Kapff, Sixtus Carl von - Am Fest der heiligen Dreieinigkeit.
Text: Röm. 11,33-36.
O welch' eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und Erkenntnis GOttes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte, und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des HErrn Sinn erkannt? Oder, wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder, wer hat Ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten? Denn von Ihm, und durch Ihn, und in (zu) Ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
Wir feiern heute das Fest der Trinität, d. h. der Dreieinigkeit. Dieses Fest ist der Schlussstein von allen den schönen Festtagen, die wir seit dem Anfang des Kirchenjahres gefeiert haben und in denen die großen Heilswahrheiten unseres seligmachenden Glaubens durch die Geschichte JEsu Christi uns verkündigt worden sind. Mit dem Heroldsruf von dem Advent oder Kommen des Sohnes GOttes in die Welt brach das Kirchenjahr uns an und wir suchten uns zu bereiten für die Segnungen der verschiedenen Advente des HErrn, der vergangenen und der zukünftigen, der äußerlichen und der inneren. Dann stimmten wir ein in die Lobgesänge der Engel, dass auch uns zu gut GOtt Mensch geworden und durch Christi Geburt eine reine, heilige Menschheit geschaffen ist, die für alle Kinder Adams die Brücke bildet zur Vereinigung der Menschheit mit der GOttheit.
Was daran hindert, die Sünde, sahen wir getilgt in dem Opfertode des Sohnes GOttes, der am Kreuz unsern Fluch getragen und eine ewige Versöhnung gestiftet hat, so dass wir in seiner Auferstehung unsere Rechtfertigung, ja unsere eigene Auferstehung sahen und am Ölberg voll seliger Hoffnung Ihm nachblicken durften, wie Er in seiner Himmelfahrt unsere menschliche Natur aufnahm in den Himmel, so dass sie verklärt und der göttlichen Natur teilhaftig wurde. Und dass alles das, was JEsus für uns getan hat, innerlich in uns werden soll, dass wir dadurch Eins werden sollen mit Ihm und durch Ihn mit dem Vater, das hat die Ausgießung des heiligen Geistes, dessen Verheißung auch uns gilt, vor acht Tagen uns neu versichert. Durch den Geist will der Vater und der Sohn Wohnung machen in uns.
Diese verschiedenen Offenbarungen GOttes fasst das heutige Fest zusammen und lehrt uns, dass in Allem dem, was den Grund unseres Heils ausmacht, sich das Eine göttliche Wesen offenbart, das in unendlicher Liebe aus den Tiefen seiner verborgenen Herrlichkeit hervorgetreten ist, die Welt geschaffen, die in Sünden abgefallene Menschheit erlöst und zur Vereinigung mit sich geheiligt hat. So bezweckt die Offenbarung des dreieinigen GOttes in der Welt ebenso die Vereinigung der Welt mit GOtt, wie die Dreieinigkeit im Wesen GOttes selbst uns zeigt, dass im göttlichen Wesen zwar ein Unterschied, aber dabei die vollkommenste Einheit ist. GOtt unterscheidet sich von sich selbst im Sohne, in welchem Er seine eigene Vollkommenheit anschaut, aber als der Eine Geist im Vater und Sohne erkennt und liebt GOtt im Sohn sich selbst und so ist der Unterschied des Sohnes vom Vater ewig die vollkommenste Einheit durch den Geist.
So wird die Menschheit, die in Christo in das Bild GOttes wieder verklärt wird, durch den Geist vereinigt mit GOtt, und die vollendete Offenbarung der Dreieinigkeit in der Menschheit wird eine Vereinigung alles Getrennten mit GOtt sein, wovon Paulus unmittelbar vor unserem Text spricht in den Worten: „GOtt hat Alles beschlossen unter den Unglauben, auf dass Er sich Aller erbarme.“ Über diese wunderbaren Offenbarungen des dreieinigen GOttes ruft er dann in unserem Texte aus: „O welch' eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und Erkenntnis GOttes!“ Es ist eine unergründliche Tiefe, aber eine Tiefe von lauter Lebenswasser, und wer davon trinkt, der hat das ewige Leben. Daher wollen wir unter dem Segen des HErrn betrachten, dass
Die heilige Dreieinigkeit
- zwar eine unergründliche Tiefe,
- aber für den Glauben eine unerschöpfliche Lebensquelle sei.
GOtt! heilige meine unreinen Lippen, von dem tiefsten aller Geheimnisse zu Deiner Ehre zu reden. Gib uns allen Deinen heiligen Geist, dass wir Dich über Alles lieben und so Dich immer vollkommener erkennen und in solcher Erkenntnis ewiges Leben haben. Amen.
I.
Unser Text spricht von der Unendlichkeit und Unbegreiflichkeit GOttes. Diese fühlen wir nie so tief, als wenn wir nachdenken über das Geheimnis der Dreieinigkeit. Obgleich dadurch GOtt uns geoffenbart ist, so ist doch sein Wesen so unendlich erhaben, dass wir von seiner Vollkommenheit nur so viel verstehen, als zu unserer Seligkeit notwendig ist. Deswegen ruft der Apostel in unserem Texte: „O welch' eine Tiefe des Reichtums, beide, der Weisheit und Erkenntnis GOttes!“ Dieser Ruf drängte sich ihm durch die Betrachtung der Wege und Führungen GOttes auf. Er hatte im 9ten, 10ten und 11ten Kapitel des Briefs an die Römer von den wunderbaren Wegen GOttes in Berufung der Juden und Heiden gesprochen, wie das alte Bundesvolk Israel um seines Unglaubens willen verworfen, dagegen die Heiden ohne alle Würdigkeit aus freiem Erbarmen GOttes berufen worden seien zur Herrlichkeit des neuen Bundes: aber zuletzt müsse doch noch ganz Israel bekehrt und selig werden und GOtt werde alle Völker annehmen und sich Aller erbarmen. Über diesen wunderbaren Gang der Völkerschicksale ruft der Apostel ans: „wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“
In dieses Wort muss Jeder einstimmen, der die Führungen der Völker und jedes einzelnen Menschenlebens betrachtet. So Manches, was unserer Vernunft zuwider ist, Glück, wo wir Strafe erwarteten, dagegen Trübsal und Kreuz, wo wir bessere Tage hofften, Unterdrückung des Reiches GOttes, wo wir meinten, es müsse siegen, dagegen sein Sieg, wo wir seinen Untergang fürchteten; - solche Wege treiben uns oft zu dem Ruf: „fürwahr du bist ein verborgener GOtt, du GOtt Israels, der Heiland.“ Ebenso unbegreiflich erscheint uns GOtt durch die Werke der Schöpfung. Er selbst sagt (Jes. 40.): „Wer misst die Wasser mit der Faust und fasst den Himmel mit der Spanne und begreift die Erde mit einem Dreiling und wiegt die Berge mit einem Gewicht und die Hügel mit einer Waage?“ Und wer begreift, wie Sonne, Erde, Mond und Sterne Jahrtausende lang frei im unermesslichen Himmelsraum hängen und ohne Störung ihre ungeheuren Bahnen durchlaufen? Und wer begreift, wie unser Leib, diese irdische Hülle, das Werkzeug eines aus GOtt und zu GOtt geschaffenen Geistes sein kann?
Ist aber schon das, was wir von den Werken GOttes sehen, unbegreiflich, wie viel mehr muss es das heilige Wesen GOttes selbst sein! Paulus nennt es eine Tiefe des Reichtums göttlicher Vollkommenheit. Es ist eine Tiefe wie die des Meeres. Wenn man ins Meer hinabblickt, so sieht man keinen Grund; es blickt Nichts herauf, als der Himmel mit seinen Wolken oder Sternen, oder die Sonne mit ihrer Pracht. So ist GOttes Wesen unergründlich tief. Wir sehen nicht auf den Grund; den ungöttlichen Menschen blickt eine schauerliche Tiefe mit düsteren Gewitterwolken und dunklen Abgründen aus diesem Meere an; der göttlich gesinnte Mensch aber sieht in der Tiefe des göttlichen Wesens lauter Himmel, hellschimmernde Hoffnungssterne und strahlende Lebenssonnen. Ja Alles, was nur von Licht und Leben, von Seligkeit und Herrlichkeit gedacht werden kann, das blickt aus der Tiefe des göttlichen Wesens uns an. Aber es bleibt eine unergründliche Tiefe. Daher sagt unser Text: „wer hat des HErrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat Ihm etwas zuvorgegeben, dass Ihm werde wieder vergolten?“ Diesen nämlichen Gedanken spricht der HErr selbst (Jes. 40.) aus und sagt dabei: „alle Völker seien vor Ihm geachtet, wie ein Tropfen, so vom Eimer fließt und wie ein Stäublein in der Waage, alle Inseln treibe Er wie einen Dunst empor.“ Damit ist das über Alles erhabene, unbegreifliche Wesen GOttes geschildert, dessen Majestät so hoch ist, dass alle Menschen wie Nichts sind vor Ihm. Deswegen sagt Er zu Mose: „kein Mensch wird leben, der mich sieht,“ und Paulus sagt 1 Tim. 6: „GOtt, der da wohnt in einem Licht, da Niemand zukommen kann, welchen kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann.“ Um dieser unergründlichen Tiefe GOttes willen sagt JEsus: „Niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren,“ offenbaren, so weit die nach GOtt verlangende Heilsbegierde uns dazu befähigt.
Aber auch der Offenbarer des verborgenen GOttes, auch der Sohn ist in seinem Wesen uns unbegreiflich, daher sagt Er: „Niemand kennt den Sohn, denn nur der Vater.“ Diese Kenntnis hat GOtt, als der heilige Geist. Daher sagt Paulus 1 Kor. 2,11.: „Niemand weiß, was in GOtt ist, ohne der Geist GOttes. Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der GOttheit.“ Und nur so viel als der heilige Geist uns mitteilt und aufschließt, nur so viel erkennen wir von GOtt, vom Vater, vom Sohn und vom heilige Geist.
Aber selbst bei dieser Erleuchtung - wie geheimnisvoll bleibt uns die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christo, und wie unbegreiflich das, dass der Sohn GOttes für verdammte Sünder die Gestalt des sündlichen Fleisches angenommen, den Fluch der Verbrecher getragen, ja den martervollsten Tod erduldet hat! Und dass durch den Geist Christus in uns verklärt und wir der göttlichen Natur teilhaftig werden sollen! Wer betet nicht an vor diesem wunderbaren Geheimnis, an das auch der Heiland im heutigen Evangelio erinnert mit den Worten: „der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt: also ist ein Jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.“
Sehen wir so unergründliche Tiefen in den Werken der Schöpfung und Regierung GOttes, in den Heilsanstalten der Erlösung durch Christum und in dem Heiligungs- und Erneuerungs-Geschäft des heiligen Geistes, so ist noch unbegreiflicher, dass Vater, Sohn und Geist von einander persönlich verschieden und doch nur Ein unteilbares göttliches Wesen sind, nicht drei Götter, sondern Ein GOtt. Und doch lehrt die Schrift überall einerseits, dass nur Ein GOtt sei, andererseits, dass von Anfang, d. h. von Ewigkeit das Wort als Abglanz der göttlichen Herrlichkeit bei GOtt war und dass der Geist es ist, der die Tiefen der GOttheit erforscht und diese verborgenen Tiefen der Welt offenbart, wie Er auch bei der Schöpfung schwebte auf den Tiefen des Wassers, aus dem Er Alles gestaltete. Schon zu Mose sagt GOtt, Er selbst zwar gehe nicht mit dem Volk, und wer Ihn sehen würde, der müsste sterben. Aber sein Angesicht, in dem sein Name, d. h. sein Wesen sei, soll mit ihm gehen. Dieses Angesicht GOttes heißt öfters der Engel Jehovah, der z. B. zu Hagar, Jakob, Mose ganz als GOtt selbst spricht und doch Engel heißt. Hierin liegt deutlich eine Unterscheidung GOttes von sich selbst; es ist ein Wesen außer GOtt, in dem doch GOttes eigenes Wesen ist. Das finden wir besonders Sprichw. 8., wo die Weisheit sagt: „der HErr hat mich gehabt im Anfang seines Weges, d. h. seiner Offenbarung, ich bin eingesetzt von Ewigkeit, bei der Schöpfung war ich Werkmeister (bedeutet zugleich das Schoßkind) bei Ihm und war seine Lust.“ Dieses Wesen, in dem GOtt sich selbst mit Lust und Liebe erkennt, der Abglanz und das Werkzeug seiner Vollkommenheit, heißt bei Jesajas der Sohn, der Ewigvater, das Licht und Heil der Menschen bis an der Welt Ende, bei Jeremia: Jehovah unsere Gerechtigkeit, bei Micha: der Herrscher, dessen Ausgänge von Anfang und von Ewigkeit gewesen sind. Der neue Bund zeigt, dass dieses göttliche Wesen in Christo Mensch geworden, dass aber die GOttheit Christi fortwährend unser höchstes Heil sei. Daher wird Christus als der wahrhaftige GOtt und das ewige Leben gleicher Ehre und Anbetung gewürdigt, wie der Vater, und wie wir schon öfters betrachteten - es werden Ihm göttliche Namen, Eigenschaften, Werke und Ehre in sehr vielen Stellen beigelegt.
Ebenso wird der heilige Geist, der schon im alten Testament als die Offenbarung GOttes überall gepriesen wurde, als der Lehrer und Tröster genannt (Joh. 14,15.16.), der vom Vater und vom Sohne ausgeht und den Vater und Sohn innerlich in uns verklärt, wie auch bei der Taufe JEsu der Vater seine Liebe zum Sohn bezeugte und durch den Geist Ihn verherrlichte. So stehen diese drei höchsten Namen beisammen in JEsu Befehl an die Jünger, dass sie taufen sollen in dem Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes (Matth. 28); ebenso in dem höchsten Segenswunsch des neuen Bundes: „die Gnade unsers HErrn JEsu Christi, die Liebe GOttes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen“ (2 Kor. 13). Ja in einer Stelle, wo Paulus die Einheit GOttes behauptet im Gegensatz gegen alle Vielgötterei, da stellt er doch den Sohn dem Vater ganz gleich: „Wir haben Einen GOtt, den Vater, von welchem alle Dinge sind und wir durch Ihn, und Einen HErrn JEsum Christum, durch welchen alle Dinge sind und wir durch Ihn“ (1 Kor. 8). So sagt Petrus (I. 1,2.) wir seien erwählt nach der Vorsehung GOttes, des Vaters, durch die Heiligung des Geistes zur Besprengung des Blutes JEsu Christi. Und Johannes, nachdem er in den Himmel hineingesehen und alle göttlichen Verhältnisse, wie es nur irgend einem Menschen möglich ist, geschaut hatte, wünscht Gnade und Friede von GOtt, als dem, der ist und war und sein wird, von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Stuhl, d. h. von der siebenfachen Offenbarung des Geistes in den Grundkräften alles Lebens, und von JEsu Christo. In allen diesen Stellen erscheint ein dreifacher Unterschied im göttlichen Wesen, der aber zusammenzufassen ist mit den Worten: „und diese Drei sind Eins.“ Wie auf den Vater, ebenso sind wir auf den Sohn und auf den Geist getauft, und wie der Vater als Grund alles Heils und Segens genannt wird, ebenso der Sohn und der Geist. Wie der Vater ewig, allmächtig, allgegenwärtig, weise, barmherzig und heilig heißt, ebenso, der Sohn und der Geist. Folglich ist im göttlichen Wesen ein dreifacher Unterschied und doch ist nur Ein GOtt.
Unsere Vernunft wird das in Ewigkeit nicht begreifen: aber sollen wir es deswegen nicht glauben? Begreifen wir unsere Seele? Begreifen wir, wie durch unsere Augen die Bilder der Außenwelt in uns eingehen, durch die Zunge aber die innere Welt sich offenbart? Ja, begreifen wir, wie das Brot uns nährt, die Arznei uns gesund macht? Aber obgleich das Alles unerklärlich ist, so sehen, reden, essen und trinken wir doch. Wie viel mehr gilt es, das höchste Gut, GOtt, im Glauben anzunehmen, um das, was wir nicht begreifen können, in seiner seligen Wirkung immer mehr zu erfahren? Je mehr wir GOtt lieben, desto mehr erkennen wir Ihn, und je mehr wir innerlich mit Ihm Eins werden, desto mehr wird sein Wesen uns offenbar. Hier gilt es, die Vernunft gefangen zu nehmen unter den Gehorsam des Glaubens. Je mehr wir das tun, desto gewisser wird die heilige Dreieinigkeit sich uns aufschließen
II.
als eine unerschöpfliche Lebensquelle. Als das stellt unser Text das göttliche Wesen dar in den Worten: „von Ihm und durch Ihn und in Ihm sind alle Dinge,“ oder ganz wörtlich: „das ganze All ist aus Ihm, durch Ihn und zu Ihm.“ Diese drei Unterschiede haben eine tiefe Beziehung auf die Dreieinigkeit, sowohl wenn wir das Wesen GOttes selbst, als wenn wir seine Offenbarung betrachten. „Aus Ihm,“ das bezeichnet den Vater, aus welchem der Sohn das Wesen hat, oder nach Psalm 2 gezeugt ist, und aus welchem der Geist ausgeht nach Joh. 15,36. „Durch Ihn,“ das bezeichnet den Sohn, durch welchen der Vater sich selbst offenbart, indem Er sich selbst anschaut, erkennt und liebt, in dem das ewige Schaffen GOttes ruht, als in dem Abglanz der göttlichen Vollkommenheit. „In Ihm oder zu Ihm,“ das bezeichnet den heiligen Geist als die Einheit des Vaters und des Sohnes, als das Wesen, in welchem der Vater sich als vollkommen Eins erkennt mit dem Sohne und der Sohn mit dem Vater.
Wie so diese drei Unterschiede, die der Apostel macht, das göttliche Wesen selbst bezeichnen, so bezeichnen sie auch die Offenbarung GOttes an die Welt. „Aus oder von Ihm sind alle Dinge.“ Der Vater ist die Urquelle alles Seins und Lebens. Daher sah Johannes die 24 Ältesten im Himmel niederfallen vor GOtt und ihre Kronen niederwerfen vor Dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, mit dem Lob: „HErr, Du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn Du hast alle Dinge geschaffen und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen.“ Der Wille und das Schöpferwort des Vaters ist der Grund der ganzen Welt. Denn Er spricht, so geschieht es; Er gebeut, so steht es da. Wie die unermesslichen Himmelskörper, die Er wie Sandkörner hinausgestreut hat in den unendlichen Raum, so ist die Erde mit Allem, was darauf ist, das Meer und alle Berge, das Gras für das Vieh und die Saat zu Nutz dem Menschen, das Alles ist sein Werk. Und das Höchste der irdischen Schöpfung, unser unsterblicher Geist, er ist ein Hauch aus Ihm, dem Ewigen, der die Liebe ist und in Liebe sich selbst mitteilt.
Aber Alles hat Er geschaffen „durch den Sohn,“ von dem unser Text sagt: „durch Ihn sind alle Dinge.“ Der Sohn ist von Ewigkeit das der Welt zugekehrte Antlitz GOttes. Die unendliche Majestät und Heiligkeit GOttes würde die Kreaturen erdrücken, aber der Sohn sagt von Ewigkeit: „Ich spielte (wirkte mit Lust und Liebe) auf seinem Erdboden, und meine Lust ist bei den Menschenkindern“ (Sprichw. 8,31.). Von Uranfang sind alle Offenbarungen GOttes durch den Sohn vermittelt. Durch Ihn ist Alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, also die ganze leibliche und geistliche Schöpfung ist das Werk des Sohnes GOttes (Kol. 1,16.). Er ist vor Allem und es besteht Alles in Ihm. Wie Er die Welten (Äonen) gemacht hat, so trägt, erhält Er auch alle Dinge mit dem Wort seiner Allmacht (Hebr. 1). Auch wir haben unseren Lebenshauch durch Ihn nach 1 Kor. 8,6., wo Paulus Christum preist als den HErrn, durch welchen alle Dinge sind und wir durch Ihn.
Darum erhebe, meine Seele, den HErrn, und mein Geist freue dich GOttes, meines Heilandes! Alles, was du bist und was du hast, ist sein Werk und Geschenk, und was du, täglich genießt und um was du täglich zu beten hast, der Vater gibt es dir durch den Sohn. Denn der Sohn ist der ewige Mittler, in welchem alles Wohlgefallen des Vaters ruht; nur im Sohn kann der Vater die Kreatur lieben, nur um des Sohnes willen auch denen gnädig sein, die durch die Sünde von Ihm abgefallen und getrennt sind, und die das Feuer seiner Heiligkeit verzehren müsste, wenn nicht der Sohn ihre Natur an sich genommen und so in sich selbst sie geheiligt hätte. Wie daher Alles vom Vater nur durch den Sohn uns zukommt, so kommt auch Alles zum Vater nur durch den Sohn. Er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Er hat die Scheidewand durchbrochen, die von GOtt uns auf ewig trennte; Er hat unsere Sünden gebüßt und uns versöhnt mit GOtt; in Ihm haben wir den Zugang zum Vater, dass wir uns nicht mehr fürchten, sondern getrost kommen dürfen als die lieben Kinder.
Und dazu hilft uns der Geist, den unser Text bezeichnet mit den Worten: „in Ihm oder zu Ihm sind alle Dinge.“ Der Geist ist das göttliche Wesen in seiner Mitteilung an unser Wesen, wodurch wir mit GOtt vereinigt werden, so dass alles das, was GOtt als Schöpfer und Erlöser für uns getan hat, innerlich wird in uns, und wir nicht bloß an GOtt und an JEsum glauben, sondern in Ihm sind, wie JEsus sagt: „Alle sollen Eins sein, gleichwie Du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns Eines seien, gleichwie wir Eines sind“ (Joh. 17,21.). Solche wunderbare Vereinigung wirkt der Heilige Geist; Er vertritt die Heiligen nach dem, das GOtt gefällt; Er betet aus den Heiligen als GOtt in uns zu dem GOtt über uns und für uns, so dass unser Leben durch Ihn eingeht in GOtt und so zu seiner Bestimmung und zu seinem Ziel gelangt, daher die Worte „in Ihm“ eigentlich heißen „zu Ihm.“ GOtt ist wie der Ursprung und Grund, so fortwährend das Element und das Ziel von allem geistigen Leben. Ja, alle Dinge in der ganzen Kreatur müssen Ihm zur Ehre sein und Alles Ihn, als das Ziel der ganzen Schöpfung, verherrlichen, da der Wille GOttes in seiner höchsten Vollendung der ist: Alles in Allem zu sein.
Solche Verklärung in GOtt wirkt der heilige Geist. Wie Er unsere Seelen vereinigt mit GOtt, so wird Er auch unsere nichtigen Leiber verklären, dass sie ähnlich werden dem verklärten Leib JEsu; aber seine Lebensströme werden auch durch die ganze Wüste der Menschheit und der Erde stießen und werden die Wüste verklären in einen Garten GOttes, dass die ganze Kreatur, die jetzt sich sehnt und ängstet mit uns, frei wird vom Dienst des vergänglichen Wesens zur herrlichen Freiheit der Kinder GOttes (Röm. 8). Das wird geschehen, wenn Der, der auf dem Stuhle sitzt, das große Allmachtswort der Neuschöpfung durch die Himmel ruft: „Siehe, ich mache Alles neu.“ Nach solcher Erneuerung des Alls durch den dreieinigen GOtt werden seine Knechte Ihm dienen als Priester und Könige; dann werden sie sehen sein Angesicht und sein Name wird an ihren Stirnen sein, und GOtt, der HErr, wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Zu solcher Teilnahme an der vollkommenen Offenbarung der heiligen Dreieinigkeit sind wir berufen. O wie sehen wir im Licht solcher Verheißungen und Wahrheiten eine unerschöpfliche Quelle von Friede und Freude, von Leben und Seligkeit aufgetan! Und welch Helles Licht geht durch die Erkenntnis des Dreieinigen für unsere ganze Gotteserkenntnis uns auf! Der GOtt, den unsere Vernunft erkennt, ist entweder ein für sich einsames, von uns Millionen Meilen weit getrenntes Wesen, dessen unnahbare Unendlichkeit die einmal geschaffene Welt sich selbst überlässt, oder es ist ein mit der Welt vermischtes, mit ihr werdendes und von ihr abhängiges Wesen. Zu einem solchen GOtt haben wir kein Herz, keine Liebe, kein Vertrauen, nicht einmal wahre Furcht vor Ihm. Dagegen wenn wir im Sohn den Vater sehen und wenn der Geist uns vereinigt mit dem Vater und mit dem Sohn, dann haben wir einen nahen und lebendigen GOtt, der zwar hoch erhaben über uns und über aller Welt thront, der aber doch für uns, ja in uns sich offenbart. Ja, wohin wir blicken, sehen wir da uns wie umringt von göttlichen Gnadenkräften und umfangen von der Liebe, die auf so vielfache Weise sich uns mitteilt, an der wir den Vater haben, der die ganze Schöpfung uns zum Segen und zur Freude macht, den Erlöser, der alle unsere Feinde überwunden hat und als unser Bruder wie als unser GOtt uns den Himmel offen zeigt, und unseren Tröster und Lehrer, der uns in alle Wahrheit leiten, mit aller Kraft uns ausrüsten, ja mit GOtt vereinen will auf ewig.
O Geliebte, wem klopft nicht das Herz vor hoher Festfreude, dass der dreieinige GOtt sich so zu uns herablässt und uns arme Menschenkinder so herrlich in sich erheben will! Wie klein, ach, wie klein ist die ganze Welt gegen diese Ehre und Herrlichkeit in GOtt! Wie dürfen irdische Dinge unseren Geist gefangen nehmen und hindern, das zu werden, wozu der dreieinige GOtt uns bestimmt hat, Tempel des lebendigen GOttes, denen das Wort gilt: „Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln.“
Aber wie gelangen wir dazu? Auf diese große Frage will ich nur kurz aus dem heutigen Evangelio antworten: „Es sei denn, dass Jemand von Neuem geboren werde, so kann er das Reich GOttes nicht sehen,“ heute und in der Ewigkeit kann er das Reich GOttes nicht einmal sehen. - Ernste Worte! Nur so viel wir wiedergeboren oder bekehrt sind, nur so viel stehen wir in Gemeinschaft mit dem dreieinigen GOtt; so viel wir aber noch zurück sind in der Wiedergeburt oder Bekehrung, zurück in demütiger Buße, lebendigem Glauben und ernstlicher Heiligung, so viel sind wir vom dreieinigen GOtt getrennt, getrennt von Dem, der unser Leben, unsere ewige wahre Freude und Hoffnung ist. O wer wollte so getrennt sein von seinem Ursprung und Element, wer nicht Alles fahren lassen, was ihn hindert an der Gemeinschaft mit dem höchsten Gut, mit GOtt. Alle Himmel verkündigen seinen Ruhm, alle Cherubim und Seraphim lobsingen: „Heilig, heilig, heilig ist GOtt, der HErr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Auch unser Leben soll Ihm geheiligt sein, unsere Seelen und Leiber seien seine heiligen Opfer, und aus unserem ganzen Wandel töne das Lob unseres Textes: dem großen GOtt, Vater, Sohn und Geist, von welchem, durch welchen, zu welchem alle Dinge sind, dem sei Ehre in Ewigkeit! Amen.