu dem Herrn, sie opferten und thaten ihm Gelübde und mordeten zu gleicher Feit ihren Bruder. Strecken wir uns darum aus zu Christo und halten wir uns an ihn mit allem Vertrauen des Herzen, so werden wir wohl hindurch kommen, auch alle Vollkommenheit haben bei aller unserer Unvollkommenheit, auch voll guter Werke sein, selbst dann noch wenn wir sündigen, wie wir es an Jona gesehen haben: er flieht vor Gott, dennoch ist Liebe da; er liegt in der Hölle, dennoch ist Hoffnung da; er liegt da ausgespieen, dennoch ist Glaube da; er versteht am Ende nichts mehr von Gott, und in aller solcher seiner Verkehrtheit ringen Glaube, Liebe und Hoffnung in ihm bis er Aufschluß hat über Gottes Verfahren mit ihm und mit Ninive, und so wie er Aufschluß hat, duckt er sich an die Mutterbrust seines Gottes und fangt Milch und Honig aus des Herrn Lieblichkeit und Güte wie ein neugebornes Kind. -
Das liebe prophetische Wort tröstet allerwärts alle Angefochtenen, die zu dem Herrn kommen und ihn fragen: „bin ich heilig, wie du gesagt hast, warum stoßen sich dann zwei so gewaltig in meinem Innern, daß ich darüber jeden Tag meine Pein, Angst und Schmerzen habe und möchte wohl ausrufen: nimm die zwei aus mir weg, oder laß mich sterben“, - da tröstet sie aber das Wort: „laß dir an meiner Gnade genügen“; du bist dennoch heilig und bleibst mir heilig, und gehst in meinem Wege: „Ich selbst leite dich“. Am Ende haben alle Heiligen Gottes nichts mehr zu sagen, als: „Du hast es gethan. Ich danksage Gott durch Jesum Christum meinen Herrn“. Sie seufzen indeß: „Elender Mensch ich, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes“. - Und solche Heiligen, welche in sich nur arme Sünder sind, haben von dem Propheten Jona, besonders aus dem letzten Capitel reichen Herzenstrost, denn das ist unsere Lebensgeschichte: Wir begreifen den Herrn nicht, werden voll Zorn und Unmuth, möchten sterben, und der Herr bringt uns fortwahrend zum anbetenden Schweigen nach seiner unendlichen Barmherzigkeit und Treue; das alles thut er um seines lieben Sohnes willen, der unsere Sünden selbst getragen hat auf das Holz, auf daß wir von den Sünden abgekommen der Gerechtigkeit möchten gelebt haben.
Wollt ihr alle dieses letzte Wort: „Gerechtigkeit“ zu Herzen nehmen. Der Richter ist vor der Thüre. Wir sind dadurch noch nicht auf dem Reinen, daß wir es uns vorsagen lassen: Wir sind Menschen, ich bin ein Mensch und nichts mehr; - wir müssen der Gerechtigkeit gelebt haben. Das wird die große ernste Frage sein am Tage seiner Erscheinung: Hast du der Gerechtigkeit gelebt. Wer will an dem Tage, dem Tage des Gerichts über alle Gottlosigkeit, dem Tage der Verdammung aller, die nicht zu dem Herrn bekehrt wurden, mit gutem Gewissen vor ihm stehen, - der habe gesucht gerechtfertigt zu sein in dem Blute des Herrn, der habe gesucht erfunden zu sein in Christo Jesu; nur in ihm erfunden wird der Gerechtigkeit gelebt, denn da verläßt man sich nicht auf eine Gerechtigkeit als auf Werken eines Gesetzes, sondern auf die Gerechtigkeit aus Glauben Jesu Christi, in welcher man allein seine Frucht, die Heiligung, hat. In ihm ist die Vollkommenheit und die Errettung aus der Sünde des Fleisches und der Befleckung des Geistes. Machet euch auf, die ihr nicht zu ihm bekehrt seid, machet euch auf zu ihm und küsset ihn, auf das nicht auch euch die Männer von Ninive verdammen. Und ihr, die ihr bebt vor seinem Worte, die ihr das Gebet seufzet: „Erlöse mich von dem Bösen“, schauet auf ihn und nehmet zu ihm die Zuflucht, der gesagt hat: „Kommet her zu mir, o ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“.
Er, der uns das prophetische Buch des Jona gegeben und es uns gab, auf daß wir in sein Herz schauen sollten, er, der barmherzige Gott und Heiland seines Volkes, sei hinter einem jeglichen von euch her, der vor ihm flieht; offenbare sich einem jeglichem von euch, der in der Hölle seines Elendes und seiner Verlorenheit zu ihm hinaufschreit; er nehme euch selbst, die ihr euch unter sein Wort beugt, und führe euch, daß ihr Wunder der guten Werke thut, obschon ihr nichts davon verstehet, und er belehre ein jegliches murrendes Kind, so wie er allein zu belehren versteht, und mache es still an den Brüsten seiner Allgenugsamkeit und reichen Gnade.
Gottes Wille wird gescheut, das Meer tobt, die Tiefe klafft, die Hölle sperrt ihren Rachen auf - aber er geht von dem Allmächtigen gegürtet: Gottes Weg wird nicht verstanden, der Mensch will von seinem Posten - wer indeß in Christo Jesu erfunden ist, vollkommen und unversehrt kommt er durch alles hindurch, und dieses Lied verlernt er nie: „Du hast uns gewaschen von unsern Sünden in deinem Blute.
Dem dreieinigen Gott die Ehre für seine dreifache und ewige Errettung aller derer, denen es, obschon sie voller Unvernunft stecken, um das Wort geht. Amen.